Urteil des LSG Bayern vom 18.07.2007

LSG Bayern: verbesserung des gesundheitszustandes, verschlechterung des gesundheitszustandes, bandscheibenoperation, arbeitsunfähigkeit, erwerbsfähigkeit, krankengeld, berufsunfähigkeit, hallux valgus

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 18.07.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 11 RA 325/02
Bayerisches Landessozialgericht L 13 R 4177/04
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise auf eine Rente
wegen Erwerbsminderung.
Die 1950 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben von August 1967 bis Juli 1969 den Beruf der
Versicherungsangestellten erlernt. Nach einer Ausbildung zur Bürogehilfin in den Jahren 1974 und 1975 arbeitete sie
ab 1. Juli 1975 bei der Fa. M. als Büroangestellte bis 28. Dezember 2000. Die Klägerin weist mit Unterbrechungen
Pflichtbeitragszeiten vom 16. August 1967 bis 28. Dezember 2000 auf und ist privat krankenversichert.
Die Beklagte gewährte der Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 1. April 1998 bis 29. April 1998
im Klinikum Bad G ... Der Entlassungsbericht enthält die Diagnosen akute Exazerbation eines pseudoradikulären
Lumbalsyndroms mit sensomotorischem Defizit L5/S1 sowie Postnukleotomiesyndrom L4/5 mit ausgeprägten
Vernarbungen epidural und klinischer segmentaler Instabilität, rezidivierendes lokales Zervikalsyndrom bei
Halswirbelsäulen-Degeneration sowie Atlasdysfunktion (Shift nach rechts) mit rezidivierendem Schwindel, subjektiv
verstärkt nach Distorsion im Rahmen eines Autounfalls 1996. Die Klägerin wurde mit dem Hinweis als arbeitsunfähig
entlassen, sie sei in der Lage, im Wechselrhythmus, vorwiegend gehend, teilweise sitzend und stehend, leichte
Arbeiten halbschichtig zu verrichten wobei sich über den weiteren Verlauf der Funktionserkrankung keine definitive
Aussage treffen ließe. Auf den Antrag der Klägerin vom 20. Mai 2003 stellte das Versorgungsamt einen Grad der
Behinderung (GdB) von 60 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen G fest.
Mit Bescheid vom 7. August 2001 und Widerspruchsbescheid vom 4. November 2002 lehnte die Beklagte den am 28.
März 2001 gestellten Antrag der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Bei der
Beurteilung der Erwerbsfähigkeit seien Restbeschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich nach Bandscheibenoperation,
Abnutzungserscheinungen und ein Bandscheibenschaden im Bereich der Halswirbelsäule festgestellt worden. Sie sei
noch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf als Büroangestellte mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu
sein. Zum Zeitpunkt der Antragstellung seien auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil im
maßgebenden Zeitraum vom 28. März 1996 bis 27. März 2001 nur 29 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien.
Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte dem Gutachten des Arztes für
Chirurgie Dr.M. vom 29. Mai 2001, dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.G. vom 11. Juli 2002
sowie den Stellungnahmen des Beratenden Arztes Dr.W. vom 6. Juni 2001 und der Beratenden Ärztin R. vom 31. Juli
2002. Zur Ausgestaltung der zuletzt ausgeübten Beschäftigung holte die Beklagte die Arbeitsgeberauskunft vom 13.
April 2001 ein.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhoben und
ausgeführt, sie leide unter starken Schmerzen am gesamten Rücken, über der linken Hüftseite, an den Außenseiten
der Oberschenkel sowie im Nacken und in der linken Hand. Häufig habe sie Taubheits- und Pelzigkeitsgefühle,
stolpere häufig mit dem linken Fuß und verspüre ein starkes Schwächegefühl. Die linke Hand sei oft taub und fühle
sich pelzig an. Zudem leide sie an einem Tinnitus und starken Druckschmerzen am Ohr und an Schwindel,
Schlafstörungen und starken Konzentrationsmängeln. Sie könne überhaupt keine Arbeit von wirtschaftlichem Wert
mehr verrichten. Es sei ihr nicht möglich, länger als wenige Minuten zu sitzen oder auf einer Stelle stehen zu bleiben.
Sie könne sich kaum bücken und sei gezwungen, ca. 16 Stunden täglich im Liegen zu verbringen. Sie sei nicht
einmal mehr in der Lage, einfache und leichte Hausarbeiten zu verrichten. Dieser Gesundheitszustand bestehe
mindestens seit der letzten Bandscheibenoperation im Jahre 1997, der sich seither eher verschlechtert habe.
Hingewiesen wird auf Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr.F. vom 17. Mai 2003, des Praktischen
Arztes und Sportmediziners Dr.N. vom 7. Juli 2003 und 25. November 2003, des Arztes für Neurologie und
Psychiatrie Dr.W. vom 30. Juli 1998, 11. November 1999 und 3. Juni 2003, des Radiologen Dr.N. vom 9. August 1999
und 12. Mai 2003, der Universitätsklinik R. vom 10. September 1999, 21. September 1999 und 23. Mai 2003 sowie
des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder R. vom 22. November 2001, 6. Dezember 2001 und 25. März 2002.
