Urteil des LSG Bayern vom 16.02.2006

LSG Bayern: somatoforme schmerzstörung, fibromyalgie, erwerbsfähigkeit, zumutbare tätigkeit, behandlung, wahrscheinlichkeit, behinderung, psychiater, datum, krankheit

Bayerisches Landessozialgericht
Urteil vom 16.02.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 6 RJ 1681/01
Bayerisches Landessozialgericht L 14 R 401/04
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. April 2004 wird zurückgewiesen. II.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen ge- oder verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im Jahre 1949 geborene Klägerin, eine türkische Staatsangehörige und Analphabetin ohne Berufsausbildung, kam
im Jahre 1974 in die BRD und war vom 01.10.1980 bis 30.11.1996 - unterbrochen durch mehrere Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit zwischen Juni 1994 und Juli 1996 - als Reinemachefrau versicherungspflichtig beschäftigt, laut
ihren Angaben an fünf Tagen pro Woche zu je zwölf Stunden. Von Dezember 1996 bis April 1999 bezog sie
überwiegend Leistungen der Arbeitsverwaltung, aber auch Krankengeld. Die Zeit vom 15.06. bis 31.08.1997 ist nicht
belegt. Vom 19.05.1999 bis 01.11.1999 hat die Beklagte im Versicherungsverlauf der Klägerin eine Arbeitslosigkeit
ohne Leistungsbezug vorgemerkt.
Am 13.12.2000 stellte die Klägerin bei der Beklagten wegen Bandscheibenvorfalls und Asthmas Antrag auf Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen ließ die Beklagte ein
Gutachten der Chirurgin Dr.L. vom 02./03.04.2001 erstellen, die bei festgestellter ausgeprägter
Verdeutlichungstendenz der Klägerin zu folgenden Diagnosen kam: Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der
Wirbelsäule, Bandscheibenprolaps C5/C6 rechts, Protrusion C4/C5; Sacroiliitis rechts mehr als links, geringe
degenerative Veränderungen der Ileosacralfugen und der Hüftgelenke; degenerative Veränderungen der Knie- und
Femoropatellargelenke. Dr.L. hielt die Klägerin für fähig, leichte bis kurzfristig mittelschwere Arbeiten ohne ständige
Tätigkeiten über Kopf und ohne ständiges Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg vollschichtig zu verrichten.
Die weiterhin beauftragte Internistin Dr.S. stellte in ihrem Gutachten vom 10.04.2001 an Gesundheitsstörungen eine
anamnestisch chronisch asthmoide Bronchitis unter Therapie, kein Nachweis von Ventilationsstörung in der
Lungenfunktion, einen Harnwegsinfekt, ein Übergewicht bei grenzwertigem Hypertonus ohne Nachweis für kardiale
Folgeerscheinungen, den Verdacht auf Anpassungsstörung mit gelegentlicher leichter depressiver Verstimmung,
Hinweise für eine somatoforme Störung und Verdeutlichungstendenzen fest. Die Ärztin hielt die Klägerin aus
internistischer Sicht für fähig, leichte Arbeiten ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Zeitdruck und ohne
Einwirkungen von Kälte, Staub und Gasen vollschichtig zu verrichten. Vorgelegen hat bei dieser Beurteilung bereits
ein Attest der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. vom 27.03.2001 (zweimalige Behandlung der Klägerin auf
Empfehlung des späteren prozessbevollmächtigten Rentenberaters mit der Diagnose Erschöpfungsdepression). Die
Beklagte lehnte den Rentenantrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.04.2001 ab.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, laut Attest der Dr. A.
leide die Klägerin an Depression mit starkem Leidensdruck, Wein- und Angstzuständen, starker Antriebsminderung
und Tagesmüdigkeit, und sie sei daher erwerbsunfähig. Zur Begründung wurde auch ein Bescheid des Amtes für
Versorgung und Familienförderung (AVF) M. vom 25.04.2001 mit einem GdB von 50 vorgelegt.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten beauftragte daraufhin den Nervenarzt Dr.B. mit der Untersuchung der Klägerin.
Dieser stellte in seinem Gutachten vom 25.07.2001 die Diagnosen "Verdacht auf langjährige und derzeit nur
leichtergradige Dysthymia mit vielfältigen Somatisierungstendenzen, histrionische Persönlichkeitsstörung,
Berentungswunsch mit entsprechendem Tendenzverhalten und rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall C5/6 ohne
neurologische Ausfallserscheinungen, Wirbelsäulen-Syndrom mit radikulären Reizerscheinungen bei Adipositas
permagna". Er war der Meinung, die Klägerin könne bei der gebotenen Intensivierung der nervenärztlichen Behandlung
alsbald wieder vollschichtig alle leichten Frauenarbeiten (ohne schweres Heben und Tragen) zu ebener Erde in
geschlossenen Räumen, ohne Einwirkung von Kälte und Nässe und aus wechselnder Ausgangslage (teilweise im
Sitzen, ohne dauerndes Gehen und Stehen) verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, häufiges Bücken sowie
Nacht- und Wechselschicht. Nach Einholung einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Beklagten wurde der
Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2001 unter Prüfung des bis zum 31.12.2000 und ab 01.01.2001
geltenden Rechts zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München machte der Bevollmächtigte der Klägerin eine
Multimorbidität sowie weitere oder schwerwiegendere Gesundheitsstörungen auf lungenärztlichem und
orthopädischem Gebiet geltend. Das Sozialgericht holte Befundberichte mit Arztbriefen ein und veranlasste das
Gutachten des Orthopäden Dr.S. vom 27.06.2002. Dieser diagnostizierte ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei
cervicalen und lumbalen Foraminalstenosen und Bandscheibenschäden ohne Nachweis eines radikulären
sensomotorischen Defizites, beginnend degenerative Veränderungen des medialen Kniegelenkskompartimentes bei
Ausschluss höhergradiger Arthrosen, Ausschluss relevanter Coxarthrosen beiderseits und eine Adipositas
permagnissima. Der Sachverständige hielt die Klägerin für fähig, vollschichtig leichte, kurzfristig mittelschwere
Arbeiten aus wechselnder Ausgangslage (nicht ständig im Gehen und Stehen, sofern dies mit schwerer körperlicher
Tätigkeit verbunden sei) in geschlossenen Räumen und kurzfristig im Freien zu verrichten. Zu vermeiden seien
ständige Arbeiten in vornübergeneigter Zwangshaltung, ständige Überkopfarbeiten oder Arbeiten am Fließband sowie
Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ausgenommen bis 15 kg bei nur kurzfristigen Tätigkeiten.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstellte der Nervenarzt Dr.K. das Gutachten
