Urteil des LSG Bayern vom 11.09.2003

LSG Bayern: anhaltende somatoforme schmerzstörung, fibromyalgie, zumutbare tätigkeit, medizinische rehabilitation, gutachter, leistungsfähigkeit, erwerbsfähigkeit, behinderung, rente, ausbildung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 12 RA 488/99
Bayerisches Landessozialgericht L 14 RA 103/02
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Dezember 2001 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1961 geborene Klägerin durchlief nach einer Tätigkeit als gelernte Erzieherin von 1989 bis 1994 eine Ausbildung
zur Diplom-Sozialpädagogin (FH) und war anschließend in diesem Beruf tätig. Ab 28.10.1996 bestand
Arbeitsunfähigkeit wegen einer in der Symptomatik seit 1993 bekannten Fibromyalgie, ab 21.04. 1998 bezog die
Klägerin Arbeitslosengeld.
Nach einem Heilverfahren in Bad F. im Zeitraum vom 20.01.1998 bis 17.02.1998 (Entlassungsdiagnosen:
Fibromyalgie, fehlstatisches Wirbelsäulensyndrom bei doppelkurviger thorakaler Krümmung, allgemeine
Gelenklaxizität bei konstitutioneller Bindegewebsschwäche, HWS-Syndrom bei monosegmentärer Instabilität C4/5;
sozialmedizinische Leistungsbeurteilung: Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin vollschichtig, ebenso wie leichte
körperliche Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken und ohne längere einseitige
Zwangshaltungen vollschichtig) stellte die Klägerin am 05.06.1998 wegen Fibromyalgie Rentenantrag. Die Beklagte
lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.10.1998 ab mit der Begründung, es bestehe ein Hypermobilitätssyndrom, das
einer gezielten und konsequenten muskelkräftigenden Übungsbehandlung zugänglich und besserungsfähig sei, sowie
Verdacht auf Fibromyalgie ohne nennenswerte funktionelle Beeinträchtigung im Erwerbsleben; die Klägerin sei trotz
dieser Befunde noch in der Lage, in ihrem bisherigen Berufsbereich sowie auf dem allgemeinen Arbeitsfeld
vollschichtig tätig zu sein. Grundlage hierfür war ein orthopädisches Gutachten des Dr. R. , der die Diagnosen
"Verdacht auf generalisierte Fibro-myalgie, systemische Hypermobilität bei konstitutioneller Bindegewebsschwäche"
erhoben und die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Erzieherin bzw. für leichte bis mittelschwere Arbeiten abwechselnd im
Gehen, Stehen und Sitzen für vollschichtig arbeitsfähig gehalten hatte (Gutachten vom 01.10.1998).
Mit ihrem Widerspruch rügte die Klägerin mangelnde Kenntnisse des Gutachters über das Krankheitsbild der
Fibromyalgie und gab an, einer vollschichtigen Arbeit wegen Schmerzen in allen Körperbereichen nicht mehr
nachgehen zu können. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen des MDK in Bayern bei (sozialmedizinisches
Gutachten vom 14.08.1997, Diagnose: Fibromyalgie, mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit
sei nicht zu rechnen; Liste der bei der DAK gemeldeten Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen 1996/97; ärztliches
Attest des behandelnden Arztes Dr.W. vom 04.12.1997 im Rahmen eines Antrags auf medizinische Rehabilitation, in
dem von einer erheblichen, das Krankheitsbild mittragenden psychosomatischen Komponente die Rede war). Nach
Prüfung der Unterlagen durch den ärztlichen Dienst wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 07.04.1999 zurück.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und legte eine Anzahl ärztlicher
Unterlagen über Behandlungen in den Jahren 1993 bis 1996 vor.
Das SG zog Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.N. , Dr.B. , ärztliche Unterlagen des behandelnden Arztes
Dr.W. sowie des Arbeitsamts Ingolstadt, ferner eine Auskunft des letzten Arbeitgebers (Tätigkeit bei der Inneren
Mission im Stadtteilbüro M.: 80 % im Sitzen, ständiger Geräuschpegel durch Kommen und Gehen von Besuchern,
Wochenend- und Abendveranstaltungen bis 20.00 Uhr) bei. Es ließ die Klägerin sodann durch den Neurologen Dr.M. ,
den Orthopäden Dr.B. und anschließend auf ihren Antrag gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den
Orthopäden Dr.L. untersuchen und begutachten.
