Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12.08.2003

LSG Bwb: echte rückwirkung, altersrente, verkündung, maurer, rücknahme, vertrauensschutz, leistungsfähigkeit, rentenanspruch, verfügungsbefugnis, berechtigung

Landessozialgericht Baden-Württemberg
Urteil vom 12.08.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stuttgart S 17 RJ 4775/00
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 9 RJ 4142/02
Bundessozialgericht B 13 RJ 46/03 R
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer höheren Altersrente.
Der am 1930 geborene Kläger kam am 15.5.1996 gemeinsam mit seiner am 1936 geborenen Ehefrau aus K. in die
Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger und seine Ehefrau sind als Spätaussiedler anerkannt.
Mit Bescheid vom 8.8.1997 gewährte die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 30.5.1996 Regelaltersrente ab
15.5.1996 (in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von DM 879,07 ab 1.10.1997). Der Ehefrau des Klägers gewährte
sie auf deren Antrag vom 30.5.1996 mit Bescheid vom 30.7.1997 ab 1.9.1996 Altersrente für Frauen. Bei der
Berechnung der Rente des Klägers vervielfältigte die Beklagte gemäß § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG) die beim
Kläger ermittelten Entgeltpunkte (EP) mit dem Faktor 0,6, d. h. der Wert wurde um 40% gekürzt. Die sich danach
ergebenden persönlichen EP von 31,8716 verminderte sie zu-nächst auf 25 EP. Ebenso wurden die nach der 40%-
Kürzung bei der Ehefrau des Klägers ermittelten persönlichen EP von 29,2597 zunächst auf 25 EP begrenzt. Sodann
begrenzte sie die EP beider Renten auf 40 EP und errechnete sowohl für die Rente des Klägers als auch für die seiner
Ehefrau einen anteiligen Höchstwert von 20 EP. Der Bescheid vom 8.8.1997 wurde bindend.
Mit Schreiben vom 2.5.2000, eingegangen bei der Beklagten am 19.5.2000, beantragte der Kläger unter Hinweis auf
die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewäh-rung der Altersrente ohne die 40-% Kürzung und
ohne die Begrenzung auf 20 EP.
Mit Bescheid vom 31.5.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei der im Ren-tenbescheid vom
8.8.1997 getroffenen Entscheidung. Nach einer Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts hinsichtlich der
Verfassungswidrigkeit des § 22 Abs. 4 FRG werde die Angelegenheit überprüft und dem Kläger das Ergebnis
mitgeteilt.
Hiergegen legte der Kläger am 29.6.2000 Widerspruch ein und machte geltend, es gehe nicht nur um die 40-%
Kürzung des § 22 Abs. 4 FRG, sondern vor allem um die Regelung des § 22b FRG (Begrenzung auf 25 EP bzw. 40
EP bei Eheleuten). Diese Regelung sei verfas-sungswidrig. Unabhängig davon liege in Bezug auf seine Person eine
echte Rückwirkung vor, die gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2000 wies
die Bekl. den Widerspruch zurück.
Gegen den am 28.7.2000 abgesandten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 18.8.2000 Klage zum
Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Abänderung des Bescheides vom 31.5.2000 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 27.7.2000 und die Verurteilung der Beklagten begehrte, ihm ab 15.5.1996 eine höhere
Regelaltersrente ohne Kürzung der EP um 40% sowie ohne Berücksichtigung der Obergrenze des § 22b FRG zu
gewähren.
Durch Urteil vom 8.5.2002 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klä-ger habe keinen
Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Sozialge-setzbuch (SGB) X. Ein Verstoß gegen
das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot oder den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes liege
nicht vor. Die Eigentumsgaran-tie des Art. 14 Grundgesetz (GG) sei nicht verletzt. Auch die Stichtagsregelung
verletze nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen
wird Bezug genommen.