Das SG zog Befundberichte der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.E. vom Dezember 2003, des Arztes für
Orthopädie Dr.A. vom 5.Dezember 2003 sowie des Dr.N. vom 12. Dezember 2003 und einen Befundbericht des
Facharztes für Allgemeinmedizin Dr.F. vom 19. Februar 2004, jeweils mit weiteren medizinischen Unterlagen, und
einen Befundbericht des Krankenhauses Barmherzige Brüder R. vom 9. Januar 2004 bei und holte ein Gutachten des
Arztes für Neurologie und Psychiatrie R. vom 26. Juli 2004 ein. Der Sachverständige stellte bei der Klägerin eine
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen bei Zustand nach
Bandscheibenoperation, einen Bluthochdruck, eine leichte Depression, Schlafstörungen, einen rezidivierenden
Schwindel und einen Tinnitus fest und erachtete sie für fähig, leichte Arbeiten zu ebener Erde und im Wechsel von
Sitzen, Gehen und Stehen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Arbeiten unter
besonderem Zeitdruck, Arbeiten mit Zwangshaltungen und Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Nacht- und
Schichtdienst. Die Klägerin sei auch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sechs Stunden und mehr unter
Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen zu arbeiten. Die Klägerin könne sich auch noch auf eine neue
Berufstätigkeit umstellen.
Mit Urteil vom 28. Juli 2004 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf
eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, denn sie könne noch im bisherigen Beruf vollschichtig tätig sein.
Auch seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung des Zeitpunktes der
Antragstellung seien in den letzten fünf Jahren nicht drei Jahre Pflichtbeiträge geleistet worden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und das von ihr selbst eingeholte Gutachten des Arztes für
Chirurgie Prof.Dr.Dr.W. vom 4. September 2004 vorgelegt. Hieraus ergebe sich, dass sie auf unabsehbare Zeit außer
Stande sei, mehr als zwei bis drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen seien erfüllt. Der Leistungsfall sei bereits im Jahre 1997 eingetreten. Dies werde sogar im
Gutachten des Dr.M. bestätigt, der festgestellt habe, dass es Anfang 1997 zu einer Verschlimmerung der
Halswirbelsäulen-Symptomatik gekommen sei, Anfang 1997 eine Fußheberschwäche aufgetreten, im April 1997 die
Bandscheibenoperation L4/L5 linksseitig durchgeführt worden und im Oktober 1997 eine operative Revision der
voroperierten Etage sowie zusätzlich eine perkutane Nukleotomie L5/S1 erfolgt seien.
Auf Antrag der Klägerin vom 7. Februar 2006 auf Korrektur des Versicherungsverlaufs, dem sie Atteste des Dr.N. vom
7. Februar 2006 zu den Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und über die Zeit einer Arbeitsunfähigkeit
vom 8. Januar 1997 bis 29. April 1998 sowie vom 18. Juli 1998 bis 31. Januar 1999, eine Bescheinigung der privaten
Krankenversicherung über Arbeitsunfähigkeitszeiträume vom 8. Juni 1999 bis 7. Mai 2000 und 16. November 2000 bis
31. August 2001 vorlegte, lehnte es die Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom 17. Mai 2006 ab, die Zeiten vom 8.
Januar 1997 bis 29. April 1998, vom 18. Juli 1998 bis 30. Januar 1999, vom 8. Juli 1999 bis 7. Mai 2000 und vom 29.
Dezember 2000 bis 31. August 2001 als Anrechnungszeiten vorzumerken, mit der Begründung, die wegen des
Bezuges von Sozialleistungen mögliche Antragspflichtversicherung sei nicht oder verspätet beantragt worden.
Der Senat zog die Arbeitgeberauskunft vom Februar 2006 bei. Hiernach ergibt sich, dass die Klägerin das
Beschäftigungsverhältnis am 28. Dezember 2000 wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit beendet habe. Bis zur ersten
Operation im Jahre 1997 habe die Klägerin als vollwertige Arbeitskraft gegolten. Auf die Frage, ob besondere
Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Klägerin genommen werden musste, heißt es, die Arbeit habe trotz der
Gesundheitsprobleme durch entsprechende Zeiteinteilung erledigt werden müssen.
Der Senat holte eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen R. vom 20. Oktober 2006 ein und veranlasste
die weitere Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. L. (Gutachten vom 27. März
2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 29. Mai 2007). Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2007 ein
Schreiben des Wirtschaftsprüfers Dr.B. vom 10. Januar 2007 vor, wonach sie vom 8. Mai bis 28. Dezember 2000 bei
der Fa. G. Mietpark beschäftigt gewesen sei und vom 29. Dezember 2000 bis zum 28. März 2001 Krankengeld
erhalten habe sowie Unterlagen der privaten Krankenversicherung der Klägerin. Außerdem übersandte sie das Attest
des Dr.N. vom 22. Dezember 2006, die ärztliche Bescheinigung des Arztes für Neurochirurgie Dr. B. vom 14.
Dezember 2006, die Bescheinigung der Dr. E. vom 8. Januar 2007 sowie den Bericht des Caritas-Krankenhauses St.
J. R. vom 9 Januar 2006 zur stationären Behandlung vom 30. Dezember 2005 bis 10. Januar 2006.
Der Sachverständige R. führte aus, das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Prof.Dr.Dr.habil. W. sei nicht
geeignet, die von diesem vorgenommene Einschränkung des täglichen Leistungsvermögens auf zwei bis drei Stunden
täglich zu begründen. Es sei nicht zu belegen, dass die Klägerin im Dezember 1999 nur noch habe acht Stunden
täglich arbeiten können. Aufgrund der durchgeführten Therapiemaßnahmen sei davon auszugehen, dass auch im
Dezember 1999 wieder ein vollschichtiges tägliches Leistungsvermögen vorgelegen habe. Es hätten sich keine
Hinweise dafür ergeben, dass eine Einschränkung der Wegefähigkeit vorgelegen habe. Eine vollschichtige tägliche
Arbeit habe weder nur auf Kosten der Gesundheit noch nur unter außergewöhnlicher Anstrengung erbracht werden
können.
