Urteil des LG Köln vom 29.05.2007

LG Köln: zedent, auszahlung der versicherungsleistung, sparkasse, meinung, emissionsprospekt, kapitalanlage, verjährungsfrist, beitrittserklärung, vertreter, anlageberater

Landgericht Köln, 3 O 545/06
Datum:
29.05.2007
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 545/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der
Nebeninterventionskos-ten – trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Mit der vorliegenden Klage macht die bei der Sparkasse T2 beschäftigte Klägerin aus
eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes T (im Folgenden: Zedent)
Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit
dem seitens des Zedenten erfolgten Erwerb von Beteiligungsanteilen an einem
Medienfonds sowie deren gemeinsame Finanzierung durch die Klägerin und den
Zedenten, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung, gegen die
Beklagte geltend.
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Am 16.11.2000 unterzeichnete der Zedent eine Beitrittserklärung über eine
treuhänderisch gehaltene Kommanditbeteiligung an der N GmbH & Co. 3.
Filmproduktion KG (im Folgenden: Medienfonds) im Nominalwert von 25.000,-- € zzgl. 5
% Agio (Anl. K2, Bl. 2 AH). Mit Schreiben vom 27.11.2000 (Anl. K3, Bl. 3 AH) erklärte die
Mentora Treuhand Gesellschaft für Beteiligungsverwaltung mbH (im Folgenden:
Treuhänderin) gegenüber dem Zedenten, dass sie den Treuhandauftrag vom
16.11.2000 annehme, und bat gleichzeitig um Überweisung der Einlage zzgl. Agio i. H.
v. insgesamt
26.250,-- €
Überweisung, woraufhin die Treuhänderin ihm unter dem 08.01.2001 den
Zahlungseingang per 27.12.2000 bestätigte (Anl. K4, Bl. 4 AH).
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Die streitgegenständliche Beteiligung an dem Medienfonds war der Klägerin und dem
Zedenten im Zuge eines Beratungsgesprächs rund um das Thema Kapitalanlagen zur
Altersvorsorge und Steuerersparnis im November 2000 vom Streithelfer vorgestellt und
empfohlen worden. Ob dieser dabei (so die Klägerin) im Auftrag der W mbH (im
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Folgenden: FDK) – einer Rechtsvorgängerin der Beklagten – tätig geworden war, ist
zwischen den Parteien streitig.
Der Klägerin und dem Zedenten wurde auch – spätestens anlässlich der
Beitrittserklärung des Zedenten – das Emissionsprospekt (Anl. K11, Bl. 87 ff. d. A.) des
Medienfonds ausgehändigt. In diesem heißt es unter der Überschrift "Grundlegende
Chancen und Risiken" auf Seite 13 (Bl. 99 d. A.) u. a.:
5
"
Risiken der Filmproduktion
6
...
7
Neben außergewöhnlichen Chancen bergen Filmproduktionen nicht unerhebliche
Risiken bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals."
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Zur Finanzierung der streitgegenständlichen Beteiligung nahmen die Klägerin und der
Zedent bei der Stadtsparkasse Köln am 21.12.2000 gemeinsam ein Darlehen über
25.000,-- € auf (Anl. K5, Bl. 5/6 AH), welches sie innerhalb von 3 Jahren vollständig
zurück bezahlten. Hierbei fielen – ausweislich der Darlehenskontoauszüge (Anl. K6, Bl.
7-13 AH) – Darlehenszinsen i. H. v. insgesamt
2.430,41 €
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Im Jahr 2003 erhielt der Zedent für das Jahr 2002 Fondsausschüttungen in Höhe von
625,-- €, welche die Klägerin (nach teilweiser Klagerücknahme) nunmehr
anspruchsmindernd berücksichtigt. Zudem erzielten die Klägerin und der Zedent durch
die streitgegenständliche Beteiligung in den Veranlagungszeiträumen der Jahre 2000
bis einschließlich 2003 Steuervorteile, wobei allerdings deren exakte Höhe zwischen
den Parteien streitig ist.
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Im Laufe der Zeit stellte sich die wirtschaftliche Entwicklung des Medienfonds immer
negativer dar. Insoweit wird auf die Berichte der Geschäftsführung "02/2002" vom
19.09.2002 (Anl. K8, Bl. 79 ff. d. A.) und "01/2003" vom 31.03.2003 (Anl. K9, Bl. 82 ff. d.
