Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13.09.2016

treu und glauben, ambulante behandlung, drg, versorgung

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.9.2016, L 4 KR 2220/15
Leitsätze
Zur fehlenden Erforderlichkeit nachstationärer Leistungen, wenn die selben Leistungen (hier
strahlentherapeutische Leistungen) durch ein von dem Träger des Krankenhauses getragenes medizinisches
Versorgungszentrum, in dem Ärzte des Krankenhauses angestellt sind, ausgeführt werden können.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. April 2015 aufgehoben. Die
Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 19.227,88 festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über die Vergütung nachstationärer Krankenhausbehandlungen.
2 Die Klägerin ist Trägerin der „V.-Kliniken“ (im Folgenden V-Kliniken) in K, die durch Aufnahme in den
Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter
zugelassen ist. Daneben ist sie Trägerin eines zur ambulanten Strahlentherapie im Rahmen der
vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums.
3 Vom 26. Juni bis 2. Juli 2013 befand sich die bei der Beklagten krankenversicherte W. U. (im Folgenden U) in
vollstationärer Behandlung in den V-Kliniken, wo sie wegen einer bösartigen Neubildung des Hypopharynx,
mehrere Teilbereiche überlappend (Hauptdiagnose, ICD-10: C13.8) und der supraklavikuläre Lymphknoten
(ICD-10: C77.0) neben einer Blockchemotherapie (OPS 8-543.52) mit fünf Bestrahlungen behandelt wurde
(OPS 8-522.90: Hochvoltstrahlentherapie, Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, ohne
bildgestützte Einstellung). Nach Entlassung erfolgten in der Zeit vom 3. bis 16. Juli 2013 zehn weitere
Bestrahlungen derselben Art in den V-Kliniken dieser Art jeweils ohne voll- oder teilstationäre Aufnahme.
4 Nach vorstationärer Behandlung am 22., 23. und 24. Juli 2013 wurde U vom 25. Juli bis 1. August 2013
wegen derselben Diagnosen erneut vollstationär in den V-Kliniken mit Chemotherapie und nunmehr acht
Einheiten Hochvoltstrahlentherapie (wiederum OPS 8-522.90) behandelt wurde. Nach Entlassung erfolgten
in der Zeit vom 2. bis 8. August 2013 vier weitere Bestrahlungen derselben Art in den V-Kliniken jeweils
ohne voll- oder teilstationäre Aufnahme.
5 Am 21. August 2013 wurde die bei der Beklagten krankenversicherte Margrit Schmelzer (im Folgenden S)
wegen einer bösartigen Neubildung der Brustdrüse (ICD-10: C50.9) vollstationär in den V-Kliniken
aufgenommen. Die Behandlung erfolgte wegen sekundärer bösartiger Neubildung des Knochens und des
Knochenmarkes (Fachabteilungsdiagnose; ICD-10: C79.5) bei Nebendiagnosen u.a. C79.88 (sekundäre
bösartige Neubildung sonstiger näher bezeichneter Lokalisationen), C50.8 (Brustdrüse, mehrere Teilbereiche
überlappend) und C78.0 (sekundäre bösartige Neubildung der Lunge) mit vier Einheiten
Hochvoltstrahlentherapie, Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, ohne bildgestützte
Einstellung (OPS 8-522.90). Nach Entlassung am 26. August 2013 erfolgten in der Zeit vom 27. August bis
4. September 2013 sechs weitere Bestrahlungen derselben Art in den V-Kliniken jeweils ohne voll- oder
teilstationäre Aufnahme.
6 Für diese Behandlungen stellte die Klägerin der Beklagten jeweils – unter Abzug der Zuzahlungen der
Versicherten – Rechnungen über stationäre Aufenthalte, wobei sie die stationär und nachstationär
erbrachten Bestrahlungen in die Fallpauschalen (Diagnosis Related Group [DRG]) für die stationären
Behandlungen einbezog. Eine gesonderte Abrechnung der nachstationären Behandlungen erfolgte nicht. Für
die erste Behandlung der U (DRG D19Z: (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Ohres, der
Nase, des Mundes und des Halses, mehr als ein Belegungstag, mehr als zehn Bestrahlungen) forderte sie
unter Einbeziehung lediglich sechs nachstationärer Behandlungen einen Gesamtbetrag in Höhe von EUR
10.295,55 (Rechnung vom 22. Juli 2013), für die zweite (wiederum DRG D19Z) in Höhe von EUR 11.934,45
(Rechnung vom 19. August 2013) sowie für die Behandlung von S (DRG I39Z: Strahlentherapie bei
Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, mehr als acht Bestrahlungen) in
Höhe von EUR 8.082,21 (Rechnung vom 18. September 2013). Jeweils am Tag der Rechnung sandte die
Klägerin den Datensatz nach § 301 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an die Beklagte. Diese beglich
die Rechnungen am 22. August, 24. September und 21. Oktober 2013 zunächst in voller Höhe.
7 Mit Schreiben vom 28. April 2014 forderte die Beklagte die Klägerin zur Neuberechnung und teilweisen
Erstattung in Gesamthöhe von EUR 19.227,87 in den drei Behandlungsfällen auf. Aufgrund des Urteils des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris) hätten die Krankenkassen die
Möglichkeit, nachstationäre Leistungen zurückzufordern, wenn diese ambulant hätten erbracht werden
können. Für die erste Behandlung der U ergebe sich ein Rückforderungsbetrag in Höhe von EUR 6.989,83,
für die zweite in Höhe von EUR 8.638,73 und für die von S in Höhe von EUR 3.599,31. Ergänzend führte sie
im Schreiben vom 10. Juni 2014 aus, die V-Kliniken verfügten über die Möglichkeit, ambulante
Strahlentherapie in ihren Räumen durchzuführen. Bei grundsätzlich ambulant erbringbaren Leistungen
seien Krankenhäuser nach der Rechtsprechung des BSG zur Begründung verpflichtet, weshalb eine
nachstationäre Bestrahlung ausnahmsweise anstelle einer ambulanten Behandlung geboten sei. Da sich aus
den von der Klägerin nach § 301 SGB V übermittelten Daten dies nicht ergebe, laufe auch die Frist des § 275
Abs. 1c SGB V für die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nicht.
