Urteil des LG Mainz vom 30.04.2002

LG Mainz: einstweilige verfügung, gegen die guten sitten, hund, treu und glauben, operation, tierschutzgesetz, erlass, anästhesie, karte, quittung

Bürgerliches Recht
LG
Mainz
30.04.2002
6 S 4/02
Zurückbehaltungsrecht des Tierarztes wegen Honorarforderung gegenüber Anspruch auf Herausgabe
eines Hundes
Landgericht Mainz
6 S 4/02
22 C 217/01 Amtsgericht Alzey
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
Dr. Ulrich B......., ....... Straße 1, 55....... A........
- Verfügungsbeklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte H....., W........., F...... & Partner, in A....
gegen
Patrick O....., Im K....., 55.... E......
- Verfügungskläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Christofer Sch......., in W....
hat
die 6. Zivilkammer
die Vorsitzende Richterin am Landgericht K....- M..... und die Richterinnen am Landgericht B...... und S.........
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Alzey vom 30.11.2001
(22 C 217/01) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung vom 12.09.2001 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung vom 12.09.2001 wird zurückgewiesen.
2. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
T a t b e s t a n d :
Der Verfügungskläger (künftig Kläger genannt) macht gegen den Verfügungsbeklagten (künftig Beklagter
genannt) einen Anspruch auf Herausgabe seines Hundes geltend.
Der Kläger betreibt eine Hobbyhundezucht und ist Halter des altdeutschen Boxerhundes (Boerboel)
"Max". Der Beklagte ist Tierarzt und betreibt in A...... eine Tierklinik.
Am Abend des 09.09.2001 brachte der Kläger seinen Boxer wegen einer Milzruptur in die Tierklink des
Beklagten. Dort wies man ihn darauf hin, dass das Tier sofort operiert werden müsse, wolle man es noch
retten, und dass eine solche Operation 2.500,-- bis 3.000,-- DM kosten werde. Der Kläger willigte in die
Operation ein und unterzeichnete einen "Anästhesie-/Operationsanamnesebogen" (Bl. 102 d.A.) mit
Datum vom 10.09.2001, der u.a. folgende Klausel enthielt: "Ich erkläre, dass ich das fällige tierärztliche
Honorar beim Abholen entrichten werde."
Ferner leistete der Kläger mittels Lastschrifteinzugsverfahren und seiner EC-Karte eine Vorschusszahlung
in Höhe von 1.500,-- DM.
Als der Kläger seinen Hund nach erfolgreicher Operation am 11.09.2001 abholen wollte, wurde er
aufgefordert, zunächst die Operationskosten, die sich insgesamt auf 3.600,-- DM abzüglich des bereits
gezahlten Vorschusses beliefen, zu begleichen. Die vom Kläger daraufhin angebotene Zahlung mittels
Lastschrift wurde mit dem Hinweis verweigert, man könne nur eine Barzahlung oder Zahlung mittels EC-
Karte und Geheimzahl akzeptieren. Der Kläger war jedoch außer Stande, einer dieser Möglichkeiten
nachzukommen. Der Hund wurde dem Kläger daraufhin unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht
nicht ausgehändigt. Eine Rechnung wurde dem Kläger trotz ausdrücklichen Verlangens nicht ausgestellt;
man bot ihm lediglich an, nach Zahlung eine Quittung anzufertigen.
Der Kläger hat vorgetragen:
Dem Beklagten stehe kein Zurückbehaltungsrecht an dem Hund zu. Dies folge zum einen daraus, dass
der Beklagte bis zur Rechnungsstellung keine fällige Forderung gegen ihn habe. Zum anderen könne an
einem Tier kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden. Tiere seien keine Sachen und die
emotionale Bindung zwischen Tier und Halter dürfe nicht als Druckmittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher
Interessen eingesetzt werden.
Auf Antrag des Klägers hat das Amtsgericht Alzey am 12.09.2001 ohne mündliche Verhandlung eine
einstweilige Verfügung erlassen und dem Beklagten aufgegeben, den Hund "Max", Rasse: altdeutscher
Boxer (Boerboel), Geburtsdatum: 26.02.2001 mit der Nr. 056098100133856 an den Kläger
herauszugeben (Bl. 7 ff. d.A.). Hiergegen hat der Beklagte Widerspruch eingelegt (Bl. 17 ff. d.A.).