Dr. L. diagnostizierte bei der Untersuchung am 27. März 2007 ein chronisches Halswirbelsäulen-Schulter-Armsyndrom
leichter bis mittelschwerer Prägung, ein chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom schwerer Prägung mit daraus
resultierendem ausgeprägtem Schmerzsyndrom, eine Muskelminderung der rechten Ober- und
Unterschenkelmuskulatur, eine Fuß- und Zehenheberschwäche rechts bei Senk-Spreiz-Füßen und Hallux-Valgus-
Deformität beidseits und verminderter Geh- und Stehfähigkeit und eine unspezifische Periarthropathie rechtes
Schultergelenk bei Zustand nach Schulterprellung. Zur Beantwortung der Frage, ob im Vergleich zu den Vorgutachten
eine Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen der Klägerin eingetreten ist, wies Dr. L. auf die Gutachten des Dr.
M. sowie des Prof.Dr.Dr.habil. W. hin. Dr. M. habe ein Gangbild mittlerer Schrittlänge beschrieben, recht raumgreifend
ohne Steppergang. Der Zehengang sei beidseits sicher gewesen, der Fersengang links etwas unsicher bei leichter
Fußheber- und Großzehenschwäche. Das Be- und Entkleiden sei ohne fremde Hilfe möglich gewesen. Festgestellt
worden seien eine leicht langgezogene S-förmige Skoliose und eine druck- und klopfempfindliche untere
Lendenwirbelsäule bei reizlosen Narbenverhältnissen. Die lange Rückenstreckmuskulatur sei seitengleich ausgeprägt
und die Beweglichkeit der Halswirbelsäule in allen Ebenen schmerzhaft gewesen. Eine Nackenstarre habe aber nicht
vorgelegen. Der Fingerspitzen-Boden-Abstand von 40 Zentimeter sei Ausdruck einer noch ausreichenden
Umkrümmungsfähigkeit des Achsenorgans und die Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke sowie die Hüft-, Knie- und
Sprunggelenke bei Ausschluss einer Arthrose seien frei beweglich gewesen. Eine Atrophie an den Beinen habe nicht
bestanden. Prof.Dr.Dr.habil. W. habe sich schwerpunktmäßig dem Ergebnis bildgebender Verfahren gewidmet. Er
habe ein etwas unsicheres, zögerliches Gangbild, einen Fingerspitzen-Boden-Abstand von 65 Zentimeter (richtig: 55
Zentimeter) als Ausdruck einer deutlich verminderten Umkrümmungsfähigkeit des Achsenorgans, im Nackenbereich
sowie im körperfernen Lendenwirbelsäulensegment eine Tonuserhöhung und eine deutlich eingeschränkte
Beweglichkeit der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, ohne eine Angabe technisch verbindlicher Eckdaten,
beschrieben. Es könne von einer Zunahme der Bewegungseinschränkung des Achsenorgans und der Entwicklung
eines glaubwürdigen schwersten chronischen Schmerzsyndrom bei einem Zustand nach neuerlicher operativer
Intervention L5/S1 am 11. Dezember 2006 ausgegangen werden. Die Entwicklung dieses Schmerzsyndroms sei neu
hinzugetreten. Der Klägerin könne nur noch ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen sowohl auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt als auch im vormals ausgeübten Beruf bescheinigt werden. Dieses Leistungsvermögen
beruhe auf der motorischen Schwäche im Bereich der rechten unteren Extremität, die eine leicht akzentuierend
sitzende Tätigkeit abverlange. Hierbei komme es zu einer Schmerzpotenzierung im Bereich der Lendenwirbelsäule,
wo grundsätzlich der Wechsel der Körperposition mit Regelmäßigkeit gefordert werde. Der Beruf der Büroangestellten,
der überwiegend mit sitzenden Tätigkeiten verbunden sei, sei auch bei ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung nur drei-
bis unter sechsstündig täglich praktikabel im Hinblick auf den Schweregrad der nachvollziehbaren
Gesundheitsstörungen. Aus sozialmedizinischer Sicht bestehe keine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit,
jedoch eine sozialmedizinische Inkompatibilität. Die Forderung nach einem Wechsel der Körperposition von Gehen,
Stehen und Sitzen mit Regelmäßigkeit sei nicht kompatibel im Hinblick auf die Schwäche der rechten unteren
Extremität. Die Klägerin sei in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel, wenngleich erschwert, zu nutzen. Dieser
Gesundheitszustand bestehe vor dem Hintergrund der dritten Bandscheibenoperation seit dem 11. Dezember 2006.
