Urteil des LSG Bayern vom 26.07.2005

LSG Bayern: rente, neurotische fehlentwicklung, zumutbare tätigkeit, gutachter, berufsunfähigkeit, psychiatrie, depression, wechsel, erwerbsfähigkeit, ausbildung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 26.07.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Augsburg S 6 RJ 40/03
Bayerisches Landessozialgericht L 6 R 684/03
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger, der 1959 geboren und makedonischer Staatsangehöriger ist, hat nach seinen Angaben keinen Beruf
erlernt. Vom Februar bis März 1991 arbeitete er in der Bundesrepublik Deutschland als Straßenreiniger, im Mai 1991
als Raumpfleger, vom Juni 1991 bis Januar 1992 als Kraftfahrer, vom April bis Juni 1993 als Metallarbeiter und zuletzt
von Mai bis Juni 1994 als Arbeiter in einer Geflügelschlachterei. 1995 hat der Kläger an einer Maßnahme der
Arbeitsverwaltung zur Umschulung zum Berufskraftfahrer ohne Erfolg teilgenommen. In Deutschland hat er mit
Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten vom 18.02.1991 bis 31.12.2001 zurückgelegt.
Den ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom
15.02.1999 hat die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.1999 und Widerspruchsbescheid vom 18.11.1999 abgelehnt.
Am 27.05.2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid
vom 18.07.2002 und Widerspruchsbescheid vom 19.12.2002 mit der Begründung ablehnte, der Versicherte könne
noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Die qualitativen Leistungseinschränkungen würden nicht
dazu führen, dass für den Versicherten keine arbeitsmarktunüblichen Tätigkeiten mehr in Betracht kommen würden.
Es bestünde auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, weil von dem
Beruf eines Hilfsarbeiters auszugehen sei, für den alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Betracht
kämen. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte dem Gutachten der
Fachärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin Dr. Dipl.-Psych. W. vom 03.07.2002 sowie den Stellungnahmen der
Internistin Dr. M. vom 12.07.2002 und der Nervenärztin Dr. K. vom 28.10.2002. Gegen die Entscheidung der
Beklagten hat der Kläger mit der am 22.01.2003 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben mit der Begründung, er
sei nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Zur Begründung hat er auf das Attest der Ärztin für
Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 13.01.2003 verwiesen, wonach aus nervenärztlicher Sicht sei dem Bestreben
des Klägers zuzustimmen sei, eine Erwerbsminderungsrente zu erlangen.
Das Sozialgericht zog Befundberichte sowie medizinische Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Klägers Dr.
H. (Befundbericht vom 14.04.2003), Dr. B. (Befundbericht vom 30.04. 2003) und den Dres. H. (Befundbericht vom
13.05.2003) bei und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A.
(Gutachten vom 25.07. 2003). Dieser stellte bei dem Kläger ein Wirbelsäulen-Syndrom ohne neurologische Ausfälle,
ein chronifiziertes Kopfschmerz-Syndrom in Form von Spannungskopfschmerzen mit cervicogener Komponente bei
Analgetikaabusus mit wesentlicher psychosomatischer Komponente, eine neurotische Fehlentwicklung mit
depressivem Syndrom (Dysthymie), vorwiegend phobischer Angst- und Konversionssymptomatik bei vorwiegend
anhaltender Schmerzstörung und Schwindelbeschwerden sowie dissoziativen Abwesenheitszuständen bei
histrionischer und emotional instabiler Primärpersönlichkeit. Der Kläger sei noch in der Lage, körperlich leichte
Arbeiten ohne nervliche Belastungen vollschichtig zu verrichten. Nicht zumutbar seien Arbeiten in körperlicher
Zwangshaltung, Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten, häufigem Bücken und Treppen- und Leiternsteigen,
Tätigkeiten bei Einwirkung von Zugluft, Kälte und Nässe sowie Arbeiten unter Zeitdruck bzw. mit besonderen
Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs-
und Anpassungsfähigkeit und Arbeiten in Wechsel- und Nachtschicht. Nicht mehr möglich seien Arbeiten mit
häufigem Publikumsverkehr und mit besonderen Anforderungen an die Teamfähigkeit sowie der Einsatz an
wechselnden Arbeitsplätzen. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Für den zuletzt
ausgeübten Beruf als Hilfsarbeiter in einer Geflügelschlachterei sei das Leistungsvermögen des Klägers auf unter
sechs Stunden täglich gesunken. Er sei aber in der Lage, z.B. einfache Arbeiten in der Lagerverwaltung,
Sortierarbeiten o.ä. zu verrichten. Der Kläger müsste in der Lage sein, unter Mitwirkung ärztlicher Hilfe Hemmungen
gegen eine Arbeitsleistung zu überwinden.