8 Die Klägerin lehnte eine Neuberechnung und Rückzahlung ab (Schreiben vom 23. Mai und 7. Juli 2014). Die
Beklagte habe ihre Behauptung, die nachstationären Leistungen hätten ambulant in vertragsärztlicher
Versorgung erbracht werden können, nicht begründet. Wie sich aus dem angeführten Urteil des BSG ergebe,
komme es darauf an, ob die nachstationäre Behandlung durch das Krankenhaus erforderlich gewesen sei.
Allein die Möglichkeit, ambulante Strahlentherapie zu erbringen, begründe keinen Ausschluss der
nachstationären Versorgung. Die Erforderlichkeit beurteile sich unter medizinischen Gesichtspunkten nach
Art und Schwere der Erkrankung. Solche medizinischen Gründe seien von der Beklagten nicht genannt
worden. Die medizinische Erforderlichkeit hätte diese durch den MDK überprüfen lassen können. Sie (die
Klägerin) habe einen vollständigen Datensatz nach § 301 SGB V übermittelt. Die Frist zur Einleitung eines
MDK-Überprüfungsverfahren sei zwischenzeitlich verstrichen, so dass die Beklagte mit ihrer Rückforderung
ausgeschlossen sei. Darüber hinaus sei das Verhalten der Beklagten treuwidrig, da ihr die im Krankenhaus
der Klägerin geübte Praxis seit längerem bekannt sei, ohne dass dies Beanstandungen nach sich gezogen
habe. Eine Möglichkeit zur Rückforderung sei daher jedenfalls verwirkt.
9 Am 12. August 2014 rechnete die Beklagte den von ihr geltend gemachten Rückforderungsbetrag in Höhe
von EUR 19.227,88 mit Forderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen auf.
10 Die Klägerin erhob wegen der Forderung aus den genannten anderen Behandlungsfällen am 18. Dezember
2014 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) auf Zahlung eines Betrages in Höhe von EUR 19.227,88 nebst
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13. August 2014.
Die Beklagte habe zu Unrecht mit ihren (der Klägerin) unstreitigen Forderungen aufgerechnet, da dieser
kein Rückzahlungsanspruch gegen sie (die Klägerin) zustehe. Nach dem Urteil des BSG vom 17. September
2013 (B 1 KR 51/12 R – juris) scheide eine Vergütung für nachstationäre Behandlungen aus, wenn diese
wegen der Möglichkeit einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung nicht erforderlich sei. Hierbei
handele es sich um eine im Einzelfall aus medizinischer Sicht zu beantwortende Fragestellung, so dass ein
bloßer Verweis auf die einen anderen Behandlungsfall betreffende Entscheidung des BSG nicht ausreiche. Es
hätte der Beklagten gemäß § 275 Abs. 1 SGB V oblegen, den MDK mit der Überprüfung der Erforderlichkeit
nachstationärer Behandlungen unter medizinischen Gesichtspunkten zu beauftragen. Die Behauptung der
Beklagten im Schreiben vom 28. April 2014, ambulante vertragsärztliche Versorgung hätte ausgereicht,
belege, dass die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten ausreichend gewesen seien, um die Notwendigkeit
der nachstationären Behandlung anzweifeln zu können. Daher wäre es ihr möglich gewesen, bereits
unmittelbar nach Übermittlung des Rechnungssatzes den MDK mit der Überprüfung der Behandlungsfälle zu
beauftragen. Dass sie dies nicht getan habe, weil sie offenbar rechtsirrig von der Annahme ausgegangen sei,
poststationäre Bestrahlungen im Anschluss an einen vollstationären Krankenhausaufenthalt seien
richtigerweise als nachstationäre Leistungen bei der Abrechnung der Fallpauschale für den vollstationären
Krankenhausaufenthalt zu berücksichtigen, führe nicht dazu, dass sie (die Klägerin) – im Nachhinein – der
ihr obliegenden Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Wegen des Ablaufs der hierfür einzuhaltenden
Frist gemäß § 275 Abs. 1c SGB V sei die Beklagte an der Beauftragung des MDK gehindert und sie (die
Klägerin) nicht mehr verpflichtet, die Behandlungsunterlagen im gerichtlichen Verfahren vorzulegen. Selbst
wenn der Beklagten dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch zugestanden hätte, wäre sie nach dem
Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Verwirkung mit ihren
Rückforderungen ausgeschlossen. Ein unterstellter Erstattungsanspruch sei mit der Zahlung auf die
Rechnungen aus dem Jahr 2013 entstanden. Die Entscheidung des BSG, auf die sich die Beklagte
ausschließlich berufe, datiere auf den 17. September 2013, sei am folgenden Tag als Pressebericht und im
darauffolgenden Monat im Volltext veröffentlicht worden. Die Beklagte hätte also noch vor Ablauf des
Geschäftsjahres 2013 ihre vermeintliche Erstattungsforderung geltend machen können, habe dies jedoch
erst mit Schreiben vom 28. April 2014 getan (Zeitmoment). Der Beklagten sei seit Jahren bekannt, in
welchen Fällen in den V-Kliniken eine nachstationäre Bestrahlung erfolge und wann eine ambulante
Behandlung durch das von ihr betriebene medizinische Versorgungszentrum, ohne dass dies je beanstandet
worden sei (Umstandsmoment). Die Beklagte sei auf die Entscheidung des BSG vom 17. September 2013 bis
zum 28 April 2014 untätig geblieben (Untätigkeit). Die Klägerin habe die Berücksichtigung der
nachstationären Leistungen nach Maßgabe der im Jahr 2013 gültigen Fallpauschalenvereinbarung (FPV
2013) vorgenommen. Da nach dem auf Bundesebene gültigen Fallpauschalenkatalog nachstationäre
Bestrahlungen nicht gesondert vergütet würden, seien sie nach § 1 Abs. 6 FPV 2013 bei der Gruppierung
und Abrechnung der zugehörigen vollstationären Behandlung zu berücksichtigen. Würde man die
Entscheidung des BSG vom 17. September 2013 (B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 12) in dem Sinne verstehen,
nachstationäre Behandlungen seien – gleich ob gesondert vergütet oder nicht – stets von der Fallpauschale
für den vollstationären Krankenhausaufenthalt umfasst, wäre dies mit dem klaren Wortlaut der FPV 2013
nicht vereinbar. Allein die unterlassene Befassung des BSG mit der FPV zeige, dass die Entscheidung nicht in
diesem Sinne zu verstehen sei.