A.) Bezug genommen. Schließlich mussten die Anleger einem Zwischenbericht der
Fondsgeschäftsführung zur aktuellen Situation des Fonds – der ihnen von der
Treuhänderin unter dem 16.03.2005 zugesandt wurde – entnehmen, dass der
Medienfonds die Prognosen derart stark nach unten revidieren musste, dass das
verbleibende Erlöspotential aller Filme nur noch bei 20-25 % der Produktionskosten lag.
Die Klägerin und der Zedent wandten sich daraufhin im Juni 2006 an ihre
Prozessbevollmächtigten, die die FDK mit Schreiben vom 16.08.2006 (Anl. K7, Bl. 14-
17 AH) erfolglos zur Schadensersatzzahlung i. H. v. (26.250,-- € + 2.430,41 € =)
28.680,41 € unter Fristsetzung bis zum 02.09.2006 aufforderten.
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Die Klägerin ist der Meinung, zwischen ihr und dem Zedenten einerseits und der FDK
als Rechtsvorgängerin der Beklagten andererseits sei im November 2000 ein
Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Hierzu behauptet sie, der Streithelfer sei
seinerzeit – auch gegenüber einer Vielzahl anderer Kunden – als Berater der damals
noch unter FDK firmierenden Beklagten tätig gewesen und sei ihr sowie dem Zedenten
gegenüber als für die FDK handelnder Anlageberater aufgetreten, wozu er auch
bevollmächtigt gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus dem Umstand, dass die
Beitrittserklärung vom 16.11.2000 den Stempel der FDK trage. Aufgrund dieses vom
Streithelfer verwendeten Formulars hätten sie und der Zedent davon ausgehen können,
dass der Streithelfer kein Eigengeschäft betreibe, sondern für die FDK als deren
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Vertreter handele. So habe auch Herr L, der dem streitgegenständlichen
Beratungsgespräch beigewohnt habe, das Auftreten des Streithelfers verstanden. Die
Klägerin ist ferner der Auffassung, dass das Zustandekommen eines Auskunfts- und
Beratungsvertrages auch nach den Grundsätzen eines unternehmensbezogenen
Geschäfts gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB zu bejahen sei, da die Beklagte (bzw. die
FDK als ihre Rechtsvorgängerin) bei ordnungsgemäßer Sorgfaltsanwendung –
schließlich seien die Beitrittserklärungen nach Unterzeichnung an sie weiter geleitet
worden – hätte erkennen und verhindern können, dass der Streithelfer als ihr Vertreter
auftrete und Beitrittserklärungen verwende, auf welchen die Beklagte (bzw. die FDK) als
Vermittlerin ausgewiesen sei. Des Weiteren trägt die Klägerin in diesem
Zusammenhang vor, dass die Beklagte für die Vermittlung der streitgegenständlichen
Beteiligung auch eine Provision verdient habe, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn
sie mit der Vermittlung überhaupt nichts zu tun gehabt hätte.
Die Klägerin behauptet, sie und der Zedent hätten bis zum Abschluss der
streitgegenständlichen Beteiligung keine Erfahrungen mit Medienfonds-Beteiligungen
gehabt und seien in Gelddingen völlig unerfahren gewesen. Sie hätten seinerzeit
lediglich in geringem Umfang Aktienumsätze in Standardwerte getätigt und Anteile an
einem geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet gehabt. Die Klägerin behauptet
weiter, sie und der Zedent seien grundsätzlich an einem sicheren Vermögensaufbau
interessiert gewesen. Daher hätten sie dem Streithelfer im Zuge des
Beratungsgesprächs auch mitgeteilt, dass die Sicherheit der Anlage für sie absoluten
Vorrang habe und eine risikobehaftete Anlage für sie nicht in Betracht komme. Die
Klägerin ist der Auffassung, dass vor diesem Hintergrund keine anleger- und
anlagegerechte Beratung stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang behauptet sie,
der Streithelfer habe ihnen versichert, dass es sich bei dem Medienfonds um eine
absolut sichere Anlage handele, da er durch eine Erlösausfallversicherung zu 80 %
abgesichert sei, so dass in Verbindung mit den zu erzielenden Steuervorteilen ein
Verlustgeschäft nicht möglich und ein solches i. Ü. auch deshalb ausgeschlossen sei,
weil es nicht denkbar sei, dass alle Filme dieses renommierten Anbieters ein Misserfolg
werden könnten; die besondere Sicherheit der Kapitalanlage sei daher gewährleistet.