vom 20.06.2003 aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 08.11.2002 und kam zu den Diagnosen
"rechtsmediolateraler Diskusprolaps in Höhe C4 bis C6, somatoforme Störungen im Bereich der Atemwege und des
Bewegungsapparates, rezidivierende depressive Störung mit schwerer Insomnie und Tagesmüdigkeit,
Fibromyalgiesyndrom, cervicocephales Syndrom mit Spannungskopfschmerz und Vertigosymptomatik, somatoforme
Schmerzstörung unter dem Bild eines Fibromyalgiesyndroms, Angst- und depressive Störung gemischt sowie
Hörminderung links. Dr.K. war der Auffassung, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Untersuchung
des Dr.B. am 25.07.2001 verschlechtert habe. Damals habe eine leichtergradige Dysthymie mit vielfältigen
Somatisierungstendenzen vorgelegen, jetzt eine rezidivierende depressive Störung mittleren Schweregrades und eine
somatoforme Schmerzstörung unter dem Bild eines Fibromyalgiesyndroms (somatoforme Störungen im Bereich der
Atemwege, des Bewegungsapparates und des Gastrointestinaltraktes). Hinsichtlich der neurologischen Befunde an
der Wirbelsäule sei ebenfalls von einer Verschlimmerung auszugehen; der Beginn sei zeitlich schwer festzulegen und
spätestens mit Untersuchung der Klägerin im November 2002 anzunehmen. Diese könne leichte Arbeiten in
geschlossenen Räumen aus wechselnder Ausgangslage (überwiegend im Sitzen) verrichten, und zwar pro Arbeitstag
vier Stunden mit einer Pause von 30 Minuten nach zwei Stunden. Vermieden werden müssten Heben und Tragen von
Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten über Kopf, an Maschinen und am Fließband sowie Exposition in Kälte, Nässe und
extremen Temperaturschwankungen. Das Leis-tungsbild bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Mitte 1998 und in
seiner verschlimmerten Form gesichert spätestens seit dem Untersuchungstermin vom 08.11.2002, wobei
anzunehmen sei, dass diese Verschlimmerungsform bereits am 25.04.2001 bestanden habe, als das AVF M. eine
Schwerbehinderung anerkannt habe. Der Ärztliche Dienst der Beklagten stimmte dem Gutachten des Dr.K.
hinsichtlich eines Leistungsvermögens von drei bis unter sechs Stunden täglich für die Zeit ab 08.11.2002 zu, wobei
sie darauf hinwies , dass bei diesem Leistungsfall die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§
43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI) nicht gegeben seien. Im maßgebenden
Zeitraum vom 01.04.1997 bis 07.11.2002 seien nämlich nur 23 Monate an Pflichtbeiträgen vorhanden.
Eine von der Klägerin angeregte Rückfrage des Sozialgerichts bei Dr.K. führte zu dessen Stellungnahme vom
20.10.2003, dass "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zum
"25.04.2002" auch das Vollbild der beschriebenen Verschlimmerungsform vorgelegen habe. Bei fehlenden weiteren
Kriterien könne dies durchaus einen "Außenfaktor" für den Schweregrad der Erkrankung bereits zum "25.04.2001"
darstellen. Hierzu wies die Beklagte mit einer Stellungnahme des Dr.K. vom 06.11.2003 darauf hin, dass für die
Beurteilung der Erwerbsfähigkeit nicht der Grad der Behinderung, sondern das Gutachten des Dr.B. vom 25.07.2001
herangezogen werden müsse. Auf weitere Rückfrage des Sozialgerichts, wann denn nun der Leistungsfall eingetreten
sei, zumal vom 25.04.2002 und vom 25.04.2001 die Rede sei, antwortete Dr.K. unter dem 16.02.2004, der
Leistungsfall sei zum 25.04.2002 anzunehmen; insoweit sei ein Schreibfehler in seiner letzten Stellungnahme zu
korrigieren.
Mit Urteil vom 28.04.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es ging davon aus, dass die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen "unstreitig letztmals zum 30.03.2001" vorgelegen hätten, hingegen nicht mehr bei einem
Leistungsfall vom 25.04.2001, dem Datum, das Dr.K. gemeint habe. Daher bestehe kein Anspruch auf Rente wegen
voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Mit dem Rechtsmittel der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter, wobei sie nunmehr einen vor April
2001 eingetretenen Leistungsfall geltend macht; die laut Bescheid des AVF M. vom 25.04.2001 bestehenden
Beschwerden hätten schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen, laut Dr.K. bereits im Sommer 1998. Der
Schwerbehindertenbescheid hätte ebenso gut einen Monat früher ergehen können, was nicht zu Las-ten der Klägerin
gehen dürfe. Aus den noch beizuziehenden Akten des AVF M. werde sich klar erkennen lassen, dass das
Beschwerdebild bereits vor dem 30.03.2001 vorgelegen habe.
Der Senat hat die Versichertenakte der Beklagten und die Schwerbehindertenakte des AVF M. (Außenstelle S.)
beigezogen und Befundberichte sowie Arztbriefe vom Angiologen Prof.Dr.R. (Praxis Dr.H. und Kollegen), Internisten
Dr.C. , Neurologen und Psychiater Dr.B. , Frauenarzt Dr.K. , Internisten Dr.L. , Allgemeinarzt Dr.G. , Chirurgen Dr.H.
und von der Neurologin und Psychiaterin Dr. A. eingeholt, worunter sich wiederum Arztbriefe dritter (u.a. Dres.K. und
S. , Dr.G. , Dr.V. , Dr.H. und zweier Krankenhäuser) befanden. Beigezogen worden sind weiterhin 24 Röntgenfilme.
Der mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Neurologe und Psychiater Dr.K. ist in seinem Gutachten vom
06.06.2005 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin von 1998 bis zur Jahreswende 2000/2001 und auch
darüber hinaus bis November 2001 ein gering ausgeprägtes depressives Syndrom mit Somatisierung,
wirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne Nachweis eines radikulären Defizits und eine histrionische
Persönlichkeitsstruktur vorgelegen hätten. Eine richtungsweisende Verschlimmerung lasse sich in der Zeit zwischen
1998 und 2001 sowohl nach den Behandlungsunterlagen als auch nach einer Fremdanamnese (Tochter) nicht
feststellen. Der Klägerin seien leichte und zeitweise mittelschwere körperliche Arbeiten (ohne Heben und Tragen
schwerer Lasten), ohne häufiges Bücken und ohne Zwangspositionen zumutbar. Vermieden werden müssten Akkord-
und Schichtarbeiten sowie Arbeiten unter Zeitdruck. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung der ermittelten Befunde
seit Dezember 2000 bis November 2001 vollschichtig auch als Raumpflegerin arbeiten können.