Unter Maßgabe einer sozialmedizinisch relevanten Befundverschlimmerung im Vergleich zum Gutachten des Dr. M.
könne ab diesem Eingriff auch bei Optimierung arbeitsspezifischer Rahmenbedingungen von einem drei- bis unter
sechsstündigen täglichen Leistungsvolumen sowohl im Beruf der Versicherungskauffrau als auch als Beschäftigte auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen werden. Das besagte chronische Schmerzsyndrom sei durch
umfangreiche neurologische Begutachtungen abgehandelt, so dass eine sozialmedizinische Rückdatierung nicht
möglich sei. Dem aufgrund der Untersuchung sich ergebenden Beschwerdebild sei zu entnehmen, dass die Klägerin
als Novum auch Schmerzen der linken unteren Extremität aufgelistet habe. Infolgedessen sei es bei durchaus
glaubwürdigen Restbeschwerden im Bereich der rechten unteren Extremität, einer allgemeinen Schwäche, einem
damit verbundenem Sturzgeschehen zu einer zusätzlichen Entwicklung eines linksseitigen Schmerzsyndroms
gekommen.
Die Klägerin entgegnete, sie habe vor der dritten Operation im Dezember 2006 mindestens zehn bis 15 Stürze in den
letzten drei Jahren aufgrund einer Schwäche des rechten Fußes und einer häufigen Stolperneigung erlitten. Dr.L. habe
nicht berücksichtigt, dass sie seit drei bis vier Jahren regelmäßig in psychotherapeutischer Behandlung sei. Die
Operation am 11. Dezember 2006 sei nur deswegen durchgeführt worden, da sie im August 2006 einen neuerlichen
Sturz erlitten habe und sich seither im rechten Fuß ein Dauerschmerz eingestellt habe, den sie vor diesem Sturz noch
nicht gehabt habe. Alle anderen Schmerzen bestünden seit mehr als zehn Jahren. Falsch sei die Behauptung des
Gutachters, der besagte Gesundheitszustand bestehe vor dem Hintergrund der dritten Bandscheibenoperation seit 11.
Dezember 2006. Sie müsse mindestens 16 Stunden am Tag liegend verbringen, wobei die Nachtstunden mitenthalten
seien. Sie stehe morgens zwischen 7:00 Uhr und 8.00 Uhr auf und müsse sich dann zwischen 11:00 Uhr und 13:00
Uhr wieder hinlegen. Dann sei sie wieder auf den Beinen und lege sich von 15:30 Uhr bis 17:30 Uhr hin, dann wieder
ab 20:00 Uhr, da sie ansonsten die Schmerzen nicht mehr aushalten würde. Die Klägerin verweist auf eine ab 1.
September 2001 durchgehende Arbeitsunfähigkeit, welche durch die Atteste Dr.M. vom 5. Juli 2007 und des Dr.N.
vom 11. Januar 2007 sowie die Bestätigung der privaten Krankenversicherung vom 12. Dezember 2005 bestätigt
würden. Es sei eine Kontenklärung erforderlich, weil der Versicherungsverlauf Zeiten ab 29. Dezember 2000 nicht
berücksichtige.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28. Juli 2004 und den Bescheid vom 7. August 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. November 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund ihres
Antrags vom 28. März 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise
eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte führte aus, sie erkenne einen Leistungsfall am 11. Dezember 2006 für eine Rente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit an. Allerdings seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Diese seien nur bis
zu einem Leistungsfall am 31. Dezember 1999 gegeben.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts, der
Behindertenakte sowie der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch
nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 7. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.
November 2002, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin Rentenleistungen zu gewähren. Das SG hat die
dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 28. Juli 2004 zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsminderung. Das berufliche Leistungsvermögen der
Klägerin war in der Zeit vor dem 11. Dezember 2006 nicht rentenrelevant eingeschränkt. Unter Zugrundelegung eines
Leistungsfalls am 11. Dezember 2006 sind aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen
Rentenanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt.
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der Vorbemerkungsbescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006, mit dem die
Beklagte es abgelehnt hat, die Zeiten vom 8. Januar 1997 bis 29. April 1998, vom 18. Juli 1998 bis 30. Januar 1999,
vom 8. Juli 1999 bis 7. Mai 2000 und vom 29. Dezember 2000 bis 31. August 2001 als Anrechnungszeiten
vorzumerken. Ein neuer Verwaltungsakt wird Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, wenn dadurch ein
Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird (§§ 96 Abs. 1, § 153 Abs. 1 SGG). Geändert oder ersetzt wird aber ein
Verwaltungsakt immer nur dann, wenn in den Verfügungssatz eingegriffen wird und damit die Beschwer des
Betroffenen vermehrt oder vermindert wird (BSG SozR 4-2600 § 96 a Nr.3). Diese Voraussetzung erfüllt der Bescheid
vom 17. Mai 2006 nicht, denn es handelt sich bei der Frage, ob Lücken in einem Versicherungsverlauf geschlossen
werden können, lediglich um eine hier unabhängig von diesem Bescheid zu behandelnde Vorfrage bei der Prüfung der
Voraussetzungen für einen Rentenanspruch. Dementsprechend hat die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht die
Aufhebung oder Abänderung des Bescheides vom 17. Mai 2006 beantragt.
Ein Anspruch der Klägerin auf Versichertenrente richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), da die Klägerin den
Rentenantrag vor dem 3. April 2001 gestellt hat und Rente auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2000 begehrt (§ 300
Abs. 2 SGB VI in Verbindung mit § 26 Abs. 3 SGB X). Für einen Anspruch der Klägerin sind aber auch die
Vorschriften des SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung (n.F.) maßge-bend, soweit hilfsweise
vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem
31. Dezember 2000 gegeben sei (§ 300 Abs. 1 SGB VI).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil sie
bis zum 31. Dezember 1999, als die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt waren, nicht im Sinne des
§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F. berufsunfähig war. Danach sind nur solche Versicherte berufsunfähig, deren
Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit
ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.).