Vor einem möglichen Totalverlust der Kommanditbeteiligung seien sie nicht gewarnt
worden; ebenso wenig seien sie darauf hingewiesen worden, dass es sich um eine
unternehmerische Beteiligung handele, die sehr hohe Risiken berge. Denn tatsächlich
handele es sich um eine spekulative und riskante Unternehmensbeteiligung, bei der die
Möglichkeit eines Totalverlustes bestehe, was insbesondere für einen mit Gelddingen
nicht vertrauten Anlageinteressenten auf Grund der komplizierten
gesellschaftsrechtlichen Konstruktion nur sehr schwer zu verstehen und zu
durchschauen sei. Dass der Medienfonds mittlerweile – insoweit unstreitig – notleidend
geworden ist, sei zudem auf den Ausfall der NEIS Versicherung zurückzuführen, mit der
die Erlösausfallversicherung abgeschlossen worden war. Bei dieser
Versicherungsgesellschaft handele es sich um eine Schein- und Briefkastenfirma mit
Sitz in Panama, vor der das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen bereits
am 24.01.1997 (Anl. K12, Bl. 191 d. A.) gewarnt gehabt habe.
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Die Klägerin behauptet weiter, der Streithelfer habe ihr und dem Zedenten den
Emissionsprospekt (Anl. K11, Bl. 87 ff. d. A.) erst anlässlich der Zeichnung der
Kapitalanlage ausgehändigt, ohne dass er ihnen diesen auch nur ansatzweise erläutert
hätte oder sie ihn vor der Zeichnung hätten zur Kenntnis nehmen können. Vielmehr
habe der Streithelfer ihnen "in einer nur noch als Kaltschnäuzigkeit zu bezeichnenden
Art und Weise" aus steuerlichen Gründen empfohlen, die Kommanditbeteiligung über
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ein Darlehen bei der Stadtsparkasse Köln zu finanzieren, ohne sie über die besonderen
Risiken einer Darlehensfinanzierung der Fondsbeteiligung aufzuklären. Auch seitens
des Mitarbeiters der Stadtsparkasse Köln – Herrn E – sei bei Aufnahme des Darlehens
ein Hinweis auf mögliche Verlustrisiken nicht erfolgt.
Die Klägerin behauptet schließlich, dass wenn sie und der Zedent ordnungsgemäß auf
die bestehenden Risiken sowie die fehlende Seriosität der
Erlösausfallversicherungsgesellschaft hingewiesen worden wären, der Zedent die
Beteiligung an dem streitgegenständlichen Medienfonds niemals gezeichnet hätte. Von
daher ist sie der Meinung, dass sie den ihnen entstandenen Schaden vollständig
geltend machen könne. Dabei seien allerdings die ihnen zu Gute gekommenen
Steuervorteile – welche sich bezüglich der Veranlagungszeiträume von 2000 bis
einschließlich 2003 per Saldo auf einen Betrag von 12.576,40 € belaufen würden –
nicht schadensmindernd zu berücksichtigen. Denn sie und der Zedent müssten die
Ersatzsumme ihrerseits wieder der Versteuerung unterwerfen. Hinzu komme, dass sie
bei ordnungsgemäßer Beratung eine sichere alternative Kapitalanlage gezeichnet
hätten, bei welcher sie ebenfalls Steuervorteile in entsprechender Höhe erzielt hätten.
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Die Klägerin ist schließlich der Meinung, die subjektiven Voraussetzungen für einen
Verjährungsbeginn ihrer Ansprüche im Jahr 2000 lägen nicht vor. Hierzu behauptet sie,
dass sie und der Zedent erst im Jahr 2005 von den anspruchsbegründenden
Umständen Kenntnis erlangt hätten.
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Nachdem die Klägerin in ihrer Klageschrift zunächst angekündigt hatte, eine
Schadensersatzzahlung i. H. v. 28.680,41 € zu fordern, beantragt sie nach teilweiser
Klagerücknahme i. H. v. 625,-- € nunmehr,
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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 28.055,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz des BGB seit dem 03.09.2006 zu
bezahlen – Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung des Herrn T an der B
GmbH & Co. 3. Filmproduktion KG mit einem Nominalbetrag in Höhe von 25.000,--
€;
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hilfsweise,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von möglichen Ansprüche des
für sie zuständigen Finanzamtes freizustellen, soweit diese auf einer Besteuerung
der im Tenor zu 1. genannten Zahlung beruhen;
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2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung gemäß
Ziffer 1. im Annahmeverzug befindet.