Der Klägerbevollmächtigte verweist auf das von Dr.K. diagnostizierte Fibromyalgie-Syndrom und hat Antrag gemäß §
109 SGG auf Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens des Dr.O. gestellt, dem aber nicht stattgegeben worden
ist, nachdem der unter Fristsetzung angeforderte Kostenvorschuss über zweieinhalb Monate lang nicht einbezahlt
worden ist.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das Urteil vom 28.04.2004 sowie den Bescheid vom 17.04.2001 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit oder teilweiser
Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die oben genannten beigezogenen
Unterlagen vor, weiterhin Auszüge zum Thema Fibromyalgie aus der "Sozialmedizinischen Begutachtung in der
gesetzlichen Rentenversicherung", 5. Auflage, hrsg. vom VDR, der Artikel "Fibromyalgie - Stichworte zu einer
Kontroverse" vom Neurologen und Psychiater Dr.K. M. , der Beitrag "Fibromyalgie" des Rheumazentrums Heidelberg,
der Aufsatz "Fibromyalgie" des Internisten und Schmerztherapeuten Dr.H. , der Aufsatz "Moderne Aspekte der
Fibromyalgie" der Neurologen und Psychiater Dres. H. und W. sowie drei Tarifbeispiele des Anhangs 5 zum
Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der bayerischen Metallindustrie. Hierauf wird zur Ergänzung des
Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143 ff., 151 SGG) ist nicht
begründet.
Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rente wegen geminderter
oder verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß den bis zum 31.12.2000 und ab dem 01.01.2001 geltenden Vorschriften
des SGB VI in der alten und neuen Fassung (SGB VI a.F. und SGB VI n.F.) zusteht. Bis zum 31.10.2001, als sie
neben der allgemeinen Wartezeit noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente
erfüllte, waren die medizinischen Voraussetzungen einer geminderten bzw. verminderten Erwerbsfähigkeit nicht
gegeben.
Aufgrund des Rentenantrags vom 13.12.2000 und des behaupteten Leistungsfalls (irgendwann) vor April 2001
kommen sowohl die Anwendung der Vorschriften des SGB VI a.F. als auch die des SGB VI n.F. in Frage (§ 300
Abs.1 und Abs.2 SGB VI).
1. Hinsichtlich des Inhalts der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ist dies im Wesentlichen ohne
Belang. Gemäß § 43 Abs.1 Nr.2 i.V.m. Abs.3, § 44 Abs.1 Nr.2 i.V.m. Abs.4 SGB VI a.F. muss die Klägerin in den
letzten Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, verlängert durch Schiebezeiten, drei Jahre
Pflichtbeitragszeiten haben. Nach § 43 Abs.1 Nr.2 und Abs.2 Nr.2 i.V.m. mit Abs.4 SGB VI n.F. gilt dies auch für die
teilweise und volle Erwerbsminderung oder nach § 240 Abs.1 Satz 1 SGB VI n.F. (Anspruch auf Rente "bei Erfüllung
der sonstigen Voraussetzungen") für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne
von § 240 Abs.2 SGB VI n.F.
Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, kommt eine Berentung auch in Frage, wenn die Kalendermonate ab
Januar 1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls mit Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen und sonstigen
Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sind oder eine vollständige Belegung durch Beitragszahlung noch zulässig ist
(§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. § 241 Abs.2 SGB VI n.F.).
Im jetzigen Berufungsverfahren liegt die vollständige Belegung ab 01.01.1984 aufgrund einer Lücke im
Versicherungsverlauf mit zwei vollen Kalendermonaten (15.06. bis 31.08.1997) nicht vor und ist auch mangels eines
Rechts auf freiwillige Zahlung von Beiträgen (§§ 197 Abs.2, 198 SGB VI) nicht mehr erreichbar. Die Drei-Fünftel-
Belegung der letzten fünf Jahre mit Pflichtbeiträgen war letztmals bei Eintritt des Leistungsfalles im Oktober 2001
gegeben und nicht, wie vom Sozialgericht angenommen, im März 2001. Unter Berücksichtigung einer Schiebezeit im
Sinne von § 43 Abs.4 Nr.3 SGB VI n.F. bzw. § 43 Abs.3 Nr.3, § 44 Abs.4 SGB VI a.F. (Arbeitslosigkeit ohne
Leistungsbezug vom 19.05. bis 01.11.1999 im Anschluss an Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit bis
30.04.1999) sind in den letzten, um die Schiebezeit verlängerten Jahre letztmals 36 Pflichtbeiträge gegeben und
übersteigen die nicht belegten Lü-cken (August und November 1997, Dezember 1999 bis einschließlich September
2001) noch nicht die "rentenschädliche" Grenze von 24 Monaten.
2. Ein Leistungsfall bis einschließlich Oktober 2001 ist nicht nachgewiesen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren
Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und
seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken
ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle
Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen
Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben
kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI a.F.).
Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind,
eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen,
das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine
Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2
SGB VI a.F.).
Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer
Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer
Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI n.F.).
Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und
berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).
Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen der Klägerin als ungelernte Arbeitnehmerin sind alle genannten
Voraussetzungen nicht erfüllt. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet folgt der Senat insbesondere den schlüssigen
Ausführungen von Dr.B. und Dr.K ... Laut Ersterem lag noch bei der Untersuchung der Klägerin am 25.07.2001, also
kurz vor dem für einen Rentenanspruch kritischen Stichtag, das Bild einer leichtgradigen Dysthymie mit vielfältigen
Somatisierungstendenzen vor, wobei die Klägerin trotz ihrer vorgebrachten Beschwerden allenfalls leicht depressiv
wirkte und bei der Untersuchung ein bewusst gesteuertes, ausgesprochen demonstratives Verhalten an den Tag legte
(z.B. Beendigung des Finger-Nase-Versuchs rechts 10 cm vor der Nasenspitze und links 50 cm vor der Nasenspitze;
z.B. hinkender Gang bei Betreten des Untersuchungszimmers, nicht aber bei der neurologischen Untersuchung). Eine
ausgeprägte Verdeutlichungstendenz wurde im Übrigen auch von der Internistin Dr.S. im Gutachten vom 10.04.2001,
vom Chirurgen Dr.L. im Gutachten vom 02./03.04.2001 und von Dr.S. im Gutachten vom 27.06.2002 (z.B. deutliche
Gegenspannung bei Prüfung der Halswirbelsäule; die Beschwerdesymptomatik kann auch hinsichtlich der
Lendenwirbelsäule teilweise nicht objektiviert werden) festgestellt. Die von der Klägerin jeweils angegebenen
Bewegungseinschränkungen und Befindlichkeiten schwankten im Übrigen stark (Ablehnung der Rumpfbeuge z.B. bei
Dr.L. und Dr.B. , hingegen wieder vollzogen bis auf einen Finger-Boden-Abstand von 40 cm und 30 cm bei Dr.S. und
Dr.K.), ohne dass sich hierfür organische Befunde anführen ließen. Die Diagnosen und die Leistungsbeurteilung des
Dr.B. decken sich auch mit dem Befundbericht und den Arztbriefen des Neurologen und Psychiaters Dr.B. , der die
Klägerin in der Zeit vom 08.02.1993 bis 07.12.2000 behandelt hat. In psychiatrischer Hinsicht wurde letztlich im Jahre
2000 vom behandelnden Arzt noch von einem "Verdacht auf somatisierte Depression mit Spannungskopfschmerz"
gesprochen und die "depressive Symptomatik" auch gekennzeichnet als "subdepressiver Affekt". Von einem
durchgehend erheblichen Krankheitsbild war nicht die Rede, Dr.B. hat insoweit lediglich auf frühere Episoden
verwiesen, so eine mittelgradig ausgeprägte depressive Symptomatik im Jahre 1993 (Ehekonflikt) und im Jahre 1996
(Hysterektomie).