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle
Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI a.F.). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare
Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 2 S.
4 SGB VI a.F.). Hingegen besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei solchen Versicherten,
die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser
Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen
Bezugsgröße (ab 1. April 1999: 630 DM) übersteigt (§ 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.).
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Berufsunfähigkeit vorliegt, ist der bisherige Beruf, den ein Versicherter
ausgeübt hat. Hierbei ist von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit
auszugehen, sofern sie zugleich die qualitativ höchste gewesen ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164;
KassKomm-Niesel § 240 SGB VI Rdnr.10). Die Klägerin war ab 1. Juli 1975 als kaufmännische Angestellte im Büro
des Betriebes ihres Ehemanns Mietpark-G. beschäftigt, nach der von Senat eingeholten Arbeitgeberauskunft vom
Februar 2006 in leitender Stellung. Ihr Aufgabenbereich umfasste Bankgeschäfte, die Vorbereitung der Buchhaltung
für das Steuerbüro, das Rechnungswesen sowie die Zuständigkeit für Personal, Löhne und Gehälter.
Zwar war das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin auch vor dem 11. Dezember 2006 bereits eingeschränkt. Sie
war aber nach den medizinischen Ermittlungen in der Lage, bis dahin die Tätigkeiten in diesem Beruf auszuüben. In
Laufe dieses Zeitraums bestätigte Arbeitsunfähigkeitszeiten führen zu keiner Änderung der Bewertung des beruflichen
Leistungsvermögens.
Das Leistungsvermögen der Klägerin ergibt sich aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des
Sachverständigen R. auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet mit ergänzender Stellungnahme im
Berufungsverfahren sowie aus der vom Senat veranlassten Begutachtung durch Dr. L. auf chirurgischem und
orthopädischem Gebiet. Der Senat schließt sich den Aussagen dieser Sachverständigen an. Sie bestätigen im
Übrigen die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr.M. und des Dr.G. in ihren wesentlichen
Ergebnissen, soweit sich die Beurteilungszeiträume überschneiden.
Der Sachverständige R. stellte bei der Klägerin eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und
Muskelreizerscheinungen, einen Zustand nach Bandscheibenoperation, weiter einen Bluthochdruck, eine leichte
Depression, eine Schlafstörung, einen rezidivierenden Schwindel sowie einen Tinnitus fest, wobei im Vordergrund des
Beschwerdebildes die Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule standen. Die neurologische Untersuchung ergab
lediglich, dass die Reflexe allerseits nur schwach auslösbar waren, und eine leichte Großzehen- und
Fußheberschwäche. Im Übrigen zeigten sich keine objektivierbaren neurologischen Befunde wie Reflexauffälligkeiten
oder Lähmungserscheinungen. Ferner wies der Sachverständige auf eine nur leichte Depression hin, die unter der
Medikation ausreichend kompensiert wurde. Die geistige Leistungsfähigkeit und Flexibilität war nicht auffällig. Ein
Schwindel trat bei der Untersuchung nicht auf. Zwar waren neurologische Ausfälle wie Reflexauffälligkeiten und
Lähmungserscheinungen im Jahre 1997 der Anlass dafür, dass sich die Klägerin zweimal einer
Bandscheibenoperation unterzog. Durch die operativen und auch konservativen Maßnahmen konnte jedoch wieder
eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden. Dem Befundbericht der Klinik und Poliklinik für
Neurologie im Bezirksklinikum R. vom 21. September 1999 ist zu entnehmen, dass der Neurostatus bei dem
stationären Aufenthalt vom 24. August 1999 bis 10. September 1999 regelrecht war. Es bestanden keine
Reflexauffälligkeiten und die Muskeleigenreflexe waren seitengleich auslösbar, "schwach an der oberen Extremität
und sehr lebhaft an der unteren Extremität". Es zeigten sich keine Pyramidenbahnzeichen. Bis auf eine leichte
Schwäche der linken Fußheber ergab die Untersuchung allseits eine volle Muskelkraft.
Der Krankenhausaufenthalt vom 24. August 1999 bis 10. September 1999 erfolgte aufgrund einer akuten Erkrankung
der Klägerin im Bereich der Wirbelsäule, die sich aber wieder besserte und somit zu keiner rentenrelevanten
Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit führte. Der vom Bezirksklinikum R. anlässlich dieses stationären
Aufenthalts erhobene Befund deckt sich im Wesentlichen mit dem aufgrund der Untersuchung durch Dr. M. am 23.
Mai 2001. Auch hier ergab die neurologische Untersuchung keine Paresen, insbesondere auch keine Senkerschwäche
beidseits. Es bestand links nur eine diskrete Großzehen- und Vorfußheberschwäche links und der Reflexstatus war im
Wesentlichen unauffällig. Hieraus ergibt sich eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Im Übrigen
wurde dieser Befund bestätigt bei der Untersuchung durch Dr. G. am 4. Juli 2000. Der neurologische Befund zeigte
sich regelrecht, insbesondere wurden keine Paresen, Reflexauffälligkeiten oder eine Fußheber- oder
Fußsenkerschwäche beschrieben und die Gangprüfungen waren insgesamt unauffällig. Somit bestehen keine
ausreichenden Hinweise, dass die Klägerin bis zu der Untersuchung durch den Sachverständigen R. am 26. Juli 2004
ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben konnte. Vielmehr ergeben diese Bewertungen, dass die Klägerin in der
Lage war, vollschichtig in ihrem Beruf als Angestellte im Büro des Betriebes ihres Ehemanns zu arbeiten.
Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens ergaben sich nur insoweit, als die Klägerin nur körperlich
leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- oder Schichtdienst, ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und
Tragen von schweren Lasten, zu ebener Erde und dem Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen verrichten konnte.
Diese qualitativen Einschränkungen bedeuten aber nicht, dass die Klägerin die beschriebenen Bürotätigkeiten im
Betrieb ihres Ehemanns nicht mehr vollschichtig ausüben konnte.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. , der eine sozialmedizinisch
relevante Zäsur, nämlich ein drei- bis unter sechsstündiges Regelleistungsvermögen der Klägerin im bisherigen Beruf,
erst aufgrund der drittem operativen Intervention am 11. Dezember 2006 feststellen konnte. Die Einschränkung des
beruflichen Leistungsvermögens ab diesem Zeitpunkt beruht darauf, dass die nun vorhandene motorische Schwäche
im Bereich der rechten unteren Extremität eine leicht akzentuierend sitzende Tätigkeit abverlangt, wobei es zu einer
Schmerzpotenzierung im Bereich der Lendenwirbelsäule kommt. Dies erfordert grundsätzlich einen regelmäßigen
Wechsel der Körperposition. Der Beruf der Büroangestellten beinhaltet jedoch gerade überwiegend sitzende
Tätigkeiten mit Arbeiten am Computer. Dr.L. geht somit nachvollziehbar davon aus, dass auch bei ergonomischer
Arbeitsplatzgestaltung eine entsprechende quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens ab dem
11. Dezember 2006 angenommen werden kann. Dr. L. hat überzeugend ausgeführt, dass ein früherer Zeitpunkt für die
Annahme einer sozialmedizinisch relevanten Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens nicht zu
begründen ist. Wie oben dargestellt, wurden die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Gebiet in den
vorangegangenen Untersuchungen ausreichend bewertet. Aus den eigenen Angaben der Klägerin im Zuge der
Untersuchung durch Dr. L. ergibt sich, dass sich ab dem 11. Dezember 2006 eine Verschlechterung des
Gesundheitszustandes eingestellt hat. Sie wies bei Dr. L. vorrangig auf Beschwerden im Bereich der
Lendenwirbelsäule hin. Ein primär vorhandenes schwerstes Schmerzsyndrom rechts habe sich etwas gebessert nach
der dritten operativen Intervention. Als neue Gesundheitsstörung nannte die Klägerin nunmehr auch Schmerzen im
linken Bereich, vergleichbar mit dem Beschwerdebild anlässlich des ersten operativen Eingriffs und gab an, dieser
Schmerz baue sich langsam auf, ausgehend von der mittleren und körperfernen Lendenwirbelsäule, und sie könne
deshalb vorrangig nicht lange sitzen. Sie verwies auch auf eine Schwäche des rechten Beines infolge bereits
genannter Stürze, im Übrigen auf Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule im Sinne einer Schmerzausstrahlung
vom körperfernen Drittel zum rechten Schultergelenk. Somit kam es bei Restbeschwerden im Bereich der rechten
unteren Extremität, einer allgemeinen Schwäche mit damit verbundenem Sturzgeschehen zur zusätzlichen
Entwicklung eines linksseitigen Schmerzsyndroms, welches eine Neubewertung des sozialmedizinisch relevanten
Leistungsvermögens rechtfertigt.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund des von der Klägerin vorgelegten Gutachtens des
Prof.Dr. Dr.habil. W. vom 4. September 2004 aufgrund der Untersuchung am 2. September 2004. Dieser
diagnostizierte bei der Klägerin eine Zervikobrachialgie C7/C8, einen zervikogenen Kopfschmerz und
Spannungskopfschmerz, ein chronisch rezidivierendes Halswirbelsäulensyndrom mit Wurzelreizsyndrom C7/C8 links
bei mediolinkslateraler Bandscheibenprotrusion C6/7, eine mäßige knöchern bedingte Foramenstenose links C6/7,
eine Osteochondrose C5/6, beginnend auch C4/5 und 6/7, retrospondylophytäre Anbauten C5/6 mit Impression des
Duraschlauches, Osteochondrose und Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule und des lumbosakralen Übergangs,
eine chronisch rezidivierende Lumboischialgie und Wurzelreizsyndrom S1 rechts bei mediorechtsseitigem Prolaps
L5/S1 und weiterem linksbetonten Prolaps L2/3 und rechtslateral Prolaps L3/4, einen Zustand nach
Bandscheibenoperation L4/5 und L5/S1 sowie ein Postdiskektomie-Syndrom.