11 Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens aus, gemäß
„Abrechnungsbestimmung Nachstationäre Behandlung“ seien Leistungen der nicht gesondert
berechenbaren nachstationären Behandlungen im zugehörigen Fall zu berücksichtigen. Dieser Ansicht habe
das BSG mit seinem Urteil vom 17. September 2013 (a.a.O.) widersprochen. Einer nachstationären
Strahlentherapie habe es nicht bedurft, da die Klägerin diese in der hauseigenen Strahlenambulanz
ambulant hätte erbringen können. Eine nachstationäre Leistungserbringung verstoße daher gegen den
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Für sie stehe auch fest, dass hier keine nachstationären Behandlungen
erfolgt seien, sondern tatsächlich ambulante Behandlungen. Dass die Klägerin die Möglichkeit ambulanter
Strahlentherapie nicht genutzt habe, könne nur heißen, dass sie zum Nachteil der Versichertengemeinschaft
die Möglichkeit nutze, die für sie ergiebigste Abrechnungsvariante zu wählen. Da die Klägerin keinen Grund
für die nachstationäre Durchführung ambulant möglicher Strahlentherapie angegeben habe, sei sie – die
Beklagte – nicht verpflichtet gewesen, den MDK einzuschalten. In den Behandlungsfällen der U hätte die
Klägerin lediglich die Fallpauschale D20Z (Andere Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des
Ohres, der Nase, des Mundes und des Halses, mehr als ein Belegungstag), im Behandlungsfall der S die
Fallpauschale I54Z (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und
Bindegewebe, weniger als neun Bestrahlungen bei bösartiger Neubildung) abrechnen dürfen. Die jeweiligen
Differenzbeträge unter zusätzlicher Berücksichtigung des Zuschlags für Zentren ergebe insgesamt den
Aufrechnungsbetrag.
12 Mit Urteil vom 20. April 2015 verurteilte das SG die Beklagte, an die Klägerin EUR 19.227,88 zuzüglich
Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 13. August 2014
zu zahlen. Die Beklagte habe zu Unrecht in Höhe des titulierten Betrages gegen eine unstreitige
Hauptforderung der Klägerin aufgerechnet, da ihr keine Erstattungsforderungen in dieser Höhe zugestanden
hätten. Die Klägerin könne für die streitigen Behandlungen in der in Rechnung gestellten Höhe Vergütung
beanspruchen. Sie habe zu Recht die DRG D19Z (bei U) und I39Z (bei S) abgerechnet. Die nachstationären
Behandlungen seien bei der Abrechnung der vollstationären Behandlungen zu berücksichtigen, da sie nicht
gesondert zu vergüten seien (§ 1 Abs. 6 FPV 2013). Zusätzlich zu einer Fallpauschale dürfe eine
nachstationäre Behandlung nach § 115a SGB V nur berechnet werden, soweit die Summe aus den
stationären Belegungstagen und den nachstationären Behandlungstagen die Grenzverweildauer der
Fallpauschale übersteige. Ausgangspunkt sei die obere Grenzverweildauer derjenigen Fallpauschale, die ohne
Berücksichtigung der nachstationären Behandlungstagen einschlägig wäre. Allerdings könne die
Neugruppierung unter Berücksichtigung der einbezogenen nachstationären Behandlungstage dazu führen,
dass die vollstationären Behandlung einer anderen DRG mit einer neuen, höheren Grenzverweildauer
zugeordnet werde. Nur soweit die Summe aus den stationären Belegungstagen und den nachstationären
Behandlungstagen auch diese höhere Grenzverweildauer überschreite, komme eine zusätzliche Vergütung
neben der Fallpauschale in Betracht. Für die Behandlungsfälle der U ergebe sich hierdurch eine
Neugruppierung zur DRG D19Z, deren obere Grenzverweildauer von 41 Tagen jeweils nicht überschritten
worden sei. Gleiches gelte im Behandlungsfall der S für die dort maßgebliche DRG I54Z mit einer oberen
Grenzverweildauer von 19 Tagen. Eine gesonderte Abrechnung der nachstationären Behandlung sei danach
nicht möglich gewesen. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass die nachstationären Behandlungen in
den streitigen Behandlungsfällen medizinisch nicht erforderlich gewesen seien. Bei der Prüfung dieses
Punktes sei die Kammer auf die von der Klägerin nach § 301 SGB V übermittelten Daten sowie die Angaben
aus den Rechnungen beschränkt. Weitere Beweismittel (insbesondere die Patientenakten) habe die Kammer
nicht verwerten dürfen, da eine Überprüfung durch den MDK unter Beiziehung zusätzlicher Unterlagen
nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse eingeleitet und dem
Krankenhaus angezeigt worden sei. Die Klägerin habe jeweils alle nach § 301 Abs. 1 SGB V erforderlichen
Angaben an die Beklagte übermittelt und so die genannte Frist in Gang gesetzt. Sie sei jedoch nicht
verpflichtet gewesen, unaufgefordert die Notwendigkeit der nachstationären Behandlungen zu begründen.
Die Kammer habe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine Hochvoltstrahlentherapie mit
Linearbeschleuniger – wie vorliegend – üblicherweise und vorrangig außerhalb des Krankenhauses im
Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werde; dagegen spreche schon, dass diese Therapie
eine aufwändige technische Ausstattung voraussetze, die niedergelassene Ärzte kaum vorhalten könnten.