Dr.M. erhob auf neurologischem Gebiet einen durchwegs regelrechten Neurostatus und unauffällige Befunde im
Rahmen elektrophysiologischer Zusatzdiagnostik, konnte eine mögliche reaktive depressive Symptomatik jedoch
nicht ausschließen. Er diagnostizierte ein Fibromyalgie-Syndrom sowie eine leichte schmerzreaktive depressive
Verstimmung und ging in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung unter Berücksichtigung eines kranheitstypisch
schwankenden Beschwerdebildes aus neurologischer Sicht von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte
Arbeiten in häufig wechselnder Arbeitsposition, vorwiegend in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck
und ohne wirbelsäulenbelastendes Heben und Tragen von Lasten sowie ohne klimatische Schwankungen aus.
Lediglich Ausdauer, Leistungsmotivation und nervliche Belastbarkeit der Klägerin hielt er schmerzbedingt für (etwas)
eingeschränkt und empfahl - angesichts früherer gewisser Therapieerfolge von naturheilkundlich orientierten
Behandlungskonzepten und nicht ausgeschöpfter gängiger spezieller Schmerztherapien - ein Heilverfahren in einer auf
Fibromyalgie spezialisierten Fachklinik sowie eine ergänzende Begutachtung auf rheumatologisch-internistischem
Fachgebiet zur Klarheit, da er lediglich aus neurologischer Sicht das chronische Schmerzsyndrom und dessen
sozialmedizinische Auswirkungen bewertet habe. Der Gutachter verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass
auch psychosomatische und verhaltenstherapeutische Ansätze bislang keine Anwendung gefunden hätten (Gutachten
vom 06.11.2000).
Der Orthopäde Dr.B. stellte in seinem Gutachten vom 10.01.2001 das Vorliegen einer Fibromyalgie, eines zeitweilig
fehlstatischen Wirbelsäulensyndroms bei Skoliose mit mehr muskulärem Cervikal-Thorakal-Lumbalsyndrom sowie
eine Bindegewebsschwäche fest. Die Klägerin hatte bei der Untersuchung über starke ständige Kopfschmerzen,
Schmerzen in Rücken, Bauch, Beinen, Armen, Händen, Knien, Oberschenkeln und bei längerem Gehen in den
Fußgelenken geklagt, ferner über Herzschmerzen, häufige Durchfälle, Nahrungsmittelallergie, Schlafstörungen und
Schwierigkeiten bei der Versorgung ihres Haushaltes. Nach den Ausführungen des Gutachters konnte ein echter
Gelenkrheumatismus oder eine chronische rheumatische Polyarthritis angesichts des Fehlens jeglicher
Entzündungszeichen und negativer Rheumatests etc. ausgeschlossen werden. Nennenswerte
Funktionsbehinderungen aufgrund der erhobenen Diagnosen fand er nicht, auch fehlten nach seinen Darlegungen u.a.
Auswirkungen eines übergeordneten Krankheitsbildes der HWS. Leichte körperliche Tätigkeiten im üblichen
Tagesablauf waren nach seiner Auffassung sowohl von Seiten der oberen und unteren Gliedmaßen wie von Seiten der
Wirbelsäule möglich, wobei er dies weniger aus objektiven Befunden als aus dem Beschwerdebild ableitete. Für nicht
mehr zumutbar hielt der Gutachter schwere und mittelschwere Arbeiten im dauernden Gehen und Stehen, mit
Zwangshaltungen, unter Zeitdruck, mit Heben von Lasten und im Bücken. Anmarschwege zur Arbeit sah er nicht in
rentenrechtlich relevantem Umfang eingeschränkt, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ebenso wie eines
privaten Pkw hielt er für möglich. Heilmaßnahmen hielt er nicht für erfolgversprechend.
Zu einem anderen Ergebnis kam der von der Klägerin benannte Gutachter Dr.L. in seinem Gutachten vom 21.05.2001,
der nach ausführlicher Erhebung des Beschwerdebildes, eines klinischen Untersuchungsbefundes, insbesondere der
Druckschmerzhaftigkeit bei Palpation der Wirbelsäulen- und Gelenkabschnitte sowie der Weichteile und nach
allgemeiner, ausführlicher Erörterung des Krankheitsbildes der Fibromyalgie ein generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom
diagnostizierte, das zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in ihrer Tätigkeit als
Sozialpädagogin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führe. Nach den Ausführungen des Gutachters dazu waren
die Angaben der Klägerin über erhebliche körperliche und geistige Leistungseinschränkungen und fehlende Spannkraft
wegen mangelhaftem Nachtschlaf trotz freier Beweglichkeit aller Gelenke und ausreichender Kraftentfaltung bei der
körperlichen Untersuchung glaubhaft. Er hielt nurmehr leichte Tätigkeiten etwa zwei Stunden bis unterhalbschichtig für
möglich, ohne ausschließliches Gehen, Stehen oder Sitzen, ohne Zwangshaltungen, Zeitdruck, Akkord,
Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschicht, ohne Heben und Tragen von Lasten, Bücken, Arbeiten auf Leitern und
Gerüsten und an laufenden Maschinen, schließlich ohne Einwirkungen von extremer Kälte, Zugluft, Nässe und Lärm.
