Urteil des LSG Bayern vom 17.09.2008

LSG Bayern: budget, aufnahme einer erwerbstätigkeit, gesetzesänderung, geburt, familie, wechsel, eltern, minderung, beratung, berechnungsgrundlagen

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 17.09.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 9 EG 29/05
Bayerisches Landessozialgericht L 9 EG 26/06
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2006 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt für das erste Lebensjahr des Kindes M. die Bewilligung von Erziehungsgeld als Budget.
Die 1977 geborene Klägerin, eine verheiratete deutsche Staatsangehörige, beantragte am 25. März 2004 für die am
22.10.2003 in S. geborene Tochter M. Bundeserziehungsgeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes. Sie lebte
seit der Geburt mit dem Kind und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt in S., betreute und erzog das Kind
und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Sie war bei der Techniker-Krankenkasse B. pflichtversichert. Sie erhielt
für acht Wochen nach der Entbindung Mutterschaftsgeld.
In dem Antragsformular wird unter dem Punkt "Wichtig" darauf hingewiesen, dass sich der Antragsteller entscheiden
muss, ob das Erziehungsgeld als Regelleistung bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats (monatlich bis zu 307,00
EUR) oder nur bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats (Budget, monatlich bis zu 460,00 EUR) beantragt werden
soll. Die Entscheidung sei verbindlich. Werde keine Entscheidung getroffen, werde von der Regelleistung
ausgegangen. Die Antragstellerin beantragte für das erste Lebensjahr Erziehungsgeld als Regelleistung. Sie bestätigte
unterschriftlich, dass ihr bewusst sei, dass diese Entscheidung verbindlich sei, auch für ihren Partner im Falle eines
Berechtigtenwechsels. Ein Wechsel zwischen Budget und Regelleistung sei grundsätzlich nicht möglich. Dem Antrag
vom 21.03.2004 war die Lohnsteuerkarte 2003 des Vaters O. A. beigefügt.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 27.04.2004 Erziehungsgeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes
M ... Unter Berücksichtigung des Mutterschaftsgeldbezugs ergab sich für die Zeit vom 22.10.2003 bis 21.11.2003 ein
Anspruch auf 0,00 EUR, vom 22.11.2003 bis 21.12.2003 auf 47,00 EUR, dann für vier Monate bis 21.04.2004 307,00
EUR und ab 22.04.2004 bis 21.10.2004 118,00 EUR monatlich.
Auf der Rückseite des Bescheides findet sich folgender Hinweis: "Der Antrag für das zweite Lebensjahr kann
frühestens ab dem 22.06.2004 (= Beginn des neunten Lebensmonats des Kindes) gestellt werden. Der Folgeantrag
liegt den Informations- und Antragsunterlagen bei, denen Sie bereits den Erstantrag entnommen haben."
Am 27.03.2005 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das zweite Lebensjahr des Kindes M. unter Vorlage der
Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2004 für Vater und Mutter des Kindes. Mit Bescheid vom 04.04.2005
wurde der Antrag abgelehnt. Es sei das Einkommen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes (Kalenderjahr 2003)
maßgebend. Das zu berücksichtigende Einkommen betrage 22.207,84 EUR. Die Einkommensgrenze (16.500,00 EUR)
werde um 5.707,84 EUR überschritten. Auf den Regelbetrag in Höhe von 300,00 EUR seien 5,2 % von 5.707,84 EUR
(= monatlich 297,00 EUR) anzurechnen. Es komme deshalb kein Erziehungsgeld zur Auszahlung.
Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 04.05.2005 Widerspruch ein. Sie macht geltend, dass die
Antragsunterlagen ihr aufgrund der Ausführungen (z.B. Berechnungsschemata für das erste und das zweite
Lebensjahr) Rechtssicherheit für den gesamten Antragszeitraum bis einschließlich dem zweiten Lebensjahr vermittelt
hätten. In den Unterlagen werde betont, dass für das zweite Lebensjahr keine separaten Antragsunterlagen von Amts
wegen verschickt würden, sondern den Antragsunterlagen zu entnehmen seien. Die ihr gegebene bzw.