Gegen das am 10.8.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 2.9.2002 beim SG Stuttgart Be-rufung zum
Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, er habe seit dem 15.5.1996 Anspruch auf
Regelaltersrente. Zu dieser Zeit sei das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) noch nicht existent
gewesen; es sei erst am 25.9.1996 verkündet worden. Seine Rente hätte gem. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI nach dem
am 15.5.1996 geltenden Recht festgestellt werden müssen. Insoweit werde auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz
vom 14.9.2002 (L 2 RJ 306/99) Bezug genommen. Entgegen der Auf-fassung des SG liege eine echte Rückwirkung
vor. Die Beklagte sei deswegen verpflichtet, die Altersrente ohne die 40% Kürzung und ohne die Obergrenze des §
22b FRG neu festzustellen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.8.2003 erklärte sich die Beklagte bereit, den Rentenanspruch des
Klägers vom 15.5.1996 bis zum 31.8.1996 unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Rente der Ehefrau des
Klägers erst am 1.9.1996 begonnen hat, erneut zu überprüfen und dem Kläger einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2000 in
Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid
vom 8. August 1997 teilweise zurückzu-nehmen und ihm ab 1. September 1996 eine höhere Regelaltersrente ohne
Kürzung der EP um 40% und ohne Obergrenze gem. § 22b FRG zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschlie-ßungsgründe nach § 144
Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen
Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des
Bescheides vom 8.8.1997 und auf Gewährung der Altersrente ohne Kürzung um 40% und ohne Begrenzung der EP
auf 40 für Eheleute bzw. 20 für den Kläger ab 1.9.1996 hat.
Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheides vom 8.8.1997 gem. § 44 Abs. 1 SGB X liegen
nicht vor, da die Beklagte bei Erlass dieses Bescheides das Recht nicht unrichtig angewandt noch von einem
unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist.
Der Rücknahmeanspruch des Klägers kann nicht auf § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI gestützt werden. Gemäß § 300 Abs.
1 SGB VI sind Vorschriften dieses Gesetzbuches von dem Zeit-punkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt
oder einen Anspruch auch dann anzuwen-den, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch
bestanden hat. Gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses
Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden
Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Ka-lendermonaten nach der Aufhebung geltend
gemacht wird.
Der Senat lässt es dahingestellt, ob § 300 Abs 1 und 2 SGB VI überhaupt bei Änderungen des FRG anwendbar ist,
welches nicht förmlich Teil des SGB VI und damit "dieses Gesetzbu-ches" i.S.d. § 300 Abs. 1 SGB VI ist. Auch
wenn man unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Rentenanspruch des Klägers nach dem SGB VI - nur -
unter Berücksichtigung von im FRG erfassten Regelungen besteht, § 300 Abs 1 und 2 SGB VI für anwendbar hält,
würde dies nicht dazu führen, dass die Rente des Klägers nach den gesetzlichen Bestimmungen vor Inkrafttreten des
WFG und damit ohne Vervielfältigung der EP mit dem Faktor 0,6 (Art 3 Nr. 4 Buchstabe b WFG) und ohne die
Begrenzung der EP gemäß § 22 b Abs. 3 FRG (Art. 3 Nr. 5 WFG) zu berechnen wäre, denn die Voraussetzungen des
§ 300 Abs. 2 SGB VI liegen nicht vor.
Das WFG ist in Bezug auf die Art. 3 Nr. 4 Buchstabe b und Nr. 5 mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten (Art.
12 Abs. 2 WFG). Hieraus ergibt sich als Zeitpunkt der Änderun-gen und damit der Aufhebung des alten Rechts iSd §
300 Abs 2 SGB VI der "Beginn des 7. Mai 1996" (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 14). Der Kläger hat zwar, bezogen
auf diesen Zeitpunkt, mit seinem Rentenantrag vom 30.5.1996 die 3-Monatsfrist des § 300 Abs 2 SGB VI eingehalten,
sein Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente ist aber erst mit seiner Ausreise aus Kasachstan am 15.5.1996
und damit nach dem 7.5.1996 entstanden.
