Urteil des LSG Bayern vom 12.12.2002

LSG Bayern: private krankenversicherung, unrichtige auskunft, heilbehandlung, private krankenkasse, falsche auskunft, einkünfte, amtshandlung, verwaltungshandeln, abgrenzung, vorverfahren

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 12.12.2002 (rechtskräftig)
S 9 V 7/00
Bayerisches Landessozialgericht L 18 V 16/01
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.02.2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu
erstatten sind.
Der Kläger begehrt als Rechtsnachfolger seines am 22.05.1995 verstorbenen Vaters, des Versorgungsberechtigten
(VB) W. F., die Erstattung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung. Der VB bezog seit 1954 eine
Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 90 vH. Als Schädigungsfolgen waren mit
Bescheid vom 06.05.1997 anerkannt: 1. Teilverlust des linken Oberschenkels (Einzel-MdE 70 vH) 2. Reizlose Narbe
nach operativer Behandlung einer tuberkulösen Erkrankung des 9. Brustwirbels bis 1. Lendenwirbels,
Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule (Einzel-MdE 30 vH).
Der VB beantragte mit Schreiben vom 18.10.1993 die Übernahme der Kosten seiner privaten Krankenversicherung
gem § 27 Buchst a BVG iVm dem Bundessozialhilfegesetz (durch die Kriegsopferfürsorge), da er seinen
Lebensunterhalt nicht aus einer Schwerkriegsbeschädigtenrente und weiterem Einkommen und Vermögen bestreiten
könne. Er legte einen Versicherungsschein der Vereinten Krankenversicherung vom 15.08.1993 vor, wonach der
Krankenversicherungsbeitrag (für ihn allein) monatlich 1.088,08 DM betrug.
Der Beklagte leitete diese Schreiben nicht der für die Anwendung des § 27 Buchst a zuständigen Kriegsopferfürsorge
zu, sondern teilte dem Kläger mit Schreiben vom 08.11.1993 mit, dass ein Anspruch auf Heilbehandlung nach dem
BVG wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE) abgelehnt werden müsste. Die Höhe der zu
berücksichtigenden Einkünfte habe bereits im Bescheid vom 27.06.1990 die Zahlung einer Ausgleichsrente ab Juli
1987 ausgeschlossen.
Der Beklagte lehnte einen am 19.11.1992 gestellten Antrag des Klägers auf erneute Bewilligung von Ausgleichsrente
mit Bescheid vom 17.11.1994 mit der Begründung ab, er habe ohne verständigen Grund auf Einkünfte aus
Hausvermögen verzichtet. In diesem Bescheid teilte er dem Kläger zugleich mit, die Einkommensüberprüfung habe
ergeben, dass sein Einkommen die JAE der gesetzlichen Krankenversicherung voraussichtlich nicht übersteigen
werde. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht als Folge
einer Schädigung anerkannt seien, wären somit erfüllt (§ 10 Abs 2 iVm Abs 7 a BVG). Der Beklagte empfahl dem
Kläger des Weiteren die Übernahme der privaten Versicherungskosten gem § 10 Abs 2 BVG im Rahmen der
Heilbehandlung zu beantragen. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.11.1994 war erfolglos
(Widerspruchsbescheid vom 19.11.1996). Die hiergegen erhobene Klage wurde abgewiesen (S 9 V 77/96). Im
anschließenden Berufungsverfahren L 18 V 44/98 erklärte sich der Beklagte im Wege eines Anerkenntnisses am
03.03.1999 vor dem Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) bereit, Ausgleichsrente ohne Berücksichtigung von
(fiktiven) Einkünften aus einem bestimmten Hausanwesen ab 01.11.1992 neu zu berechnen. Mit
Ausführungsbescheid vom 19.03.1999 gewährte der Beklagte ab 01.11.1992 wieder Ausgleichsrente.
