Urteil des LSG Bayern vom 22.06.2006

LSG Bayern: handelsvertreter, unternehmer, gestaltung, krankenversicherung, provision, abhängigkeit, eingliederung, gesellschaft, beendigung, urlaub

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.06.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 10 KR 109/01
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 191/03
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16. Juli 2003 wird
zurückgewiesen. II. Der Kläger hat der Beigeladenen zu 3) deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Weitere außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 3) in seiner Tätigkeit als Versicherungsvertreter
versicherungspflichtig beschäftigt war.
Der 1959 geborene Kläger war bis 31.10.1994 Mitglied der Beklagten und anschließend privat gegen Krankheit
versichert. Er schloss am 27.09.1996 mit der damaligen T.-Versicherung-AG (nunmehr G. Versicherung AG,
Beigeladene zu 3) einen Vertrag, mit dem er hauptberuflich als selbständiger Gewerbetreibender die Vertretung der
Gesellschaft mit Sitz in Amberg übernahm. Er war damit betraut, für die Gesellschaft Versicherungsverträge zu
vermitteln. Zu seinen Hauptaufgaben gehörte es u. a., die nebenberuflichen Vertretungen zu betreuen, insbesondere
neue nebenberufliche Vertreter für die Gesellschaft zu gewinnen, die vorhandenen Vertreter zu aktivieren, zusammen
mit den unterstellten Vertretern ein gutes, bestandsfähiges Neugeschäft zu vermitteln und die vorhandenen Verträge
zu pflegen, die unterstellten Vertreter regelmäßig zu besuchen und zu schulen und bei der Ermittlung von Schäden
mitzuwirken. Nach Angaben der Beigeladenen zu 3) hatte der Kläger entsprechend dem Vertrag
Lebensversicherungsverträge für die A. Lebensversicherung, Krankenversicherungsverträge für die C.
Krankenversicherung, Rechtschutzversicherungsverträge für die A. Rechtschutzversicherung AG und
Bausparverträge für die B. Bausparkasse AG vermittelt. Darüber hinaus hatte er am 27.09./17.10.1996 mit der A.
Finanzierungsvermittlungs-GmbH einen hauptberuflichen Vertretungsvertrag zur Vermittlung von Bankprodukten sowie
Produkten der B. Bank AG und der B. Immobilienvermittlung vereinbart.
Der Kläger übte diese Tätigkeit in der Zeit vom 01.11.1996 bis 31.08.1998 aus; mit dem am 24.08.1998
geschlossenen Vertrag hoben die Beteiligten den Versicherungsvertretungsvertrag vom 01.11.1996 mit allen
Zusatzvereinbarungen und Nachträgen mit Wirkung zum 31.08.1998 im gegenseitigen Einvernehmen auf. Der Kläger
vereinbarte mit der Beigeladenen zu 3), dass hiervon die Ausgleichsansprüche nach dem HGB und die sich aus den
Provisionsvereinbarungen ergebenden gegenseitigen Zahlungs- und Rückzahlungsansprüche aus den bis zum
Vertragsende eingereichten Geschäften unberührt bleiben.
Er strengte vor dem Arbeitsgericht W. einen Rechtsstreit gegen die Beigeladene zu 3) zur Klärung des
Arbeitnehmerstatus an - das Verfahren wurde an das Arbeitsgericht N. verwiesen -, nahm aber die Klage zurück (15
CA 4110/00). Er beantragte am 17.07.2000 fernmündlich und am 22.11.2000 schriftlich bei der AOK Bayern in R. die
Prüfung, ob er vom 01.11.1996 bis 31.08.1998 Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 3) gewesen sei; die AOK Bayern
gab diese Angelegenheit an die Beklagte ab. Im Fragebogen der Beklagten gab er zur Beurteilung der
Sozialversicherungspflicht u. a. an, er habe von seinem Auftraggeber Finanzierungshilfen erhalten, habe eigene
Geschäfts- bzw. Büroräume unterhalten sowie Zuschüsse für Werbung und Aufbau und einen Anspruch auf
Gratifikation oder sonstige Zuwendungen bei "entsprechender Produktion" gehabt. Er hatte drei- bis viermal monatlich
seinem Auftraggeber Bericht zu erstatten und konnte auch Hilfskräfte einsetzen.
Die Beklagte vertrat im Anhörungsschreiben vom 14.10.2000 die Ansicht, aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen
ergebe sich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 3); sie erläuterte im Schreiben vom
30.11.2000 den Begriff Scheinselbständigkeit.