Entscheidend ist daher, ob die im Falle des Klägers durch § 300 Abs. 2 SGB VI nicht ausge-schlossene rückwirkende
Anwendung des § 22b FRG in der Fassung des WFG verfassungs-mäßig ist, denn allein auf der Anwendung des §
22b FRG beruht die anteilsmäßige Zuord-nung der 20 EP. Demgegenüber wirkt sich die 40%-Kürzung der ermittelten
EP nach Maßga-be des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG im Falle des Klägers im Ergebnis nicht aus, da die
nach der Kürzung sich ergebenden persönlichen EP in Höhe von 31,8716 nur ein vor-läufiger und gemäß § 22b Abs. 1
FRG auf zunächst 25 EP und im Ergebnis gemäß § 22b Abs 3 FRG auf 20 EP zu reduzierender Zwischenwert sind
(vgl. BSG SozR 3-5050 § 22b Nr 1).
§ 22b FRG setzt Höchstgrenzen für EP fest, die für nach dem FRG anrechenbare Zeiten einer Rente zugrunde gelegt
werden dürfen. Nach § 22b Abs. 1 FRG sind dies für einen einzelnen Berechtigten 25 EP. § 22b Abs. 2 FRG
bestimmt, wie die EP für die Anwendung dieser Be-grenzungsregelung zu ermitteln sind. Nach § 22b Abs. 3 FRG
werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Renten nach
den Absätzen 1 und 2 festgestellt worden sind, höchstens insgesamt 40 EP zugrunde gelegt. Diese werden auf die
Renten in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die sich nach Anwendung von den Absätzen 1 und 2 jeweils ergebenden
EP zueinander stehen, höchstens jedoch 25 EP für einen Berechtigten. Vorliegend hat die Beklagte die beim Kläger
nach dem FRG anrechenbaren persönlichen EP von 31,8716 zunächst auf 25 EP begrenzt. Die persönlichen EP
seiner Ehe-frau von 29,2597 wurden ebenfalls auf 25 EP begrenzt, sodass sich bei der weiteren Begren-zung der EP
für die Eheleute auf 40 EP für den Kläger ein anteiliger Höchstwert von 20 EP ergibt.
Der Senat ist von einer Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 22b Abs. 1 und Abs. 3 FRG - ebenso wie das SG
und das BSG (SozR 3-5050 § 22b Nrn. 1 und 3) - nicht überzeugt. Insoweit schließt er sich den Ausführungen in den
genannten Urteilen in vollem Umfang an und nimmt hierauf Bezug.
Der Senat ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass das in Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b
FRG rückwirkend zum 7. 5.1996 nicht verfassungswidrig ist.
Im Falle des Klägers steht fest, dass er im Zeitpunkt seines Zuzugs in die Bundesrepublik am 15.5.1996 das
Rentenrecht noch nicht in der Ausgestaltung vorgefunden hat, die es durch das WFG erfahren hat. Denn das WFG
vom 25. September 1996 wurde erst am 27. September 1996 im Bundesgesetzblatt Nr. 48 verkündet. Durch das in
Art. 12 Abs. 2 WFG angeordnete Inkrafttreten des § 22b FRG zum 7.5.1996 wurde damit der Beginn des zeitlichen
Anwen-dungsbereichs dieser Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig
geworden ist. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm
liegenden Zeitraum eintreten (nach der No-menklatur des 2. Senats des BVerfG eine "Rückbewirkung der
Rechtsfolgen", nach der No-menklatur des 1. Senats des BVerfG eine "echte Rückwirkung"- vgl. hierzu Maurer,
Staats-recht I , 2. Auflage, München 2001, Rdn 105 ff.-) ist aus Gründen des rechtsstaatlichen Ver-
trauensschutzgebots grundsätzlich unzulässig. Der von einem Gesetz Betroffene muss grund-sätzlich bis zum
Zeitpunkt der Verkündung einer Neuregelung darauf vertrauen können, dass er nicht nachträglich einer bis dahin nicht
geltenden Belastung unterworfen wird. (BVerfGE 97, 67-88; juris-dok S. 8 m.w.N). Demzufolge ist eine echte