Mit Schreiben vom 23.01.1995 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er voraussichtlich Anspruch auf
Heilbehandlung gem § 10 Abs 2 BVG habe, wenn die JAE für 1995 unterschritten werde. Die Kosten der privaten
Krankenversicherung könnten jedoch nicht, wie im Bescheid (vom 17.11.1994) angegeben, übernommen werden. Eine
Begründung hierfür gab der Beklagte nicht an.
Der Beklagte holte am 01.04.1999 von der privaten Krankenversicherung des VB eine Auskunft ein, wonach der VB
vom 01.05.1988 bis 01.06.1995 voll gegen Krankheitskosten versichert gewesen ist. Die Erstattung von Beiträgen zur
privaten Krankenversicherung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.04.1999 mit der Begründung ab, das
Versicherungsverhältnis sei nicht im Zusammenhang mit der unrechtmäßigen Verwaltungsentscheidung
(Nichtgewährung der Ausgleichsrente) zu sehen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom
18.02.2000 zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, der VB habe für die Behandlung der anerkannten
Schädigungsfolgen von der AOK Schweinfurt rote Bundesbehandlungsscheine in Anspruch genommen (§ 10 Abs 1
BVG). Bundesbehandlungsscheine zur Behandlung von schädigungsfremden Erkrankungen (§ 10 Abs 2 BVG) bzw
zur Krankenbehandlung des Ehegatten und der Kinder (§ 10 Abs 4 a BVG) habe er nicht beantragt und seien auch
nicht abgelehnt worden. Die Zahlung von Ausgleichsrente sowie auch der Entzug dieser Versorgungsleistung habe
keinen Einfluss auf die Gewährung von Heil- und Krankenbehandlung nach § 10 Abs 2, 4 a BVG.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger die Erstattung der vom VB
geleisteten Versicherungsbeiträge zur privaten Krankenversicherung begehrt. Der Beklagte hat mit Schreiben vom
01.08.2000 einen widerruflich geschlossenen Vergleich widerrufen, mit dem er sich bereit erklärt hatte, die
Aufwendungen des VB für die private Krankenkasse vom 01.10.1993 bis einschließlich Mai 1995 in angemessener
Höhe zu erstatten. Der Beklagte berief sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.01.1975 (Az: 10 RV
63/74), wonach der Ersatz von Aufwendungen für eine Krankenversicherung ausdrücklich auf den Fall beschränkt
wurde, dass der Berechtigte nach Wegfall des Anspruchs auf Heilbehandlung eine private Krankenversicherung
abgeschlossen hatte und der Anspruch im Vorverfahren oder durch gerichtliche Entscheidung rechtsverbindlich wieder
zuerkannt wurde. Eine ausdehnende Auslegung des § 18 Abs 2 S 3 BVG (jetzt § 18 Abs 4 S 2 BVG) auf Fälle, die
nicht diesem Sachverhalt entsprächen, sei ausgeschlossen. Ein Herstellungsanspruch scheitere schon deshalb, weil
einem solchen Anspruch für die Vergangenheit keine weitergehende Wirkung als für vier Jahre beigelegt werden könne
und der VB 1995 gestorben sei. Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 22.02.2001 abgewiesen und sich die
ablehnende Begründung des Beklagten zu eigen gemacht.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, § 18 Abs 4 BVG müsse
vorliegend ausdehnend ausgelegt werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 22.02.2001 und den Bescheid des Beklagten vom 12.04.1999
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die vom
VB von Oktober 1993 bis Mai 1995 an die Vereinte Krankenversicherung geleisteten Versicherungsbeiträge abzüglich
der aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Witwerrente) geleisteten Zuschüsse zu erstatten.
Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 22.02.2001
zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten des VB, die Archivakte des Bayer. Landessozialgerichts
(LSG) L 18 V 44/98 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung des VB gem § 18 Abs 4
S 3 BVG oder im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches.