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Die Beklagte und der Streithelfer beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet hierzu, dass die Klägerin
und der Zedent bereits im Jahr 2000 – nämlich spätestens aufgrund des Inhalts des
ihnen übergebenen Emissionsprospekts – Kenntnis von den tatsächlichen
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gehabt bzw. sich den insoweit
relevanten Tatsachen zumindest grob fahrlässig verschlossen hätten. Zudem hätten die
Klägerin und der Zedent nicht erst durch den Zwischenbericht aus März 2005 Kenntnis
davon erhalten, dass es sich bei der Beteiligung nicht um eine absolut sichere Anlage
handele, sondern bereits durch ein Rundschreiben aus Februar 2002, in welchem der
Hinweis enthalten sei, dass die Entwicklung des Medienfonds nicht so laufe, wie es im
Prospekt dargestellt worden sei, und die Erstattungsleistungen der Versicherung
zweifelhaft seien. Zudem sei auch in dem Geschäftsbericht vom 19.09.2002 bereits auf
grundsätzliche Bonitätsprobleme der NEIS hingewiesen worden.
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Im Übrigen ist die Beklagte der Meinung, sie sei nicht passivlegitimiert. Hierzu
behauptet sie, der offenbar als Fremdvermittler tätige Streithelfer sei ihr nicht bekannt
und habe seinerzeit weder im Namen der FDK gehandelt noch sei er hierzu
bevollmächtigt gewesen. Es sei auch nicht etwa ein entsprechender Anschein gesetzt
worden; vielmehr sei ihr nicht bekannt, wie der Streithelfer in den Besitz von Formularen
mit dem Stempelaufdruck der FDK gekommen sein könnte. Nachforschungen zur
Person des Streithelfers hätten nunmehr allerdings ergeben, dass er selbst Kunde der
Sparkasse KölnBonn und des Herrn E sowie mit der Klägerin und dem Zedenten
persönlich bekannt / befreundet gewesen sei. Der Streithelfer habe daher lediglich den
Kundenkontakt der Klägerin und des Zedenten mit der Sparkasse KölnBonn für die hier
streitige Fondsvermittlung hergestellt, welche sodann über die Sparkasse KölnBonn
erfolgt sei. Dabei seien die Klägerin und der Zedent von Herrn E auf die Risiken der
Fondsbeteiligung hingewiesen worden, ohne dass dieser allerdings eine
Anlageberatung durchgeführt hätte.
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Die Beklagte behauptet weiter, vor Aufnahme des Medienfonds in den Vertrieb der
Sparkasse KölnBonn – der Muttergesellschaft der Beklagten – sei er von dieser geprüft
worden, wobei auch die Zuverlässigkeit der NEIS Versicherung geprüft worden sei und
sich Bedenken insoweit nicht ergeben hätten. Gleiches gelte für die durch eine
renommierte Anwalts- und Wirtschaftsprüferpraxis durchgeführte Überprüfung der NEIS.
Von daher habe aus damaliger Sicht keine Veranlassung bestanden, auf Bedenken
hinsichtlich dieser Versicherung hinzuweisen.
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Hinsichtlich der von Klägerseite geltend gemachten Schadenshöhe weist die Beklagte
darauf hin, dass die Klägerin sich nicht besser stehen könne, als wenn ihre
Vorstellungen über die Erlösausfallversicherung zutreffend gewesen wären. Diese
Versicherung hätte aber in keinem Fall zu einem vollständigen Schadensausgleich
geführt, so dass die Klägerin mit der vorliegenden Klage ebenfalls keinen vollen
Schadensausgleich verlangen könne. Zudem ist die Beklagte der Auffassung, dass die
Klägerin sich die ihr und dem Zedenten zu Teil gewordenen steuerlichen Vorteile
schadensmindernd anrechnen lassen müsse, wobei sich deren Höhe ausweislich der
von der Klägerin vorgelegten Steuerbescheide auf einen Gesamtbetrag von 12.846,39 €
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belaufe. Das Vorbringen der Klägerin zu angeblichen Anlagealternativen sei
unsubstantiiert, zumal sich insoweit Bedenken auch daraus ergeben würden, dass die
klägerische Anlage habe finanziert werden müssen.