Die Erforderlichkeit der eingesetzten therapeutischen Mittel als solche habe auch die Beklagte nicht in Frage
gestellt. Ob die nachstationären Bestrahlungen mit gleichem Erfolg auch ambulant hätten erbracht werden
können, lasse sich allein mit den nach § 301 SGB V übermittelten Angaben nicht beantworten. Es sei daher
offen, ob die Einschätzung der Krankenhausärzte in den V-Kliniken zugetroffen habe, die
Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger müsse bei U und S nachstationär und nicht ambulant
fortgesetzt werden. Die von der Beklagten vorgetragene – generelle rechtliche und technische – Möglichkeit
der V-Kliniken, Bestrahlungen in einem medizinischen Versorgungszentrums ambulant durchzuführen, sage
nichts darüber, ob eine ambulante Behandlung gerade in den konkreten Fällen der U und S medizinisch
ausgereicht hätte. Somit verbleibende Zweifel gingen zulasten der beweisbelasteten Beklagten. Seit dem
Tag der Aufrechnung habe die Beklagte die Hauptforderung zu verzinsen.
13 Gegen dieses ihr am 29. April 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Mai 2015 Berufung beim
Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und unter Wiederholung und Vertiefung ihres
bisherigen Vorbringens ausgeführt, es bestehe keine nachvollziehbare medizinische Notwendigkeit dafür,
dass das Krankenhaus die Leistung nachstationär erbringe. Denn bei den V-Kliniken handle es sich um ein
Krankenhaus mit Ermächtigung zur ambulanten Behandlung mittels Strahlentherapie. Die Sicherung des
Behandlungserfolges sei kein Argument für eine nachstationäre Behandlung und Abrechnung, da dasselbe
Ärzteteam sowohl nachstationär als auch ambulant die Leistung erbringe. Tatsächlich sei bei U und S im
Jahre 2013 auch ambulante Strahlenbehandlungen durchgeführt worden. Der Grundsatz ambulant vor
stationär sei aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes auch hier zu beachten. Nach dem Urteil des BSG vom
17. September 2013 (a.a.O.) bestehe ein Vorrang der vertragsärztlichen Versorgung. Es sollten keine neuen
Kosten verursacht werden, indem das Tätigkeitsfeld der Krankenhäuser auf das Gebiet der
vertragsärztlichen Versorgung ausgedehnt werde. Eine Doppelfinanzierung müsse vermieden werden. Bevor
ein Krankenhaus von sich aus nicht begründe, warum es von der üblichen Vorgehensweise – ambulant vor
stationär – abweiche, müsse sie nicht den MDK mit einer Prüfung beauftragen.
14 Die Beklagte beantragt,
15 das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 Die Klägerin beantragt,
17 die Berufung zurückzuweisen.
18 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens
ausgeführt, die von ihr gestellten Rechnungen wären nicht fällig geworden und die Beklagte damit nicht zur
Zahlung verpflichtet gewesen, wenn sie (die Klägerin) diese nicht ordnungsgemäß über Anlass und Verlauf
der Krankenhausversorgung informiert hätte. Da die Beklagte die Rechnungen jedoch jeweils innerhalb eines
Monates beglichen habe, sei sie implizit selbst von einer ordnungsgemäßen Unterrichtung ausgegangen.
Würde man der Ansicht der Beklagten folgen, wonach eine nachstationäre Behandlung stets dann mangels
Notwendigkeit ausscheide, wenn die Leistung unter Berücksichtigung des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabes (EBM) vertragsärztlich erbracht werden könne, verblieben keine Behandlungen, die
unter nachstationären Bedingungen erforderlich wären. Die gesetzlich vorgesehene nachstationäre
Behandlung durch Krankenhäuser wäre obsolet. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bemesse sich die
Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nach objektiven Maßstäben. Daher könne es nicht darauf
ankommen, ob das Krankenhaus auch Betreiber eines medizinischen Versorgungszentrums sei. Unabhängig
davon sei in den Behandlungsfällen der U und S die Notwendigkeit der Hochvoltstrahlentherapie wegen der
schweren Erkrankungen und des massiv geschwächten Gesundheitszustandes durch Chemotherapie
gegeben gewesen. Auch bei Durchführung der Bestrahlungen durch einen niedergelassenen Arzt oder ein
medizinisches Versorgungszentrum mit vertragsärztlicher Zulassung wäre das System der gesetzlichen
Krankenversicherung in vergleichbarer Weise mit den Kosten der Bestrahlung konfrontiert gewesen, so dass
eine Doppelfinanzierung nicht vorliege. In Konstellationen, in denen die nachstationären Leistungen
aufgrund der Vergütungssystematik nicht zu einer höheren DRG führten, würde die Auffassung der
Beklagten zu höheren Kosten für das System der gesetzlichen Versicherung führen.
19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
20 1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143
SGG statthafte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der
Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 durch
die angefochtene Verurteilung zur Zahlung von EUR 19.227,88 überschritten ist.
21 2. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat diese zu Unrecht zur Zahlung von EUR 19.227,88
nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt.
22 a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5
SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines
Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten
Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht
kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten
(BSG, Urteil vom 13. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den
Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern
reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO,
4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 132).
23 b) Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung von EUR
19.227,88 nebst Zinsen. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen für andere Versicherte erlosch dadurch in dieser Höhe,
dass die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die
Krankenhausbehandlung der Versicherten aufrechnete.
24 aa) Zu Recht ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass der Klägerin aufgrund stationärer
Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten zunächst ein Anspruch auf die abgerechnete Vergütung
in Höhe von weiteren EUR 19.227,88 zustand. Da die Klägerin ausdrücklich die Forderungen aus anderen
Behandlungsfällen geltend macht und nicht aus denen der U und S, deren Vergütung nur im Rahmen der
Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch streitig ist, liegt kein Fall der Änderung der
Tilgungsbestimmung vor (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Juli 2016 – L 4 KR 4669/15 – zur Veröffentlichung
vorgesehen).
25 bb) Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte
wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die
Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte (vgl. BSG, Urteil vom
23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R –, juris, Rn. 33 m.w.N.). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von
der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig,
der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar.
Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung in Höhe von EUR 19.227,88
waren erfüllt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus, dass der Berechtigte im
Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat
. So liegt es
hier. Die Beklagte zahlte der Klägerin für die streitigen Behandlungsfälle der U und S EUR 19.227,88 ohne
Rechtsgrund.