Mit Bescheid vom 25.01.2001 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nicht in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 3) gestanden habe. Handelsvertreter seien ausschließlich selbständige
Gewerbetreibende, die zu einem anderen Unternehmer in einem Betrauungsverhältnis eigener Art stehen. Die
Beschäftigungsvermutung nach dem neuen Recht des SGB IV gelte nicht für Handelsvertreter, die im wesentlichen
frei ihre Tätigkeit gestalten und über ihre Arbeitszeit bestimmen können. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid für 10.05.2001 den Widerspruch zurück. Nach dem vorgelegten Vertrag
sei es dem Kläger möglich gewesen, über Zeit und Durchführung seiner Tätigkeit frei zu bestimmen. Er habe
vertragsgemäß ein selbständiges Handelsgewerbe angemeldet und auch die übrigen vertraglichen Bestimmungen
hätten auf eine selbständige Tätigkeit abgestellt. Es genüge nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für
die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, dass der Handelsvertreter bei der Gestaltung dieser Tätigkeit nur im
Wesentlichen frei gewesen ist. Dies schließe nicht aus, dass auch einem Handelsvertreter Weisungen erteilt werden
könnten. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass Versicherungsvertreter
im Regelfall keine Arbeitnehmer sind, sondern als Handelsvertreter zum Personenkreis der selbständigen Tätigen
gehören.
Der Kläger hat hiergegen am 14.05.2001 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat eine
Auskunft des Arbeitsamts S. eingeholt, wonach der Kläger vom 01. bis 30.09.1998 Arbeitslosengeld bezogen hat.
Die Beigeladene zu 3) hat die Auffassung vertreten, die Selbständigkeit des Klägers zeige sich im vorprogrammierten
Arbeitsprozess (d.h. in der Freiheit in der Betreuung des Bestandes an Versicherungsverträgen), in der
Weisungsungebundenheit im geschützten Kernbereich, Zeitsouveränität, Vergütung nach dem Provisionseinkommen,
der Möglichkeit zur Beschäftigung von Untervertretern und Arbeitnehmern und im Fehlen von Tourenplänen.
Das SG hat mit Schreiben vom 10.02.2003 den Kläger um Stellungnahme gebeten, ob er im Hinblick auf die
Klagerücknahme im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch die vorliegende Klage zurücknehme, anderenfalls werde es
durch Gerichtsbescheid entscheiden. Der Kläger hat daraufhin den Vorsitzenden Richter am SG wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt. Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 12.05.2003 die Ablehnung des
Vorsitzenden als unbegründet bezeichnet.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 16.07.2003 die Klage abgewiesen. Es hat in der
Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Kläger sei in der
Gestaltung seiner Tätigkeit im wesentlichen frei gewesen. Daran ändere auch die Berichterstattung an die
Beigeladene zu 3) nichts. Ob er rechtsmissbräuchlich handle, wenn er erst nach Abschluss seiner Tätigkeit die
Sozialversicherungspflicht geltend mache, könne offen bleiben.
Der Kläger hat hiergegen am 11.08.2003 Berufung eingelegt. Mit der Berufungsbegründung vom 30.01.2006 macht er
geltend, die Beklagte sei zunächst vom Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen. Von
einer frei bestimmbaren Zeit und freien Handlungsweise könne nach den beigefügten Schreiben der Filialdirektion der
Beigeladenen zu 3) in R. an den Außendienst nicht die Rede sein, er sei von dem Leiter der Filialdirektion der
Beigeladenen zu 3) bezüglich seiner Tätigkeit kontrolliert worden und dieser habe auch seinen Urlaub genehmigt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 16.07.2003 und den
Bescheid der Beklagten vom 25.01.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2001 aufzuheben sowie
festzustellen, dass er in der Zeit vom 01.11.1996 bis 31.08.1998 bei der Beigeladenen zu 3)
sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1) und 3) schließen sich diesem Antrag an.
Die Beigeladene zu 3) führt in der Stellungnahme vom 21.03.2006 aus, die Filialdirektion R. habe lediglich zur
Abstimmung der Urlaube der eigenen Mitarbeiter bei dem Kläger jeweils zu Jahresbeginn nach dessen
Urlaubswünschen angefragt. Er sei entgegen seiner Darstellung auch nicht durch Besuche und Telefonanrufe auf
seine Anwesenheit hin kontrolliert worden, hinsichtlich der Öffnungszeiten seines Büros sei er frei gewesen. Er habe
als Handelsvertreter einer Rechts- und Informationspflicht unterlegen. Die Veranstaltung betriebsfördernder
Wettbewerbe unter den Mitarbeitern sei allerdings branchenüblich.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG.
Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist unbegründet; der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.
Streitig ist hier die Feststellung, ob der Kläger als Versicherungsvertreter bei der Beigeladenen zu 3) vom 01.11.1996
bis 31.08.1998 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet hat. Grundlage der
Sozialversicherungspflicht in den Zweigen der Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung
und Pflegeversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V); § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB
VI); § 168 Abs. 1 S. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bis 31.12.1997 bzw. § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III)
ab 01.01.1998; § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch XI ist das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im
Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV).