Der geltend gemachte Ersatzanspruch lässt sich nicht auf § 18 Abs 4 S 3 BVG (seit dem KOV-Strukturgesetz 1990
vom 23.03.1990 - BGBl I S 582 - früher Abs 2 Satz 3) stützen. Nach dieser Vorschrift sind
Krankenversicherungsbeiträge in angemessenem Umfang zu ersetzen, wenn der Berechtigte nach Wegfall des
Anspruchs auf Heil- oder Krankenbehandlung einer Krankenkasse beigetreten ist und der Anspruch im Vorverfahren
oder im gerichtlichen Verfahren rechtsverbindlich wieder zuerkannt wird.
Der VB hatte als Schwerbeschädigter nicht nur Anspruch auf Heilbehandlung für die als Schädigungsfolgen
anerkannten Gesundheitsstörungen (§ 10 Abs 1 S 1 BVG), sondern auch für schädigungsfremde
Gesundheitsstörungen (§ 10 Abs 2 BVG). Ein Anspruch nach Abs 2 ist aber ausgeschlossen, wenn der Berechtigte
ein Einkommen hat, das die JAE der gesetzlichen Krankenversicherung übersteigt (§ 10 Abs 7 Satz 1 Buchst a
1.Halbs.). Diese - vom Beklagten nicht genannte - gesetzliche Regelung lag dem Schreiben vom 08.11.1993
zugrunde, wenn er ausführt, ein Anspruch auf Heilbehandlung nach dem BVG müsste wegen Überschreitung der JAE
abgelehnt werden.
Schließt ein Schwerbeschädigter eine private Krankenversicherung ab, so beeinflusst dies seine Ansprüche auf Heil-
und Krankenbehandlung nicht (BSG SozR 3-3100 § 18 Nr 1). Das Versorgungsrecht kennt aber grundsätzlich keine
Beihilfe zu den Aufwendungen eines VB für die (private) Krankenversicherung. Allein in Form eines pauschalierten
Schadensersatzes findet sich ein derartiger Anspruch in § 18 Abs 4 S 3 BVG für den Fall, dass der Entschluss zum
Abschluss einer Privatversicherung durch ein rechtswidriges Handeln der Verwaltung verursacht wird (aaO). Verneint
die Verwaltung einen vordem bestehenden Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung, hat der VB zu entscheiden,
wie er den Zeitraum überbrückt, in dem über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung gestritten wird. Er kann die
Behandlungskosten in voller Höhe selbst tragen und ihre Erstattung in angemessenem Umfang verlangen, sofern ihm
der Anspruch auf Heil- oder Krankenbehandlung rechtsverbindlich rückwirkend wieder zuerkannt wird. Er kann aber
auch durch den Abschluss einer privaten Krankenversicherung die Kostenbelastung während des Streites in
überschaubaren Grenzen halten. Geschieht dies, so wertet der Gesetzgeber die hierdurch entstandenen
Aufwendungen als Teil des durch die rechtswidrige Ablehnung entstandenen Schadens, der kraft ausdrücklicher
gesetzlicher Regelung übernommen wird. Es besteht aber keine Veranlassung, die abschließende Gesetzesregelung
ausdehnend auszulegen (aaO unter Verweisung auf SozR 3100 § 18 Nr 3). Aus welchen Gründen eine schon f r ü h e
r abgeschlossene Krankenversicherung aufrecht erhalten wird, solange über eine Anspruch auf Heil- und
Krankenbehandlung gestritten wird, lässt sich kaum feststellen, weil die Kausalität zwischen rechtswidrigem
Verwaltungshandeln und Schadenseintritt nicht offen zu Tage tritt. Nicht zuletzt wegen dieser Beweisschwierigkeiten
hat der Gesetzgeber den Anspruch auf Erstattung der Beiträge auf solche Sachverhalte beschränkt, in denen die
Kausalität nicht zweifelhaft ist, weil die Krankenversicherung erst n a c h Wegfall eines vorbestehenden
Versorgungsanspruches abgeschlossen wird. Eine ausdehnende Analogie ist auch aus verfassungsrechtlichen
Gründen nicht geboten (aaO). Es handelt sich bei § 18 Abs 4 S 3 BVG um eine Sonderregelung, durch die die Folgen
des rechtswidrigen Eingriffs der Verwaltung in ein bestehendes Versorgungsrechtsverhältnis ausgeglichen werden,
somit um eine Art Folgenbeseitigungsanspruch (BSG Urteil vom 27.11.1991 Az: 9a RV 1/90, iuris Nr KSRE
021573419).