Derselbe Eindruck ergab sich anlässlich der Anamnese und den Befunden des Dr.K ... Die "Nervenkrise" bzw. der
"Nervenanfall" bzw. die Weinkrämpfe (laut Attest der Dr. A. vom 27.03.2001 grundlose Weinzustände) wurden von der
Klägerin zunächst lange zurück in die Vergangenheit, wo sie von Dr.B. behandelt worden ist, datiert. Erst am Schluss
der Untersuchung hat die Klägerin wieder aktuelle Weinkrämpfe angeführt, die aber laut Fremdanamnese der Tochter
nicht zu eruieren waren. Hier war vielmehr die Rede von viele Jahre zurückliegenden Wutausbrüchen und einer
Tendenz zum Weglaufen nach familiären Streitigkeiten. Die Klägerin zeigte sich letzten Endes bei der Untersuchung
des Dr.K. nur etwas niedergedrückt, wobei eine höhergradige depressive Symptomatik nicht feststellbar gewesen ist.
Es bestand keine Vitalsymptomatik, und eine Antriebsstörung war ebenfalls nicht festzustellen.
Nicht vereinbar mit den von Dr.B. und Dr.K. festgestellten relativ geringen Gesundheitsstörungen ist das vom
Nervenarzt Dr.K. im Gutachten vom 20.06.2003 angeblich bestehende Krankheitsbild aufgrund einer Untersuchung am
08.11.2002, wobei Aggravationstendenzen offenbar deswegen nicht festgestellt wurden, weil die Klägerin eine Reihe
von "Zutaten" hier unterließ. So war wieder das Rumpfbeugen möglich (Finger-Boden-Abstand 30 cm), und der Finger-
Nase-Versuch, der zuvor bei Dr.B. und auch danach wieder bei Dr.K. misslang (Anhalten der Hand 10 cm vor der
Nase), verlief bei Dr.K. ohne Besonderheiten. Immerhin bescheinigte dieser Sachverständige noch der Klägerin, dass
- ohne Aggravationstendenz - ein Tendenzverhalten bei Berentungswunsch kulturspezifisch als Verdeutlichung in
Erscheinung getreten ist. Gleichwohl sind die Schlussfolgerungen des Dr.K. dem Senat insgesamt nicht plausibel
nachvollziehbar, zumindest nicht für die Zeit bis einschließlich Oktober 2001. Es scheint so zu sein, dass Dr.K.
nahezu alle Angaben der Klägerin zu einem reduzierten psychischen Zustand und zu langjährigen Leiden unter
Berücksichtigung des Befundberichts der Dr. A. als glaubwürdig übernommen hat, so eine depressive Stimmungslage
mit abendlichem bzw. nächtlichem Stimmungstief (laut Dr. A. handelt es sich wiederum um ein morgendliches
Stimmungstief) und Durchschlafstörungen, verknüpft mit Tagesmüdigkeit und Antriebsstörungen, obwohl Dr.K. selbst
nur festgestellt hat, dass Konzentrations- und Merkfähigkeitsleistungen nur etwas reduziert wirkten und sich die
diagnostizierte schwere Insomnie weder aus den Angaben der Klägerin noch aus den vorausgehenden Arztberichten
ergaben.
Insgesamt erscheinen dem Senat die Diagnosen des Dr.K. und der Dr. A. sowie die daraus abgeleiteten
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Klägerin keineswegs - bezogen auf die Zeit bis 31.10.2001 - gesichert. Hier
bestehen Hinweise auf zahlreiche Unstimmigkeiten, wobei eine wesentliche Leidensverschlimmerung weder bei
Wechsel des behandelnden Arztes (Dr.B. bis zum 07.12.2000, Dr. A. ab 09.01.2001) noch in der Zeit zwischen der
Untersuchung des Dr.B. (25.07.2001) und des Dr.K. (08.11.2002) schlüssig erscheint. Ebenfalls ergab sich laut der
von Dr.K. erhobenen Anamnese der Klägerin und Fremdanamnese der Tochter kein markanter Wendepunkt; vielmehr
soll nach den Angaben beider vorher und nachher alles in den gleichen Bahnen verlaufen sein. Auszuschließen ist
aber nicht, dass im Herbst 2002 eine der wenigen, nur vorübergehenden depressiven Phasen abgelaufen ist, die aber
bei der Beurteilung einer rentenerheblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegend nicht ins Gewicht fällt.