Nach Wiedererlangung des Hundes im Wege der Zwangsvollstreckung hat der Kläger den Rechtsstreit für
erledigt erklärt (Bl. 42 d.A.). Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen (Bl. 60 d.A.). In der
mündlichen Verhandlung vom 02.11.2001 ist der Kläger nach entsprechendem Hinweis des Gerichts
wieder zu seinem ursprünglichen Antrag zurückgekehrt.
Der Kläger hat beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 12.09.2001 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte hat beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 12.09.2001 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen:
Der Kläger sei bereits bei der Ablieferung des Hundes in der Tierklinik darauf hingewiesen worden, dass
er die Behandlung bei Abholung bezahlen müsse, dass dies aber nicht mittels
Lastschrifteinzugsverfahrens möglich sei. Als der Kläger den Hund habe abholen wollen, habe man ihm
angeboten, eine Quittung auszustellen, die alle Angaben einer Rechnung enthalte.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hätten nicht vorgelegen. Der Kläger
habe keinen durchsetzbaren Herausgabeanspruch, da ihm selbst ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.
Auch habe dem Hund durch den Verbleib in seiner Klinik kein Nachteil gedroht, zumal der Hund dort unter
ärztlicher Aufsicht gestanden hätte.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der präsenten Zeugen Esther B..... und Dr.
Ursula R.........
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 02.11.2001 (Bl. 66 ff. d.A.).
Durch Urteil vom 30.11.2001 hat das Amtsgericht Alzey die einstweilige Verfügung vom 12.09.2001
aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, dem Beklagten stehe gegenüber dem Herausgabe-
anspruch des Klägers kein Zurückbehaltungsrecht zu. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf das
Urteil (Bl. 78 ff. d.A.) verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Er trägt vor:
Bei Abschluss des Behandlungsvertrages sei ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht vereinbart worden.
Dieses verstoße weder gegen die guten Sitten noch gegen das Tierschutzgesetz. Der Hund hätte in
ärztlicher Obhut kein Leid im Sinne des § 1 Tierschutzgesetz erlitten. Auch sei der Hund als Zuchttier
pfändbar, so dass auch ein Zurückbehaltungsrecht bejaht werden müsse.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des am 30.11.2001 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Alzey (AZ: 22 C 217/01) den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Darüber hinaus ist er der Ansicht, der
Hund sei nicht pfändbar und könne auch nicht zurückbehalten werden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung ist begründet. Die einstweilige Verfügung war auf die Berufung des Beklagten
aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Denn der Kläger
hat keinen Verfügungsanspruch.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen durchsetzbaren Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.
Der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs steht ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten aus §
273 Abs. 1 BGB entgegen.
Der Beklagte hat gegen den Kläger einen fälligen Zahlungsanspruch aus dem zwischen den Parteien am
09.09.2001 (Datum der Vertragsurkunde: 10.09.2001, Bl. 102 d.A.) abgeschlossenen Tierarztbehand-
lungsvertrag). Dieser Anspruch resultiert aus demselben rechtlichen Verhältnis wie der
Herausgabeanspruch des Klägers, beide sind in der Überlassung des Hundes zur tierärztlichen
Behandlung begründet.
Bei Vertragsschluss hat sich der Kläger ausweislich des von ihm unterschriebenen Anästhesie- und
Operationsanamnesebogens (Bl. 102 d.A.) wirksam dazu verpflichtet, bei Abholung des Hundes das
tierärztliche Honorar zu entrichten.
Unbeachtlich ist, dass die genaue Höhe des Honorars zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand und die
von der behandelnden Ärztin, der Zeugin Dr. Ursula R....., geschätzten Kosten von 2.500,-- DM bis 3.000,--
DM schließlich hinter den tatsächlich geltend gemachten Kosten von 3.600,-- DM zurückblieben.
Bei der Angabe der voraussichtlichen Kosten handelte es sich nicht um eine verbindliche Festlegung der
höchstens anfallenden Kosten. Vielmehr folgt aus der Natur eines tierärztlichen Behandlungsvertrages
gerade, dass sich bei Durchführung einer Operation jederzeit Komplikationen ergeben könnten, durch die
weitere Kosten anfallen können. Auch ist nach §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass
Vertragsgegenstand die Operation mit allen notwendig zu treffenden Maßnahmen sein sollte, und zwar zu
den hierfür üblichen Tarifen. Dem Kläger kam es im wesentlichen darauf an, seinen Hund zu retten, nicht
hingegen darauf, eine strikte Kostengrenze zu setzen. Dies lässt sich insbesondere daraus schließen,
dass in dem Anästhesie- und Operationsanamnesebogen, der den Abschluss des Behandlungsvertrages
dokumentiert, keine Regelung bezüglich der Höhe der Behandlungskosten aufgenommen wurde.