"vorgegaukelte" Rechtssicherheit sei entsprechend dem Bescheid somit plötzlich und ohne vorausgehende
Information der Betroffenen aufgegeben worden. Wäre aus den Informationen zu den Antragsunterlagen klar
hervorgegangen, dass sich die Berechnungsgrundlagen im zweiten Lebensjahr eventuell zu ihrem Nachteil verändern
können, hätte sie sich für das erste Lebensjahr sicherlich für eine Budgetierung des Erziehungsgeldes entschieden,
was einen Vorteil von rund 1.300,00 EUR erbracht hätte.
Der Bezug auf ein einziges Jahr an Einkünften widerspreche der gängigen Praxis der Antragsbearbeitung für die
Berechnung von Bundeserziehungsgeld, wie sie in den letzen Jahren gehandhabt worden sei. Wäre für die
Berechnung des Bundeserziehungsgeldes für das zweite Lebensjahr als Bezugsgröße für die Einnahmen das Jahr
2004 zugrunde gelegt worden, hätte dies einen Vorteil von rund 660,00 EUR erbracht. Für das zweite Lebensjahr
stünde ihnen ein Betrag von 1.860,00 EUR zu.
Der Beklagte berechnete daraufhin unter Berücksichtigung des Einkommens des zweiten Lebensjahres, ob sich eine
mindestens 20-ige Minderung des zu berücksichtigenden Einkommens ergebe und verneinte dies. Er wies mit
Widerspruchsbescheid vom 14.07.2005 der Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Erziehungsgeld für das zweite
Lebensjahr des Kindes richte sich nach den Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes - BErzg - in der
Fassung vom 17.02.2004. Die Entscheidung des Antragstellers für das Budget oder den Regelbetrag sei danach für
die volle Bezugsdauer verbindlich. Die Klägerin habe sich am 13.03.2004 für den Regelbetrag entschieden, so dass
eine Änderung nicht mehr möglich sei. Nur in den Fällen besonderer Härte sei eine einmalig rückwirkende Änderung
vom Budget zum Regelbetrag oder umgekehrt möglich. Gründe für das Vorliegen eines Falles besonderer Härte im
eben genannten Sinne seien nicht vorgebracht worden. Falsche, unzureichende oder fehlende Informationen über eine
Gesetzesänderung könnten nicht dazu führen, dass bei der Bearbeitung eines Erziehungsgeldantrags die aktuell
gültige Rechtslage unbeachtet bleibt. Das Gesetz sei in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden, unabhängig
davon, ob es für den Antragsteller zum Vor- oder zum Nachteil führe.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.08.2005 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Sie hat erneut geltend
gemacht, dass dem Antrag auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr Informationen zum Bundeserziehungsgeld
bzw. für dessen Berechnung und Beantragung zugrunde lagen. Grundlage dieser Ausführungen bildete das den
Antragsunterlagen zu entnehmende BErzgG, gültig für Geburten ab 01.01.2001. Wäre aus den Informationen zu den
Antragsunterlagen bei der Beantragung für das erste Lebensjahr klar hervorgegangen, dass sich die
Berechnungsgrundlagen im zweiten Lebensjahr eventuell zu ihrem Nachteil verändern könnten, hätte sie sich für das
erste Lebensjahr für eine Budgetierung des Erziehungsgeldes entschieden, was einen Vorteil von rund 1.300,00 EUR
erbracht hätte. Eine rechtliche Gleichstellung zu anderen Antragstellern mit einer Zeitgleichgeburt des Kindes, die das
Glück hatten, sich für die Budgetierung zu entscheiden, sei nicht gegeben. Das Kind sei vor dem 01.01.2004 geboren.