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte durch das Schreiben vom 08.11.1993 in das
Versorgungsrechtsverhältnis des VB eingegriffen hat. Es ist auch ohne Belang, ob in der Mitteilung des Beklagten
vom 08.11.1993, Heilbehandlung müsste abgelehnt werden, bereits ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt zu
sehen ist oder ob es sich lediglich um ein (fehlerhaftes) Informationsschreiben gehandelt hat. Denn nach der og
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, sind Versicherungsprämien auch
dann nicht zu erstatten, wenn ein VB nach rechtswidriger Ablehnung der Heil- und Krankenbehandlung seine private
Krankenversicherung beibehält.
Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis lässt sich auch nicht aus dem sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
herleiten. Dieser hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder
bestehenden Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung gem §§ 15 und
14 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) verletzt hat (vgl BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 8). Ferner muss zwischen
der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang
bestehen (BSG SozR 5070 § 10 Nr 31).
Der Beklagte hat mit seinem Schreiben vom 08.11.1993 pflichtwidrig eine unrichtige Auskunft erteilt. Dies ergibt sich
zwar nicht - wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 18.02.2000 unzutreffend ausführt - daraus, dass die
Zahlung oder der Entzug von Ausgleichsrente keinen Einfluss auf die Gewährung von Heil- und Krankenbehandlung
nach § 10 Abs 2 BVG hat. Denn das Einkommen des Berechtigten gemäß § 10 Abs 7 S 1 Buchst a BVG ist nach
den Grundsätzen für die Feststellung des der Berechnung der Ausgleichsrente zugrunde zu legenden
Bruttoeinkommens zu ermitteln. Dabei ist auch § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG
(Ausgleichsrentenverordnung - AusglV -) sinngemäß anzuwenden (so Verwaltungsvorschrift - VV - zu § 10 BVG Nr 9).
Nach § 1 Abs 2 S 2 AusglV ist die Ausgleichsrente so festzustellen, als hätte der Schwerbeschädigte die Verfügung
nicht getroffen, wenn er ohne verständigen Grund über Vermögenswerte in einer Weise verfügt hat, dass dadurch sein
bei der Feststellung der Ausgleichsrente zu berücksichtigendes Einkommen gemindert wird. Somit sind bei der
Berechnung des Einkommens gemäß § 10 Abs 7 S 1 Buchst a BVG auch Einkünfte zu berücksichtigen, die der
Berechtigte deshalb nicht erzielt, weil er ohne verständigen Grund über Vermögenswerte in einer Weise verfügt hat,
die einen verständigen Grund vermissen lässt. Hiervon ist der Beklagte in seinem Schreiben vom 08.11.1993 an den
VB (wohl) ausgegangen, wenn er schreibt, die Höhe der zu berücksichtigenden Einkünfte habe bereits im Bescheid
vom 27.06.1990 die Zahlung einer Ausgleichsrente ab Juli 1987 ausgeschlossen. Durch das Anerkenntnis des
Beklagten vom 03.03.1999 vor dem BayLSG hat der Beklagte eingeräumt, dass die Anrechnung eines fiktiven
Einkommens aus einem bestimmten Hausanwesen rechtswidrig gewesen ist und Ausgleichsrente (mindestens) ab
01.11.1992 (erneuter Antrag des VB) zugestanden hat. Die erteilte Auskunft vom 08.11.1993, ein Anspruch auf
Heilbehandlung bestehe wegen der JAE nicht, war daher unrichtig. Auch die späteren Auskünfte des Beklagten im
Bescheid vom 07.11.1994 und im Schreiben vom 23.01.1995 waren insoweit unrichtig, als dem VB jeweils mitgeteilt
wurde, ein Anspruch auf Heilbehandlung würde "voraussichtlich" bestehen.
