Urteil des LG Köln vom 05.03.2008

LG Köln: chirurgischer eingriff, abrechnung, dokumentation, aufwand, teilleistung, injektion, berufungskläger, beweiswürdigung, erhaltung, vergütung

Landgericht Köln, 25 S 6/06
Datum:
05.03.2008
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 S 6/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 134 C 602/03
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
14.2.2006 – 134 C 602/03 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T A T B E S T A N D:
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Der Kläger nimmt den Beklagten auf die Vergütung privatärztlich erbrachter Leistungen
in Anspruch. Er behandelte den Kläger in der Zeit vom 14.10. bis zum 27.10.2001 mit
der sogenannten minimalinvasiven epiduralen Wirbelsäulenkathetertechnik nach Prof.
S.
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Für die Behandlung stellte der Kläger dem Beklagten mit Rechnung vom 8.11.2001 (Bl.
17 ff. GA) insgesamt einen Betrag in Höhe von 5.312,65 € in Rechnung. Hierauf leistete
der Beklagte eine Teilzahlung in Höhe von 1.717,73 €. Der Restbetrag ist Gegenstand
der Klage.
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Die Parteien streiten darüber, ob die nicht regulierten Leistungen erbracht und
ordnungsgemäß nach den Vorgaben der GoÄ abgerechnet worden sind.
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Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das für den Sach- und
Streitstand Bezug genommen wird, den über den Gesamtbetrag der Klageforderung
ergangenen Vollstreckungsbescheid lediglich in Höhe von 7,27 € aufrecht erhalten und
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die noch offenen
Positionen nicht gerechtfertigt seien und anstelle der Positionen GoÄ-Ziffer 2583 (8x)
und GoÄ-Ziffer 2120 (2x) mit einem Gesamtbetrag von 1.579,31 € einmal die GoÄ-Ziffer
2598 mit dem Steigerungsfaktor 3,5 in Ansatz zu bringen sei (285,60 €), woraus sich –
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rechnerisch richtig – die Restforderung in Höhe der zugesprochenen 7,72 € ergibt.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger den Klageantrag unter
weitergehenden Ausführungen zur Begründung der Abrechnungsfähigkeit der einzelnen
Positionen weiter und beanstandet die Beweiswürdigung des Amtsgerichts.
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Der Berufungskläger beantragt,
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das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 8.3.2006 – Az. 134 C 602/03 -
aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 3.595,11 für
die Erbringung ärztlicher Leistungen aus der Rechnung 9708 vom 8.11.2001
nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.9.2002 zu
bezahlen.
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Der Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kammer hat ergänzend Beweis erhoben gemäß dem Beschluss vom 16.10.2006,
Bl. 695 d.A.. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Ergänzungsgutachten
des Sachverständigen Prof. Dr. med. F, Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie
des Klinikums der Universität zu L vom 25.5.2007, Bl. 729 ff. d.A., Bezug genommen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegen-stand der mündlichen
Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
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E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
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Die fristgemäß eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht kein weitergehender Vergütungsanspruch
bezüglich der in der Zeit vom 14.10. bis zum 27.10.2001 erbrachten Leistungen zu.
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Auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu den den abgerechneten
Leistungen zu Grunde liegenden medizinischen Zusammenhängen durch die Einholung
eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. F sind neben den bereits liquidierten
Positionen keine weiteren Leistungen von dem Beklagten zu vergüten.
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Der Sachverständige hat in seinem Ergänzungsgutachten nochmals im Einzelnen zu
den Einwänden des Klägers, die dieser gegen die Urteilsbegründung des Amtsgerichts,
insbesondere die Beweiswürdigung erhoben hat, Stellung genommen. Daraus ergibt
sich für die Kammer kein Anlass zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
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Was die Berechnung der GoÄ-Ziffern 7 und 800 anbelangt, übersieht der Kläger, dass
von Beklagtenseite insoweit sowohl die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme als
auch die tatsächliche Erbringung dieser Leistung bestritten wird. Als Beleg, dass die
Leistung erbracht wurde, hat die Klägerseite allein ihre Dokumentation vorgelegt. Hierzu
hat der Sachverständige indes erläutert, dass die Dokumentation so knapp und wenig
aussagekräftig sei - in einem Fall lediglich die Dokumenatation der Abrechnungsziffer,
im anderen lediglich "o.B." - , dass es aus seiner Sicht als langjährig tätigem
Orthopäden schlicht nicht plausibel sei, dass die erforderlichen umfassenden
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Untersuchungen erfolgt seien. Vielmehr sei in diesem Fall wenigstens eine
oberflächliche Dokumentation der einzelnen Untersuchungshandlungen üblich und
abrechnungstechnisch geboten gewesen. Danach vermag die Kammer nicht davon
auszugehen, dass die als Ziffern 7 und 800 in Rechnung gestellten Leistungen
tatsächlich erbracht wurden.
Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung zur GoÄ-Ziffer 3306
betreffen keine rechtshängige Position. Diese Ziffer war nicht Gegenstand der
Klageforderung.
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Auf den Einwand des Berufungsklägers zur Abrechnung der GoÄ-Ziffer 256 (Injektion in
den Periduralraum) hat der Sachverständige ergänzend erläutert, dass es sich hierbei
um eine Teilleistung im Verhältnis zu der unter den Ziffern 474 und 475 abgerechneten
Lumbalanästhesie bzw. periduralen Anästhesie handele (ebenso Brück, Kommentar zur
GoÄ, GoÄZiffer 256). Der Auffassung des Berufungsklägers, dass sich eine gesonderte
Abrechenbarkeit daraus ergebe, dass zwischen Infusion und Injektion unterschieden
werden müsse, vermag die Kammer nicht zu teilen.
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Zur analog abgerechneten Ziffer 5280 GoÄ (Myelographie) für die Erstellung einer
Epidurografie hat der Sachverständige auf Grund eigener Beurteilung der erstellten
Bilder wiederholt ausgeführt, dass er schon nicht erkennen könne, dass es sich hierbei
um eine Kontrastmitteluntersuchung des Wirbelkanals handele. Allenfalls liege eine
Katheterlagekontrolle vor. Dass überhaupt Röntgenbilder erstellt wurden ist unstreitig,
aber ohne Bedeutung. Entscheidend ist, ob eine der Myelographie entsprechende
Untersuchung erfolgte. Hiervon ist angesichts der gegenteiligen Ausführungen des
Sachverständigen nicht auszugehen. Substanzielle Einwände gegen dessen
Ausführungen hat der Kläger auch mit der Berufungsbegründung nicht vortragen lassen.
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Die Kammer folgt dem Sachverständigen auch, soweit dieser die Voraussetzungen für
eine Abrechnung der GoÄ-Ziffer 2577 (Entfernung eines raumbeengenden intra- oder
extraspinalen Prozesses) nicht für gegeben hält mit der Begründung, es fehle an der
nach dem eindeutigen Wortlaut erforderlichen "Entfernung" eines Prozesses. Dies ergibt
sich schon aus dem eigenen Vortrag des Klägers, der selbst nur davon spricht, dass die
den Schmerz auslösenden Vernarbungen "gelöst" worden seien. Von einer Entfernung
ist keine Rede. Insoweit verfängt auch nicht der Verweis auf vorgelegte Gutachten. In
dem Gutachten Dr. N wird lediglich eine "Schrumpfung", im Gutachten Dr. H ein "Lösen
der Verklebungen" beschrieben. In der auszugsweise vorgelegten Stellungnahme von
Prof. H2 wird zwar eine analoge Anwendung der Ziffer 2577 befürwortet, jedoch nicht
darauf eingegangen, weshalb eine Entfernung anzunehmen sei. Das gleiche gilt für die
Ausführungen des Prof. L.
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Bezüglich der in Ansatz gebrachten Ziffer 34 vermag die Kammer nicht allein auf Grund
der vom Kläger behaupteten dreißigminütigen Erörterung festzustellen, dass ein
erhöhter Steigerungsfaktor von 3,5, gerechtfertigt ist. Andere Umstände sind von
Klägerseite nicht vorgetragen worden.
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Was die GoÄ-Ziffern 373, 255 und 494 anbelangt, ist das Amtsgericht unter zutreffender
Auslegung des Zielleistungsprinzips gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ zu dem Ergebnis
gelangt, dass die Ziffer 373 nicht ansetzbar ist und statt der Ziffern 255 und 494 lediglich
die Ziffer 493. Zur Ziffer 373 hat es ergänzend ausgeführt, dass die Indikation der
Kontrastmittelinjektion ausschließlich zur Lagekontrolle zwecks Thermokoagulation
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erfolgt sei, die auch durch Röntgenkontrolle erfolgen könne, und damit als Teilleistung
dieser zu beurteilen sei. Dieser Argumentation schließt sich auch die Kammer nach
eigener Prüfung an.