Prof.Dr.Dr.habil W. kam aufgrund dieser Gesundheitsstörungen zu dem nach Auffassung des Senats nicht
nachvollziehbaren Ergebnis, die Klägerin sei nicht in der Lage, stehend oder auch sitzend, leichte Tätigkeiten mehr
als halbschichtig zu erbringen und auf nicht absehbare Zeit außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als zwei bis drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Vielzahl der von
Prof.Dr.Dr.habil W. genannten Diagnosen wurden durch den Gutachter nicht durch eine entsprechende
Befunderhebung ausreichend begründet. Maßgebend für die Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens sind
aber gerade nicht die Diagnosen als solche, sondern die hieraus resultierenden Funktionsstörungen, hier insbesondere
bezüglich des Bewegungsapparates. Die aufgrund der bildgebenden Verfahren genannten Veränderungen im Bereich
der Wirbelsäule können für die sozialmedizinisch relevante Beurteilung nur von Bedeutung sein, wenn diese
wesentliche Funktionseinschränkungen ergeben. So führt z.B. ein Bandscheibenvorfall, der im bildgebenden
Verfahren objektiviert ist, nicht zwingend auch zu entsprechenden Funktionsausfällen wie Lähmungserscheinungen
oder zu einer Schmerzsymptomatik. Der durch Prof.Dr.Dr.habil W. erhobene klinische Befund ergab lediglich ein
etwas unsicheres und zögerliches Gangbild. Bei der Prüfung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ergab der
Fingerspitzen-Fußbodenabstand 55 Zentimeter. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule beschrieb Prof.Dr.Dr. habil. W.
beim Vorwärts- und Rückwärtsneigen, beim Seitneigen nach rechts und links sowie beim Drehen nach rechts und
links jeweils deutlich, insgesamt auf die Hälfte reduziert, die Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule als
ebenfalls deutlich eingeschränkt und außerordentlich schmerzhaft. Weitere nähere Befundangaben können aber dem
Gutachten nicht entnommen werden. Insgesamt betrachtet ist zu dem Gutachten des Prof.Dr. Dr.habil W.
festzustellen, dass im Wesentlichen nur augenblickliche Beschwerden der Klägerin und das Ergebnis bildgebender
Verfahren angeführt werden, jedoch das von ihm angenommene nur zwei- bis dreistündige Leistungsvermögen täglich
nicht ausreichend begründet ist. Für eine abschließende sozialmedizinische Beurteilung ist somit dieses Gutachten
nicht verwertbar. Im Übrigen ergeben sich Hinweise dafür, dass Prof.Dr.Dr.habil W. nicht ausreichend mit der
Erstellung von sozialmedizinischen Gutachten im Rentenrecht vertraut ist, denn er führt in seinem Gutachten an, bei
chronisch-rezidivierenden, bandscheibenbedingten Beschwerden mit Ausstrahlung in eine oder beide Extremitäten sei
zumindest eine Reduktion beziehungsweise eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 bis 30 % und bei
einem Postdiskotomiesyndrom ein Behinderungsgrad bis 50 "%" gegeben. MdE-Bewertungen erfolgen jedoch
ausschließlich im Unfallversicherungs- und Versorgungsrecht und die Feststellung des GdB im Behindertenrecht.
Diese Werte finden im Rentenrecht keine Anwendung.
Deshalb kann auch dem der Klägerin zuerkannten GdB von 60 und der Feststellung der Voraussetzungen des
Merkzeichens G eine abweichende sozialmedizinische Beurteilung nicht entnommen werden. Versicherte, bei denen
eine Behinderung anerkannt worden ist, gelten nicht gleichermaßen als erwerbsgemindert im Sinne des SGB VI, denn
die Feststellungen nach dem SGB IX beziehen sich auf Auswirkungen in allen Lebensbereichen, nicht nur auf die
Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens. Unmittelbare Schlussfolgerungen aus dem GdB von 60 und
dem Merkzeichen G auf die Erwerbsminderung sind deshalb nicht möglich (KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rndr.5).
Allerdings haben die Sachverständigen R. und Dr.L. die Befunde der von Senat beigezogenen Behindertenakte
berücksichtigt.
Aus der Zuerkennung des Merkzeichens G kann auch keine rechtlich wesentliche Einschränkung des
Anmarschweges zur Arbeitsstätte abgeleitet werden. Dr. L. hat zunächst darauf hingewiesen, dass zwar aus
sozialmedizinischer Sicht keine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit besteht, jedoch eine sozialmedizinische
Inkompatibilität. Die Forderung nach einem Wechsel der Körperposition von Gehen, Stehen und Sitzen mit
Regelmäßigkeit sei nicht kompatibel im Hinblick auf die Schwäche der rechten unteren Extremität, auch begründet mit
einer messtechnisch deutlichen Minderung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur rechts und den von der Klägerin
angegebenen Stürzen seit der letzten Operation. Eine dementsprechende Verschlimmerung nimmt deshalb Dr.L. auch
bezüglich der Wegefähigkeit erst vor dem Hintergrund der dritten Bandscheibenoperation am 11. Dezember 2006 an.
Im Übrigen ist jedoch die Klägerin nach den Ausführungen des Dr.L. in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel,
wenngleich erschwert, zu benutzen.
Da die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Annahme einer rentenrelevanten Einschränkung des
beruflichen Leistungsvermögens erst ab dem 11. Dezember 2006 erfüllen würde, kommt ein Anspruch auf
Rentenleistungen nicht in Betracht, weil zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht
gegeben sind. Nach § 43 Abs.1 Nr.2 SGB VI a.F. besteht ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nur dann,
wenn der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine
versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat. Entsprechendes gilt gemäß § 44 Abs.1 Nr.2, Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI
a.F. hinsichtlich eines Anspruchs auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie gemäß § 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2,
Abs.2 Satz 1 Nr.2 SGB VI n.F. hinsichtlich eines Anspruchs auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Klägerin hat mit Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten vom 16. August 1967 bis 28. Dezember 2000
zurückgelegt. Zuletzt weist der Versicherungsverlauf Lücken im Zeitraum Februar 1997 bis März 1998, von August
1998 bis Januar 1999 und von August 1999 bis April 2000 auf. Im unter Berücksichtigung eines Leistungsfalls am 12.