Der Kläger führte zu den gutachterlichen Feststellungen aus, die Beschwerden mit der Halswirbelsäule hätten die
Kopfschmerzen verstärkt, in den Knien habe er große Schmerzen, die Gehfähigkeit sei eingeschränkt. Er habe große
Angst vor Menschen, er vertraue niemandem und könne sich nicht ausdrücken. Bei Angstzuständen verspüre er
Atemnot. Er leide unter Platzangst, Panikattacken und Schweißausbrüchen. Wenn er etwas nicht schaffe, folge totale
Frustration und Depression. Mit den Schmerzen und seelischen Problemen könne er an keinem Arbeitsplatz eine
verwertbare Arbeit leisten. Er leide auch unter Asthma bzw. chronischer Bronchitis. Vorgelegt wird das ärztliche Attest
des Internisten Dr. H. vom 03.11.2003, in dem dieser ausführt, im Vordergrund des gesamten Krankheitsbildes des
Klägers stehe die psychosomatische Grundkomponente. Die Arbeitsfähigkeit des Klägers sei auf etwa vier Stunden
gesunken.
Mit Urteil vom 02.12.2003 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, weil er
nicht wenigstens berufsunfähig sei. Er könne ohne rechtserhebliche qualitative Einschränkungen noch leichte Arbeiten
täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Ohne rechtliche Auswirkung sei, dass dem Kläger die zuletzt ausgeübte
Berufstätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Als ungelernter Arbeiter sei er auf alle Berufstätigkeiten des
allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.
Am 19.12.2003 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 12.12.2003 zugestellte Urteil beim Bayer.
Landessozialgericht ein. In der Begründung heißt es, das Sozialgericht habe keine Sachaufklärung auf
orthopädischem und internistischem Fachgebiet durchgeführt. Außerdem bestünde auch auf neurologisch-
psychiatrischem Fachgebiet weiterer Aufklärungsbedarf, denn die Berentung sei wegen Gesundheitsstörungen auf
diesem Gebiet notwendig. Dazu weist er auf die bisher erstellten Befundberichte und Atteste sowie auf die
Befundberichte des Chirurgen Dr. K. vom 28.03.2004 und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie R. vom
19.02.2004 hin.
Der Senat holte das chirurgisch-orthopädische Gutachten von Dr. L. vom 30.11.2004, das nervenärztliche Gutachten
von Dr. K. vom 01.12.2004 sowie das internistische Gutachten von Dr. E. vom 20.12.2004 ein. Dr. L. stellte bei dem
Kläger ein leichtgradiges Halswirbelsäulensyndrom und ein leichtgradiges, allenfalls mittelschweres
Lendenwirbelsäulensyndrom mit sich daraus ergebendem Funktionsdefizit ohne Zeichen eines peripher-neurogenen
Defektes fest, eine Periarthropathie des linken Schultergelenks bei Arthralgien im Bereich des linkes Schlüsselbein-
Brustbeingelenks ohne schmerzhalften Bogen, eine Epicondylopathie beidseits bei freier Funktion, eine Arthrose im
rechten Daumengrundgelenk ohne Funktionsbeeinträchtigung der Grob- und Feingriffformen sowie Gonalgien beidseits
bei Senkspreizfüßen beidseits ohne gravierene Geh- und Stehminderung. Dr.K. diagnostizierte einen dysphorisch-
fordernden Verstimmungszustand vom Ausprägungsgrad einer Dysthymie ohne verwertbare Hinweise für die
Annahme einer krankheitswertigen Depression sowie eine akzentuierte Persönlichkeit mit narzisstischen und
histrionischen Zügen. Die Untersuchung durch Dr. E. ergab ein deutliches Gefäßrisikoprofil mit Hiperlipidämie,
Nikotinabusus und geringem Übergewicht sowie den Verdacht auf eine Grenzwerthypertonie.