26 Die Klägerin kann für die jeweils nach Abschluss der stationären Behandlungen von U und S erbrachten
Bestrahlungen in dieser Höhe keine Vergütung verlangen. Die Voraussetzungen der von der Klägerin
angesetzten DRG D19Z (für die Behandlungen der U) und DRG I39Z (für die Behandlung der S) sind nicht
erfüllt (dazu (1)). Die Klägerin kann auch keine Zusatzvergütungen für nachstationäre Behandlungen zu
den von der Beklagten anerkannten und vergüteten DRG D20Z (im Falle der U) und I54Z (im Falle der S)
nach Maßgabe des § 115 a Abs. 3 SGB V beanspruchen (dazu (2)). Schließlich kann sich die Klägerin nicht
auf Verwirkung berufen (dazu (3)).
27 (1) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der Fallpauschalen DRG D19Z und DRG I39Z.
28 (a) Bei U und S lagen bei der jeweiligen stationären Aufnahme in das nach § 108 Nr. 2 SGB V zugelassene
Krankenhaus der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von
Krankenhausbehandlung vor. Eine Kostenzusage der Krankenkasse ist nicht erforderlich (ständige
Rechtsprechung; vgl. etwa BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R – juris, Rn. 10 m.w.N.;
BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – juris, Rn. 8), ebenso wenig eine „Verordnung von
Krankenhausbehandlung“ für nachstationäre Behandlungen (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR
51/12 R – juris, Rn. 15).
29 (b) Die geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf
gesetzlicher Grundlage. Rechtsgrundlage sind § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1
Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für
das Jahr 2013 vom 19. Oktober 2012 (Fallpauschalenvereinbarung 2013 [FPV 2013]) und der am 1. Januar
2006 in Kraft getretene Krankenhausbehandlungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land
Baden-Württemberg.
30 Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den
Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten
Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen (DRG) nach dem auf
Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 KHEntgG gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als „Vertragsparteien auf
Bundesebene“ mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Gesetz zur
wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze –
Krankenhausfinanzierungs-gesetz [KHG]: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen
Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer
und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu
vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG
auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen
Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem
einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbitäten abzubilden; sein
Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3
KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall
vergütet.
31 Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die
Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten – dem ICD-10 – in der jeweiligen vom
Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des
Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1
SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf
Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer
eingegebene Code einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des
Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung
errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter
Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden
Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus eingegebenen Code nach dem ICD-10 eine
bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 7/12 R – juris, Rn. 12). Die
Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem
Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR
25/13 R – juris, Rn. 12 m.w.N.).
32 Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach
ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich
keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (zuletzt BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1
KR 25/13 R – juris, Rn. 13 m.w.N.). Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige
Ungereimtheiten, haben es die zuständigen Stellen durch Änderung des Fallpauschalenkatalogs in der Hand,
für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften kann lediglich im
Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks
erfolgen, um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen (BSG, Urteil vom 18. Juli 2013 –
B 3 KR 7/12 R – juris, Rn. 13 m.w.N.; Urteil des Senats vom 21. März 2014 – L 4 KR 5233/12 – nicht
veröffentlicht).
33 (c) Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für die von der Klägerin jeweils angesetzten Fallpauschalen
nicht vor. Die DRG D19Z erfasst nach Teil a) des Fallpauschalen-Katalogs 2013 Strahlentherapie bei
Krankheiten oder Störungen des Ohres, der Nase, des Mundes oder des Halses, mehr als ein Belegungstag,
mehr als zehn Bestrahlungen. Zehn Bestrahlungen hat U während ihrer stationären Aufenthalte nicht
erhalten, sondern lediglich fünf während des ersten und acht während des zweiten stationären
Aufenthaltes. Allein mit den stationär erbrachten Bestrahlungen wurden nur die Voraussetzungen der – von
der Beklagten beglichenen – DRG D20Z erfüllt (andere Strahlentherapie bei Krankheiten oder Störungen
des Ohres, der Nase, des Mundes oder des Halses, mehr als ein Belegungstag). Eine Zusammenfassung und
Neueinstufung in eine Fallpauschale wegen der Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nach § 2 Abs. 1
Satz 1 FPV 2013 war dabei nicht vorzunehmen, da die Fallpauschalen dieser Basis-DRG in Spalte 13 des
Fallpauschalenkatalogs jeweils als Ausnahme hiervon gekennzeichnet sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 FPV 2013).
34 Die für die Behandlung der S von der Klägerin in Rechnung gestellte DRG I39Z (Strahlentherapie bei
Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, mehr als acht Bestrahlungen) ist
ebenfalls allein mit den vier stationär durchgeführten Bestrahlungen nicht gerechtfertigt. Erfüllt wurde die
DRG I54Z (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe,
weniger als neun Bestrahlungen bei bösartiger Neubildung).
35 (d) Die nach Entlassung aus der stationären Behandlung durchgeführten Bestrahlungen waren in den
Behandlungsfällen weder der U noch dem der S bei der Ermittlung der maßgeblichen Fallpauschale
heranzuziehen. Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob sich dies bereits aus den gesetzlichen
Grundlagen der §§ 1 Abs. 3 Satz 1, 17 b Abs. 1 Satz 3 KHG ergibt, wonach die Fallpauschalen lediglich die
voll- und teilstationären Krankenhausbehandlungen vergüten, nachstationäre Behandlung hingegen nach §
115a SGB V vergütet wird (so BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 12, 13).
Offenbleiben kann auch, was dies für die – vom BSG nicht angesprochenen – Regelungen des § 1 Abs. 6 Satz
5 und 6 FPV 2013 bedeutet. Danach sind, soweit und solange vor- bzw. nachstationäre Behandlungen nicht
gesondert vergütet werden, deren Diagnosen und Prozeduren bei der Gruppierung und der Abrechnung der
zugehörigen vollstationären Behandlung zu berücksichtigen (Neugruppierung). Ergibt sich aus der
Neugruppierung eine andere Fallpauschale, ist diese für die Abrechnung sowie für weitere Prüfungen
maßgeblich. Die Berücksichtigung der nach Entlassung erbrachten Bestrahlungen scheitert vorliegend
bereits an der Erforderlichkeit einer nachstationären Behandlung in den Behandlungsfällen der U und S.
