Urteil des LG Saarbrücken vom 09.06.2008

LG Saarbrücken: verbraucher, flugblatt, altpapier, irreführende werbung, öffentliche ausschreibung, anbieter, juristische person, vergleichende werbung, mitbewerber, verfügung

LG Saarbrücken Urteil vom 9.6.2008, 7 O 195/08
Wettbewerbsverstoß durch irreführende Werbung: Unterlassungsanspruch gegen eine
Flugblattwerbung eines öffentlichen Altpapierentsorgers
Leitsätze
1. Auf den Verbraucher wird durch dessen Irreführung ein unangemessener unsachlicher
Einfluss ausgeübt (§ 4 Nr. 1 UWG).
2. Der Verweis darauf, dass private Altpapierentsorger nur dort Altpapiertonnen aufstellen,
wo es für sie lukrativ ist, und darauf, dass sie den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern
Einnahmen wegnehmen, stellt weder eine unangemessene unsachliche Einflussnahme (§ 4
Nr. 1 UWG) noch eine Herabsetzung oder Verunglimpfung der privaten Entsorger (§ 4 Nr. 7
UWG) dar.
3. Der Unterlassungsanspruch eines Mitbewerbers (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) setzt nicht
voraus, dass seine Tätigkeit rechtlich zulässig ist.
Tenor
I. 1. Dem Verfügungsbeklagten wird untersagt, das auf den Folgeseiten abgebildete
Flugblatt zukünftig zu verteilen:
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot wird dem Verfügungsbeklagten
ein Ordnungsgeld bis zu 200.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
angedroht.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin ist ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb. Sie verteilt in einigen
Gemeinden im Saarland – u. a. in der Stadt S. – an Haushalte die Blaue Tonne zur Abfuhr
von Pappe, Papier und Karton. Dem Verfügungsbeklagten, einer aus den saarländischen
Gemeinden bestehenden Körperschaft des öffentlichen Rechts, obliegt als öffentlich-
rechtlichem Entsorgungsträger die überörtliche Abfallentsorgung und Abwasserbeseitigung
sowie die örtliche Abfallentsorgung, soweit die Gemeinde diese Aufgabe nicht selbst
wahrnehmen.
Nach einer Ausschreibung im Jahr 2003, an der sich auch die Verfügungsklägerin beteiligte,
vergab der Verfügungsbeklagte die Sammlung und Beförderung von PPK-Abfällen sowie die
Containergestellung und Containerbewirtschaftung für das Stadtgebiet S. für die Zeit vom
1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2008 an die Fa. S. GmbH. Eine öffentliche
Ausschreibung für den Folgezeitraum läuft derzeit, allerdings nicht das Stadtgebiet S.
betreffend.
Anfang Mai 2008 begann die Stadt S. im Auftrag des Verfügungsbeklagten mit der
Verteilung von Blauen Tonnen an die Haushalte in ihrem Stadtgebiet. Die Tonne wird u. a.
mit dem im Tenor abgebildeten Flugblatt geliefert, auf das wegen der Einzelheiten
verwiesen wird (siehe auch das seitens der Verfügungsklägerin im Termin überreichte
Original des Flugblatts, Bl. 69 d. A.).
Die Verfügungsklägerin will dem Verfügungsbeklagten mit der begehrten einstweiligen
Die Verfügungsklägerin will dem Verfügungsbeklagten mit der begehrten einstweiligen
Verfügung die Verteilung des Flugblatts untersagen lassen. Sie wendet sich gegen folgende
Passagen des Flugblatts:
„Das Sammeln lohnt sich also aus Gründen des Umweltschutzes und
auch unter wirtschaftlichen Aspekten. Private Unternehmen, die
mancherorts im Saarland bereits Altpapier-Tonnen aufgestellt haben,
nehmen dem E. – und damit Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern –
Einnahmen weg, die der Verband in die Förderung wichtiger Projekte
investieren will.“
„Der E. wird mit dem Geld, das mit dem Verkauf des Altpapiers erzielt
wird, wichtige Projekte vorantreiben, die allen Bürgerinnen und Bürgern
zugute kommen.
