Urteil des LSG Bayern vom 14.01.2003

LSG Bayern: anerkennung, beitragszeit, glaubwürdigkeit, rumänien, rente, verstaatlichung, anpassung, sozialversicherung, firma, familiengründung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.01.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 5 RJ 692/97
Bayerisches Landessozialgericht L 5 RJ 241/00
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom
16.02.2000 sowie des Bescheides vom 03.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1997
verurteilt, die Zeit vom 15.01. 1963 bis 30.06.1963 als Beschäftigungszeit bei der Rentenberechnung anzurechnen. II.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht
zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand ist die zusätzliche Berücksichtigung der Zeit vom 15.01.1963 bis 30.06.1963 als Beitrags- bzw.
Beschäftigungszeit nach dem FRG.
Der am 1938 in P. im Banat geborene Kläger ist am 26.06.1990 aus Rumänien zugezogen. Er ist als Vertriebener
anerkannt.
Am 07.05.1992 beantragte er die Anerkennung nicht nachgewiesener Zeiten. Er machte unter anderem geltend,
zwischen der Beschäftigung auf der Staatsfarm P. und im Kommunalunternehmen S. vom 15.01.1963 bis 30.06.1963
bei der Firma K. S. in L. beschäftigt gewesen zu sein. In der Adeverinta des Kommunalunternehmens vom
26.02.1991 sind lediglich die Zeiten der durch Militärdienst unterbrochenen Tätigkeit auf der Staatsfarm von 1959 bis
1963 und der Beschäftigung vom 01.07.1963 bis 19.07.1986 angegeben. Die vom Versicherungsamt am 22.06.1992
bzw. 06.08.1992 als Zeugen einvernommenen M.K. und E.H. bestätigten, dass der Kläger im Privatbetrieb des K.S.
tätig gewesen sei.
Mit Bescheid vom 03.03.1997 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf ohne die Zeit vom 15.01.1963 bis
30.06.1993 fest. Im Widerspruchsbescheid vom 12.09.1997 heißt es, wegen der Lücke in der Adeverinta sei trotz der
Zeugenaussagen vom 15.01. bis 30.06.1963 keine Beitragszeit anzuerkennen.
Das Sozialgericht Regensburg wies die Klage am 16.02.2000 ab. Die Beschäftigung könne auch übergangsweise
verrichtet worden sein und sei nicht glaubhaft. Beginn und Dauer seien von dem Zeugen K. nicht bestätigt worden.
Gegen das am 07.04.2000 zugestellte Urteil legte der Kläger am 28.04.2000 Berufung ein. Er machte geltend, 1963
wäre die Tätigkeit gegen Entgelt nach § 1227 RVO versicherungspflichtig gewesen. Für die Anerkennung als
Beschäftigungszeit müssten die glaubhaften Aussagen von Kläger und Zeuge genügen.
Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, für den strittigen Zeitraum müsse eine Adeverinta vorliegen.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger persönlich gehört und E. H. als Zeuge einvernommen. Auf den Inhalt
des Protokolls wird insoweit Bezug genommen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts
Regensburg vom 16.02.2000 sowie in Abänderung des Bescheides vom 03.03.1997 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 12.09.1997 zu verurteilen, die Zeit vom 15.01.1963 bis 30.06.1963 zusätzlich als
Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.
Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 16.02.2000 zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akte des Sozialgerichts Regensburg und der
Berufungsakten sowie auf das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Arbeitsbuch Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts
Regensburg vom 16.02.2000 ist ebenso abzuändern wie der Bescheid der Beklagten vom 03.03.1997 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12.09.1997. Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung der Zeit vom 15.01.1963
bis 30.06.1963 als Beschäftigungszeit.
Gemäß Art.6 § 4 Abs.3 Satz 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts und zur
Anpassung der Berliner Rentenversicherung an die Vorschriften des
Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetzes und des Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetzes (FANG)
kommt das FRG trotz des Zuzugs des Klägers bereits im Jahre 1990 uneingeschränkt in der ab 30.06.1990 geltenden
Anpassung zur Anwendung. Besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Rente erstmals für einen Zeitraum nach dem 31.
Dezember 1995, ist das Fremdrentengesetz uneingeschränkt anzuwenden. Der Kläger hat zumindest zum Zeitpunkt
der Bescheiderteilung 1997 keine Rente bezogen.
Zutreffend hat das Sozialgericht die Anerkennung einer Beitragszeit vom 15.01.1963 bis 30.06.1963 abgelehnt.