36 (aa) Selbst bei grundsätzlicher Einbeziehung nachstationärer Behandlungen in die Bestimmung der zu
vergütenden Fallpauschale setzte dies die Erforderlichkeit gerade einer nachstationären Behandlung im
Einzelfall voraus. Die Regelungen der Krankenhausvergütung durch Fallpauschalen schließen wegen der
Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots (§§ 2, 12, 70 Abs. 1 SGB V) die „Erforderlichkeit“ als
Vergütungsvoraussetzung nicht aus (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R –, juris, Rn. 19 zur
Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung). Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und
wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht
notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer
nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Explizit wird dies in § 2 Abs. 2
KHEntgG nochmals ausgeführt, wonach allgemeine Krankenhausleistungen die Krankenhausleistungen sind,
die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der
Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind.
Anders als für vollstationäre Leistungen in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird für nachstationäre Behandlungen
zwar nicht ausdrücklich eine „Erforderlichkeit“ geregelt. Diese folgt aber aus den allgemeinen Vorgaben für
das Leistungsrecht im Zusammenspiel mit § 115a SGB V (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17.
September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 17, 18). Nach § 115a Abs. 1 S 1 SGB V kann das Krankenhaus
bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in „medizinisch geeigneten Fällen“ ohne
Unterkunft und Verpflegung vor- und nachstationär behandeln. Medizinisch geeignete Fälle sind nicht allein
solche, die die weiteren, in § 115a SGB V genannten Anforderungen erfüllen. Gerade wegen der Geltung
des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots müssen sie zusätzlich vor- und/oder nachstationäre Leistungen
erfordern. Nicht als nachstationär erforderliche Behandlungen können daher keinesfalls zu einer
Neugruppierung einer Fallpauschale führen.
37 Eine nachstationäre Behandlung ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn stattdessen vertragsärztliche
Versorgung ausreichend ist. Das folgt aus dem Regelungssystem der vor- und nachstationären Behandlung,
dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Regelungszweck (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 17.
September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 19 ff.; ebenso BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 23/15
R – juris, Rn. 14 ff). Nach dem Regelungssystem ist die vor- und nachstationäre Behandlung eines
Versicherten Krankenhausbehandlung, die den Vorrang vertragsärztlicher Versorgung begründet. Vor- und
nachstationäre Behandlung ist nämlich nur in engem Zusammenhang mit vollstationärer Behandlung
zulässig (§ 115a Abs. 1 und 2 SGB V), die gegenüber ambulanter Behandlung gerade nachrangig ist (§ 39
Abs. 1 S 2 SGB V). Als Annex voll- oder teilstationärer Krankenhausleistungen unterfällt sie dem
Rechtsregime des Qualitätsgebots für Krankenhausleistungen (insbesondere § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1, §
70 Abs. 1, § 137c SGB V), nicht jenem der vertragsärztlichen Versorgung. Vor- und nachstationäre
Behandlung ist nicht kostengünstig vertragsärztlich sicherzustellen (§ 72, § 72a, § 75 SGB V), sondern
aufwändiger durch zugelassene Krankenhäuser (§ 107 bis § 109 SGB V) und zweiseitige (§ 112 SGB V)
sowie dreiseitige Verträge (§ 113 SGB V). Dementsprechend ist vor- und nachstationäre Behandlung nicht
im Rahmen der vertragsärztlichen Vergütung zu bezahlen. Der im Regelungssystem angelegte Vorrang der
vertragsärztlichen vor der stationären, auch nachstationären Versorgung wurzelt in den Kostenvorteilen der
vertragsärztlichen Versorgung, im Kern also im Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies entspricht auch dem
Regelungszweck. Die Verlagerung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in die vor- und
nachstationäre Phase sollte die Bettennutzung reduzieren und damit den Bettenbedarf vermindern (BT-
Drucks 12/3608, S. 71 und S. 102, zu Art. 1 Nr. 63 <§ 115a>). Damit sollten Einsparungen erzielt, dagegen
nicht etwa neue Kosten verursacht werden, indem das Tätigkeitsfeld der Krankenhäuser auf Gebiete der
vertragsärztlichen Versorgung ausgedehnt werden sollte.
38 (bb) In den vorliegend streitigen Behandlungsfällen der U und S war jeweils eine nachstationäre Behandlung
nicht erforderlich, da eine ambulante Durchführung der Strahlentherapie möglich und ausreichend gewesen
wäre. Dies ergibt sich für den Senat schon daraus, dass die Klägerin Trägerin eines den V-Kliniken
zugeordneten medizinischen Versorgungszentrums ist, in dem zum Zeitpunkt der Behandlung der U und S
im Jahre 2013 in den V-Kliniken tätige Ärzte als angestellte Ärzte vertragsärztlich strahlentherapeutisch
tätig waren. Diese erbrachten identische Behandlungsleistungen (Hochvoltstrahlentherapie mit
Linearbeschleuniger) auch bei den hier gestellten Diagnosen in dem medizinischen Versorgungszentrum am
Ort des Krankenhauses. Die Klägerin hat selbst zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt und auch nicht
geltend gemacht, die konkrete Art der Strahlentherapie (Hochvoltstrahlentherapie mit Linearbeschleuniger)
könne bei den hier gestellten Diagnosen nicht ambulant durchgeführt werden oder werde es nicht. Sie hat
zunächst lediglich eingewandt, allein die Möglichkeit, ambulante Strahlentherapie zu erbringen, begründe
keinen Ausschluss der nachstationären Versorgung; die Erforderlichkeit beurteile sich unter medizinischen
Gesichtspunkten nach Art und Schwere der Erkrankung; solche medizinischen Gründe seien von der
Beklagten nicht genannt worden. Zuletzt hat sie im Berufungsverfahren ausgeführt, die Notwendigkeit der
Hochvoltstrahlentherapie wie in den konkreten Behandlungsfällen der U und S wegen der schweren
Erkrankungen und eines massiv geschwächten Gesundheitszustandes nach Chemotherapie gegeben
gewesen. Damit behauptet sie aber selbst nicht, dass sie identische Strahlentherapie nicht auch ambulant
durchführt bzw. durchgeführt hat. Diese vorgebrachte Begründung, die Schwere der Erkrankungen bei U
und S und deren geschwächter Gesundheitszustand nach Chemotherapie habe die nachstationären
Behandlungen notwendig gemacht, ist zudem nicht ausreichend substantiiert, um weitere Ermittlungen in
den konkreten Behandlungsfällen zu veranlassen. Darüber hinaus ist die Durchführung einer Chemotherapie
bei S den vorliegenden Akten, insbesondere den Mitteilungen der V-Kliniken nicht zu entnehmen.