Private Anbieter von Altpapier-Tonnen behalten die Einnahmen für
sich.“
„Private Anbieter stellen nur dort Altpapier-Tonnen auf, wo es für sie
lukrativ ist.“
Außerdem wendet sie sich gegen den Anhang des Flugblatts mit der Aufschrift „Wird nicht
benötigt!“ bzw. „Bitte wieder mitnehmen!“.
Die Verfügungsklägerin macht geltend, dass mit dem Flugblatt ein moralischer und
wirtschaftlicher Druck auf die Verbraucher ausgeübt werde und dass die privaten Anbieter
durch das Flugblatt herabgesetzt würden. Dabei nutze der Verfügungsbeklagte zudem
seine marktbeherrschende Stellung aus. Deshalb hält sie die Werbung mit dem Flugblatt
für unlauter.
Die Verfügungsklägerin behauptet, dass sie die Papierabfälle einer ordnungsgemäßen
Verwertung zuführe, nämlich einer Papierfabrik übermittle, mit der sie langfristige Verträge
abgeschlossen habe.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er macht geltend, dass er von der Verfügungsklägerin nicht auf die Unterlassung der
Werbung in Anspruch genommen werden könne. Denn die Verfügungsklägerin sei gar nicht
zur Abfuhr der PPK-Abfälle berechtigt, weil die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr.
3 KrW-/AbfG nicht erfüllt seien. Im übrigen verhalte sich die Verfügungsklägerin selbst
unlauter, indem sie durch die Aufstellung der Blauen Tonnen das Vergabeverfahren, in dem
sie nicht zum Zuge gekommen sei, unterlaufe und indem sie irreführend werbe (auf die
vom Verfügungsbeklagten vorgelegte Pressemitteilung der Verfügungsklägerin, Bl. 65 d. A.,
wird verwiesen).
Außerdem verteidigt der Verfügungsbeklagte das Flugblatt. Zutreffend werde der
Sachverhalt wiedergegeben, dass private Versorger, deren Tätigkeit nicht verhindert
werden könne, den öffentlichen Entsorgern Einnahmen entzögen, indem sie sich aus dem
zu entsorgenden Abfall aus wirtschaftlichem Eigeninteresse „die Rosinen herauspickten“,
nämlich lediglich das Altpapier entsorgten. Die Darstellung dieses Sachverhalts unterfalle
seinem Recht zur freien Meinungsäußerung.
Schließlich ist der Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass ihm die Verfügungsklägerin
keinesfalls die Verteilung des gesamten Flugblatts verbieten lassen könne, sondern
allenfalls die im einzelnen angegriffenen Formulierungen.
Im übrigen wird auf die Schriftsätze und Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt voraus, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Verfügungsklägers vereitelt
oder wesentlich erschwert wird oder dass die einstweilige Regelung eines
Rechtsverhältnisses zum Schutz des Verfügungsklägers nötig erscheint (§§ 935, 940
ZPO). Voraussetzungen des Erlasses sind mithin ein Verfügungsanspruch, also das zu
schützende Recht des Verfügungsklägers, und ein Verfügungsgrund, nämlich die
Eilbedürftigkeit der Regelung. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Androhung des
Ordnungsgeldes beruht auf § 890 ZPO.
A.
Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der
Verteilung des Flugblatts gem. § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 1 UWG zu.
I.