Eine Abweichung von 20 % gegenüber dem ursprünglich schätzungsweise veranschlagten Betrag hält
sich auch noch im Rahmen dessen, was typischerweise als Abweichung erwartet werden muss. Ein Be-
trag von 600,-- DM stellt keine unbillige Überschreitung der voraussichtlich anfallenden Kosten dar.
Der Behandlungsvertrag ist auch nicht nach § 138 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.
Eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 2 BGB scheidet bereits deshalb aus, weil die
eingeforderten Behandlungskosten nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der durchgeführten
Operation stehen. Aus der Quittung des Beklagten (Bl. 63 d.A.) folgt, dass keine willkürlichen oder
ungerechtfertigten Beträge für die Operation des Hundes entrichtet werden sollten, sondern einzelne
Leistungen und Medikationen pfenniggenau, leistungsbezogen und nachvollziehbar entlohnt werden
sollten.
Auch aus § 138 Abs. 1 BGB folgt keine Nichtigkeit des Behandlungsvertrages. Der Vertrag verstößt weder
seinem Inhalt noch den Umständen, die zu seinem Abschluss geführt haben, nach gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Zwar befand sich der Kläger bei Abschluss des
Vertrages insofern in einer Ausnahmesituation, als sein Tier lebensgefährlich verletzt war und die
Tierärztin diagnostiziert hatte, der Hund müsse sofort operiert werden, um gerettet werden zu können. Der
Kläger stand vor der Wahl, den Vertrag abzuschließen und den Anästhesie- und Opera-
tionsanamnesebogen zu unterschreiben oder aber das Tier sterben zu lassen bzw. in eine andere Klinik
zu fahren.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger die Tierklinik des Beklagten gerade aus dem Grund
aufgesucht hatte, einen Behandlungsvertrag abzuschließen. Von dem Bereitschaftstierarzt wusste er
bereits, dass eine aufwendige Behandlung zur Rettung des Tieres erforderlich sein würde. Nach dem
ersten Untersuchungsbefund der Zeugin Dr. Ursula R..... stand es dem Kläger dennoch frei, sich gegen
die teure Operation zu entscheiden und den Hund wieder mitzunehmen. Der Kläger ist in seiner
Entscheidungsfreiheit von Seiten der Tierklinik nicht beeinflusst worden. Er wurde keinerlei moralischem
Druck ausgesetzt; vielmehr wurde ihm sogar ausdrücklich angeboten, das Tier unter Vermeidung der
hohen Operationskosten einschläfern zu lassen.
Ferner ist zu beachten, dass der Kläger sich bei Vertragsschluss nur dazu verpflichtet hat, die Operation
angemessen zu vergüten. Dies ist die nach dem Gesetz - unabhängig von der Einordnung des
Behandlungsvertrages als Werk - oder Dienstvertrag - stets zu erbringende Gegenleistung, vergleiche §§
612, 632 BGB. Die Vereinbarung dessen, was dem gesetzlichen Leitbild entspricht, kann nicht gegen das
Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen.
Der Anspruch des Beklagten war am 11.09.2001 nach Abschluss der Behandlung des Hundes auch fällig.
Unabhängig von der Einordnung des Behandlungsvertrages als Dienst- oder Werkvertrag trat gem. §§
614/641 BGB mit Abschluss des Behandlungsvertrages und dem Herausgabeverlangen des Klägers
Fälligkeit der Honorarforderung ein. Keine Fälligkeitsvoraussetzung war die Stellung einer Rechnung
seitens des Beklagten. Die Stellung einer Rechnung ist grundsätzlich keine Voraussetzung für die
Fälligkeit einer Forderung (vgl. OLG München NJW 1988, 270, 271; Münchner Kommentar-Keller, 3. Aufl.,
§ 271 Rn. 14). Dies muss aus Gründen des gerechten Interessenausgleichs zwischen Unternehmer und
Besteller, insbesondere im Hinblick auf die sonst durch die Verzögerung der Rechnungsstellung mögliche
Herauszögerung des Zeitpunkts des Verjährungsbeginns, selbst für den Werkvertrag gelten (vgl. BGHZ
79, 176, 178; OLG Celle NJW 1986, 327; Grimme, NJW 1987, 468 ff.).