Nach der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige
Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) hat hierzu Entscheidungskriterien entwickelt, nach denen sich eine abhängige
Beschäftigung beurteilt. Die nichtselbständige Arbeit wird durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden
geprägt; sie kommt grundsätzlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb und damit in der
Fremdbestimmtheit seiner Arbeit sowie im Direktionsrecht des Arbeitgebers und der daraus resultierenden
Weisungsgebundenheit des Arbeitenden zum Ausdruck. Der Arbeitgeber kann aufgrund seines Direktionsrechts Art,
Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen und arbeitsbegleitende Verhaltensregeln aufstellen. Bezüglich des
Merkmals Eingliederung in den Betrieb wird auf die tatsächlichen Verhältnisse und die Fremdbestimmtheit der Arbeit
abgestellt (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 7 SGB IV, Rz. 10 m.w.N. der
höchstrichterlichen Rechtsprechung; BSG vom 22.06.2005 SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.).
Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit beurteilt sich nach dem Gesamtbild
der Tätigkeit. Liegen nach den Umständen des Einzelfalles sowohl Merkmale der Abhängigkeit als auch der
Selbständigkeit vor, kommt es darauf an, welche Merkmale bei einer Gesamtwürdigung wertungsmäßig überwiegen.
Für den Grad der persönlichen Abhängigkeit sind folgende Merkmale kennzeichnend: eine enge
Weisungsgebundenheit durch Eingliederung in ein hierarchisches System, insbesondere durch Unterstellung unter ein
durch andere ausgeübtes Befehls- und Kontrollsystem, ein fremdbestimmter Aufgabenkreis verbunden mit der Pflicht,
andere, auch nicht unmittelbar zum Aufgabenkreis gehörende Arbeiten zu übernehmen, die Bindung an einen
bestimmten Arbeitsplatz oder an eine den Arbeitsplatz bestimmende Tätigkeit, die Bindung an geregelte Arbeitszeiten
verbunden mit der Pflicht, regelmäßig zu erscheinen, Unterbrechungen z.B. durch Urlaub genehmigen zu lassen,
Verhinderungen anzuzeigen und die Verpflichtung, Arbeitszeit und Arbeitskraft nicht oder nicht beliebig anderweitig zu
verwerten. Die selbstständige Tätigkeit demgegenüber wird geprägt durch die freie Verfügung über die Arbeitskraft
verbunden mit der Befugnis, übernommene Verrichtungen selbst zu erledigen oder durch Dritte erledigen zu lassen,
eine weitgehend frei gestaltete Tätigkeit und beliebige Arbeitszeit sowie ein frei gewählter Arbeitsplatz, soweit die zu
erbringende Leistung dies zulässt, die uneingeschränkte Befugnis, gleichzeitig für andere Auftraggeber tätig zu sein
und das eigene wirtschaftliche Risiko für den Erfolg der Arbeit, als eigentlich entscheidendes Merkmal, nämlich das
Vorliegen eines Unternehmerrisikos. Ferner ist die selbständige Tätigkeit gekennzeichnet durch das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte (BSG vom 22.06.2005, a.a.O.; BSG vom 29.01.1981, BSG vom 29.01.1981, BSGE
51,164).
Diese Kriterien werden geprägt durch die im vorliegenden Fall einschlägigen Sonderbestimmungen des
Handelsgesetzbuches (HGB) für Handelsvertreter (§§ 84 f. HGB). Nach § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist Handelsvertreter mit
Kaufmannseigenschaft nur, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
Das Sozialversicherungsrecht knüpft hieran an (BSG vom 29.01.1981, a.a.O.). Der Senat berücksichtigt auch in
diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das in mehreren Entscheidungen zu
dem Arbeitnehmerstatus eines Handelsvertreters Stellung genommen hat. Es hat dann ein Arbeitsverhältnis eines
Handelsvertreters unter Bezugnahme auf diese gesetzliche Vorschrift verneint, wenn der Betroffene in seiner
Arbeitszeitgestaltung weitgehend ungebunden war und auch seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten konnte
(BAG vom 20.09.2000, Betriebsberater 2001, 48 = NZA 2001, 210). Nach dem BAG hat der Vertreter allgemeine
Weisungen in Bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit zu befolgen (§ 675 i.V.m. § 665 Bürgerliches Gesetzbuch). Dabei
darf in der Versicherungswirtschaft wegen der außerordentlichen Vielgestaltigkeit und Schwierigkeit des
Versicherungsrechts und der sehr hohen finanziellen Risiken der Rahmen für zulässige Weisungen nicht zu eng
gezogen werden. Mit dem selbständigen Status des Handelsvertreters ist es vereinbar, dass er einem fachlichen
Weisungsrecht unterliegt bzw., dass diese Weisungsrechte vertraglich konkretisiert werden. Ebenso steht der
Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nicht entgegen, dass dem Versicherungsvertreter Kunden seines Bezirks
zugewiesen sind, dass er für einen bestimmten Arbeitsbezirk eingeteilt ist und dass er an einem bestimmten
Auftraggeber, also an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen, gebunden ist. Diese Konkretisierungen der
Berufspflichten eines Handelsvertreters, nämlich für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in
dessen Namen abzuschließen, bestimmen lediglich das Arbeitsfeld eines Versicherungsvertreters, lassen aber
deswegen nicht auf eine abhängige Beschäftigung schließen. § 86 Abs. 1 HGB verpflichtet den Handelsvertreter, der
selbständiger Kaufmann ist, bei seiner Tätigkeit für den Unternehmer dessen Interessen wahrzunehmen. Nach § 86
Abs. 2 HGB hat er dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder
Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen und er hat seine
Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen (§ 86 Abs. 3 HGB). § 87 Abs. 1 HGB regelt
den Anspruch auf Provision des Handelsvertreters für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen
Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für
Geschäfte der gleichen Art geworben hat und § 87 Abs. 2 S. 1 HGB regelt, dass einem Handelsvertreter ein
bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen werden kann. Ein Handelsvertreter kann gemäß §
92a HGB vertraglich an ein bestimmtes Unternehmen gebunden werden, für das er Geschäfte zu tätigen hat.