Die Verfügungsklägerin will dem Verfügungsbeklagten die Verteilung des Flugblatts
insgesamt verbieten lassen, obwohl sie nur einzelne Passagen bzw. Teile des Flugblatts
beanstandet. Das begegnet entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten keinen
Bedenken. Die Verteilung des Flugblatts stellt schon dann die konkret zu verbietende
Wettbewerbshandlung dar, wenn es nur in einem Punkt gegen das Verbot unlauteren
Wettbewerbs verstößt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000, I ZR 180/98, TCM-
Zentrum, GRUR 2001, 453, unter III. 1. a). Denn dem Verfügungsbeklagten ist es schon
dann untersagt, das Flugblatt in der Form, die es jetzt hat, zu verteilen. Das bedeutet
allerdings nicht, dass das Gericht das Flugblatt insgesamt auf möglicherweise verbotene
Wettbewerbshandlungen untersuchen darf und seine Prüfung abschließen kann, wenn es
einen zu beanstandenden Teil gefunden hat. Der Streitgegenstand eines
Unterlassungsantrags wird außer dem Antrag selbst durch den dazu vorgetragenen
Lebenssachverhalt bestimmt. Deshalb darf das Gericht die angegriffene Handlung nur
insoweit prüfen, als sie angegriffen ist, und auch diesbezüglich nur hinsichtlich der Gründe,
auf die der Kläger sein Begehren stützt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Juni 2000, I ZR
269/97, dentalästhetika, NJW 2001, 1791, unter II. 2. a aa). Daraus folgt nach Auffassung
des Gerichts andererseits, dass das Begehren im Rahmen des Streitgegenstands
umfassend zu prüfen ist. Hinsichtlich der angegriffenen Teile des Flugblatts ist also zu
entscheiden, ob es aus den von der Verfügungsklägerin vorgebrachten Gründen
wettbewerbswidrig ist. Nur auf diese Weise wird der Streit, den die Parteien dem Gericht
im Rahmen des Antrags des Klägers zur Entscheidung vorgelegt haben, abschließend
beschieden.
II.
1. Gem. § 8 Abs. 1 UWG kann derjenige, der dem Verbot unlauteren Wettbewerbs (§ 3
UWG) zuwiderhandelt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt gem. § 4 Nr. 1 UWG insbesondere, wer
Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit des
Verbrauchers durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Darauf hat
sich die Verfügungsklägerin berufen; sie macht geltend, dass durch das Flugblatt in
unsachlicher Weise ein moralischer und wirtschaftlicher Druck auf den Verbraucher
ausgeübt werde.
a) Die beiden angegriffenen Passagen, die auf wichtige Projekte des Verfügungsbeklagten
Bezug nehmen, stellen wegen dieser Bezugnahme eine unangemessene unsachliche
Einflussnahme auf die Verbraucher dar.
aa) Eine Werbemaßnahme ist eine unangemessene unsachliche Einflussnahme auf
Verbraucher und andere Marktteilnehmer, wenn sie mit der Lauterkeit des Wettbewerbs
unvereinbar ist (BGH, Urteil vom 22. September 2005, I ZR 55/02, Artenschutz, BGHZ
164, 153 = NJW 2006, 149, unter II. 1. b bb). Wettbewerbsrechtlich grundsätzlich
unbedenklich ist, dass eine Werbung nicht nur konkrete Sachangaben enthält, sonder
Gefühle anspricht (BGH, a. a. O., unter II. 1. b aa). Mit der Lauterkeit des Wettbewerbs
nicht vereinbar ist indes – wie auch § 5 UWG zeigt – eine Einflussnahme durch eine
Irreführung des Verbrauchers, sie ist deshalb unangemessen und unsachlich (vgl. BGH,
Urteil vom 26. Oktober 2006, I ZR 33/04, Regenwaldprojekt I, NJW 2007, 919, unter II.
2.). Den Werbenden trifft zwar nicht etwa eine allgemeine Informationspflicht oder gar eine
Pflicht zur umfassenden Aufklärung (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006, Regenwaldprojekt
I, a. a. O., unter II. 2. c). Schon das Verschweigen einer Tatsache kann indes irreführend
sein (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 UWG).
bb) Das Flugblatt erweckt den Eindruck, dass der Verfügungsbeklagte konkrete Projekte
hat, die er u. a. mit Einnahmen aus der Veräußerung von Altpapier fördern und
vorantreiben will. Dabei wird der Verbraucher annehmen, dass es sich um Projekte handelt,
die zumindest im weitesten Sinne dem Umweltschutz dienen. Das Tätigkeitsfeld des
Verfügungsbeklagten ist die Abfallentsorgung, die – wie der Verbraucher weiß – in
besonderer Weise die Umwelt gefährden kann und auf deren Umweltverträglichkeit
deshalb besonders zu achten ist (vgl. nur § 1 KrW-/AbfG). Deshalb liegt nahe, dass Projekte
des Verfügungsbeklagten gerade diese Umweltverträglichkeit sichern sollen und insoweit
dem Umweltschutz zugute kommen. In der ersten der beiden angegriffenen Passagen, in
denen auf die Projekte verwiesen wird, wird im übrigen eingangs ausdrücklich auf den
Umweltschutz Bezug genommen, der das Sammeln und Verwerten von Altpapier als
lohnend erscheinen lasse.