Rückwirkung oder Rückbewir-kung des Rechtsfolgen ausnahmsweise zulässig, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen
des Be-troffenen nicht oder nicht mehr vorhanden war oder wenn seinem schutzwürdigen Vertrauen zwingende Gründe
des gemeinen Wohls entgegenstehen (vgl. BVerfG aaO juris-dok, Orien-tierungssatz 2c, zusammenfassend Maurer
aaO Rdn 118-120).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Anordnung des rückwirkenden Inkrafttre-tens des § 22b FRG zum
7.5.1996 als zulässig. Der für das rückwirkende Inkrafttreten ge-wählte Stichtag 7.5.1996 knüpft inhaltlich an den
Zeitpunkt der Kabinettsentscheidung über die Einbringung des WFG und die nachfolgende Unterrichtung der
Öffentlichkeit an. Der danach am 15.5.1996 in die Bundesrepublik eingereiste Kläger erfüllte zwar mit dem Tag seiner
Einreise die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente, ohne dass dieser Anspruch aber bis zur
Verkündung des WFG am 27.9.1996 bereits durch einen Ver-waltungsakt konkretisiert worden wäre. Unter diesen
Voraussetzungen rangiert der Vertrau-ensschutz des Klägers hinter dem eines Berechtigten, der in Ansehung eines
Rechts bereits Dispositionen getroffen hat oder dem Ansprüche bereits zugebilligt wurden (vgl. BSG SozR 3-5050 §
22 Nr 7; juris-dok S.11). Angesichts des insoweit schon eingeschränkten Vertrau-ensschutzes kann dahingestellt
bleiben, ob der Vertrauensschutz schon deshalb insgesamt entfällt, weil der Kläger wegen des Kabinettsbeschlusses
von diesem Zeitpunkt an, auf den sich die Rückwirkung bezieht, mit einer Neuregelung rechnen musste und daher
kein sachli-cher Grund mehr bestand, auf die Fortgeltung der früheren Rechtslage in schutzwürdiger Wei-se zu
vertrauen (so BGH, Beschluss vom 11.2.1999, Az IX ZR 298/97 Orientierungssatz 2 juris-dok; zur Kritik hierzu
Maurer aaO Rdn 120). Denn der Vertrauensschutz des Klägers muss hinter dem öffentlichen Interesse zurücktreten,
das im vorliegenden Fall darin bestand, die Umgestaltung des FRG durch das WFG schon vor der Verkündung im
Bundesgesetzblatt greifen zu lassen, um zu verhindern, dass die bisherigen Regelungen - etwa noch durch erheb-
lichen Zuzug von Spätaussiedlern kurz vor Torschluss - noch ausgenutzt und damit die Neu-regelung in ihrer
Zielsetzung insoweit durchkreuzt wurde (vgl. BVerfG 97. 67-88, juris-dok S.10).
Ungeachtet der zulässigen Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots darf diese Durchbrechung
gleichwohl nicht zu Ergebnissen führen, die den grundrechtlichen Schutz des Lebenssachverhalts verletzen, der von
dem Eingriff - durch die nachträgliche Än-derung der Rechtsfolgen - betroffen ist. (BVerfG aaO unter Hinweis auf
BVerfGE 72, 200 (258)). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Zwar unterliegen nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts Anwartschaften und Ansprüche auf Versichertenrente aus der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie Rentenanwartschaften dem Schutz der Eigentumsga-rantie. Die grundsätzliche
Verfügungsbefugnis wird dabei nicht nur durch die spätere Nut-zung, sondern auch dadurch hergestellt, dass ihr
Umfang durch die persönliche Arbeitsleis-tung des Versicherten mitbestimmt wird, wie dies vor allem in den
einkommensbezogenen Beitragsleistungen Ausdruck findet. Die Berechtigung des Inhabers steht also in Zusammen-
hang mit einer eigenen Leistung, die als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt ist (vgl.
