Urteil des LSG Bayern vom 10.12.2009

LSG Bayern: wirtschaftliche leistungsfähigkeit, bemessung der beiträge, beitragsbemessung, private krankenversicherung, verpachtung, vermietung, kapitalvermögen, arbeitsentgelt, satzung

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.12.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Landshut S 1 KR 181/07
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 236/08
Bundessozialgericht B 12 KR 14/10 B
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Beiträge der Klägerin zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung bei der Beklagten.
Die Klägerin ist Inhaberin eines Fachgroßhandels für Elektroartikel. Sie ist bei der Beklagten seit 1992 freiwillig
versichert. Mit streitigem Bescheid vom 05.10.2006 machte die Beklagte zugleich im Namen der Beigeladenen auf
Grundlage des am 18.09.2006 vorgelegten Einkommensteuerbescheids 2004 eine monatliche Beitragsforderung ab
dem 01.01.2006 in Höhe von insgesamt 502,76 Euro geltend (Krankenversicherung: 454,20 Euro; Pflegeversicherung:
48,56 Euro). Herangezogen wurden von der Beklagten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von jährlich
32.982,00 Euro sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 1.297,00 Euro. Die von der Klägerin angegebenen
negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (-2.226,00 Euro) wurden dagegen nicht beitragsmindernd
berücksichtigt. Es ergab sich somit eine monatliche Berechnungsgrundlage in Höhe von 2.856,58 Euro.
Mit ihrem Widerspruch vom 12.10.2006 wandte sich die Klägerin sowohl gegen die Höhe der monatlichen
Berechnungsgrundlage als auch gegen die Weigerung der Beklagten, rückwirkende Beitragserstattungen nach Vorlage
neuer Steuerbescheide mit niedrigerem Einkommen durchzuführen. Nach mehreren ausführlichen Schreiben der
Beklagten zur Erläuterung ihrer Berechnung erging am 28.06.2007 der Widerspruchsbescheid, mit dem der
Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen wurde und die Beitragsforderungen für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis
zum 31.12.2006 bestätigt wurden.
Mit der am 31.07.2007 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage beantragte die Klägerin eine neue
Berechnung ihres Beitrags mit einer Minderung aufgrund von Verlusten aus Vermietung und Verpachtung. Diese
Verluste rührten aus notwendigen Reparaturaufwendungen oder Mietausfällen. Mit der Beitragsberechnung der
Beklagten würden Erträge, die zur Absicherung im Alter vorgesehen seien, unrechtmäßig abgeschöpft. Die Praxis
orientiere sich nur an einer fiktiven Einkommenssituation und nicht an den realen Verhältnissen.
In der mündlichen Verhandlung vom 25.07.2008 wurde das Begehren der Klägerin, rückwirkend Beitragserstattungen
zu erhalten, nicht weitergeführt. Mit Urteil vom 25.07.2008 wies das SG die Klage ab, da die monatlichen
beitragspflichtigen Einnahmen von der Beklagten korrekt berechnet worden seien. Aufgrund der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stehe fest, dass negative Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung sowie der Sparerfreibetrag unberücksichtigt bleiben müssten.
Mit ihrer Berufung vom 04.09.2007 begehrt die Klägerin weiterhin eine Saldierung von Verlusten aus Vermietung und
Verpachtung gegen andere Einnahmen wie z. B. Zinserträge. Sie sieht sich gegenüber Pflichtversicherten im Nachteil,
bei denen nur das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung unterliegt, obwohl auch bei diesem Personenkreis
teilweise erhebliche Nebeneinkünfte vorhanden seien. Laut Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund habe
sie lediglich mit einer Altersrente in Höhe von 593,84 Euro zu rechnen. Zinserträge seien daher zu ihrer
Alterssicherung zwingend notwendig. Sie sei früher pflichtversichert gewesen und davon ausgegangen, dass durch
den Wechsel in die Selbständigkeit keine Benachteiligung durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolge.
Andernfalls hätte sie wegen deutlich günstigerer Tarife und besserer Leistungen eine private Krankenversicherung
gewählt. Die gesetzliche Regelung sei willkürlich, weil kein sachlicher Grund das Verbot der Saldierung rechtfertige.
In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009, zu der die Pflegekasse notwendig beigeladen wurde, beantragt der
Ehemann der Klägerin für die Klägerin,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25.07.2008 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung ihres Bescheids
vom 05.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2007 zu verurteilen, bei der
Beitragsbemessung die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalen unberücksichtigt zu lassen,
hilfsweise, für das Jahr 2006 bei der Beitragsbemessung die Verluste aus Vermietung und Verpachtung mit den
positiven Einkünften aus Kapitalvermögen zu verrechnen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist insbesondere auf die ständige Rechtsprechung des BSG sowie ihre Bescheide und das Urteil des
Sozialgerichts Landshut.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Klageakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet.
Die Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts entsprechen der geltenden Rechtslage und sind nicht
zu beanstanden.
Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich der Beitragsbescheid der Beklagten vom 05.10.2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.06.2007 für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2006.
Der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder liegt die Regelung des § 240 SGB V zugrunde. Danach wird die
Bemessung der Beiträge von freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Satzung geregelt
(§ 240 Abs. 1 SGB V). Es ist hierbei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt. Die Satzung der Krankenkasse muss nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB
V mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren
versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Für die Beitragsbemessung in
der Pflegeversicherung sind die für die Krankenversicherung maßgeblichen Vorschriften anzuwenden (§ 57 Abs. 4
Satz 1 SGB XI).