Die Fälligkeit einer Forderung ist nur dann von der Erteilung einer Rechnung abhängig, wenn dies
gesetzlich angeordnet ist (so etwa in § 12 Abs. 2 GOÄ für Honorare von Humanmedizinern oder in § 16
Nr. 3 VOB/B) oder wenn der Schuldner den zu zahlenden Betrag allein gar nicht ermitteln kann (Münchner
Kommentar a.a.O. § 271 Rn. 15; Staudinger-Selb, 13. Aufl., § 271 Rn. 7).
Vorliegend stand die Höhe der Forderung nach Durchführung der Operation fest und war dem Kläger
auch bekannt. Nach Aussage der Zeugin Dr. Ursula R..... (Bl. 68 d.A.) hat diese den Kläger bereits vor
seinem Erscheinen in der Tierklinik telefonisch darüber informiert, dass sich das Behandlungshonorar auf
3.600,-- DM belaufe. Diese Aussage ist insofern glaubhaft, als die Zeugin weiter ausgeführt hat, der Kläger
sei im Zeitpunkt des Telefonats noch nicht sicher gewesen, ob er sein Tier am selben Tag abholen könne,
so dass man im Laufe des Gesprächs über die Behandlungskosten auch noch über die Kosten der
Versorgung des Hundes bis zum nächsten Tag gesprochen habe.
Auch in der Praxis selbst ist der Kläger unstreitig mündlich über die Höhe der Behandlungskosten
informiert worden.
informiert worden.
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass sich der Kläger mit seinem Verlangen nach einer
Rechnung insofern zu seinem eigenen vorherigen Verhalten in Widerspruch gesetzt hat, dass er sich
schon dazu bereit erklärt hatte, die 3.600,-- DM zumindest unter Vorbehalt zu zahlen. Erst nachdem es ihm
nicht gelungen war, Bargeld zu besorgen und von Seiten der Tierklinik eine Zahlung mittels EC-Karte und
Lastschrifteinziehungsverfahren abgelehnt worden war, bestand der Kläger darauf, vor Zahlung eine als
solche ausgewiesene Rechnung zu erhalten.
Schließlich muss berücksichtigt werden, dass die Tierklinik dem Kläger angeboten hatte, ihm eine
vollständig aufgeschlüsselte Quittung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der von ihm
vorgenommenen Zahlung auszustellen. Dies ist insofern als erwiesen anzusehen, als sowohl die Zeugin
Esther B..... als auch die Zeugin Dr. Ursula R......... (Bl. 66 d.A.) dies bekundet haben und der Beklagte eine
genau aufgeschlüsselte vom 12.09.2001 datierte Quittung vorgelegt hat (Bl. 63 ff. d.A.). Die so geartete
Quittung hätte es dem Kläger ermöglicht, die einzelnen Positionen der Honorarforderung
nachzuvollziehen und ggfls. konkrete Rückforderungsansprüche geltend zu machen.
Zudem hätte dem Kläger spätestens am darauffolgenden Tag die Rechnung überreicht werden können,
wenn er den Hund gegen Zahlung von Bargeld beim Beklagten abgeholt hätte statt beim Amtsgericht Al-
zey den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen.
Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil der Kläger
angeboten hat, die Forderung des Beklagten mittels EC-Karte und Lastschrifteinziehungsverfahren zu
begleichen. Die Zahlung im Lastschrifteinziehungsverfahren stellt eine Leistung erfüllungshalber dar, auf
die sich ein Gläubiger nicht einlassen muss.
Der Hund ist tauglicher Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts.
Die Zurückbehaltung eines Tieres steht weder generell im Widerspruch zu § 1 Tierschutzgesetz, wonach
der Mensch aus Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen
hat, noch zu § 90 a BGB, der besagt, dass Tiere keine Sachen sind, sondern die für Sachen geltenden
Vorschriften auf sie nur entsprechend anwendbar sind.