Der Kläger hatte nach seinen eigenen Angaben, die insoweit auch durch die Beigeladene zu 3) bestätigt werden, die
typische selbständige Tätigkeit eines Handelsvertreters im Versicherungswesen im streitigen Zeitraum ausgeübt. Er
hatte ein Handelsgewerbe angemeldet , hatte eine eigene Betriebsstätte, nämlich ein eigenes Büro, und erhielt von
der Beigeladenen zu 3) Zuschüsse für die Werbung und den Aufbau der Organisation. Er hatte der Filialdirektion drei-
bis viermal monatlich mündlich über die Geschäftsentwicklung zu berichten. Der Kläger war im Wesentlichen in der
Gestaltung seiner Arbeitszeit, Arbeitsweise und seiner Tätigkeit im Rahmen der oben genannten handelsrechtlich
zulässigen Vorgaben frei. Es war ihm auch von der Beigeladenen zu 3) gestattet, Untervertreter anzustellen; dies
ergibt sich aus dem Nachtrag zum Vertretungsvertrag vom 17.10.1996. Er erhielt für seine Tätigkeit eine Provision,
die maßgebend an seinem geschäftlichen Erfolg orientiert war. Nach dem vorliegenden Aufhebungsvertrag konnte er
auch noch nach Beendigung seiner Tätigkeit für die Beigeladenen zu 3) die Provision aus den bis zum Vertragsende
eingereichten Geschäften beanspruchen, auch wenn diese Zahlungsansprüche erst nach Vertragsende entstanden
sind. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auch den zustehenden Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB
in Anspruch genommen hat. Dieser Ausgleichsanspruch ist in der Praxis und Rechtsprechung die wichtigste Norm
des Rechts des Handelsvertreters. Hierbei wird berücksichtigt, dass ein Handelsvertreter auch nach Beendigung
seines Handelsvertretervertrages einen "Goodwill" geschaffen hat, der allein dem Unternehmer zugute kommt. Mit
dieser gesetzlichen Regelung erhält der Handelsvertreter, der als selbständiger Gewerbetreibender keinen
arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz hat, einen Ausgleichsanspruch (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Auflage, § 89b,
Rndnr. 1).
Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, die Schreiben des Beigeladenen zu 3) bezüglich der Steigerungen der
Neuabschlüsse von Versicherungsverträgen seien ein ausreichender Nachweis für die Nichtselbständigkeit seiner
Tätigkeit, kann ihm nicht gefolgt werden. Es handelt sich hierbei nicht um Arbeitsanweisungen, sondern um
Maßnahmen zum Ansporn zu eigenen Aktivitäten und Wettbewerb unter den Versicherungsvertretern der
Beigeladenen zu 3). In der Einhaltung der dort näher bezeichneten Zielvorgaben realisiert sich das Unternehmerrisiko
des Klägers, nämlich im Erzielen von Provisionseinnahmen. Der Senat hat die von ihm vorgelegten Schreiben der
Filialdirektion an den Außendienst zur Kenntnis genommen. In den darin liegenden Aufforderungen zu einem
verstärkten Wettbewerb liegen gleichfalls keine Arbeitsanweisungen, sondern branchenübliche Zielvorgaben, wie die
Beigeladene zu 3) nochmals mitgeteilt hat. Soweit der Kläger hierfür eine Zeugeneinvernahme angeregt hat, war dies
nicht veranlasst.
Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).