Der Streithelfer behauptet, er habe dem Zedenten bereits anlässlich des ersten
Beratungsgesprächs den streitgegenständlichen Emissionsprospekt übergeben und
anhand dieses Prospekts die Chancen und Risiken der streitgegenständlichen
Beteiligung mit dem Zedenten erörtert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst
Anlagen – insbesondere den Inhalt des Emissionsprospekts (Anl. K11, Bl. 87 ff. d. A. –
ergänzend Bezug genommen.
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Die Klageschrift ist am 08.11.2006 bei Gericht eingegangen und wurde der Beklagten
am 28.11.2006 zugestellt.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I.
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Ob und ggfls. in welchem Umfang ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber
der Beklagten besteht, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn ein etwaiger
Schadensersatzanspruch ist gemäß § 195 BGB n. F. in Verbindung mit Art. 229 § 6 Abs.
1 und 4 EGBGB verjährt.
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Dies gilt auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes vom 23.01.2007 (XI ZR 44/06), wonach der Lauf der regelmäßigen
Verjährungsfrist nach § 195 BGB n. F. auch in Überleitungsfällen unter Einbeziehung
der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. zu berechnen ist.
Denn die Klägerin und der Zedent hätten hier im Hinblick auf die spätestens am
16.11.2000 erfolgte Übergabe des Emissionsprospekts bereits Ende 2000 bzw.
zumindest in der näheren Folgezeit ohne Weiteres Kenntnis von den
anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangen können,
weshalb bereits zum 01.01.2002 die subjektive Voraussetzung der grob fahrlässigen
Unkenntnis i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. vorlag, so dass die 3-jährige
Verjährungsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt begann und daher mit dem 31.12.2004
ablief, mithin etwaige Schadensersatzansprüche bei Klageerhebung im November 2006
längst verjährt waren.
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Denn aus dem Ende 2000 übergebenen Emissionsprospekt – dort insbesondere den
Seiten 13 und 28 ff. (Bl. 99 und 114 ff. d. A.) – ergeben sich sämtliche von der Klägerin
und dem Zedenten bei ihrer Anlageentscheidung vermissten Hinweise auf bestehende
Risiken, und zwar vor allem dahingehend, dass es auch zum Totalverlust des
eingesetzten Kapitals kommen kann. D. h. bereits zu diesem frühen Zeitpunkt hätten sie
davon Kenntnis nehmen können, dass die ihnen ihrer Behauptung nach gemachten
Versprechungen und Zusagen des Streithelfers allesamt ganz offensichtlich nicht
zutrafen bzw. zumindest im klaren Widerspruch zu den Prospektangaben und der nach
klägerischer Behauptung von ihr und ihrem Ehemann verfolgten Anlagestrategie
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standen. Einer besonderen Kenntnis wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher
Zusammenhänge bedurfte es für diese Erkenntnis nicht.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass allein die Übergabe des Prospekts einen
Anlageberater bzw. -vermittler nicht von einer Haftung auf Schadensersatz befreien
kann. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Frage eines etwaigen Entfallens von
Schadensersatzansprüchen dem Grunde nach, sondern allein um die Frage grob
fahrlässiger Unkenntnis im Zusammenhang mit der Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen und deren evtl. Verjährung. Dabei handelt ein Gläubiger
dann grob fahrlässig, wenn seine Unkenntnis auf einer besonders schweren
Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht (Palandt-Heinrichs, 66.