Die Satzung der Beklagten regelt in § 21 Abs. 4, dass der Beitragspflicht das Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung,
das Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) sowie alle sonstigen Einnahmen und
Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre
steuerliche Behandlung unterliegen. Damit knüpft diese Satzungsbestimmung in zulässiger Weise an § 240 Abs. 1
SGB V an und wird durch Aufzählung der durch § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V beitragspflichtigen Einahmen der
versicherungspflichtigen Beschäftigten ergänzt.
Entsprechend dieser Vorgaben hat die Beklagte zutreffend der Beitragsbemessung sowohl die Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit als auch aus Kapitalvermögen herangezogen. Diese im Vergleich zu Pflichtversicherten
unterschiedliche Regelung ergibt sich gerade aus der von der Klägerin geforderten Gleichbehandlung zwischen
freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten. Eine solche Gleichbehandlung bzw. die Vermeidung von
Privilegierungen einer Gruppe, kann nur erreicht werden, wenn die jeweiligen Besonderheiten berücksichtigt werden,
wobei eine Typisierung zulässig sein muss.
Der Gesetzgeber hat daher bei der Gruppe der Versicherungspflichtigen, die als besonders schutzbedürftig angesehen
werden, die das jeweilige Pflichtversicherungsverhältnis typischerweise prägenden Einnahmearten der Beitragspflicht
unterworfen, also insbesondere das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, den Zahlbetrag der
gesetzlichen Rente und Versorgungsbezüge (§§ 226 Abs. 1, 229 SGB V). Demgegenüber werden bei freiwilligen
Mitgliedern die Beiträge nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bemessen. Bei vielen freiwillig
Versicherten wird der Lebensunterhalt nämlich typischerweise durch andere Einnahmemöglichkeiten bestritten oder
ergänzt, so dass die Arbeitseinkünfte für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit alleine nicht
aussagekräftig sind.
Zwar mag es zutreffen, dass auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Pflichtversicherten über Nebeneinkünfte
verfügt, die dem Lebensunterhalt dienen. Im Allgemeinen ist es aber doch eher die finanzstärkere Gruppe der freiwillig
Versicherten, der über das Arbeitseinkommen hinaus weitere Einkünfte zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen.
Hinzu kommt, dass innerhalb der einzelnen Einkunftsarten ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich zulässig ist.
Dies bedeutet, dass die jeweilige Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen durch Verluste in diesem Bereich
beeinflusst werden kann. Diese Möglichkeit steht Pflichtversicherten in diesem Umfang nicht zu. Zu Recht hat die
Beklagte daher die Einkünfte aus Kapitalvermögen in die Beitragsbemessung miteinbezogen (vgl. ständige
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG -, z.B. Urteil vom 09.08.2006, Az.: B 12 KR 8/06 R, SozR 4-2500 §
40 Nr. 8).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht, insoweit ist auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 03.02.1993 (Az.: 1 BvR 1920/92, SozR 3-2500 § 240 Nr. 11) hinzuweisen, wonach
eine Grundrechtsverletzung ausscheidet, soweit bei freiwillig Versicherten auch Einnahmen aufgrund betriebsfremder
privater Eigenvorsorge, z.B. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, berücksichtigt
werden. Dies entspräche dem die gesetzliche Krankenversicherung beherrschenden Solidaritätsprinzip, die
Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen.
Auch der Hilfsantrag der Klägerin, eine Saldierung ihrer Verluste aus Vermietung und Verpachtung mit den Einkünften
aus Kapitalvermögen zu erreichen, kann aus den oben genannten Gründen nicht durchdringen. Ein solcher vertikaler
Verlustausgleich wurde ebenfalls bereits höchstrichterlich abgelehnt (vgl. hierzu zuletzt Urteil des BSG vom
09.08.2006, a.a.O.). Ein Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkommensarten ist ausgeschlossen, da
eine solche Saldierung zu Privilegierungen der freiwillig Versicherten gegenüber dem versicherungspflichtig
Beschäftigten und anderen Versicherungspflichtigen führen würde. Dies widerspricht nach ständiger Rechtsprechung
des BSG dem Zweck der Regelung des § 240 SGB V, bei der Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds anhand der Gesamtheit der Einnahmen zu berücksichtigen. Bei
Pflichtversicherten sieht das Gesetz einen solchen Verlustausgleich nicht vor. Deren beitragspflichtige Einnahmen
aus Arbeitsentgelt, Renten und Versorgungsbezügen werden weder dem Grunde noch der Höhe nach danach
bestimmt, ob außerdem noch aus anderen Einkünften Gewinn erzielt wird oder ein Verlust entsteht. Dem Sinn und
Zweck, eine Besserstellung von freiwilligen Mitgliedern gegenüber den Pflichtmitgliedern zu verhindern, entspricht es
daher allein, die bei freiwilligen Mitgliedern beitragspflichtigen Einnahmen denselben Grundsätzen zu unterwerfen, die
für die beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtig Beschäftigten gelten. Ein Verlustausgleich zwischen
verschiedenen Einkunftsarten ist daher nicht möglich. Hiergegen bestehen auch verfassungsrechtlich keine Bedenken
(vgl. Urteil des BSG vom 09.08.2006, a.a.O).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut ist daher insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegen nicht vor.