Zusammenfassend führt Dr. L. zum beruflichen Leistungsvermögen aus, der Kläger könne unter den üblichen
Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses leichte Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage (Sitzen,
Stehen, Gehen) acht Stunden täglich verrichten. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten mit häufigen Überkopfarbeiten,
Heben und Tragen von Lasten über 12,5 Kg, Arbeiten mit häufigem Bücken und Tätigkeiten, welche an Kraft und
Geschicklichkeit beider Hände besondere Ansprüche stellen würden. Der Kläger könne Fußwege von mehr als 500
Meter an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit (höchstens 15 Minuten für 500 Meter) zurücklegen, um die
Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach
Arbeitsende zu überwinden. Dr. E. ergänzt, dass auch Tätigkeiten mit vermehrtem Staubanfall und bei möglicher
Inhalation von Gasen und Dämpfen zu vermeiden seien. Dr. K. weist darauf hin, eine entsprechende Motivation
vorausgesetzt, könne sich der Kläger auch noch auf eine neue Berufstätigkeit umstellen.
Mit Schriftsatz vom 06.06.2005 ließ der Kläger vortragen, dass er sich den Gutachtern nicht habe verständlich
machen können und er auch nicht annähernd hinreichend die Fragestellungen der Gutachter habe erfassen können,
auch wenn er etwas Deutsch sprechen könne. Bei den Begutachtungen sei ein Dolmetscher der serbo-kroatischen
Sprache, nicht der makedonischen oder türkischen Sprache anwesend gewesen. Deshalb solle er erneut untersucht
und die Gutachten sollten überarbeitet werden. Vorgelegt wird das Attest der behandelnden Ärztin R. vom 07.04.2005
und deren Befundbericht zum bei der Beklagten gestellten Rehabilitationsantrag vom 16.06.2005 mit den Diagnosen
rezidivierende depressive Störungen, gegenwärtig schwerer Episode sowie Somatisierungsstörungen.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 02.12.2003 sowie
des Bescheides vom 18.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002 zu verurteilen, ihm
aufgrund seines Antrags vom 27.05.2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser
Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer, hilfsweise
befristet zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den
Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg, der Akte des Bayer.
Landessozialgerichts, der Akte des Sozialgerichts Augsburg S 2 SB 802/01 sowie auf den Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen
Erwerbsminderung.
Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
wenn sie, wie hier unstreitig, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen und wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 SGB VI). Anspruch auf Rente
wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte, die unter den sonst gleichen Voraussetzungen nur noch weniger
als drei Stunden arbeiten können (§ 43 Abs. 2 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei
Berufsunfähigkeit haben Versicherte, die bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor dem
02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind (§ 240 Abs. 1 SGB VI).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil schon die Voraussetzungen der
Berufsunfähigkeit nicht gegeben sind. Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind solche Versicherte berufsunfähig, deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und
seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger
als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu
beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen
Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist
stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet
oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit
mindestens sechs Stunden ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 240
Abs. 2 Satz 4 SGB VI).
Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Tätigkeiten mit häufigen Überkopfarbeiten,
Heben und Tragen von Lasten über 12,5 Kg, Arbeiten mit häufigem Bücken und Tätigkeiten, welche an Kraft und
Geschicklichkeit beider Hände besondere Ansprüche stellen würden, sind nicht mehr zumutbar. Zu vermeiden sind
auch Tätigkeiten mit vermehrtem Staubanfall und bei möglicher Inhalation von Gasen und Dämpfen. Bei Beachtung
dieser Einschränkungen kann aber der Kläger unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses noch leichte
Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangslage (Sitzen, Stehen, Gehen) acht Stunden täglich
verrichten. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, weil der Kläger die
durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Der Kläger ist auch
noch in der Lage, sich auf eine neue Berufstätigkeit umzustellen.
Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten
Gutachten von Dr. L. , Dr. K. und Dr. E ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und
überzeugenden Gutachten an. Durch sie sind im Übrigen die im erstinstanzlichen und im Verwaltungsverfahren
erholten Gutachten in ihren wesentlichen Ergebnissen bestätigt worden.
Die orthopäisch-chirurgische Befunderhebung begründet keine wesentliche, rentenbegründende Einschränkung des
beruflichen Leistungsvermögens. Bei dem Kläger liegt ein leichtgradiges Halswirbelsäulensyndrom und ein leichtes,
allenfalls mittelschweres Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Zeichen eines peripher-neurogenen Defektes vor. Klinisch
relevante Zeichen einer wirbelsäulenbedingten Fehlstatik konnte Dr.L. bei kräftiger Nacken- und langen
Rückenstreckmuskulatur nicht feststellen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist nach allen Richtungen frei. Die
Untersuchung ergab lediglich in einem Segment eine leichtgradige Tonuserhöhung. Auch die Beweglichkeit der Brust-
und Lendenwirbelsäule zeigte sich nicht eingeschränkt. In letzten Segment der Lendenwirbelsäule war die
Rückenstreckmuskulatur lediglich etwas tonuserhöht. Weiter besteht eine Periarthropathie linkes Schultergelenk bei
Arthralgien im Bereich des linken Schlüsselbein-Brustbeingelenk. Einen schmerzhaften Bogen konnte aber Dr. L.
nicht feststellen. Auch Nacken- und Schürzengriff konnten ungehindert ausgeführt werden. Das linke Schlüsselbein-
Brustgelenk war lediglich lokal druckschmerzhaft bei nur geringgradiger Schwellung. Weiter besteht eine
Epicondylopathie beidseits, bei freier Funktion der Ellenbogen- und Handgelenke. Dr. L. konnte aber das Vollbild einer
Epicondylitis ausschließen. Das rechte Daumengrundgelenk stellt sich grob verbreitert bei lokaler
Druckschmerzhaftigkeit dar, eine Heberden-, Bouchard- und Rhizarthrose konnte der Gutachter jedoch ausschließen.
Die Grob- und Feingriffformen können ausgeführt werden; das Kraftmuster bezeichnete der Gutachter als ausreichend
gut. Die diagnostizierten Gonalgien beidseits bei Senkspreizfüßen beidseits führen zu keiner gravierenden Geh- und
Stehminderung. Auch die Beweglichkeit der Kniegelenke ist frei, sie zeigten sich ergussfrei und bandstabil.
Auch auf nervenärztlichem Gebiet bestehen keine rentenbegründenden Gesundheitsstörungen. Dr. K. stellte einen
dysphorisch-fordernden Verstimmungszustand vom Ausprägungsgrad einer Dysthymie fest, ohne verwertbare
Hinweise für die Annahme einer krankheitswertigen Depression. Der Sachverständige weist darauf hin, dass in diesem
Zusammenhang auch die Therapieresistenz der früheren Behandlungen zu verstehen ist. Er beschreibt den Kläger als
akzentuierte Persönlichkeit mit narzisstischen und histrionischen Zügen. Bei der Untersuchung zeigte sich nur ein
geringes Ausmaß einer depressiven Symptomatik bei der Tendenz zur verfahrensbezogenen Ausschmückung von
Beschwerden und zu einer auch dramatisierend wirkenden Berichterstattung, welche aber zu keinem Zeitpunkt von
einem adäquaten Effekt begleitet war. Der Gutachter schließt sich der Einschätzung der behandelnden Ärztin Dr. B.