Um der Muskulatur eine Erholungspause zu gönnen, seien zusätzliche Arbeitspausen von 15 Minuten etwa alle 15 bis
30 Minuten angezeigt. Die Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein, die Ausdauer, die nervliche
Belastbarkeit, das Konzentrations- und Reaktionsvermögen seien deutlich herabgesetzt, längere Fahrzeiten mit dem
eigenen Pkw seien nicht mehr zumutbar. Die Aussicht auf Besserung in absehbarer Zeit bei entsprechenden
Heilmaßnahmen wurde bejaht, weitere fachärztliche Gutachten nicht für erforderlich gehalten.
Auf Anregung der Beklagten holte das SG eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr.M. zu den
Ausführungen des Dr.L. ein. Der Sachverständige blieb auch in Kenntnis des Gutachtens Dr.L. bei seiner
Einschätzung eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Arbeiten aus neurologischer Sicht, die er auf
orthopädischem Gebiet durch Dr.B. bestätigt sah. Er verwies darauf, dass Dr.L. eine stichhaltige Begründung für die
getroffenen Leistungseinschränkungen schuldig bleibe und seine gegenüber den früheren Gutachten weitergehenden
Einschränkungen im wesentlichen mit der Glaubhaftigkeit der Beschwerdeschilderung und dem typischen
Krankheitsbild begründe. (Stellungnahme vom 12.09.2001)
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 10.12.2001 ab. Es stützte sich im wesentlichen auf die Gutachten Dr.B. und
Dr.M. nebst dessen Zusatzstellungnahme vom 12.09.2001 und stellte fest, die Klägerin könne noch vollschichtige
Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Leistungseinschränkungen, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer
Sozialpädagogin, verrichten. Die Ausführungen des Dr. L. in seiner sozialmedizinischen Beurteilung überzeugten
dagegen nicht. Im Übrigen führten Phasen mit verstärkten Beschwerden zu vorübergehenden
Arbeitsunfähigkeitszeiten; nur in seltenen Ausnahmefällen würde nach der Rechtsprechung des BSG bei häufigen
Zeiten der Arbeitsunfähigkeit eine Erwerbsunfähigkeit angenommen (BSG SozR 3 - 2200 § 1247 Nr.14: vorhersehbar
ein bis zwei Tage Arbeitsunfähigkeit pro Woche).
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie verweist auf die Feststellungen im Gutachten des
Dr.L. und gibt an, ihre Arbeitskraft nicht mehr in wirtschaftlich relevanter Weise einsetzen zu können. Sie sei immer
wieder längeren Krankheitsschüben von mehr als den vom Erstgericht genannten ein bis zwei Tagen pro Woche
ausgesetzt.
Der Senat holte aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr.W. (05.09.2002), Dr.L. (22.10.2002), Dr.W.
(28.10.2002), Dr.S. (05.11.2002) und Dr. von K. (05.12.2002) ein. Letzterer bestätigte weiterhin unauffällige körperliche
Untersuchungsbefunde mit Ausnahme der Fibromyalgiepunkte an den typischen Stellen.
Der Senat ließ die Klägerin auf neurologisch-psychatrischem Fachgebiet durch Dr.M. untersuchen und begutachten.