A., § 199 Rdnr. 36), d. h. er sich die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte
Mühe und Kosten beschaffen kann, sich vor einer sich aufdrängenden Kenntnis
missbräuchlich verschließt oder auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht
ausnützt (Palandt-Heinrichs, 66. A., § 199 Rdnr. 37). Genau dies ist aber vorliegend der
Fall. Denn insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die angeblich in Gelddingen
völlig unerfahrene – aber bei der Sparkasse T2 beschäftigte – Klägerin und den
Zedenten laut klägerischem Sachvortrag die Sicherheit der Anlage absoluten Vorrang
gehabt haben und für sie eine risikobehaftete Anlage von vornherein nicht in Betracht
gekommen sein soll, hätte es auf der Hand gelegen, zumindest nach Übergabe des
Prospekts verschiedene Eckpunkte noch einmal zu weiteren Informationszwecken
nachzulesen. Dann aber wäre man zwangsläufig vor allem auf die auf Seite 13 bzw. 28
ff. des Prospekts (Bl. 99 bzw. 114 ff. d. A.) enthaltenen Hinweise gestoßen, dass
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Filmproduktionen nicht unerhebliche Risiken bis hin zum Totalverlust des
eingesetzten Kapitals bergen;
das wirtschaftliche Hauptrisiko einer Filmproduktion darin besteht, den
Geschmack des Publikums zu treffen;
grundsätzlich das Risiko besteht, dass es aus wirtschaftlichen (Insolvenz) oder
rechtlichen Gründen (Versicherungsbedingungen) nicht zur Auszahlung der
Versicherungsleistung kommen könnte;
aufgrund des komplexen Zusammenwirkens unterschiedlicher kreativer Elemente
aber auch wegen äußerer Einflüsse (Wetter, Unfälle, behördliche
Genehmigungen) die plan- und budgetmäßige Fertigstellung einer Filmproduktion
stets einer gewissen Gefährdung unterliegt;
aus der Beteiligung keine festen Zinsen oder eine feste Rendite zu erwarten ist,
sondern das wirtschaftliche Ergebnis von zahlreichen variablen Faktoren abhängt,
die das Ergebnis abweichend von der Planrechnung im Prospekt negativ aber
auch positiv beeinflussen können;
das Risiko besteht, dass im Zuge der Herstellung des Filmes aus wirtschaftlichen
oder rechtlichen Gründen auf den festgelegten Budgetanteil eines in der
Gesamtfinanzierung beteiligten Partners nicht zugegriffen werden kann, was zu
erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen kann, so dass beim
Zusammenkommen mehrerer unglücklicher Umstände das betreffende Filmprojekt
gar nicht fertiggestellt werden kann und entsprechende Investitionsmittel der
Beteiligungsgesellschaft ganz verloren sein können;
grundsätzlich auch das Risiko besteht, dass die B 3. KG beim Zusammentreffen
mehrerer ungewöhnlicher Umstände insgesamt insolvent werden könnte.
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41
Aber selbst wenn man der Auffassung der Kammer nicht folgen wollte, dass für die
Klägerin und den Zedenten gerade aufgrund ihrer konkreten Erwartungshaltung in
punkto Sicherheit bereits unmittelbar mit Übergabe des Prospekts Veranlassung
bestanden hat, sich dieses – trotz der bereits mündlich (in welchem Sinne auch immer)
erfolgten Aufklärung durch den Streithelfer – auf die darin enthaltenen Risikohinweise
hin durchzulesen, so hätte eine derartige Veranlassung jedoch spätestens mit der im
September 2002 erfolgten Zusendung des "Berichts der Geschäftsführung 02/2002"
(Anl. K8, Bl. 79 ff. d. A.) bestanden. Denn aus diesem ergibt sich nicht nur, dass sich die
Filmbranche "immer noch in einer schwierigen Situation" befindet, sondern auch, dass
evtl. Bonitätsprobleme des Short Fall Garanten – der NEIS Versicherung – bestehen
könnten. Zwar wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass nichtsdestotrotz "die
wichtigen Fundamentalfaktoren weiterhin auf eine positive Entwicklung hindeuten" und
"selbst unter der theoretischen Annahme eines Totalausfalls der vereinbarten Short Fall
Deckung mit keinen nennenswerten Erlöseinbußen zu rechnen ist". Dennoch wird
hiermit – aus klägerischer Sicht erstmals – immerhin die Möglichkeit eines Totalausfalls
des Erlösausfallversicherers angesprochen, was die Klägerin und den Zedenten im
Hinblick auf die ihnen angeblich vom Streithelfer gemachten anders lautenden
Sicherheitszusagen hätte stutzig machen und sie zum Nachlesen im Prospekt hätte
veranlassen müssen. Dass sie dies nicht getan haben, stellt eine besonders schwere
Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar, da hier auf der Hand liegende
Erkenntnismöglichkeiten nicht genutzt wurden. Der Verjährungsbeginn wäre unter
diesen Umständen zwar erst mit dem Schluss des Jahres 2002 erfolgt, dennoch ist auch
dann die 3-jährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der erst im November 2006 erfolgten
Klageerhebung abgelaufen.
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II.
43
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 101 Abs. 1
ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2
ZPO.
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Streitwert:
46
bis zum 05.03.2007: 28.680,41 €
47
seit dem 06.03.2007: 28.055,41 €
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