In § 24 BErzgG, gültig für Geburten ab 01.01.2001, würden keine ausschließenden Angaben für ein Kind mit
Geburtsdatum 22.10.2003 gemacht. In § 24 des nachfolgenden BErzgG, gültig für Geburten ab 01.01.2004, würden
Angaben hinsichtlich des Erziehungsgeldanspruchs für das zweite Lebensjahr bezogen auf das Geburtsdatum der
Tochter ausgeklammert. Es werde eine Zahlung von BErzg als Regelleistung für das zweite Lebensjahr des Kindes
M. beantragt. Das BErzg betrage hiernach für das zweite Lebensjahr insgesamt rund 1.860,00 EUR. Hilfsweise werde,
aufgrund der irreführenden Informationsgrundlagen eine einmalige Ausgleichszahlung in Höhe des Differenzbetrages
zwischen dem budgetierten und dem bisher erhaltenen nicht budgetierten Erziehungsgeld beantragt (1.300,00 EUR).
Der Beklagte wies in der Klageerwiderung darauf hin, dass der Gesetzgeber das erste und zweite Lebensjahr des
Kindes getrennt hat. Diese Grundstruktur habe bereits vor der Änderung des BErzgG für Geburten ab 01.01.2004
gegolten. Stichtagsregelungen führten naturgemäß zu subjektiv empfundenen Härten, die sich jedoch im Rahmen
eines einheitlichen Gesetzesvollzuges und der beabsichtigten Zielsetzung nicht vermeiden ließen. Das
Haushaltsbegleitgesetz 2004 habe bei der durchgeführten Gesetzesänderung insbesondere die
Haushaltskonsolidierung im Blick gehabt. Dies wurde dem Vertrauensschutz der Eltern gegenüber gestellt. Das BErzg
honoriere die Erziehungstätigkeit der Eltern. Es solle dazu beitragen, dass sich ein Elternteil in der ersten
Lebensphase eines Kindes dessen Betreuung und Erziehung widme und es solle einen finanziellen Anreiz für die
Kindererziehung schaffen, nicht aber die durch die Geburt und die Betreuung des Kindes entstandenen finanziellen
Folgen auffangen, zumal neben dem Bezug von Erziehungsgeld eine Erwerbstätigkeit bis zu 30 Wochenstunden nicht
anspruchsschädlich sei. Damit komme dem Erziehungsgeld im Gegensatz zu anderen Familienleistungen auch eine
ideelle Funktion zu. Eine nachträgliche Änderung der Erziehungsgeldart vom Regelbetrag zum Budget sei wegen der
veränderten Gesetzeslage im vorliegenden Fall nicht möglich. Das geänderte BErzgG für das zweite Lebensjahr bzw.
für Geburten ab 01.05.2003 sei am 17.02.2004 in BGBl. I S.207 bekannt gemacht worden, d.h. während des
Leistungsbezugs für das erste Lebensjahr des Kindes und damit geraume Zeit vor Leistungsbeginn für das zweite
Lebensjahr. Die Ankündigung der Änderungen im Zuge der Sparmaßnahme habe schon Monate vorher in der
Öffentlichkeit zur Diskussion gestanden. Bei gegebenem Sachverhalt könne die Argumentation " ... wenn die Klägerin
bei Antragstellung gewusst hätte ..." zu keiner anderen Entscheidung führen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG ihren Antrag dahingehend eingeschränkt, dass der
Beklagte verpflichtet werde, für M. vom ersten bis zwölften Lebensmonat Erziehungsgeld als Budget zu bezahlen.