Auffällig und wenig überzeugend an dem Gutachten des Dr.K. ist der Umstand, worauf auch Dr.K. hinwies, dass
diagnostisch u.a. von somatoformer Störung, von einer rezidivierenden depressiven Störung mit schwerer Insomnie
und Tagesmüdigkeit, von einem Fibromyalgiesyndrom, von einer somatoformen Schmerzstörung unter dem Bild eines
Fibromyalgiesyndroms und von einer Angst- und depressiven Störung gemischt die Rede ist, ohne dass eine
Festlegung oder Abgrenzung der sechs verschiedenen Diagnosen erfolgt und ein konkretes Krankheitsbild ersichtlich
wird. Ein Leidensdruck, wie von Dr. A. und Dr.K. erwähnt, ist von mehreren Ärzten - so auch ausdrücklich
festgehalten - nicht bemerkt worden. Hiergegen spricht auch die niederfrequente Behandlung auf psychiatrischem
Gebiet. Die Behandlung bei Dr. A. , diese ist gleichzeitig mit Stellung eines Rentenantrags vom 12.(20.)12.2000 und
eines Antrags auf Feststellung von Behinderungen nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes vom 14.(20.)12.2000
initiiert worden, vermag nicht zu überzeugen. Im Jahre 2001 fanden nur an fünf Tagen Behandlungen statt. Die
Behandlungsdichte, von der Klägerin angegeben im Juni 2005 mit alle zwei oder drei oder vier Monate, hat auch nicht
zugenommen. So wurde von Dr. A. mit Befundbericht vom 01.03.2005 eine letzte Behandlung am 27.07.2004, also
vor mehr als sieben Monaten angegeben. Dies spricht keineswegs für einen hohen Leidensdruck bzw. ein schweres
Krankheitsbild, nachdem die Klägerin durch ihre seit dem Jahre 1996 dokumentierten sehr häufigen Arztbesuche auf
den verschiedensten Fachgebieten durchaus nicht die Tendenz zeigt, sich mit ihrem Leiden zurückzuziehen und
Arztbesuche zu vermeiden. Insoweit erscheint auch das nachträglich bei Dr.K. vorgebrachte Argument der Klägerin,
sie habe für die Fahrten zum Arzt kein Geld, wenig überzeugend, zumal der Wohnort K. nahe bei M. liegt und mit
Nahverkehrsmitteln wie S-Bahn und Bus schnell und kostengünstig zu erreichen ist. Wenig zu überzeugen vermag
auch die Medikation. So soll laut Dr. A. zuerst eine Therapie mit trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin) und bei
fehlender Wirkung dann eine Umstellung auf einen Serotoninwiederaufnahmehemmer (Fluoxetin) erfolgt sein; auch
letzteres soll keine ausreichende Besserung erbracht haben. Damit stellt sich in berechtigter Weise die Frage, warum
nicht ein drittes oder viertes Mittel versucht worden ist. Das Unterlassen stellt jedenfalls ein Indiz dafür dar, dass eine
schwere depressive Symptomatik nicht vorgelegen haben kann, da ansonsten sicherlich weitere Therapieoptionen ins
Auge gefasst worden wären. Hinzu kommt, dass auch das Verhalten der Klägerin im Umgang mit Medikamenten
weder für einen Leidensdruck noch die Notwendigkeit der Behandlung einer mittelschweren oder gar schweren
Depression spricht. Sie hat zwar gegenüber Dr.K. den Eindruck zu erwecken versucht, sie werde seit Januar 2001
regelmäßig medikamentös therapiert, als sie behauptete, sie nehme die Medikamente "seit Anfang an" (also ab
Januar 2001) regelmäßig. Dies kann aber nicht zutreffen, weil sie bei Dr.K. nur eine Schachtel mit 10 Tabletten
Fluoxetin vorweisen konnte, wobei dieses Mittel täglich genommen werden müsste. Damit nicht in Einklang zu
bringen sind die Abstände zwischen den einzelnen Arztbesuchen von zwei bis sieben Monaten. Ebenso wenig lassen
sich den Anamnesen und der Krankengeschichte in den Jahren 2000 und 2001 Ereignisse entnehmen, auf die in der
vorausgehenden Zeit offenbar seltene psychische Auffälligkeiten beruhten, wie sie nach den Arztbriefen des Dr.B. mit
familiären Schwierigkeiten (Streit mit dem Ehemann) oder Hysterektomie 1996 beschrieben sind.
Zur Sachaufklärung hat auch nicht das Verhalten der Klägerin bei Dr.K. beigetragen, sich bei Nachfragen zu
merkwürdig oder nicht plausibel erscheinenden Umständen auf Vergesslichkeit und Nichtwissen zu berufen und auf
diese Weise auszuweichen, obwohl sie andererseits - trotz einer gewissen Trägheit und Passivität - wach,
bewusstseinsklar und orientiert erschien. Vieles blieb so im Dunkeln, was aber nicht zur Folge hat, dass zugunsten
der Klägerin verschiedene Sachverhalte einfach unterstellt werden können. Soweit sich die Klägerin äußerte, waren
andererseits ihre Angaben nicht immer nachvollziehbar. So sollen laut Anamnese des Dr.K. ihre Beschwerden seit
Jahren immer dieselben gewesen sein, andererseits soll sich wiederum die Schlaflosigkeit aufgrund eines Asthmas
vor sechs bis sieben Monaten plötzlich dahingehend gewandelt haben, dass sie nunmehr Tag und Nacht schlafen
könne, obwohl das Asthma unverändert weiter bestehen soll.
Das von der Klägerin bei den Dres.B. , B. und K. übermittelte Bild stimmt nicht mit einer tiefgreifenden
Gesundheitsstörung auf psychiatrischem Gebiet überein; es scheint so zu sein, dass viele Äußerungen der Klägerin
über starke Antriebsminderung, Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe, allgemeine Nervosität und
Angstgefühle (welche?) von Dr. A. und Dr.K. ungeprüft übernommen oder fehlinterpretiert wurden, wobei Dr. A. sogar -
ohne schlüssige Begründung - von einer allgemeinen Bewältigungsinsuffizienz und Versagensgefühlen (Analphabetin)
sprach. Behauptungen der Klägerin zu Symptomen wie auch Vorerkrankungen wurden nicht hinterfragt. So kam es
auch dazu, dass Dr. A. wegen der Angabe der Klägerin, eine Niere funktioniere nicht, eine Nierenstörung
diagnostizierte (siehe nervenärztliches Attest vom 27.03.2001 "zur Vorlage beim Gutachter", von Dr. A. per Fax an
die Sozialmedizinische Begutachtungsstelle der Beklagten gesandt; vgl. auch Befundbericht für das AVF M.), obwohl
wiederholte Überprüfungen der Nierenfunktion durch den Internisten Dr.C. mittels Computertomogramm, Szintigramm
und Laborwerten stets eine ordnungsgemäße Funktion ergeben haben. Ebenso leichtfertig wurde von Dr. A.
konstatiert, die Klägerin sei wegen des Asthmas und der Kortisontherapie übergewichtig. Eine nachhaltige bzw.
andauernde Kortisontherapie - die Klägerin war gelegentlich seit dem Jahr 2000 wegen eines Asthmas in Behandlung
bzw. zur Kontrolle - ist dem Senat anhand der vorliegenden Arztbriefe nicht ersichtlich. Der Senat vermag dem, der so
leichtfertig mit medizinischen Sachverhalten und Diagnosen, gleich auf welchem Fachgebiet, umgeht, auch dann kein
Vertrauen entgegen zu bringen, wenn sich die Diagnosen auf fachärztlichem Gebiet bewegen, zumal auch hier eine
schlüssige und nachprüfbare Begründung fehlt.