BVerfGE 53, 257, 289 ff). Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozi-alversicherungsrechtlicher Positionen ist
eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig
zugeordnet ist; diese ge-nießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistun-
gen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht
vor, dann kommt bei gesetzlichen Eingriffen in sozialversicherungs-rechtliche Positionen zwar ein Schutz durch
andere Grundrechte, nicht aber auch Art. 14 GG in Betracht (vgl. BVerfGE 69, 272, 300). Im vorliegenden Fall hat der
Kläger jedoch zu kei-nem Zeitpunkt Beitragsleistungen an einen Rentenversicherungsträger in der Bundesrepublik
erbracht, sodass schon deshalb fraglich ist, ob der Kläger allein wegen der späteren Rentenan-sprüche, die auf seine
Anerkennung als Spätaussiedler und die Regelungen in FRG zurückge-hen, hierfür den Schutz des Art. 14 GG
genießt (BSG SozR 3-5050 § 22 Nr 7 unter Hinweis auf BVerfGE 29, 22, 34). Aber selbst wenn der Kläger nach dem
FRG eine eigentumsge-schützte Rechtsposition erlangt hätte, ist zu berücksichtigen, dass Rentenversicherungsan-
sprüche und -anwartschaften einen ausgeprägten sozialen Bezug aufweisen, da sie auf dem Gedanken der
Solidargemeinschaft und des Generationenvertrages beruhen. Dies bedeutet, dass bei der Bestimmung des Inhalts
und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weite
Gestaltungsfreiheit zusteht. Dies gilt im besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und
Leistungsfähigkeit des Sys-tems der gesetzlichen Rentenversicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern
oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die
Befugnis, Rentenansprüche und -anwartschaften zu beschränken (vgl. BVerfGE 53, a.a.O.). Im Fall des Klägers ist
zu berücksichtigen, dass er selbst keine Beiträge zur deut-schen Rentenversicherung geleistet hat, sodass der
Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Beibehaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen
Rentenversicherung bei der veränderten Altersstruktur, der hohen Arbeitslosigkeit, der Eingliederung der Versicherten
in den neuen Bundesländern und dem Zuzug von Spätaussiedler ein weiter Gestaltungsspiel-raum zusteht. Diesen hat
der Gesetzgeber durch die Begrenzung auf 40 EP (für Eheleute) mit Wirkung vom 7.5.1996 nicht überschritten.
Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Zwar wird der Kläger anders, nämlich schlechter, behandelt als
Spätaussiedler, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD vor dem 7.5.1996 genommen haben. Indessen liegt hier
keine sachwidrige Differenzierung vor. Vielmehr ist dies das Ergebnis einer vom Gesetzgeber gewählten
Stichtagsregelung. Härten, die jeder derartigen Regelung innewohnen, müssen hingenommen werden, wenn die
Einfüh-rung eines Stichtages notwendig und die Wahl des Zeitpunkts, orientiert am gegebenen Sach-verhalt, damit
sachlich vertretbar ist (vgl. BVerfGE 58, 81, 126). Angesichts einer schnell wirksamen Entlastung der Rentenkassen,
insbesondere auch von beitragsfremden Lasten, ist eine Anknüpfung an den Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses
vertretbar.
Nach alledem waren das angefochtene Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Die
Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil der hier vorliegende Sachverhalt insoweit von
den vom BSG entschiedenen abweicht, als der hiesige Kläger vor Verkündung des WFG vom 25.9.1996 und kurz
nach dem rückwirkenden Inkrafttreten des Gesetzes ins Bundesgebiet gekommen ist. Das in einem gleichgelagerten
Fall beim Bundes-sozialgericht anhängige Verfahren B 13 RJ 2/03 R (vorgehend Landessozialgericht Nord-rhein-
Westfalen Urteil vom 29.11.2002, L 13 RJ 30/02, juris-dok) war im Zeitpunkt der Ent-scheidung des Senats noch nicht
entschieden.