Das SG hat dem Antrag mit Urteil vom 16.01.2006 stattgegeben. Es hat festgestellt, dass der Bescheid des
Beklagten vom 04.04.2005 sachlich und rechnerisch richtig sei. Die für die Berechnung des Erziehungsgeldes im
zweiten Lebensjahr geänderten wesentlichen Umstände habe der Beklagte ausnahmslos berücksichtigt. Er habe das
durch den Steuerbescheid 2003 bekannte Einkommen des Ehegatten der Klägerin im Kalenderjahr 2003 korrekt
zugrunde gelegt. Auch die Berechnung sei zutreffend. Zu Unrecht habe er jedoch die rückwirkende Änderung auf das
Budget aufgrund eines Härtefalles abgelehnt. Die Regelung treffe keine abschließende Aufzählung von Härtefällen und
nenne als Beispielsfälle Ereignisse von äußerst unterschiedlicher Qualität. Gemeinsam sei den Beispielsfällen, dass
sich die Antragsteller plötzlich oder - wie im Fall der erheblich gefährdeten wirtschaftlichen Existenz - retrospektiv in
einer Situation befänden, in der sich die einmal getroffene Entscheidung für das Budget bzw. die Regelleistung als
ökonomisch weniger günstig (gemessen an den neu eingetretenen Umständen) erweise. Für die Annahme einer
besonderen Härte dürften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das SG hat die Heranziehung und
Anwendung der Härtefallregelung nicht nur für rechtlich zulässig, sondern für verfassungsrechtlich geboten gehalten.
Damit sei der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die rückwirkende Änderung auf das Budget einzuräumen. Im
Übrigen bestünden im konkreten Fall auch die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, weil
zum Zeitpunkt der Antragstellung auf BErzg (25.03.2004) die Neuregelung des BErzgG bereits in Kraft getreten war.
Dies hätte den Beklagten zumindest verpflichtet, im Bewilligungsbescheid vom 27.04.2004 auf die neue Rechtslage
hinzuweisen. Denn zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei bereits rechtlich klar gewesen, dass sich für den 13. bis
24. Lebensmonat unter Zugrundelegung des Einkommens für das Kalenderjahr 2003 kein Auszahlungsbetrag ergeben
hätte. Damit müsse die Klägerin auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als
hätte sie von Anfang an die Budgetleistung beantragt.
Gegen das am 03.03.2006 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte am 15.03.2006 Berufung eingelegt. Er macht im
Wesentlichen geltend, dass der Antragsvordruck den Hinweis enthalten habe, dass diese Entscheidung verbindlich
und ein Wechsel zwischen Regelleistung und Budget grundsätzlich nicht möglich sei. Bei den Härtefalltatbeständen
handele es sich um individuelle Tatbestände, die einen besonderen Lebenssachverhalt der Familie widerspiegeln. Die
Lebensplanung der Familie müsse aus familiären Gründen eine unvorhergesehene wesentliche Änderung erfahren
haben. Eine Änderung der Lebenssituation der Familie sei im strittigen Fall nicht ersichtlich. Es stehe ausschließlich
die Handlungsabsicht des Gesetzgebers zur Haushaltskonsolidierung im Vordergrund. Er habe bewusst keine
Übergangsregelung in der Neufassung des BErzgG aufgenommen und ausdrücklich an der Stichtagsregelung
festgehalten. Ebenso sei keine Günstigkeitsprüfung vorgesehen, um Nachteile für die Anspruchsberechtigten zu
vermeiden. Des Weiteren verweist der Beklagte auf sein Vorbringen in der ersten Instanz.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.01.2006 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre Schreiben im Verwaltungsverfahren und im erstinstanzlichen Verfahren.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie des SG Nürnberg und auf
die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, insgesamt zulässige Berufung des Beklagten (§ 143 f.
Sozialgerichtsgesetz - SGG -) erweist sich als in der Sache begründet.
Die Entscheidung des SG, der Klage stattzugeben, ist nicht zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die
Budgetleistung für das erste Lebensjahr des Kindes M ...
Die gemäß § 54 Abs.4 SGG zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage wurde im Klageverfahren im Leistungsteil
umgestellt. Dies war zulässig, da im Widerspruch gleichzeitig ein Leistungsantrag auf das Budget zu sehen ist.