Darauf, ob der Beklagte eine unrichtige Auskunft erteilt hat, kommt es indes nicht an, ebenso wenig, ob der VB auf
eine unrichtige Auskunft hin (weiterhin) Beiträge an seine private Krankenversicherung entrichtet hat. Selbst wenn
eine pflichtwidrige Auskunft und deren Ursächlichkeit für eine fortgesetzte Beitragszahlung feststünden, wären die
gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ersatz der Beitragsaufwendungen nicht erfüllt. Denn das Rechtsinstitut des
Herstellungsanspruchs kommt nur in den Fällen zum Tragen, in denen der durch das pflichtwidrige
Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann. Dagegen bleibt
für seine Anwendung in solchen Fällen kein Raum, in denen ein Nachteilsausgleich auf gesetzwidriges Handeln des
Leistungsträgers hinauslaufen würde. Hintergrund dieser von der Rechtsprechung angenommenen Differenzierung
zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
(Art 20 Abs 3 Grundgesetz, GG). Dieses lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie
davor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat (BSG SozR 3-4100 § 249 e Nr 4 mwN). Demgemäß lässt sich
mit Hilfe des Herstellungsanspruchs ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigen, als die Korrektur
mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Sinn und Zweck des Herstellungsanspruchs unter
Berücksichtigung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandeln und der Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch ist
es, dass im Wege des Herstellungsanspruchs nur eine Amtshandlung begehrt werden kann, die nicht nur nach ihrer
Bezeichnung, sondern auch nach ihrer wesentlichen Struktur im Gesetz vorgesehen ist. Die Abgrenzung zum
Schadensersatzanspruch hat sicherzustellen, dass der Herstellungsanspruch keine verkappte Verurteilung zum
Schadensersatz in Geld ermöglicht (BSG SozR 2200 § 1303 Nr 27). Dem kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn
- wie hier - zur Wiederherstellung eine Geldleistung erstrebt wird. Der Herstellungsanspruch soll als Institut des
Verwaltungsrechts eine Lücke im Schadensersatzrecht schließen. Dem Geschädigten ist idR mit der Herstellung des
bei pflichtgemäßem Verhalten des Leistungsträgers bestehenden Zustandes iS einer Naturalrestitution besser gedient,
als mit Schadensersatz in Geld. Die für Amtshaftungsklagen zuständigen Zivilgerichte hingegen dürfen nicht zu einer
Amtshandlung verurteilen, auch nicht, wenn diese der Naturalrestitution dient (aaO).
Ein Herstellungsanspruch ist nach den Grundsätzen der Heilbehandlung hier ausgeschlossen. Der Ersatz von
Beitragsleistungen ist abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Sonderfall des § 18 Abs 4 S 3 BVG dem
Versorgungsrecht fremd. Das Recht der Heil- und Krankenbehandlung beruht auf dem Sachleistungsprinzip
(Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 7.Aufl, § 18 Buchst c RdNr 10 und § 10 RdNr 30). Die
Leistungen nach den §§ 10 bis 24 a BVG werden als Sachleistung erbracht (§ 18 Abs 1 S 1 1.HS BVG). Ausnahmen
vom Sachleistungsprinzip, wie sie in § 18 Abs 3 und 4 BVG normiert sind, sind hier nicht einschlägig, da der Kläger
nicht die Erstattung notwendiger Behandlungskosten für eine selbst durchgeführte Heilbehandlung des VB begehrt,
sondern Ersatz für geleistete Beiträge fordert. Ein solcher Ersatz ist vom Gesetz nicht vorgesehen und kann daher
auch nicht im Wege des Herstellungsanspruches zugesprochen werden.