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Verfügungsklägerin, dass die Werbung schon
deshalb eine unlautere Einflussnahme sei, weil der Verbraucher über die Projekte völlig im
Unklaren gelassen werde. Denn da den Verfügungsbeklagten grundsätzlich keine
allgemeine Informationspflicht trifft, kann von ihm nicht verlangt werden, dass er Projekte
auf dem Gebiet des Umweltschutzes nur dann in seiner Werbung erwähnt, wenn er sie
zugleich näher beschreibt. Das Gericht geht jedoch aufgrund des ihm unterbreiteten Sach-
und Streitstands davon aus, dass es konkrete Projekte des Verfügungsbeklagten, die er mit
seinen Einnahmen fördert, gar nicht gibt. Obwohl die Verfügungsklägerin ausdrücklich
gerügt hat, dass für etwaige Projekte kein Geld zur Verfügung stehe und die Angabe ein
reines Druckmittel zur Beeinflussung der Verbraucher darstelle, hat der Verfügungsbeklagte
nicht einmal ansatzweise irgendein zu förderndes Projekt benannt. Von seiner Seite wurde
im Termin lediglich darauf hingewiesen, dass man ja auch die Gebührensenkung bzw. die
Verhinderung einer weiteren Gebührenerhöhung als Projekt auffassen könne. So wird der
Verbraucher die Werbung indes nicht verstehen. Die Geringhaltung der Gebühren gehört zu
den allgemeinen Aufgaben des Verfügungsbeklagten (vgl. § 4 EVSG), so dass sie kaum als
besonderes Projekt verstanden werden kann. Die Aussage verstärkt aber den Eindruck des
Gerichts, dass es konkrete zu fördernde Projekte des Verfügungsbeklagten nicht gibt, sonst
wären diese benannt worden.
Deswegen wird der Verbraucher durch die Werbung unsachlich und unangemessen
beeinflusst. Ihm wird der Eindruck vermittelt, dass er durch seine Entscheidung, nicht die
Tonne eines privaten Anbieters, sondern die Tonne des Verfügungsbeklagten zu nutzen,
Projekte auf dem Gebiet des Umweltschutzes unterstützen kann, indem er dem
Verfügungsbeklagten Einnahmen für solche Projekte zukommen lässt. Darin irrt er jedoch.
b) Im übrigen enthalten die angegriffenen Teile des Flugblatts keine unangemessene
unsachliche Einflussnahme auf Verbraucher.
aa) Dass die privaten Unternehmer über das Aufstellen der Blauen Tonne dem
Verfügungsbeklagten Einnahmen wegnehmen und die von ihnen erzielten Einnahmen für
sich behalten, ist eine zutreffende Information des Verbrauchers. Zwar wurde seitens der
Verfügungsklägerin im Termin ausgeführt, dass der Verfügungsbeklagte aus dem Aufstellen
der Blauen Tonne keine Einnahmen erzielen könne, da er Verträge geschlossen habe,
wonach er für jede Tonne mehr zahlen müsse als er einnehme. Diesen Vortrag, der seitens
des Verfügungsbeklagten bestritten wurde, hat die Verfügungsklägerin indes nicht
glaubhaft gemacht. Er wird im übrigen auch durch das von ihr vorgelegte Strategiepapier
des Verfügungsbeklagten (Bl. 70 f. d. A.) sowie durch dessen Verhalten in Zweifel
gezogen. Dem Strategiepapier zufolge erwartet der Verfügungsbeklagte aus der
Altpapierentsorgung erhebliche Einnahmen. Sollte jede Blaue Tonne für den
Verfügungsbeklagten ein Verlustgeschäft darstellen, ist nicht erklärlich, warum er sich
gegen das Aufstellen von Blauen Tonnen durch die Verfügungsklägerin wenden sollte, er
müsst dies dann vielmehr unterstützen und fördern.