Ein Anspruch für das zweite Lebensjahr des Kindes wird von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht. Ein Anspruch
auf das Budget für das erste Lebensjahr des Kindes (22.10.2003 bis 21.10.2004) besteht nicht. Grundlage der
Entscheidung, welches Einkommen im zweiten Lebensjahr maßgeblich ist, ist das BErzgG in der Fassung vom
17.02.2004. Dieses Gesetz gilt zwar grundsätzlich für Geburten ab 01.01.2004. § 24 Abs. 2 BErzgG in der genannten
Fassung enthält allerdings folgende Übergangsvorschrift: "Für Geburten vor dem 01.01.2004 und die vor diesem
Zeitpunkt bei der berechtigten Person aufgenommenen Kinder richtet sich der Anspruch auf Erziehungsgeld für das
erste Lebensjahr nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung, für Geburten
vor dem 01.05.2003 und die vor diesem Zeitpunkt bei der berechtigten Person aufgenommenen Kinder richtet sich der
Anspruch auf Erziehungsgeld für das zweite Lebensjahr nach den Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum
31.12.2003 geltenden Fassung". Daraus ergibt sich, dass für das Kind M. der Anspruch für das zweite Lebensjahr
nach dem BErzgG in der Fassung vom 17.02.2004 zu berechnen ist.
Das Gesetz enthält eine Neuregelung hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens. Gemäß § 6 Abs.2 Satz 2
BErzgG ist für die Berechnung des Erziehungsgeldes im zweiten Lebensjahr das Einkommen im Kalenderjahr der
Geburt des Kindes maßgebend. In der früheren Fassung war das voraussichtliche Einkommen des Folgejahres des
Geburtsjahres entscheidend. Als Einkommen gilt die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu
vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs.1 und 2 EstG abzüglich 24 v.H. (§ 6 Abs. 1 Satz
1 1. Halbsatz BErzgG). Die Minderung bei Überschreitung der Einkommensgrenze beträgt 5,2 % nach § 5 Abs.4 Satz
2 BerzgG. Der Beklagte hat das im Steuerbescheid festgesetzte Einkommen des Ehegatten der Klägerin im
Kalenderjahr 2003 korrekt zugrunde gelegt. Aufgrund der Gesetzesänderung ergab sich für das zweite Lebensjahr des
Kindes kein Anspruch auf BErzg.
Trotzdem ist die rückwirkende Änderung auf das Budget aufgrund eines Härtefalles nach § 5 Abs.1 Satz 4 i.V.m. § 1
Abs.5 BErzgG n.F. rechtlich nicht zulässig.
Ein Härtefall gemäß § 5 Abs.1 Satz 4 BErzgG n.F. liegt nicht vor. Nach § 5 Abs.1 Satz 4 BErzgG n.F. i.V.m. § 1
Abs.5 BErzg ist eine einmalige rückwirkende Änderung möglich in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei
schwerer Krankheit, Behinderung oder Tod eines Elternteils oder eines Kindes oder bei erheblich gefährdeter
wirtschaftlicher Existenz oder bei der Geburt eines weiteren Kindes und nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der
berechtigten Person in den ersten sechs Lebensmonaten, die dazu führt, dass der Anspruch auf das Budget entfällt.
Die beispielhaft aufgeführten Tatbestände liegen nicht vor.
Nach Auffassung des SG ist diesen Härtefallbeispielen der Umstand gemeinsam, dass sich aufgrund von neu
hinzugetretenen Umständen - wobei Umstände in der Person des Kindes, des Antragstellers, des Ehegatten oder
Lebenspartners des Antragstellers, unverschuldete und selbst verschuldete Umstände, berechenbare (z.B. die Geburt
eines weiteren Kindes) und unvorhersehbare Umstände gleichwertig behandelt werden - eine zum Zeitpunkt der
Entscheidung getroffene Wahl, sich im Nachhinein (bei bestandskräftigem Bewilligungsbescheid) als ökonomisch
ungünstig erweist. Diese Ausführungen treffen zwar zu, jedoch verkennt das SG, dass es sich bei den
Härtefalltatbeständen um individuelle Tatbestände handelt, die einen besonderen Lebenssachverhalt der Familie
widerspiegeln. Die Lebensplanung der Familie muss aus familiären Gründen eine unvorhergesehene wesentliche
Änderung erfahren haben.