Gemäß § 15 Abs.1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nicht- deutschen Träger der gesetzlichen
Rentenversicherung zurückgelegt worden sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Für die
Feststellung dieser Tatsache der Beitragszeit genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht ist (§ 4 Abs.1 Satz 1 FRG).
Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche
erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs.1 Satz 2 FRG). Weder aus der
vorgelegten Adeverinta vom 26.02.1991 noch aus den Zeugenaussagen ergibt sich, dass für den Kläger in diesem
Zeitraum Beiträge an die staatliche Sozialversicherung abgeführt worden sind. Für den Nachweis einer
Versicherungszeit nach § 15 FRG kommt es aber gerade auf die Beitragsleistung zu einem ausländischen System
der Rentenversicherung an.
Im maßgeblichen Zeitraum ist jedoch eine Beschäftigungszeit glaubhaft gemacht worden. Der Umstand, dass die
Entrichtung von Versicherungsbeiträgen nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht ist, schließt noch nicht aus,
dass möglicherweise ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Denn auch dann, wenn entgegen den
gesetzlichen Vorschriften für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis keine Versicherungsbeiträge entrichtet worden
sind, bleibt § 16 FRG anwendbar (BSG vom 09.05.1967, Az.: 1 Ra 3/65). Danach steht eine nach vollendetem 17.
Lebensjahr in Rumänien verrichtete Beschäftigung einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der
Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet worden sind, gleich (§ 16 Abs.1 Satz 1 FRG). Dies gilt aber
nur, wenn die Beschäftigung nach dem am 1. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in der
gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das
Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 Abs.1 Satz 2 FRG). Entscheidend ist also nicht, ob in Rumänien Beiträge
an die Sozialversicherung abgeführt worden sind, was unstreitig nicht dokumentiert ist, sondern ob im strittigen
Zeitraum ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat. Dies wird vom Senat bejaht.
Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versicherte, war er im strittigen Zeitraum als Zimmermann
gegen Entgelt beschäftigt. Er arbeitete sechs Tage pro Woche und erhielt den üblichen Lohn. Das Arbeitsverhältnis
endete mit der Auflösung der Privatfirma K.S. im Zuge der allgemeinen Verstaatlichung. Bestätigt wurde diese
Einlassung durch die Einvernahme des Zeugen H. , der seine Angaben vom 06.08.1992 gegenüber dem
Versicherungsamt wiederholte und erläuterte. Dessen Glaubwürdigkeit stützt sich auf die enge räumliche und
persönliche Nähe zum Kläger von Kindheit an bis zur Familiengründung. Auch aus Eigeninteresse an einer
Beschäftigung außerhalb staatlicher Betriebe verfolgte der Zeuge das Schicksal der Privatfirma K.S. , deren Tätigkeit
noch im selben Jahr der Beschäftigungsaufnahme durch den Kläger endete. Es ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte
dafür, dass dessen Angaben nicht den Tatsachen entsprechen.
Schließlich hat auch der Zeuge K. vor dem Versicherungsamt Regensburg ein klassisches Beschäftigungsverhältnis
bestätigt. Seine Erinnerung knüpfte ebenfalls an die einprägsame allgemeine Verstaatlichung im Jahr 1963 an. Zudem
war der Kläger an der Erstellung des Dachstuhls seines Wohnhauses beteiligt, den er von der Firma K.S. errichten
ließ. Dass er das genaue Datum der Beschäftigung nicht angeben konnte, erhöht seine Glaubwürdigkeit.
Die Zeugenaussagen werden durch die fehlenden Angaben in der Adeverinta vom 26.02.1991 ebenso wenig widerlegt
wie durch die Lücke im Arbeitsbuch. Die Adeverinta wurde vom letzten Arbeitgeber, dem Kommunalunternehmen S.
erstellt, der bei seiner Bestätigung auf seine eigenen Unterlagen Bezug nahm. Dass dieser über keine Dokumente
über ein Beschäftigungsverhältnis bei einer Privatfirma verfügt, ist nicht verwunderlich. Schließlich wurde das
Arbeitsbuch auch erst Mitte 1963 ausgestellt und für die Vergangenheit nachträglich ausgefüllt. Dabei wurde zwar
bekanntermaßen ein strenger Maßstab angelegt (Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und
Mittelfranken, Nr.11/1989, S.379). Trotz der damit verbundenen Indizwirkung gegen Versicherungszeiten ist aber
angesichts der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Zeugen deren Aussagen ein höherer Beweiswert zuzuerkennen.
Aus diesen Gründen war die Berufung erfolgreich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.