39 cc) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte sei mit dem Einwand der fehlenden
Erforderlichkeit der nachstationären Behandlung ausgeschlossen, weil sie es entgegen § 275 Abs. 1c Satz 2
SGB V unterlassen habe, den MDK einzuschalten.
40 Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es
nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist,
verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und
Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine
gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ist eine
Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen
nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus
anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V).
41 Unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorschriften und Belange bestehen im Verhältnis zwischen
Krankenhäusern, Krankenkassen und dem MDK Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen. Die Erhebung
von Sozialdaten ist bei den Krankenhäusern für die Zwecke der gesetzlichen Krankenversicherung
zugelassen, soweit sie nach Maßgabe der Prüfaufträge von Krankenkasse und MDK u.a. für die „Prüfung der
Leistungspflicht und die Erbringung von Leistungen an Versicherte“ und für die „Beteiligung des
Medizinischen Dienstes“ (vgl. § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 7 SGB V) erforderlich sind. Demgemäß bestehen
Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im Rahmen eines bis zu dreistufigen Prüfverfahrens (hierzu und zum
Folgenden BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R – juris, Rn. 17 ff. m.w.N.). Zwingend sind auf der
ersten Stufe der Sachverhaltserhebung zunächst die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V. Nach der zugrunde
liegenden Vorstellung des Gesetzgebers sind damit die Mindestangaben bezeichnet, die die Krankenkasse
insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung benötigt (vgl. BT-Drucks 12/3608 S. 124). Erschließen sich die Notwendigkeit der
Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den Mitarbeitern der Krankenkasse
aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V nicht selbst, ist auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung
ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten. Danach ist beim MDK eine gutachtliche
Stellungnahme einzuholen, wenn die vom Krankenhaus erteilten und ansonsten zur Verfügung stehenden
Informationen zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenhausbehandlung
nicht ausreichen. Im Rahmen einer nach diesen Voraussetzungen ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung hat
das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung – wenn sich also unter
Auswertung der auf der ersten und zweiten Stufe verfügbaren Sozialdaten kein abschließendes Ergebnis
finden lässt – dem MDK auch über die Anzeige nach § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht hinaus
alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der
Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
SGB V. Die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V besitzt nur für die dritte Ebene der
Sachverhaltsermittlung Bedeutung. Nach Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V kann der
medizinische Sachverhalt nicht mehr durch Ermittlungen des MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2
SGB V überprüft oder weiter aufgeklärt werden kann. Entsprechende Prüfaufträge an den MDK sind
unzulässig und die Krankenhäuser nicht mehr zur Übermittlung von Sozialdaten verpflichtet. Diese
Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort.
42 Voraussetzung für diese Beschränkungen ist jedoch, dass das Krankenhaus seinerseits die ihm obliegenden
Mitteilungsobliegenheiten gegenüber der Krankenkasse erfüllt und so die Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB
V überhaupt in Gang gesetzt hat. Vor vollständiger und ordnungsgemäßer Erfüllung der
Informationsobliegenheiten durch das Krankenhaus nach § 301 SGB V und ggf. landesvertraglichen
Regelungen fehlt es an der notwendigen Grundlage für die Abrechnungsprüfung und damit an einer
Voraussetzung für den Lauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (BSG, Urteil vom 16. Mai
2012 – B 3 KR 14/11 R – juris, Rn. 33). Nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sind mitzuteilen nicht nur die
Einweisungs- und die Aufnahmediagnose, sondern u.a. auch der Grund der Aufnahme. Darunter fällt bei
diagnostischen Maßnahmen oder bei Behandlungen, die der vertragsärztlichen – ambulanten – Versorgung
zugewiesen und nur im begründeten Ausnahmefall stationär zu erbringen sind, über die Angabe der
Krankheit hinaus auch die Mitteilung, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist.
Hierbei handelt es sich um eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße
Abrechnungsprüfung benötigt (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R – juris, Rn. 34). Dies gilt
wegen des oben dargestellten Vorrangs der vertragsärztlichen Versorgung auch bei der Abrechnung
nachstationärer Behandlungen. Bei - grundsätzlich – möglicher und damit generell vorrangiger ambulanter
Behandlung sind bei dennoch nachstationär erbrachter Behandlung die hierfür maßgeblichen medizinischen
Gründe mitzuteilen (BSG, Urteil vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 26).
43 Eine solche Mitteilung der Gründe für eine nachstationäre statt ambulante Behandlung enthalten die in den
Behandlungsfällen der U und S erfolgten Mitteilungen der V-Kliniken nicht, was diese auch selbst nicht
geltend macht. Mitgeteilt wurden neben insbesondere den Diagnosen bei Entlassung lediglich der Hinweis,
dass eine nachstationäre Behandlung vorgesehen sei, nicht aber die Gründe hierfür.
44 Eine solche Mitteilung wäre aber vorliegend nötig gewesen, da sich weder aus den mitgeteilten Diagnosen
noch der Art der durchgeführten Strahlentherapie die Notwendigkeit einer nachstationären Behandlung
ergab. Für den Senat steht – wie oben dargelegt – fest, dass die durchgeführte Bestrahlungsbehandlung
(Hochvoltstrahlentherapie) im Zeitraum der streitigen Behandlungen grundsätzlich im Rahmen ambulanter
Versorgung erfolgen konnte. In solchen Fällen hat die Meldung nach § 301 SGB V auch den Grund für die
nachstationäre anstelle der grundsätzlich möglichen ambulanten Durchführung zu beinhalten (BSG, Urteil
vom 17. September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 26; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R –
juris, Rn. 38). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dies keine Frage des Ausschlusses der nachstationären
Behandlung allein durch die – generelle – Möglichkeit der ambulanten Erbringung. Vielmehr wird dem
Krankenhaus lediglich eine Mitteilungsobliegenheit auferlegt, die die Krankenkasse in die Lage versetzt, die
Abrechnung unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Vorrangs der ambulanten Behandlung zu prüfen.