Dies ist auch zum Teil dem Gutachten des Dr.K. entgegenzuhalten, der sich u.a. maßgebend auf die Arztbriefe der
Dr. A. gestützt hat. Wie im Gutachten des Dr.K. aus der Bemerkung der Klägerin, sie habe allgemeine Ängste, vor
allem, was ihre eigenen Belange betreffe, eine Angststörung (bzw. Angststörung und depressive Störung gemischt)
wird, also aus dem Bereich eines Verhaltens noch im Normbereich heraus (jeder Mensch hat im gewissen Umfang
Ängste) zur Gesundheitsstörung avanciert, ist nicht erklärt und irgendwie greifbar. Das bunte Bild von somatoformer
Störung, Fibromyalgie und cervicocephalem Schmerzsyndrom sowie Lumboischialgie erstaunt ohnehin, wenn hier
vieles ohne Abgrenzung nebeneinander gestellt wird, vermutlich um sowohl den erhobenen Befunden als auch
sämtlichen Beschwerdeäußerungen der Klägerin gerecht zu werden. Widersprüche, z.B. eine depressive Störung mit
abendlichem/nächtlichem Tief (so die Klägerin gegenüber Dr.K.) oder mit einem morgendlichen Tief (so die Klägerin
gegenüber Dr. A.) blieben unbeachtet; hinter mancher ebenso nicht hinterfragter Angabe der Klägerin (Insomnie) ist
nachträglich noch eine Fragzeichen zu setzen, wenn die Klägerin nun plötzlich trotz Asthmaanfällen seit mehr als
einem halben Jahr gut schlafen kann, wohingegen sie dies in der vorausgehenden Zeit störte.
Der Senat gesteht Dr.K. zu, dass es trotz aller Mängel des Gutachtens sich so verhalten haben kann, dass die
Klägerin gerade in der Zeit der Untersuchung am 08.11.2002 eine stärkere Phase der Beeinträchtigung durch eine
depressive Störung durchlaufen hat, wie sie z.B. Dr.B. in der Vergangenheit zweimal festgestellt hat. Gleichwohl kann
der Rückschluss auf ein dauerhaftes Bestehen eines solchen Zustands seit April 2001 keineswegs als gesichert
gelten. Dies müsste nachgewiesen sein, wobei die Feststellung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu
treffen ist, nicht nur mit Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit oder hoher Wahrscheinlichkeit. Die Voraussetzungen eines
Nachweises können bereits nach der Formulierung des Dr.K. nicht vorliegen, wonach das "Leistungsbild" (also das
zeitlich eingeschränkte Leistungsvermögen und damit auch die diesem zugrunde gelegten Gesundheitsstörungen)
"mit hoher Wahrscheinlichkeit seit Mitte 1998 und in seiner verschlimmerten Form gesichert spätestens seit dem
Begutachtungstermin vom 08.11.2002" bestehen soll. Bereits hieraus ist zu entnehmen, dass der notwendige
Nachweis nicht für die Zeit vor dem 08.11.2002 zu erbringen ist. Dem stimmt der Senat schon deswegen zu, weil -
hierauf hat auch Dr.K. hingewiesen - für die vorausgehende Zeit nur wenig aussagefähige Befunde vorhanden sind.
Aus den Arztbriefen des Dr.B. können nur Hinweise auf selten aufgetretene depressive Phasen mittlerer Ausprägung
entnommen werden. Im Übrigen hat auch Dr.K. mit seiner Formulierung zugestanden, dass die von ihm gesehene
verschlimmerte Form im Jahre 1998 nicht vorlag. Die weiteren Ausführungen des Dr.K. , dass der verschlimmerte
Zustand bereits seit dem 25.04.2001 anzunehmen sei, ist dem Senat nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige
hatte auf das Datum des Bescheides des AVF M. vom 25.04.2001 abgestellt, wobei er sich in seinen späteren
Stellungnahmen trotz richterlicher Hinweise zweimal hinsichtlich des Datums irrte und vom 25.04.2002 ausging, was
nicht gerade von besonderer Sorgfalt in einer entscheidungserheblichen Frage zeugt. Unerfindlich bleibt bei der
Verfahrensweise des Dr.K. , warum er nicht auf das aus dem Bescheid vom 25.04.2001 hervorgehende Datum des
Antrags vom 14.12.2000 abstellte. Widersprüchlich bleibt jedenfalls, dass der Sachverständige vorausgehend eine
Verschlimmerung seit der letzten Begutachtung durch Dr.B. feststellte, mithin erst für die Zeit nach dem 25.07.2001
(Datum der Untersuchung), wenn andererseits der Veschlimmerungstatbestand bereits mindestens seit dem
25.04.2001 vorliegen soll.
Die weiteren Ausführungen des Dr.K. zeigen auf, dass er bei der Rückdatierung des "erheblich eingeschränkten
Leistungsvermögens" der Klägerin außerdem von einem sachfremden Umstand ausging. In der ergänzenden
Stellungnahme vom 20.10.2003 gestand er zwar nach einem Hinweis von dritter Seite zu, dass die Kriterien einer
Schwerbehinderung und einer Erwerbsunfähigkeit sehr unterschiedlich seien, aber mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit"
vom 25.04.2002 (gemeint: 25.04.2001) auszugehen sei, weil bei "fehlenden weiteren Kriterien" das Feststellen einer
Schwerbehinderung durchaus einen Außenfaktor darstelle, der den Schweregrad der am 08.11.2002 festgestellten
Erkrankung bereits zum 25.04.2001 annehmen lasse. Damit gesteht Dr.K. ein, dass maßgebende objektive und
sachgerechte Kriterien, die aus Arztbriefen und Befunden (sowie dem Gutachten des Dr.B. vom 25.07.2001) zu
entnehmen wären, für eine Rückdatierung des Leistungsfalles fehlen; warum dann ein mehr oder minder zufälliges
Bescheidsdatum den nicht möglichen sicheren ärztlichen Schluss auf den Leistungsfall vom 25.04.2001 rechtfertigen
soll, bleibt unerfindlich. Der Schweregrad der "seelischen Störung" geht aus dem Schwerbehindertenbescheid vom
25.04.2001, der im Wesentlichen drei Behinderungen der Klägerin auf drei fachärztlichen Gebieten feststellt, ohnehin
nicht hervor. Der erkennbare Grad der Behinderung um 50 für alle Behinderungen stellt auch keinen Gradmesser dafür
dar, ob ge- bzw. verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt oder nicht; schließlich wird hier in zwei Rechtsbereichen nach
unterschiedlichen Maßstäben verfahren. Weiterhin vermag die Meinung des AVF hinsichtlich des Grads der
Behinderung und des Zeitpunkts der Schwerbehinderung - auch dem Versorgungsärztlichen Dienst kann eine
Fehlbeurteilung unterlaufen - nicht den eigenen Schluss eines Rentengutachters aufgrund der vorhandenen ärztlichen
Befunde ersetzen. Nebenbei weist der Senat noch darauf hin, dass die Beiziehung der 16 Blatt umfassenden
Schwerbehindertenakte ergeben hat, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund eines
Bruchteils der ärztlichen Unterlagen, wie sie im jetzigen Rechtsstreit vorhanden sind, ohne Untersuchung der Klägerin
und ohne Begutachtung erfolgt sind, mithin aus dem gesamten Vorgang keine maßgebenden Hinweise dafür
abzuleiten sind, ob und seit wann eine ge- oder verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt.