Dezember 2006 relevanten Fünfjahreszeitraum vom 11. Dezember 2001 bis 10. Dezember 2006 hat die Klägerin keine
Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten belegt.
Der maßgebende Fünfjahreszeitraum ist auch nicht zu verlängern, weil ein Verlängerungstatbestand nicht eingreift.
Gemäß § 43 Abs.3 Nr.1 SGB VI a.F. (vgl. auch § 44 Abs.4 SGB VI a.F. und § 43 SGB VI n.F.) verlängert sich der
nicht mit Pflichtbeiträgen belegte Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Anrechnungszeiten sind
Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben (§ 58 Abs.1 Nr.1 SGB VI).
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei ab der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses laufend arbeitsunfähig
gewesen und legte zum Nachweis hierfür ärztliche Atteste vor. Entsprechende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit können
jedoch bei der Klägerin, die privat krankenversichert ist, den Fünfjahreszeitraum nicht verlängern. Denn
Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit liegen bei Versicherten, die wie die Klägerin nach § 4 Abs.3 Satz 1 Nr.2
versicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag begründeten Versicherungspflicht vor. Gemäß
§ 4 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB VI sind Personen auf Antrag versicherungspflichtig, die nur deshalb keinen Anspruch auf
Krankengeld haben, weil sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind oder in der gesetzlichen
Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sind, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, wenn sie im
letzten Jahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zuletzt versicherungspflichtig waren, längstens jedoch für 18 Monate.
Die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht auf Antrag lagen bei der Klägerin, die privat krankenversichert war
und der kein Anspruch auf Krankengeld einer gesetzlichen Krankenkasse zustand, ab der Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses im Dezember 2000 vor. Eine entsprechende Pflichtversicherung für längstens 18 Monate
hat die Klägerin jedoch nicht beantragt und konnte somit auch nicht entstehen. Somit fehlen auch die
Voraussetzungen für Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit, die erst nach Ablauf einer auf Antrag begründeten
Versicherungspflicht vorliegen können. Der Normzweck dieser Regelung ergibt sich aus dem Vergleich mit Personen,
die Krankengeld von einer gesetzlichen Krankenkasse beziehen. Denn der Bezug von Krankengeld nach § 48 SGB V
von bis zu 78 Wochen bzw. 18 Monaten, der eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
bewirkt (§ 3 Satz 1 Nr.3 SGB VI), schließt das Vorliegen von Anrechnungszeiten aus. Pflichtversicherte wegen eines
Bezugs von Krankengeld gemäß § 3 Satz 1 Nr.3 SGB VI können somit erst nach Ablauf der 78 Wochen bzw. 18
Monate, wenn also Krankengeld nach § 48 SGB V nicht mehr geleistet wird, Anrechnungszeiten erhalten. Wer nun
keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 48 SGB V hat, soll hinsichtlich der Anrechnungszeiten wegen
Arbeitslosigkeit nicht besser gestellt werden als ein Versicherter, der erst nach 18 Monaten Pflichtbeitragszeiten
Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit erhalten kann (vgl. Hauck/Noftz-Klattenhoff, SGB VI, K § 58 Rdnr.170
ff.).
Gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI a.F. sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der
Berufsunfähigkeit für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voraussetzung ist jedoch, dass jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der
Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Zwar erfüllt die Klägerin die allgemeine Wartezeit vor
dem 1. Januar 1984. Der Zeitraum ab 1. Januar 1984 ist jedoch bereits wegen der oben genannten nicht
anrechenbaren Zeiten von Arbeitsunfähigkeit gerade nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.
Auch im Übrigen bestehen Versicherungslücken, weil die Zeiten vom 8. Januar 1997 bis 29. April 1998, vom 18. Juli
1998 bis 30. Januar 1999, vom 8. Juli 1999 bis 7. Mai 2000 und vom 29. Dezember 2000 bis 31. August 2001 wegen
fehlender Antragspflichtversicherung nicht als Anrechnungszeiten vorgemerkt wurden.
Selbst wenn unterstellt würde, dass eine wesentliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens schon
einige Zeit vor der dritten Operation im Dezember vorlag, weil nach den Angaben der Klägerin sie in den drei Jahren
vor dieser Operation zehn bis 15 Stürze erlitten habe, führte dies zu keinem abweichenden Ergebnis, denn die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind letzmalig im Dezember 1999 erfüllt, also zu einem Zeitpunkt, für den
diese Sturzhäufigkeit nicht angegeben wurde.
Die Klägerin, die keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat erst recht keinen Anspruch auf
eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI n.F., weil sie zum einen die strengeren
Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. nicht erfüllt, zum
anderen auch hier die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Zwar liegt bei der Klägerin ab dem 11. Dezember 2006 eine wesentliche Einschränkung des beruflichen
Leistungsvermögens vor, jedoch fehlt es auch hier an den oben genannten inhaltsgleichen versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 28. Juli 2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrem Klagebegehren
auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.