Dieser erhob in seinem Gutachten vom 30.04.2003 aufgrund seiner Untersuchung (wie die Vorgutachter) einen
regelrechten neurologischen Status sowie einen regelrechten psychischen Befund, allerdings aufgrund der
anamnestischen Angaben mit Hinweisen für traumatische Erlebnisse in der Kindheit und auch während der Betreuung
der Mutter in den letzten Tagen vor deren Ableben 1986 nach einem Krebsleiden. Er diagnostizierte eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung und ordnete die auch bei seiner Untersuchung allein im Vordergrund stehende
fluktuierende Schmerzsymptomatik bei fehlenden Hinweisen für ein depressives Erleben von Krankheitswert dieser
Schmerzstörung zu. Der Gutachter, der hinsichtlich der Ausführungen des Dr.L. der dazu erfolgten ergänzenden
Stellungnahme des Dr.M. zustimmte, verwies darauf, dass in derartigen Fällen häufig auch die Kriterien für ein
Fibromyalgie-Syndrom erfüllt seien, insbesondere dann, wenn die Untersuchung federführend von internistischer oder
orthopädischer Seite durchgeführt werde. Unabhängig von der Diagnosestellung einer anhaltenden somatoformen
Schmerzstörung bzw. eines Fibromyalgie-Syndroms, beides seit Antragsstellung im Juni 1998 in unveränderter Form
bestehend, hielt Dr.M. aufgrund der Ausprägung der Schmerzsymptomatik mit einem insgesamt fluktuierenden
Verlauf noch leichte Arbeiten in wechselnder Ausgangsposition vollschichtig (8 Stunden täglich) für zumutbar, auch
die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagogin. Lediglich gefahrgeneigte Tätigkeiten, Arbeiten in Akkord-
oder Wechselschicht und unter Kälte-, Nässe- oder Staubeinflüssen seien zu vermeiden. Es sei der Klägerin
zumutbar, aus eigener willentlicher Anstrengung den bestehenden Zustand zu überwinden.
Der Gutachter, der die Umstellungsfähigkeit der Klägerin auf andere Erwerbstätigkeiten und die Aussicht auf
Besserung des Gesundheitszustandes bei Öffnung gegenüber den bekannten schmerztherapeutischen Maßnahmen
bejahte, hielt die Hinzuziehung weiterer Gutachten nicht für erforderlich.
Die Klägerin hat sich zu diesem Gutachten nicht mehr geäußert.
Sie beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10.12.2001 sowie des
Bescheides vom 28.10.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1999 zu verurteilen, der Klägerin
entsprechend ihrem Antrag Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfweise Berufsunfähigkeit, zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen
Rentenakten der Beklagten und die Heilverfahrensakten der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich
aber nicht als begründet.
Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin ist nicht erwerbs- oder hilfweise berufsunfähig im
Sinne der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem
01.01.2001. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf
weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung
und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die
Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten
entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen
Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig
ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu
berücksichtigen (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI in der vor dem 01.01.2001 gültigen Fassung).
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind,
eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen,
das monatlich 630,00 DM übersteigt (§ 44 Abs.2 Satz 1 SGB VI in der vor dem 01.01.2001 geltenden Fassung).
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs.1 und 2 in
der seit 01.01.2001 gültigen Fassung (Rente wegen teilweiser oder wegen voller Erwerbsminderung) noch nicht vor.
Danach sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit
außerstande sind, unter den üblichen Behindungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden
täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 SGB VI n.F.). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen
Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Behindungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.).
Die Klägerin kann auch nach der Überzeugung des Senats, die sich auf die erstinstanzlichen Ermittlungen sowie auch
auf die erneute Beweisaufnahme in zweiter Instanz stützt, weiterhin in ihrem bisherigen Berufsbereich wie auch auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig sein. Ihre Erwerbsfähigkeit ist zwar ohne Zweifel beeinträchtigt, doch
nicht in einem für sie rentenrechtlich relevanten Umfang.
Nach den Feststellungen des vom Senat beauftragten Gutachters Dr.M. liegt bei ihr eine auch die Kriterien einer
Fibromyalgie erfüllende anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit erheblichen körperlichen und psychosozialen
Beeinträchtigungen vor, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit zwar einschränkt, aber doch noch leichte körperliche
Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen zulässt. Es handelt sich bei dieser somatoformen Störung um
eine den neurotischen Störungen entsprechend der internationalen Klassifikation von Erkrankungen zuzuordnendes
Störungsbild (ICD 10), das durch das Auftreten verschiedener körperlicher Symptome in Form von diffusen, einem
raschen Wandel unterliegenden, nach kurzer Belastung auftretenden anhaltenden Schmerzen in bestimmten
Körperteilen gekennzeichnet ist. Nach den Ausführungen des Gutachters finden sich in der Entwicklungsgeschichte
vieler Patienten - wie auch bei der Klägerin - gehäuft traumatische Erlebnisse oder schwierige Lebensbedingungen; es
wird vermutet, dass Veränderungen der eigenen Körperwahrnehmung und Akzeptanz, aber auch persönliche
Einstellungen zu den Körperfunktionen und der eigenen Leistungsfähigkeit wichtige Verbindungsstücke zwischen den
traumatischen und belastenden Ereignissen einerseits und der Entstehung der somatoformen Symptomatik
andererseits darstellen.