Nach Überzeugung des Senats sind im Jahre 2000 sowie für die Zeit bis einschließlich Oktober 2001 auf
psychiatrischem Gebiet gesichert nicht mehr festzustellen als ein gering ausgeprägtes depressives Syndrom mit
Somatisierung verschiedener geringgradiger Gesundheitsstörungen und eine histrionische Persönlichkeitsstruktur.
Eine schwere Ausprägung des Syndroms mag, und das nur vorübergehend, in den vorausgehenden Jahren aufgrund
besonderer konkreter Anlässe bestanden haben, stellt aber keinen anhaltenden, auch im maßgebenden Zeitraum
bestehenden und zu berücksichtigenden Umstand dar. Ein Rentenwunsch im Sinne einer fixierten, nicht mehr
willentlich behebbaren Neurose konnten die tätig gewordenen ärztlichen Sachverständigen ebenfalls nicht feststellen.
Auch der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass ein bewusstes oder bewusstseinsnahes, gesteuertes Verhalten
der Klägerin vorliegt, mit dem sie in unterschiedlichen Formen und Ausmaß Behinderungen demonstrierte und das
Untersuchungsergebnis beeinflussen wollte.
Bei nur geringen arbeits- und sozialmedizinischen tatsächlichen Auswirkungen lässt sich durch Gesundheitsstörungen
auf psychiatrischem Gebiet eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht begründen. Der Klägerin sind lediglich
Arbeiten im Akkord und in Schicht sowie unter Zeitdruck nicht mehr zumutbar.
Auf neurologischem Gebiet sind keine gesonderten wesentlichen Gesundheitsstörungen erkennbar (so konnte z.B.
wiederholt ein Karpaltunnelsyndrom ausgeschlossen werden), so dass die Bewertung der Beschwerden hinsichtlich
der Wirbelsäule und Gelenke zusammen mit der orthopädischen Beurteilung erfolgen konnte. Der Senat verkennt
nicht, dass die Klägerin an Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule
mit Bandscheibenprolaps bei C5/C6 rechts und C4/C5 links sowie Verschmälerung verschiedener
Nervenaustrittsforamina an Lendenwirbelkörper und Halswirbelkörper leidet. Ein Wurzelreizsyndrom oder
neurologische Ausfallserscheinungen waren anlässlich technischer Untersuchungen (EMG, ENG) sowie auch den von
den ärztlichen Sachverständigen erhobenen klinischen Befunden nicht feststellbar. Dies gilt insbesondere für den
maßgebenden Zeitraum des Jahres 2001 und wird letztlich auch bestätigt durch den vom behandelnden Orthopäden
Dr.V. für das Sozialgericht erstellten Befundbericht vom 20.12.2001. Es mag durchaus sein, dass die Klägerin
gelegentlich in den Jahren vor 2001 an Wurzelreizerscheinungen gelitten hat, wodurch aber allenfalls Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit und nicht bereits ge- bzw. verminderte Erwerbsfähigkeit zu begründen sind. Ein durchgehendes
radikuläres sensomotorisches Defizit ist aber nicht festzustellen und kann daher nicht als Dauerzustand in die
Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit eingebracht werden.
Letzten Endes verbleibt ein Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom, wobei die Beweglichkeit der
Halswirbelsäule nicht nennenswert eingeschränkt war. Es wurde mehrmals eine endgradige (schmerzhafte)
Einschränkung der Kopfbewegungen demonstriert, und die Funktionsgriffe der Arme wie Überkopf-, Na-cken- und
Schürzengriff waren möglich und schmerzfrei (Gutachten des Dr.S. und der Dr.L.). Die Beweglichkeit der Wirbelsäule
war auch nicht erheblich beeinträchtigt, soweit die Klägerin nicht zeitweise die Prüfung der Rumpfbeuge - ohne einen
erkennbaren organisch bedingten Befund - ablehnte. Geringe degenerative Veränderungen an den Hüft- und
Kniegelenken erscheinen von geringer Bedeutung; die Untersuchung hat ergeben, dass die Hüftgelenke dennoch
ausreichend beweglich und die Funktionen der Kniegelenke (freie Beweglichkeit) erhalten waren.
Unter Berücksichtigung aller Umstände - im Vordergrund standen hier die Veränderungen an der Wirbelsäule - waren
der Klägerin bis Oktober 2001 körperlich leichte und zeitweise mittelschwere Arbeiten (Heben und Tragen von Lasten
in der Regel nicht über 10 kg), nicht ständig im Gehen und Stehen, ohne häufiges Bü- cken, nicht ständig in
vornübergeneigter Zwangshaltung (z.B. am Fließband) oder anhaltend über Kopf vollschichtig möglich. Insoweit
schließt sich der Senat den Ausführungen der Dres. L. , S. und K. an.
Auf internistischem Gebiet lagen bei der Klägerin bis Oktober 2001 wenig bedeutsame Gesundheitsstörungen vor. Ein
seit ca. 1997 erwähntes Bronchialasthma - röntgenologisch selbst ergaben sich keine Lungenveränderungen - ist laut
den Arztbefunden geringen Ausmaßes und stabil. Im November 2000 wurde eine leichtgradige, vorwiegend periphere
Obstruktion diagnostiziert (Arztbrief der Praxis L. , W. und P. vom 24.11.2000), wobei die Blutgase im Normbereich
lagen, also der für die Verrichtung körperlicher Arbeiten bedeutsame Sauerstoffaustausch nicht gestört war. Die
Untersuchung der Internistin Dr.S. (Gutachten vom 10.04.2001) ergab keine Ventilationsstörungen. Noch im Oktober
2003 zeigte sich eine stabile Lage ohne Obstruktion und Restriktion, ohne Überblähung und Hyperreagibilität (Arztbrief
des Dr.L. vom 17.10.2003). Beschwerden ergaben sich im Wesentlichen nur im Zusammenhang mit einer zeitweilig
auftretenden Bronchitis (vgl. Kreisklinik D. vom 25.01.2001 und Arztbrief des Dr.L. vom 24.02.2003). Vorsorglich
berücksichtigt der Senat das Bronchialasthma insoweit leistungsmindernd, als der Klägerin Arbeiten unter Staub,
Rauch und sonstigen lungenreizenden Stoffen sowie in Kälte nicht mehr zumutbar sind.
Eine Stammvarikose (Befundbericht des Dr.H. vom 13.07.2001) der Vena saphena magna, eine gelegentlich leichte
Oberflächengastritis, eine kleine axiale Gleithernie (Dres.K. und S. vom 03.08.2000) bedingen keine zusätzlichen
Einschränkungen des Leistungsvermögens der Klägerin. Eine Nierenfunktionsstörung konnte wiederholt vom
behandelnden Internisten Dr.C. ausgeschlossen werden, eine geringgradige Schwerhörigkeit auf einem Ohr war
sozialmedizinisch ohne Relevanz.