Zwar kann aus der im "Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im Bürgerlichen Recht"
getroffenen gesetzgeberischen Wertung, dass Tiere rechtlich von Sachen abzugrenzen sind, und aus § 1
Tierschutzgesetz gefolgert werden, dass eine rein sachenrechtliche Betrachtungsweise der Betrachtung
des Tieres als Mitgeschöpf nicht mehr gerecht wird (LG Stuttgart NJW RR 1991, 446; Mühe, NJW 1990,
2238). Andererseits ordnet § 90 a Satz 3 BGB jedoch die entsprechende Anwendung der für Sachen
geltenden Vorschriften an. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass Tiere trotz ihrer rechtlichen
Aufwertung zum Mitgeschöpf weiterhin als Gegenstand verpflichtender Geschäfte und sachenrechtlicher
Vorgänge dem Rechtsverkehr zugänglich bleiben (Münchner Kommentar-Holch, § 90 a Rn. 9).
Dies lässt den Schluss zu, dass Tiere nach wie vor Wert-"Sachen" sind (vgl. Staudinger-Selb, 13. Aufl., §
273 Rn. 29) und im Regelfall auch entsprechend behandelt werden müssen.
Die für Sachen geltenden Vorschriften sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann nicht
anwendbar sein, wenn dies dem Tierschutz widerspricht (Mühe a.a.O. S. 2239). Kann somit § 90 a BGB
und dem Tierschutzgesetz kein genereller Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts entnommen werden
(OLG München RDL 2000, 27, 28), kann sich der Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts nur für den
jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und der Eigenart des
Schuldverhältnisses ergeben.
Bei der Beurteilung des Einzelfalls sind dann maßgeblich die Aspekte des Tierschutzes zu
berücksichtigen. So muss ein Zurückbehaltungsrecht etwa verneint werden, wenn bei dem Tier durch den
Verbleib beim Gläubiger Vereinsamungsgefühle, seelischer Schmerz oder gar organische Krankheiten
entstehen (OLG München a.a.O. § 28). Gleiches gilt für den Fall, dass das Tier von einer Person getrennt
wird, auf die es besonders fixiert ist (Münchner Kommentar-Keller, 3. Aufl. § 273 Rn. 53).
Der Kläger hält den streitgegenständlichen Hund in seiner Eigenschaft als Hobbyhundezüchter. Er hat
nicht substantiiert vorgetragen, dass ihn und das Tier eine besondere, über das übliche Maß
hinausgehende Zuneigung verbindet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er als Züchter gerade darauf
achtet, eine gewisse Distanz zum Tier zu wahren, um einen eventuellen Verkauf des Tieres zu
ermöglichen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem vom Landgericht Stuttgart
entschiedenen ähnlich gelagerten Fall, in dem ein Zurückbehaltungsrecht an Hunden verneint wurde
(NJW RR 1991, 446). Dort bestand eine besonders enge Bindung zwischen Tier und Halter.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Hund bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts in der Obhut der
Tierklinik des Beklagten verblieben oder später an eine Tierpflegestelle abgegeben worden wäre. Hier ist
eine sachgerechte und sogar fachmännische Versorgung des Hundes zu erwarten. Zwar mag der Hund
sein Herrchen, den Kläger, dort vermissen. Neben der zu unterstellenden geringen emotionalen Bindung
zwischen dem Hund und dem Kläger ist aber zu berücksichtigen, dass jedenfalls nicht davon
ausgegangen werden kann, dass das Tier während des Aufenthalts Schmerzen oder Leiden im Sinne des
§ 1 Tierschutzgesetz erfahren hätte. Von einer körperlichen Beeinträchtigung in Form von Schmerzen
kann bereits wegen der fachmännischen Betreuung nicht ausgegangen werden. Auch hätte der Hund
keine Leiden erfahren. Unter Leiden versteht man Einwirkungen und Beeinträchtigungen des
Wohlbefindens, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und die der Wesensart des Tieres
zuwiderlaufen, instinktwidrig sind und von dem Tier gegenüber seinem Selbst- und Arterhaltungstrieb als
lebensfeindlich empfunden werden (Lorz-Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl. 1999, § 1 Rn. 33). Beim
Aufenthalt in einer Tierklinik oder Pflegestelle wäre der Hund artgerecht gehalten worden und hätte
allenfalls Unbehagen verspürt.