bb) Auch durch den Verweis darauf, dass private Anbieter nur dort Altpapier-Tonnen
aufstellen, wo es für sie lukrativ ist, wird kein unsachlicher und unangemessener Einfluss
auf die Verbraucher ausgeübt. Der Satz steht nach der Mitteilung, dass der
Verfügungsbeklagte alle saarländischen Haushalte mit Altpapier-Tonnen versorgt. Auf diese
Weise wird – wie bei dem Verweis auf entzogene und einbehaltene Einnahmen (dazu oben
aa) – der Unterschied zwischen dem Verfügungsbeklagten und privaten Anbietern
herausgestellt. Der Verfügungsbeklagte ist gesetzlich verpflichtet, alle Abfälle aus privaten
Haushalten zu verwerten oder zu beseitigen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, § 5 Abs. 1
SAWG). Dem entspricht die Pflicht der privaten Haushalte, den öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern den Abfall zu überlassen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Die
Verfügungsklägerin ist nicht zur Abfallbeseitigung verpflichtet. Sie nimmt diese lediglich in
einem bestimmten Bereich, nämlich dem des Altpapiers, vor, weil sie den Abfall
gewinnbringend weiterveräußern kann. Das ist ihr rechtlich möglich, soweit die Haushalte
keine Überlassungspflicht an öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger haben, weil das
Altpapier mit der von ihr durchgeführten Sammlung einer ordnungsgemäßen und
schadlosen Verwertung zugeführt wird, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger
nachgewiesen wird und der überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen (§
13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG). Insoweit trifft es also zu, dass der Verfügungsbeklagte
zur flächendeckenden Entsorgung verpflichtet ist, während das Tätigwerden der
Verfügungsklägerin als Gewerbetreibender naturgemäß davon abhängt, dass sie mit der
Abfallentsorgung Gewinn erzielen kann, dass diese also insoweit für sie lukrativ ist. Vor
diesem Hintergrund stellt die angegriffene Passage keine unangemessene unsachliche
Einflussnahme dar. Dabei hält es das Gericht nicht für streitentscheidend, dass die
Verfügungsklägerin, wie sie vorbringt, derzeit flächendeckend Blaue Tonnen aufstellt, sich
also nicht nur besonders lukrative Standorte für die Tonnen heraussucht. Diese
unternehmerische Entscheidung ändert nichts daran, dass das Aufstellen der Blauen
Tonnen ersichtlich von dessen Lukrativität abhängt. Es unterliegt der freien Entscheidung
der Verfügungsklägerin, ob und wo sie Tonnen aufstellt. Dass sie dies derzeit
flächendeckend tut, mag daran liegen, dass wegen der für Altpapier erzielbaren Preise
derzeit das Aufstellen der Tonne überall lukrativ ist oder daran, dass die Verfügungsklägerin
jedenfalls anfangs die flächendeckende Altpapierentsorgung anbieten will, um einen
gewissen Bekanntheitsgrad zu erlangen. Jedenfalls ist – anders als beim
Verfügungsbeklagten – die dauerhafte flächendeckende Altpapierentsorgung durch die
Verfügungsklägerin nicht gewährleistet, sondern hängt davon ab, wie lange diese für sie
lukrativ ist.
cc) Auch der abtrennbare Teil des Flugblatts mit den Aufschriften „Wird nicht benötigt!“
und „Bitte wieder mitnehmen!“ beeinflusst den Verbraucher nicht unsachlich und
unangemessen. Es gehört zum Wesen des Wettbewerbs, dass Kunden – auch zielgerichtet
und systematisch – abgeworben werden. Deshalb ist es für sich genommen nicht unlauter,
einen Kunden dazu zu bestimmen und ihm dabei Hilfe zu leisten, die Beziehung zum
Mitbewerber zu beenden und in Beziehung zum Werbenden zu treten (vgl. BGH, Urteil vom