Schließlich ergibt sich auch aus den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen
zu der Ziffer 2598 (Stereotaktische Thermokoagulation des Ganglion Gasseri) bzw.
2120 (Denervation eines Finger- und Zehengelenks) und 2583 (Neurolyse, als
selbständige Leistung) kein Anlass zur Abänderung des angefochtenen Urteils.
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Bezüglich der Abrechnung der Gebührenpositionen für die Thermokoagulation von
Wirbelgelenken der Lendenwirbelsäule hat der Sachverständige bereits in seinem
Ausgangsgutachen die in Ansatz gebrachten Ziffern 2120 und 2583 für nicht
gerechtfertigt erachtet. Zur Begründung hat er auf die Abrechnungsempfehlung der
Ärztekammer Nordrhein verwiesen, wonach bei der Thermokoagulation weder ein mit
der für den Ansatz der Ziffer 2120 erforderlichen Aufpräparation des Gelenks sowie aller
Nervenäste vergleichbarer Aufwand betrieben werde, noch eine Neurolyse (Ziffer 2583)
im medizinischen Sinne erfolge, nämlich ein mit wesentlich höherer Sorgfalt
durchzuführender chirurgischer Eingriff zur Erhaltung und nicht Zerstörung des Nervs.
Vielmehr sei insofern die Gebührenziffer 2598 analog gerechtfertigt. Diese Begründung
ist für die Kammer gut nachzuvollziehen und auch von den Parteien nach der weiteren
ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen nicht mehr beanstandet worden.
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Was die Zahl der anzusetzenden Gebühren und den Steigerungsfaktor anbelangt, hat
der Sachverständige im Berufungsverfahren ergänzend ausgeführt, dass bei einer
Facettenkoagulation von je fünf Gelenken beidseits eine Abrechnung mit vier mal der
Ziffer 2598 anzuerkennen sei. Zur Begründung führt er zum einen aus, dass der
Zeitaufwand für die Koagulation mehrerer Gelenke größer sei als für nur ein Gelenk und
verweist im Übrigen auf den von Klägerseite vorgelegten Brief des Dr. T (Sprecher des
Gutachterausschusses des Berufsverbands Deutscher Neurochirurgen) vom 23.5.2005,
wonach pro Berechnung der Ziffer bis zu drei Facettengelenke eingeschlossen seien. In
dem in Bezug genommen Gutachten wird ohne eigene Begründung auf eine
Empfehlung der Bundesärztekammer verwiesen, die für drei Facettengelenke den
einmaligen Ansatz zugelassen habe. Es erschließt sich nicht, aus welchem sachlichen
Grund sich gerade ein solches Zahlenverhältnis ergeben soll. Zudem ist auf die
Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein vom 8.10.2002 zu verweisen, die einen
erhöhten Aufwand im Rahmen des Steigerungsfaktors und gerade nicht durch
mehrfachen Ansatz zu berücksichtigen empfiehlt. Der mehrfache Ansatz der Ziffer 2598
war danach nicht zuzusprechen.
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Welcher Steigerungsfaktor bezüglich der Ziffer 2598 gerechtfertigt war, bedarf keiner
Klärung, weil das Amtsgericht seiner Berechnung den Faktor 3,5 zu Grunde gelegt hat
und die Zugrundelegung eines geringeren Faktors den Berufungskläger schlechter
stellen würde.
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Die Kammer folgt den Ergebnissen des als langjährigem Chefarzt einer Orthopädischen
Universitätsklinik zur Beantwortung der Beweisfrage als besonders qualifiziert
ausgewiesenen Sachverständigen. Sein Ergebnis wird gestützt auch durch die bereits
zitierte Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. §
26 Nr. 8 EGZPO.
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Eine der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, liegt nicht
vor. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung nicht zu, nachdem sich die
Schmerzbehandlung nach S nicht hat etablieren können. Auch die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten die Zulassung
der Revision nicht, denn die rechtlichen Fragen der Abrechnung unter analoger
Anwendung von Gebührenziffern der GOÄ und zum Zielleistungsprinzip (vgl. zuletzt
BGH Urt. v. 21.12.2006 – III ZR 117/06) sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung
geklärt. Die Frage, welche einer des in der GOÄ geregelten Behandlungen
vergleichbare Wirkung einer Schmerzbehandlung nach S erzielen kann, ist für jeden
Patienten individuell zu klären.
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Streitwert für das Berufungsverfahren
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