im Befundbericht vom 20.03.2000 an, in dem diese einen depressiv-dysphorischen Zustand, ein demonstratives
Verhalten mit latent fordernder Haltung sowie eine deutliche Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen und
hysterischen Verarbeitungsmodi feststellte. Die bei dem Kläger bestehende Störung entzieht sich weitgehend nicht
der bewussten Beeinflussung. Im Gegenteil war bei der Begutachtung ein deutlich forderndes Verhalten des Klägers
mit bewusstseinsnaher tendenzieller Ausrichtung der angegebenen Beschwerden festzustellen. Das wiederholt
reklamierte Nichtwissen gegenüber dem Gutachter, auch bezüglich wesentlicher lebensgeschichtlicher Daten, habe,
so Dr. K. , nicht echt gewirkt, sondern sei zur Unterstreichung der angegebenen Gedächtnisstörungen vorgebracht
worden. Eine wesentliche depressive Störung liegt bei dem Kläger bei fehlender Antriebsstörung als Voraussetzung
einer depressiven Störung von Krankheitswert nicht vor. Der Kläger zeigte bei der Untersuchung eine für die Diagnose
einer Depression untypische Einstellung, nämlich ein eher lebhaftes, wortstarkes, gereiztes, dysphorisches und
fordernden Verhalten. Im Übrigen wird der Kläger lediglich mit einem niederpotenten Antidepressivum behandelt, wobei
die Untersuchung ergab, dass der Kläger entgegen seiner Angaben das Medikament nicht täglich eingenommen hat,
sondern allenfalls sporadisch und in niedriger Dosis. Das Attest der behandelnden Ärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie R. vom 07.04.2005 und deren Befundbericht vom 16.06.2005 ändern nichts an dieser Beurteilung.
Denn die Angaben entsprechen im Wesentlichen den Ausführungen im Attest vom 15.11.2004, das Dr. K. in seine
Beurteilung einbezogen hat.
Der körperlich neurologische Untersuchungsbefund zeigte sich unauffällig. Funktionell bedeutsame, neurologische
Ausfälle bestehen nicht. Auch die Werte der Elektromyographie sowie der Elektroenzephalographie waren normal.
Ebenso sind bei dem Kläger auf internistischem Gebiet keine wesentlichen Funktionsstörungen nachweisbar. Bei der
Untersuchung war lediglich ein deutliches Gefäßrisikoprofil bei Hyperlipidämie, Nikotinabusus und geringem
Übergewicht festzustellen. Im Übrigen besteht nur der Verdacht einer Grenzwerthypertonie. Eine koronare
Herzerkrankung oder eine relevante pulmonale Funktionsstörung konnten nicht nachgewiesen werden. Nur das
Gefäßrisikoprofil, wonach eine koronare Herzkrankheit nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen ist, führt dazu, dass
dem Kläger schwere körperliche Tätigkeiten nicht mehr zugemutet werden können. Die vom Kläger angegebene
Beschwerdesymptomatik im Hinblick auf eine Belastungsdyspnoe ist aber nicht objektivierbar.
Auch wenn der Kläger den maßgeblichen, zuletzt ausgeübten Beruf als Helfer in einer Geflügelschlachterei nicht mehr
ausüben kann, ist er nicht berufsunfähig. Versicherte sind nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung
auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (BSG SozR 2200 §
1246 Nr. 138). Unter Anwendung des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas sind dem Kläger als
ungelerntem Arbeiter alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen er körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist.
Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Es liegt bei dem Klägerin weder
eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung
vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einer Versicherten erforderlich
machen würde, die der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Rechtlich unerheblich ist,
ob dem Kläger ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann. Denn das Risiko der Arbeitsvermittlung trägt die
gesetzliche Arbeitslosenversicherung und nicht die gesetzliche Rentenversicherung (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Der Kläger, der bei vollschichtigem beruflichen Leistungsvermögen nicht berufsunfähig nach § 240 Abs. 2 SGB VI ist,
hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, denn erwerbsgemindert ist nicht,
wer mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Anregung des Klägers, die durch Dr. L. , Dr. K. und Dr. E. durchgeführten Untersuchungen unter Hinzuziehung
eines anderen Dolmetschers zu wiederholen, war nicht zu entsprechen. Denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte,
dass aufgrund von vom Kläger behaupteten Verständigungsschwierigkeiten unzutreffende Begutachtungsergebnisse
erzielt wurden. Die erfolgten Untersuchungen bzw. Funktionsprüfungen für die Beurteilung eines rentenbegründenden
Gesundheitszustandes sind umfassend und die gezogenen Schlussfolgerungen überzeugend. Den Gutachten ist auch
nicht im Ansatz ein Hinweis gestörter oder unvollständiger Kommunikation zwischen dem Kläger und den
Sachverständigen zu entnehmen. In allen drei Gutachten sind die anamnestischen Abgaben und
Beschwerdeschilderungen des Klägers ausführlich dargestellt. Dr. L. weist sogar darauf hin, dass die
Deutschkenntnisse des Klägers ausreichend sind und für die Untersuchung eine ausreichende Konzentrationsfähigkeit
vorlag. Dr. K. gibt in seinem nervenärztlichen Gutachten auf knapp acht Seiten die Angaben des Klägers bei der
Untersuchung wieder. Es ist schlechthin nicht nachvollziehbar, dass eine entsprechend detaillierte Anamnese erhoben
wird, ohne dass bei tatsächlich vorhandenen Verständigungsschwierigkeiten dies in irgend einer Weise zum Ausdruck
kommen würde. Auch ergibt sich aus der Anamnese im Gutachten von Dr. K. unmittelbar, dass sich der Kläger
wiederholt an den Dolmetscher wandte, der das Ausmaß von gerade geschilderten Beschwerden des Klägers
betätigen sollte. Im Übrigen erhellt aus dem Gutachten von Dr. K. , dass sich der Kläger auf Befragen nach den
aktuellen Beschwerden ausschließlich in serbo-kroatisch geäußert hat, also in der Sprache, mit der sich der Kläger,
wie es im Schriftsatz vom 06.06.2005 heißt, überhaupt nicht verständigen könne.
Gegen eine unzureichende Verständigung zwischen dem Kläger und dem Gutachter spricht auch das prozessuale
Verhalten, nachdem der Senat dem Kläger die Gutachten zuleitete. So wurde im Schriftsatz vom 14.02.2005 ein
Antrag nach § 109 SGG gestellt, ohne auf die später behaupteten Kommunikationsschwierigkeiten bei den
Begutachtungen aufmerksam zu machen. Dieser Antrag wurde mit Schriftsatz vom 21.03.2005 zurückgenommen,
wieder ohne einen solchen Hinweis. Erst mit Schriftsatz vom 06.06.2005, also über vier Monate nach der Zusendung
der Gutachten und über ein halbes Jahr nach den gutachterlichen Untersuchungen am 30.11.2004 wird eine
mangelnde Kommunikationsfähigkeit zwischen dem Kläger und den Gutachtern behauptet, zudem ohne konkret
darzulegen, welche Positionen des Gutachtens deshalb unzutreffend sein könnten. Unter Berücksichtigung dieser
Sachlage ist das Vorbringen des Klägers hierzu als nicht glaubhaft zu bewerten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 02.12.2003 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.