7. April 2005, I ZR 140/02, Kündigungshilfe, NJW 2005, 2012, unter II. 1.; BGH, Urteil vom
8. November 2001, I ZR 124/99, Mietwagenkostenersatz, GRUR 2002, 548, unter II. 1.
und 2. a). Besondere Umstände, die den abtrennbaren Teil ausnahmsweise als eine
unsachliche und unangemessene Einflussnahme erscheinen lassen könnten (vgl. dazu BGH,
a. a. O.), sind nicht ersichtlich. Der Teil des Flugblatts geht nicht über die Mitteilung hinaus,
dass die Blaue Tonne des privaten Anbieters mitgenommen werden soll, da sich der
Verbraucher für die Tonne des Verfügungsbeklagten entschieden habe.
2. Gem. § 4 Nr. 7 UWG handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG insbesondere, wer
Tätigkeiten oder persönliche oder geschäftliche Verhältnisse des Mitbewerbers herabsetzt
oder verunglimpft. Auch eine solche Herabsetzung durch das Flugblatt macht die
Verfügungsklägerin hier geltend. Insoweit stellt das Flugblatt indes keine unlautere
Wettbewerbshandlung dar.
Mit Werbung ist zwangsläufig das Herausstellen der eigenen Leistung und damit zumindest
implizit die Herabsetzung der Leistungen von Mitbewerbern verbunden. Unlauter ist selbst
eine vergleichende Werbung deshalb nur, wenn sie sich nicht mehr in den Grenzen einer
sachlich gebotenen Erörterung hält, sondern bereits eine pauschale Abwertung der
fremden Erzeugnisse darstellt; dies ist nur der Fall, wenn zu den mit dem Vergleich ohnehin
verbundenen negativen Wirkungen für den Mitbewerber noch besondere Umstände
hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder
unsachlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 25. März 1999, I ZR 77/97, Generika,
GRUR 1999, 1100, unter II. 4. m. Nachw.). Das ist nach einer Gesamtwürdigung der
Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere von Inhalt und Form der Äußerung,
ihres Anlasses und des Zusammenhangs, in dem sie gefallen ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.
Februar 2005, KZR 2/04, Sparberaterin II, NJW 2005, 2014, unter II. 2. a m. Nachw.).
Die Mitteilung, dass private Anbieter dem Verfügungsbeklagten Einnahmen wegnehmen,
diese für sich behalten und nur dort Altpapier-Tonnen aufstellen, wo es für sie lukrativ ist –
im übrigen kommt eine Herabsetzung durch die angegriffenen Teile des Flugblatts ohnehin
nicht in Betracht –, unterstellt privaten Anbietern wie der Verfügungsklägerin zwar ein
Gewinnstreben aus persönlichen Motiven zu Lasten der Allgemeinheit. Diese Kritik ist indes
bei Berücksichtigung ihrer Formulierung und ihres Anlasses noch nicht in einer Weise
abwertend und unangemessen, dass sie eine wettbewerbswidrige Herabsetzung darstellt.
Der Verfügungsbeklagte ist zur flächendeckenden Abfallentsorgung verpflichtet, während
die Verfügungsklägerin zwar möglicherweise das Altpapier privater Haushalte entsorgen
darf, jedoch in keiner Weise dazu verpflichtet ist und insbesondere auch durch das
Aufstellen der Tonnen keinerlei dauerhafte Verpflichtung eingeht (vgl. dazu bereits oben 1.
b bb). Bei dieser Sachlage hat der Verbraucher durch das Aufstellen Blauer Tonnen durch
private Anbieter keinerlei Vorteile, jedenfalls seit auch öffentlich-rechtliche
Entsorgungsträger diese Art der Altpapierentsorgung durchführen. Im Gegenteil: Öffentlich-
rechtlichen Entsorgern entgehen auf diese Weise Einnahmen, die sie zur Geringhaltung der
Gebühren verwenden könnten und müssten (vgl. § 4 EVSG). Diese Einnahmen fließen den
privaten Anbietern zu, ohne dass davon die Verbraucher profitieren. Auf diese
Zusammenhänge wird in dem Flugblatt in noch angemessener Weise hingewiesen. Das
Verhalten der privaten Anbieter lässt sich durchaus als privates Gewinnstreben zu Lasten
der Allgemeinheit werten. Diese Wertung muss der Verfügungsbeklagte vornehmen dürfen,
auch wenn er sich als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht auf die Grundrechte –
und damit auch nicht auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) – berufen kann (vgl. etwa
BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2008, 1 BvR 1987/ 07, DVBl 2008, 593, unter II. 1. a
m. Nachw. zur st. Rspr. des BVerfG; eine der dort aufgeführten Ausnahmen liegt hier nicht
vor).