Bei der Prüfung, ob ein besonderer Härtefall im Sinne des § 5 Abs.1 Satz 4 BErzgG n.F. vorliegt, ist immer auf den
Einzelfall abzustellen und das Vorliegen eines Härtefalles kann nicht pauschal für einen zwar bestimmten, aber weit
gefassten Personenkreis festgestellt werden. Eine Änderung der Lebenssituation der Familie liegt im strittigen Fall
gerade nicht vor. Vielmehr hat sich die Kalkulationsgrundlage für die Entscheidung "Regelleistung oder Budget"
geändert. Dies ist hinzunehmen.
Diese Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(Beschluss vom 26.06.2007 NZS 2008, 142) sind Stichtagsregelungen verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber
seinen Gestaltungsspielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht
kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen
Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt.
Wenn der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, vorhersehbare Härten bzw. finanzielle Nachteile durch das in Kraft treten
der Gesetzesnovelle zu vermeiden, hätte er dies mit einer entsprechenden Übergangsregelung sicherstellen müssen.
Der Gesetzgeber hat jedoch bewusst keine derart gestaltete Übergangsregelung in die Neufassung des BErzgG
aufgenommen und ausdrücklich an der Stichtagsregelung festgehalten; ebenso ist keine Günstigkeitsprüfung
vorgesehen, um Nachteile für die Anspruchsberechtigten zu vermeiden. Der Gesetzgeber hat vielmehr die sich für die
Familien ergebenden - auch eventuell besonderen Härten bzw. finanziellen Nachteile - bewusst und billigend in Kauf
genommen, um seine Zielsetzung, nämlich die Konsolidierung des Haushaltes zu erreichen. Jede Stichtagsregelung
bringt sowohl Nachteile als auch Vorteile für den anspruchsberechtigten Personenkreis. Die sich ergebenden
Nachteile können jedoch nicht über die Härtefallregelung des § 5 Abs.1 Satz 4 BErzgG n.F. ausgeglichen oder
abgemildert werden. Dies würde letztlich den gesetzlichen Regelungen zuwider laufen. Ein nachträglicher Wechsel
von der Regelleistung zum Budget ist damit nicht zulässig. In konsequenter Endbetrachtung würde dies auch
bedeuten, dass die Gesetzesänderung allein in jedem Fall Grundlage für eine Wechselentscheidung wäre. Aber
gerade diese Zielsetzung hat der Gesetzgeber konsequent ausgeschlossen.
Auch über das Instrument des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen
nachträglichen Wechsel von der Regelleistung zum Budget für das erste Lebensjahr des Kindes.
Grundsätzlich gefordert wird für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch: - Eine Pflichtverletzung, die dem
Beklagten zuzurechnen ist, - ein dadurch bei der Klägerin eingetretener sozialrechtlicher Nachteil sowie - die Befugnis
des Beklagten, durch eine Amtshandlung den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung
nicht begangen worden wäre. Eine Pflichtverletzung setzt grundsätzlich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG
(u.a. SozR 3-1200 § 14 Nr.31) einen konkreten Anlass für eine Beratung oder Auskunft voraus, sei es eine Nachfrage
der Berechtigten, sei es aus der akuten konkreten Bearbeitung des Falls.