Mit ihrem verbliebenen Leistungsvermögen konnte die Klägerin bis Oktober 2001 vollschichtig im Erwerbsleben tätig
sein. Eine Einsetzbarkeit im bisherigen Beruf als Reinemachefrau sah der Senat als ausgeschlossen an, wenn auch
nicht zu verhehlen ist, dass es auch in diesem Beruf Arbeitsplätze mit geringeren Anforderungen gibt, z.B. in
Behörden (Säubern der Schreibtische, Leeren der Papierkörbe, gelegentliches Staubwischen und Staubsaugen, das
Tragen und Bewegen von Wassereimern oder/und Müllsäcken entfällt weitgehend mangels Wischarbeiten oder wegen
geeigneter Transportmittel). Die Klägerin genießt jedoch keinen Berufsschutz und ist auf geeignete Arbeiten des
allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar. In Frage kommt u.a. das Entgraten von Kunststoffteilen, im Manteltarifvertrag
für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bayerischen Metallindustrie umschrieben mit Entgraten von Telefongehäusen
(Tarifbeispiel Nr.2 im Anhang 5 des Tarifvertrags). Hierbei handelt es sich um eine leichte körperliche Arbeit im Sitzen
in temperierten Räumen, wobei die Arbeit nicht in Akkord oder in Zwangshaltung verrichtet wird und laut tariflicher
Umschreibung den Einschränkungen des Leis-tungsvermögens der Klägerin in vollem Umfang gerecht wird.
Entsprechendes gilt für das Montieren von Steckkontakten und das Bohren kleiner Werkstücke (Tarifbeispiele 2 und
6).
Der Senat sah keine Veranlassung, weitere Gutachten einzuholen, insbesondere nicht im Hinblick auf die Behauptung
des Klägerbevollmächtigten in erster Instanz (Schriftsatz vom 16.03.2004), Haupterkrankung der Klägerin sei das von
Dr.K. diagnostizierte ausgeprägte Fibromyalgie-Syndrom, das nach Klassifikation der WHO keine Erkrankung des
nervenärztlichen oder orthopädischen Fachgebietes sei. Der Senat vermag allerdings hieraus nichts wesentliches im
vorliegenden Falle herzuleiten. Sicherlich steht fest, dass die Ursachen der Fibromyalgie und damit die diesbezügliche
Zuordnung ungeklärt sind; insofern kann daher nicht, wie es Dr.K. getan hat, von einer psychiatrischen Diagnose
gesprochen werden. Letztlich wird das Fibromyalgie-Syndrom, das als funktionelle Störung und nicht als Erkrankung
im herkömmlichen Sinne verstanden werden könnte, dadurch charakterisiert, dass generalisierte chronische
Schmerzen mehr als drei Monate an mindestens drei Körperstellen auftreten, deren Ursache ungeklärt ist (bisher
bekannte Ursachen bzw. Krankheitsbilder in der medizinischen Wissenschaft müssen ausgeschlossen sein), und
dass mindestens 11 von 18 definierten tender points bei einem genau definierten (Finger-)druck sich als schmerzhaft
erweisen, wohingegen bei den Kontrollpunkten keine derartige Reaktion auftreten darf (vgl. Hausotter/Weiss, Karl C.
Mayer und Häuser). Oft werden zu den sog. ACR-Kriterien (Hauptkriterien) Nebenkriterien herangezogen wie
vegetative Zeichen, funktionelle (d.h. nicht organisch bedingte) Störungen (Schlafstörungen, gastrointestinale
Störungen, Herz- und Atembeschwerden) und seelische Symptome (vgl. Mayer und Häuser). Ob und inwieweit Dr.K.
bei der Befundung des Fibromyalgie-Syndroms sorgfältig verfahren ist, kann seinem Gutachten nicht entnommen
werden, weil ein Vermerk über die Reaktion bei Druck auf Kontrollpunkte fehlt. Allerdings wirkt das Gutachten schon
deswegen verwirrend, denn es sollte nach allgemeinärztlichem Wissenstand entweder eine Somatisierungsstörung
oder eine Fibromyalgie vorliegen, wobei Hauptunterscheidungsmerkmal die tender points sind (vgl. u.a. Aufsatz von
Mayer). Dr.K. hat aber beide Diagnosen nebeneinander gestellt und zudem miteinander vermengt, als er darüber
hinaus auch eine somatoforme Schmerzstörung unter dem Bild eines Fibromyalgie-Syndroms feststellte. Was nun vor
mehr als einem Jahr vor seiner Untersuchung vom 08.11.2002 - zu einer Zeit, als die Klägerin noch die
versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hatte - tatsächlich vorlag, wird sich nicht mehr klären lassen, zumal
Befunderhebungen im Hinblick auf eine Fibromyalgie bis Oktober 2001 nicht erfolgten.
Letztlich erscheint die Abgrenzung aus sozialmedizinischer Sicht auch nicht notwendig (vgl. Mayer, Fibromyalgie).
Das Syndrom kann in leichter, mittelschwerer und schwerer Form vorkommen, und die Diagnose an sich ist nicht mit
der Bejahung oder Verneinung von geminderter bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit verbunden (vgl. Häuser und
"Sozialmedizinische Begutachtung", Bl.181 f.). Sekundär kann u.a. wegen des gesteigerten Schmerzempfindens ein
depressives Syndrom auftreten, und sonstige Begleiterscheinungen (Schlafstörung, vorzeitige Ermüdbarkeit usw.)
sind auch noch zu berücksichtigen. Soweit die Symptome - bei gesicherter Fibromyalgie - nicht im Einzelfall
entsprechend einem vergleichbar organpathologischen Bild aus dem internistischen oder orthopädischen Formenkreis
ausgewertet und gewichtet werden können, bietet sich in sozialmedizinischer Hinsicht in erster Linie die gutachterliche
Beurteilung durch einen Neurologen und Psychiater bzw. einen Nervenarzt an. Das generalisierte Schmerzsyndrom,
gleich ob eine somatoforme Schmerzstörung oder ein Fibromyalgie-Syndrom vorliegt, muss im Hinblick auf
Glaubwürdigkeit, Umfang und Stärke überprüft werden. Dies gilt auch für Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem
Gebiet wie depressive Störung, Angststörung usw., gleich ob sie primärer oder sekundärer Art sein sollten. Auch
sonstige Begleitumstände wie Einschränkung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, Antriebslosigkeit,
Reaktionsvermögen, Ausdauer usw. sind - unabhängig von einer organischen oder nichtorganischen Ursache oder von
der Differenzierung zwischen somatoformer Schmerzstörung und Fibromyalgie - der Beurteilung eines Nervenarztes
zugänglich. Eine solche ist auch von Dr.K. und Dr.K. erfolgt, wobei sich der Senat der Auffassung des Dr.K. über eine
weitreichende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit nicht angeschlossen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.