3. Die Verfügungsklägerin hat sich auch auf die marktbeherrschende Stellung des
Verfügungsbeklagten berufen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt das Flugblatt indes keine
unzulässige Wettbewerbshandlung dar. Der Verfügungsbeklagte nutzt seine
marktbeherrschende Stellung, die daraus folgt, dass in erster Linie er der öffentlich-
rechtliche Entsorgungsträger im Saarland ist (vgl. § 5 SAWG, § 2 EVSG), nicht entgegen §
19 GWB missbräuchlich aus. Es fehlt insbesondere an einer Beeinträchtigung anderer
Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund (§ 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB). Der Grund
für die gegen die privaten Anbieter gerichteten Werbung liegt darin, dass diese ihm durch
das Aufstellen von Altpapier-Tonnen Einnahmen entziehen, ohne dass den privaten
Haushalten dadurch irgendwelche Vorteile zufließen. Auf diesen Umstand hinzuweisen, ist
sachlich gerechtfertigt.
III.
Die unlautere Wettbewerbshandlung (s. o. II. 1. a) begründet die Wiederholungsgefahr, die
gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Voraussetzung des Unterlassungsanspruch ist. Dieser
Anspruch steht auch der Verfügungsklägerin zu. Sie ist nämlich Mitbewerberin des
Verfügungsbeklagten (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit
dem in Anspruch Genommenen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (vgl. § 2
Abs. 1 Nr. 3 UWG). Beide Parteien stellen im Stadtgebiet von S. Blaue Tonnen auf und
bieten damit die Leistung der Altpapierentsorgung an, so dass sie in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis stehen. Schon aus diesem tatsächlich bestehenden
Wettbewerbsverhältnis folgt die Anspruchsberechtigung der Verfügungsklägerin. Entgegen
der Auffassung des Verfügungsbeklagten kommt es nicht zusätzlich darauf an, dass die
Tätigkeit des anspruchsstellenden Mitbewerbers auch rechtlich zulässig ist (vgl. BGH, Urteil
vom 24. Februar 2005, I ZR 101/02, Vitamin-Zell-Komplex, BGHZ 162, 246 = NJW 2005,
1788, unter IV. 2.). Das Gericht hat daher nicht zu entscheiden, ob die Verfügungsklägerin
überhaupt berechtigt ist, Blaue Tonnen aufzustellen.
IV.
Der Verfügungsklägerin ist es auch nicht etwa aus Gründen des Rechtsmissbrauchs (§ 242
BGB bzw. § 8 Abs. 4 UWG) verwehrt, den Verfügungsbeklagten auf die Unterlassung der
Verteilung des Flugblatts in Anspruch zu nehmen.
Der Verfügungsbeklagte leitet den Rechtsmissbrauch der Verfügungsklägerin aus deren aus
seiner Sicht eigenem wettbewerbswidrigen Verhalten her, nämlich der Umgehung der für
sie ungünstigen Vergabeentscheidung und der irreführenden Werbung durch die
Presseanzeige. Eigenes wettbewerbswidriges Verhalten nimmt dem Mitbewerber indes
grundsätzlich nicht das Recht, andere Mitbewerber auf die Unterlassung deren unlauteren
Wettbewerbs in Anspruch zu nehmen. Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise dann, wenn
sich der Anspruchsteller durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs zu
seinem eigenen gleichartigen wettbewerbswidrigen Verhalten in Widerspruch setzt und
keine Interessen der Allgemeinheit betroffen sind (vgl. Hefermehl/ /Bornkamm, Rdnr.
