Urteil des LSG Bayern vom 27.06.2005

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Bayerisches Landessozialgericht
Beschluss vom 27.06.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 9 SO 20/05 ER
Bayerisches Landessozialgericht L 11 B 213/05 SO ER
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 07.04.2005 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Lagerung der Möbel der Antragstellerin (Ast) für die
Monate Januar bis März 2005, sowie um die Umzugskosten und die Mietkaution, die die Ast nach Anmietung einer
Wohnung in B. geltend macht, im Wege der Sozialhilfe nach den Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Ast erhielt bis zum 30.04.2004 Leistungen der Sozialhilfe nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Seit dem Auszug aus der früheren Wohnung bestreitet sie ihren Lebensunterhalt aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente in
Höhe von zuletzt 476,79 EUR. Bis einschl. 31.12.2004 übernahm die Antragsgegnerin (Ag) die monatlichen Kosten
der Einlagerung ihrer Möbel bei der Firma W ...
Am 10.02.2005 beantragte die Ast zunächst mündlich und dann mit Schreiben vom 11.02.2005 bei der Ag die
Übernahme der Mietkaution für ihre in B. angemietete Wohnung, die Umzugskosten dorthin sowie weiterhin die
Kostenübernahme für die Einlagerung der Möbel.
Die Ag lehnte mit Bescheid vom 21.02.2005 die Übernahme der geltend gemachten Kosten ab, weil sie auf Grund
mangelnder Mitwirkung der Ast keine hinreichenden Feststellungen für die Bewilligung der Leistungen treffen könne.
Am 02.03.2005 beantragte die Ast beim Sozialgericht Augsburg (SG), die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu
verpflichten, die Kosten für die Lagerung der Möbel für die Monate Januar, Februar und März 2005, die Umzugskosten
(Umzug in Eigenleistung) nach B. und die Kaution (1. Rate) für die Wohnung in B. zu übernehmen.
Sie habe am 23.01.2005 einen Mietvertrag für eine Wohnung in der S.-straße in B. abgeschlossen. Von ihrer Rente
könne sie die bisherigen Lagerkosten selbst nicht übernehmen. Ohne Zahlung der Lagerkosten erhalte sie aber ihre
Möbel nicht. Entgegen der Angaben der Ag habe sie an der Sachverhaltsaufklärung stets mitgewirkt.
Die Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Sie habe die Ast wiederholt aufgefordert, Einkommens- und Vermögensnachweise, Kontoauszüge und den
Mietvertrag vorzulegen. Die Ast sei dem nicht nachgekommen, weshalb die Voraussetzungen der §§ 60 Abs 1, 66
SGB I gegeben sind.
Das SG bemühte sich vergeblich, Besprechungstermine zwischen der Ast und der Ag in die Wege zu leiten. Die Ast
ist zu keinem dieser Termine erschienen.
Mit Beschluss vom 07.04.2005 lehnte das SG daraufhin den Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
ab.
Hiergegen wendet sich die Ast mit ihrem beim Bayer. Landessozialgericht am 09.05.2005 eingegangenem
"Widerspruch". Das SG habe parteilich gehandelt. Bereits die Einstellung der Möbel sei ein Fehler des Sozialamts
gewesen. Es sei eine weitere Prüfung der Rechtssache veranlasst.
Die Ag tritt dem entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug
genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, als solche ist der "Widerspruch" zu behandeln, ist zulässig (§§ 172,
173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde der Ast ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der
einstweiligen Anordnung zur Bewilligung der von der Ast begehrten Leistungen zu verpflichten.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
(Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder
unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der
Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977
BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Ast seine Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes
- das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche
Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2,
§ 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86 b RdNr 41).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005 Az:
1 BvR 569/05) zeigt sich, dass der Ast teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen kein Anordnungsanspruch zur
Seite steht.
Soweit die Ast die Kosten für die Lagerung ihrer Möbel für die Monate Januar, Februar und März 2005 geltend macht,
ist die Sache nicht eilbedürftig, weil es hier um Leistungen der Sozialhilfe für abgelaufene Bewilligungszeiträume
handelt. Die Ast kann insoweit zumutbarerweise ihr Begehren in einem Hauptsacheverfahren geltend machen.
Meint die Ast hingegen, sie müsse diese Kosten bezahlen, weil sie diese Möbel brauche, um damit ihre Wohnung in
B. einzurichten, stellt sich insoweit die Frage, inwieweit Schulden durch Leistungen der Sozialhilfe zu begleichen sind.
Gemäß § 34 Abs 1 Satz 1 SGB XII können solche Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der
Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Es bestehen aber bereits durchgreifende
Bedenken daran, dass die Übernahme der Lagerkosten von Januar bis März 2005 als Schulden der Sicherung der
Wohnung in B. dient. Es ist insoweit weder ersichtlich noch dargetan, dass der Bestand des Mietvertrages hiervon
abhängen könnte. Im Übrigen weist der Senat in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass die Hilfe gemäß
§ 34 Abs 1 SGB XII nicht nur als Beihilfe sondern auch als Darlehen erbracht werden kann (§ 34 Abs 1 Satz 3 SGB
XII). Um hier eine fehlerfreie Ermessensentscheidung treffen zu können, hat die Ag den Sachverhalt, und dabei
insbesondere die wirtschaftliche Situation der Ast, aufzuklären. Solange die Ast, wie geschehen, an dieser
Sachverhaltsaufklärung nicht gemäß § 60 Abs 1 SGB I hinreichend mitwirkt, ist es der Ag verwehrt, die von der Ast
geforderten Leistungen zu bewilligen.
Soweit die Ast eine Mietkaution und Umzugskosten geltend macht, steht ihr (derzeit) kein Anordnungsanspruch zur
Seite. Nach § 29 Abs 1 Satz 7 SGB XII können Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten bei
vorheriger Zustimmung übernommen werden. Für eine solche vorherige Zustimmung der Ag zum Umzug der Ast nach
B. in die streitgegenständliche Wohnung gibt es keinen Anhaltspunkt. Soweit aus den Akten ersichtlich, hat die Ast
den Mietvertrag bereits am 23.01.2005 unterschrieben, die Kostenübernahme aber erstmals am 10.02.2005 bei der Ag
mündlich beantragt. Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat die Ast nichts anderes vorgetragen. Nach § 29
Abs 1 Satz 8 SGB XII soll eine solche Zustimmung erteilt werden, wenn der Umzug durch den Träger der Sozialhilfe
veranlasst wird oder aus anderen Gründen notwendig ist oder wenn ohne die Zustimmung eine Unterkunft in einem
angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Auch insoweit fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten, so dass
sich die Frage, ob die Ag ihre Zustimmung missbräuchlich verweigert, hier nicht stellt.
Im Übrigen gilt für die Geltendmachung der Mietkaution und der Umzugskosten das oben Ausgeführte zur mangelnden
Mitwirkung der Ast zur Aufklärung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die im Eilverfahren vorzunehmende umfassende Güter- und Folgenabwägung führt ebenfalls zu keinem anderen
Ergebnis, weil es der Ast unbenommen bleibt, durch Nachreichen der geforderten Unterlagen bzw. durch Vorsprache
bei der Ag die erforderliche Klärung herbeizuführen und damit die begehrte Hilfe zeitnah zu erhalten, soweit sie hierauf
überhaupt einen Anspruch hat.
Die Beschwerde kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).