Im Fall der Klägerin geht der Senat davon aus, dass der Antrag auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr per Post
beim Beklagten eingegangen ist. In der Leistungsakte findet sich ein entsprechendes Zuleitungsschreiben vom
21.03.2004. Die vorgefertigte Bestätigung für den Erhalt des Antrags auf Erziehungsgeld wurde vom Beklagten am
29.03.2004 abgesandt. Für einen persönlichen Kontakt zwischen Klägerin und Beklagtem gibt es keinen Hinweis. Mit
Bescheid vom 27.04.2004 wurde daraufhin das Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr als Regelleistung bewilligt.
Auch danach bestand kein persönlicher Kontakt mit dem Beklagten. Vielmehr ging mit Begleitschreiben vom
27.03.2005 der Antrag auf Zahlung von Bundeserziehungsgeld für das zweite Lebensjahr des Kindes ein. Es fand zu
keinem Zeitpunkt eine persönliche Beratung statt. Die Klägerin suchte nie um eine solche nach. Es wurden auch
keinerlei Auskünfte, somit auch keine unrichtigen, erteilt.
Auch die vom Beklagten herausgegebenen Merkblätter für Geburten ab 01.01.2001 entsprachen bei der Geburt des
Kindes M. der Rechtslage. Weder aus den Merkblättern noch aus dem Bescheid für das erste Lebensjahr vom
27.04.2004 ergibt sich verbindlich, dass die Einkommensanrechnung ohne Änderung bleiben würde. Vielmehr erfolgt
im Bescheid für das erste Lebensjahr der ausdrückliche Hinweis, dass der Antrag für das zweite Lebensjahr
frühestens ab dem 22.06.2004 (= Beginn des neunten Lebensmonats) des Kindes gestellt werden könne. Der
Folgeantrag liege den Informations- und Antragsunterlagen bei, denen die Klägerin bereits den Erstantrag entnommen
habe. Weder die Merkblätter noch der Bescheid erwecken den Eindruck, dass sich an der Einkommensanrechnung
nichts ändern würde.
Auch die Tatsache, dass das Gesetz bereits am 17.02.2004 und damit vor Verbescheidung des Erstantrags am
27.04.2004 in Kraft getreten ist, ändert daran nichts. Zwar war zum Zeitpunkt der Verbescheidung das Gesetz in Kraft
und damit die geänderte Einkommensanrechnung für das zweite Lebensjahr. Dadurch wurde aber keine Verpflichtung
des Beklagten geschaffen, die Klägerin und sämtliche Eltern, deren Kinder zwischen dem 01.05.2003 und dem
31.12.2003 geboren waren, von Amts wegen auf die Gesetzesänderung aufmerksam zu machen. Es gilt hier der
Grundsatz der formellen Publizität der Gesetze. Danach gelten Gesetze mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt als
bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann die Normadressaten individuell und tatsächlich hiervon Kenntnis erlangt
haben (Bundessozialgericht vom 24.11.2005 USK 2005-46).Die Klägerin hat selbst über den Abgabetermin
entschieden. Sie hat relativ lange mit der Abgabe des Antrags gewartet. Damit wäre es dem Zufall überlassen, ob der
Antrag vor oder nach der Gesetzesänderung von den Eltern gestellt wird. Daraus kann aber keine Rechtspflicht des
Beklagten erwachsen, "Spät-Antragsteller" dahingehend zu beraten, dass eine Gesetzesänderung eingetreten ist.
Sonst wären alle anderen Antragsteller in einem unbegründeten Nachteil, die den Antrag unverzüglich stellen.
Der Beklagte verletzte deshalb keine Pflichten gegenüber der Klägerin. Die Entscheidung der Klägerin hat sich im
Nachhinein als falsch erwiesen. Diese falsche Entscheidung beruht auf einem Kalkulationsirrtum der Klägerin, nicht
auf einer Amtshandlung des Beklagten. Die Folgen dieses Kalkulationsirrtums hat die Klägerin zu tragen. Ein Wechsel
auf das Budget für das erste Lebensjahr des Kindes ist rechtlich nicht zulässig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
die Budget-Leistung. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheidet aus.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.