Gleichermaßen ändert diese Mitteilungsobliegenheit nichts am Maßstab für die – auf der Mitteilung fußenden
– Beurteilung der tatsächlichen Notwendigkeit einer stationären oder – wie hier – nachstationären
Behandlung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich schließlich die Vollständigkeit ihrer Mitteilungen
nach § 301 SGB V nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 28. April 2014. Der dortige Verweis auf eine
ambulante Behandlungsmöglichkeit ist lediglich Ausdruck der fehlenden Angabe von Gründen für die die
nachstationäre Erbringung und damit gerade der Unvollständigkeit der Mitteilung.
45 (2) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Vergütung nachstationärer Behandlungen zusätzlich zu den
Vergütungen der Fallpauschalen DRG D20Z (in den Behandlungsfällen der U) und DRG I54Z (im Falle der S)
nach Maßgabe des § 115a Abs. 3 SGB V i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG. Eine solche gesonderte
Vergütung setzt aus den oben genannten Gründen ebenfalls die Erforderlichkeit gerade der nachstationären
anstelle der grundsätzlichen vorrangigen ambulanten Leistungserbringung voraus (BSG, Urteil vom 17.
September 2013 – B 1 KR 51/12 R – juris, Rn. 14, 17 ff). Daran fehlte es in den vorliegend streitigen
Behandlungsfällen der U und S; insoweit wird auf die obigen Ausführungen und Feststellungen Bezug
genommen.
46 (3) Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist ferner nicht verwirkt.
47 (a) Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen Verjährungsfrist
grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Der
Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten
Vergütung unterliegt einer vierjährigen Verjährung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteil vom 23.
Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R –, juris, Rn. 44 m.w.N.), beginnend entsprechend § 45 Abs. 1 Erstes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB I) nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch durch Überzahlung
entstanden ist (BSG, a.a.O.), hier mithin wegen der Begleichung der Rechnungen am 22. August, 24.
September und 21. Oktober 2013 erst nach Ablauf des Jahres 2013. Nach erstmaliger Geltendmachung im
Schreiben vom 28. April 2014 hat die Beklagte am 12. August 2014 innerhalb von acht Monaten nach
Beginn der Verjährungsfrist die Aufrechnung mit diesem Anspruch erklärt.
48 Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist auch für das
Sozialversicherungsrecht anerkannt. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass
der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere
besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht
kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach
Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden „besonderen Umstände“
liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten
(Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde
(Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr
ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so
eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein
unzumutbarer Nachteil entstehen würde (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR
26/14 R –, juris, Rn. 46 m.w.N.).
49 (b) An solchen die Verwirkung auslösenden Umständen fehlt es vorliegend.
50 (aa) Ein vertrauensauslösendes Verwirkungsverhalten liegt nicht bereits im reinen Nichtstun (Unterlassen),
also im bloßen Zeitablauf. Grundsätzlich kann ein Krankenhaus nicht darauf vertrauen, dass die
Krankenkasse innerhalb der Grenzen der Verjährung rechtsgrundlos geleistete Krankenhausvergütung nicht
zurückfordern werde, etwa wenn ihr auffällt, dass dieses eine Vergütung gefordert hatte, ohne die nach §
301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erforderlichen Angaben zu machen. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann ein
Unterlassen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der
Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R
–, juris, Rn. 47, 48). Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, der Beklagten sei seit Jahren bekannt gewesen, in
welchen Fällen im Krankenhaus der Klägerin eine nachstationäre Bestrahlung erfolge und wann eine
ambulante Behandlung durch das von der Klägerin betriebene medizinische Versorgungszentrum. Damit
macht sie im Ergebnis geltend, die Beklagte habe bewusst und planvoll unter Verzicht auf eine Begründung
der Notwendigkeit nachstationärer Behandlung geltend gemachte Vergütungen beglichen. Ob diese
Behauptung tatsächlich zutrifft, kann vorliegend offenbleiben, da die weiteren Voraussetzungen für eine
Verwirkung nicht vorliegen.
51 (bb) Nach dem Urteil des BSG vom 17. September 2013 (B 1 KR 51/12 R – juris) zum Vorrang der
ambulanten Versorgung auch gegenüber der nachstationären Behandlung und der darauf bezogenen
Mitteilungspflicht nach § 301 SGB V stellte die – behauptete – bisherige Handhabung der Beklagten keine
ausreichende Vertrauensgrundlage für die Klägerin mehr dar. Diese konnte nicht davon ausgehen, dass die
Beklagte weiterhin nachstationäre Bestrahlungen ohne Begründung deren Erforderlichkeit vergüten werde.
Der bloße Zeitablauf zwischen Verkündung dieses Urteils und der erstmaligen Geltendmachung des
Erstattungsanspruches mit Schreiben vom 28. April 2014 ist auch unter Berücksichtigung des behaupteten
früheren Verhaltens der Beklagten nicht geeignet, ein solches Vertrauen zu begründen. Insbesondere war
der Erstattungsanspruch nicht noch im laufenden Kalenderjahr 2013 geltend zu machen. Die abweichende
Ansicht der Klägerin würde dazu führen, dass durch bloßes Unterlassen die Verwirkung vor Beginn der
Verjährungsfrist einträte (1. Januar 2014).
52 (cc) Schließlich fehlt es auch an einem Vertrauensverhalten der Klägerin. Diese hat selbst nicht substantiiert
vorgetragen, dass sie sich infolge des Verhaltens der Beklagten in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so
eingerichtet habe, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil
entstehen würde. Sie hat insbesondere nicht geltend gemacht, nicht mehr in der Lage zu sein, die
Erforderlichkeit der nachstationären Leistungserbringung in den hier streitigen Behandlungsfällen
nachzuweisen und so den Erstattungsanspruch der Beklagten abzuwehren, etwa weil im Vertrauen auf das
Verhalten der Beklagten hierfür notwendige Unterlagen nicht mehr vorgehalten worden wären.
53 cc) Da der Hauptanspruch nicht besteht, kann die Klägerin auch mit ihrem Zinsantrag keinen Erfolg haben.
54 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
55 4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
56 5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz
1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht
streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs.
1 GKG handelt.