Die Ausführungen des Sachverständigen zum Hintergrund der somatoformen Schmerzstörung bei der Klägerin
erscheinen vollständig nachvollziehbar und überzeugend, auch wenn sich die Klägerin selbst aufgrund ihrer Fixierung
auf ein rein somatisches Krankheitskonzept bisher einer psychodynamischen Genese ihrer Schmerzsymptomatik
verschließt. Der Senat schließt sich daher der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Dr.M. an. Diese steht
letztlich auch in Einklang mit den schlüssigen Darlegungen der in erster Instanz gehörten Gutachter Dr. M. und Dr.B. ,
die entsprechend der durch eine Vielzahl von ärztlichen Behandlungsberichten dokumentierten Befundlage vom
Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms ausgingen und die Auswirkungen der damit verbundenen chronischen
Schmerzen dahin beurteilten, dass die Klägerin jedenfalls noch leichte körperliche Arbeiten in wechselnder
Körperposition - so auch ihre letzte Tätigkeit - unter gewissen weiteren Bedingungen verrichten könne. Auch Dr.M.
stellt das Vorliegen der Kriterien einer Fibromyalgie nicht in Frage. Dabei handelt es sich um ein noch ungeklärtes
Krankheitsbild, das infolge der damit verbundenen Beschwerden das internistisch-rheumatologische, das
orthopädische und das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet berührt und bei dem ein primär somatisches
Krankheitsbild noch umstritten ist. Ein Minimalskonsens besteht nach heutiger medizinischer Auffassung insofern, als
es für die Diagnosestellung objektivierbare Befunde nicht gibt. (Labormäßige Parameter wie Erhöhung der Substanz P
und eine Veränderung des Serotonin-Spiegels finden sich laut Dr.L. auch bei anderen Erkrankungen mit chronischen
Schmerzen). Für die sozialmedizinisches Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist nach objektivierbaren und
nachvollziehbaren somatischen und psychischen Symptomen zu suchen, welche die Leistungsfähigkeit vermindern;
keinesfalls darf sich die Beurteilung allein auf die Beschwerdeschilderung des Betroffenen stützen.
Aus diesen Erwägungen schließt sich der Senat - ebenso wie das Erstgericht - nicht den Ausführungen des
Gutachters Dr.L. in seinem Gutachten vom 21.05.2001 an. Nach der Feststellung eines regelrechten orthopädischen
Befundes und fehlender sonstiger "harter" Untersuchungsbefunde (u.a. gute Gelenkbeweglichkeit, keinerlei auf
rheumatische Erkrankungen hinweisende Entzündungszeichen oder Laborparameter), ordnet er die bei der
Untersuchung der Klägerin gefundenen typischen Schmerzpunkte und den Verlauf der Schmerzerkrankungen einem
generalisierten Fibromyalgie-Syndrom zu und schließt ohne genaue Darlegung von Funktionseinschränkungen
aufgrund der "glaubhaften" erheblichen Schmerzsymptomatik und der Beschwerden der Klägerin auf deutliche
zeitliche und qualitative Leistungseinschränkungen auch für leichte körperliche Arbeiten, einschließlich der
Notwendigkeit regelmäßiger Pausen bereits nach 15 - 30 Minuten Muskeltätigkeit. Dies erscheint auch dem Senat so
nicht nachvollziehbar.
Es erschließt sich nicht, warum auch bei leichteren körperlichen Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der
Körperposition bei zumutbarer Willensanspannung nur eine Tätigkeit von zwei bis vier Stunden täglich möglich sein
sollte. Eine stichhaltige Begründung für die betroffene Einschränkung im gesamten streitigen Zeitraum seit
Antragsstellung bleibt Dr.L. - wie Dr.M. in seiner Stellungnahme vom 19.09.2001 feststellte, der sich auch Dr.M. im
Berufungsverfahren anschloss - schuldig.
Da nach alledem noch von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichtere körperliche Arbeiten
auszugehen ist, konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG
zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Der Senat konnte gem. § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem beide Beteiligten ihr
Einverständnis dazu erklärt haben.