2.39 zu § 11 UWG m. Nachw.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor.
Das Aufstellen der Blauen Tonne trotz des Vergabeverfahrens zur Altpapierentsorgung
steht mit der angegriffenen Werbung des Verfügungsbeklagten in keinem Zusammenhang.
Zudem könnte sich der Verfügungsbeklagte auf diesen Einwand nicht berufen, ohne sich
selbst widersprüchlich zu verhalten (§ 242 BGB). Denn er selbst lässt ungeachtet der
Vergabeentscheidung Blaue Tonnen aufstellen. Das mag daran liegen, dass die Vergabe die
Altpapierentsorgung durch ein Bringsystem betraf, durch die Blaue Tonne aber ein
Holsystem eingeführt wird, wie die Verfügungsklägerin plausibel erläutert hat.
Auch durch die Presseanzeige hat die Verfügungsklägerin jedenfalls nicht einen gleichartigen
Wettbewerbsverstoß begangen wie der Verfügungsbeklagte durch das Flugblatt (s. o. II. 1.
a). Deswegen bedarf keiner Entscheidung, ob die Anzeige überhaupt eine unlautere
Wettbewerbshandlung darstellt.
B.
Die Dringlichkeit der begehrten Regelung wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
Anhaltspunkte für die Widerlegung der Vermutung gibt es nicht.
C.
I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Zwar hat das Gericht dem Antrag
vollumfänglich entsprochen. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Verfügungsklägerin
dem Gericht mehrere Teile des Flugblatts zur Entscheidung gestellt hat und diese
Entscheidung sogar überwiegend nicht zu ihren Gunsten ausfiel (siehe im einzelnen unter
A. I. und II.). Außerdem hat die Verfügungsklägerin den Antrag hinsichtlich des dem
Flugblatt beigefügten Blatts mit den Abholzeiten zurückgenommen (vgl. § 269 Abs. 3
ZPO). Im Hinblick darauf, dass dem Antrag zwar vollumfänglich entsprochen wurde, jedoch
nur aus einem der verschiedenen vorgebrachten Gründe, hielt das Gericht die
Kostenaufhebung gegeneinander für richtig.
II.
Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst. Die
Vollstreckbarkeit folgt für die Verfügungsklägerin aus der Natur des Verfahrens (vgl.
Musielak/ Lackmann, Rdnr. 7 zu § 708 ZPO). Dem Verfügungsbeklagten ermöglicht das
Urteil keine Vollstreckung.
III.
Für die Streitwertfestsetzung (§§ 63 Abs. 2 GKG) waren folgende Erwägungen
maßgeblich: Der Gebührenstreitwert eines Verfügungsantrags, mit dem ein
wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch verfolgt wird, ist gem. §§ 53 Abs. 1 Nr. 1
GKG, § 3 ZPO nach dem Interesse zu schätzen, das der Verfügungskläger am Erlass der
beantragten Anordnung hat. Dieses Interesse wird durch die Gefährlichkeit des
beanstandeten Verhaltens bestimmt, das unterbunden werden soll, und ist regelmäßig
entsprechend dem Ausmaß der Vermögensnachteile zu bewerten, die dem
Verfügungskläger während des jeweils anzunehmenden Beeinträchtigungszeitraums durch
die Fortdauer oder Wiederholung der Störung entstehen können, wobei allerdings im
Hinblick auf den vorläufigen Charakter der einstweiligen Verfügung je nach den Umständen
des Falles nur ein Bruchteil des Hauptsachewerts in Ansatz zu bringen ist. Wird dabei – wie
hier und in der Regel – von den Parteien kein substanziierter Sachvortrag unterbreitet, der
eine zuverlässige und genaue Wertschätzung ermöglicht, so kann von einem
Regelstreitwert von 10.000,- EUR bis 20.000,- EUR ausgegangen werden (st. Rspr. des
Saarländischen Oberlandesgerichts, vgl. etwa Beschluss vom 21. August 2006, 1 W
198/06-44-). Hier halt das Gericht den Ansatz des mittleren Regelstreitwerts für
sachgerecht.