Des Weiteren muss Berücksichtigung finden, dass der Kläger die besonders enge Beziehung zwischen
ihm und seinem Hund durch sein Verhalten selbst zweifelhaft gemacht hat. Hätte er tatsächlich befürchtet,
sein Tier würde durch den Verbleib in der Tierklinik Schaden nehmen, hätte er zur Wiedererlangung des
Hundes nicht den umständlichen Weg der Beantragung einer einstweiligen Verfügung gewählt, sondern
am nächsten Tag die Rechnung durch Zahlung beglichen und seinen Hund abgeholt.
Nach Aussage der Zeugin Dr. R..... (Bl. 66 ff.d.A.) ist der Kläger sowohl bei der Ablieferung des Tieres als
auch bei dem Telefonat am 11.09.2001 darauf hingewiesen worden, dass er das Honorar bei Abholung
bar entrichten müsse. Diese Aussage ist besonders unter dem Gesichtspunkt als glaubhaft anzusehen, als
die Zeugin zum Hintergrund dieser Informierung des Klägers ausgeführt hat, dass die Klinik grundsätzlich
keine Zahlung im Lastschrifteinziehungsverfahren akzeptiere und sie den Kläger bei der
Vorschussleistung auf die Ausnahmesituation hingewiesen habe. Mit dieser Kenntnis wäre es dem Kläger
ein leichtes gewesen, sich bereits vor dem 11.09.2001 Bargeld in ausreichender Menge zu besorgen.
Auch stehen die Zweifel des Klägers an der Richtigkeit der Honorarforderung der Zumutbarkeit einer
Zahlung nicht entgegen. Es stand dem Kläger frei und ist ihm sogar von Seiten der Tierklinik angeboten
worden, unter Vorbehalt zu zahlen und sich so die Möglichkeit einer genauen Prüfung der Forderung,
ggfls. durch die Landestierärztekammer, offen zu halten.
Auch aus dem in § 811 c ZPO normierten Pfändungsschutz für Haustiere lässt sich vorliegend kein
Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Beklagten folgern.
Gem. § 811 c ZPO können Haustiere, die nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, nicht gepfändet
werden. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass aus Gründen des Tierschutzes nicht in die enge
Beziehung zwischen Schuldner und Tier eingegriffen werden soll (Zöller-Stöber, 21. Aufl., § 811 c Rn. 2).
Dieser Gedanke kann auch auf das Zurückbehaltungsrecht übertragen werden (so OLG München RDL
2000, 27, 28). Auch hier wird durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts die emotionale
Bindung zwischen Tier und Halter materialisiert und der Rechtsstreit auf dem Rücken des Tieres
ausgetragen.
ausgetragen.
Vorliegend ist aber zu beachten, dass der Kläger eine Hobbyhundezucht betreibt. Pfändungsschutz nach
§ 811 c ZPO genießt aber nur das nicht zu Erwerbszwecken gehaltene Tier. Aus Erwerbszwecken wird ein
Tier gehalten, wenn es als Einnahmequelle dient und bei seiner Haltung wirtschaftliche Erwägungen im
Vordergrund stehen (Lorz, MDR 1990, 1057). Insofern bestehen erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger
als Hobbyhundezüchter den Hund nicht primär unter wirtschaftlichen Aspekten hält. Letztlich kann dies
aber unter dem Gesichtspunkt dahinstehen, dass eine Gleichbehandlung von Pfand- und
Zurückbehaltungsrecht nicht in jedem Fall gerechtfertigt erscheint.
Gegen eine Gleichstellung der beiden Rechtsinstitute spricht nämlich, dass ein Vollstreckungsschuldner
in der Regel nicht dazu in der Lage ist, die Vollstreckung durch Leistung abzuwenden und sein Tier vor
einer Pfändung zu bewahren. Der Tierhalter, dessen Forderung ein Zurückbehaltungsrecht
entgegengesetzt wird, ist dagegen regelmäßig wirtschaftlich dazu in der Lage, zu leisten und so die
Ausübung des Zurückbehaltungsrechts abzuwenden. Auch der Kläger verfügte über die finanziellen
Mittel, um die Arztrechnung zu begleichen. Er hat am 11.09.2001 selbst angeboten, mittels
Lastschrifteinziehungsverfahren zu bezahlen. Er hat zu keinem Zeitpunkt dargetan, nicht zur Zahlung in
der Lage gewesen zu sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Kammer hat beschlossen, den Streitwert auf 818,07 Euro (1.600,-- DM) (§§ 12, 14 GKG; §§ 6, 3 ZPO)
festzusetzen.
K........ - M......... B...... S.........