Bei dieser Rechtslage kann es der Senat dahingestellt lassen, ob - wie der Beklagte meint - in einem Fall wie dem
vorliegenden die Ausschlussfrist des § 44 SGB X einem Herstellunganspruch entgegensteht. Dies könnte fraglich
sein, da die Ausschlussfrist des § 44 SGB X beim Fehlen eines aufzuhebenden Verwaltungsaktes die
Verjährungsregelung des § 45 SGB I iVm § 204 Abs 1 Nr 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verdrängt (vgl
BSG SozR 2200 § 182 Nr 113 und SozR 3-1200 § 45 Nr 6).
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte es der Senat auch dahingestellt lassen, ob beim VB nicht ohnehin -
unabhängig von seinem Einkommen - durchgängig ein Heilbehandlungsanspruch gemäß § 10 Abs 2 BVG bestanden
hat, weil ihm der Rückausschlussgrund des § 10 Abs 7 S 1 Buchst a 2.Alt zugute gekommen wäre. Danach findet ein
Ausschluss der Heilbehandlungsansprüche nicht statt, obwohl das maßgebliche Einkommen die JAE übersteigt, wenn
der Berechtigte die Heilbehandlung wegen der als Folge einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörung nicht
durch eine Krankenversicherung sicherstellen kann. Nach Ansicht des Senats hätte beim VB dieser Rückausschluss
Anwendung finden können, obwohl er tatsächlich privat krankenversichert war. Der Abschluss einer privaten
Krankenversicherung war ihm nämlich nicht zumutbar. Eine Sicherstellung der Krankenversicherung (für die hier
maßgeblichen Nichtschädigungsfolgen) ist auch dann als unmöglich anzusehen, wenn die Bedingungen, zu denen
sich der Berechtigte versichern kann, unzumutbar sind, zB im Hinblick auf sehr hohe Risikozuschläge oder
Ausschluss des Versicherungsschutzes für bestimmte Krankheiten (vgl Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht,
Kommentar 7.Aufl § 10 RdNr 27). Zwar muss der Grund für die Unmöglichkeit der Sicherstellung in den anerkannten
Schädigungsfolgen liegen, es ist aber nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsprinzip ausreichend, wenn
die Schädigungsfolgen wesentliche Ursache sind, wobei eine annähernde Gleichwertigkeit der Ursachen genügt (vgl
aaO).
Einer Beschränkung des Klageanspruchs wegen geleisteter Zuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung zur
Krankenversicherung hätte es - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht bedurft, da der Bundesminister für
Arbeit (BMA) sich der Auffassung des BSG im Urteil vom 12.11.1996 - 9 RV 25/94 (SozR 3-3100 § 10 Nr 4) -
angeschlossen hat und im Rahmen der Ermittlung des Einkommens nach § 10 Abs 7 S 1 Buchst a und c BVG
abweichend von der VV Nr 9 zu § 10 BVG die Einkünfte nach § 2 Abs 1 Nr 15 AusglV (ua Zuschüsse der
gesetzlichen Rentenversicherung zur Krankenversicherung) nicht zu berücksichtigen sind (VR DEU BMA 1997-03-05
VI 3-52293 in juris Nr KSNR 007630219).
Ob ein Herstellungsanspruch im Rahmen der Kriegsopferfürsorge besteht, hatte der Senat nicht zu prüfen, da hierfür
der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (§ 51 Abs 1 Nr 6 Sozialgerichtsgesetz, SGG).
Soweit der Beklagte den VB falsch beraten hat und falls die Pflichtverletzung dafür ursächlich ist, dass der VB
weiterhin Beiträge zur Krankenversicherung bezahlt hat, kommt ein Amtshaftungsanspruch in Betracht (Art 34 GG
iVm § 839 BGB). Darüber ist jedoch nicht im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden. Für die Geltendmachung
eines solchen Anspruches ist vielmehr der Zivilrechtsweg eröffnet (Art 34 S 3 GG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).