Urteil des LG Köln vom 29.07.2009

LG Köln (vorrecht, ablösung, versteigerung, höhe, gesetzesänderung, beitritt, zweck, nachteil, beschwerde, zpo)

Landgericht Köln, 6 T 236/09
Datum:
29.07.2009
Gericht:
Landgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 236/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Kerpen, 31 K 190/07
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss
des Amtsgerichts Kerpen vom 27.05.2009 – Az: 031 K 190/07-
wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 4.200 €
festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
1
Mit Beschluss vom 07.12.2007 (Bl.11 ff GA) wurde auf Antrag der Beteiligten zu 4) die
Zwangsversteigerung des oben angeführte Wohnungseigentum der Schuldner wegen
eines durch Vollstreckungsbescheide titulierten persönlichen Anspruchs wegen
Hausgeldforderungen nebst Kosten und Zinsen angeordnet. Mit weiterem Beschluss
vom 19.05.2008 (Bl.182 ff GA) wurde der Beitritt der Beteiligten zu 4) wegen eines
persönlichen Anspruchs aus weiteren Vollstreckungsbescheiden wegen
Hausgeldforderungen nebst Kosten und Zinsen zugelassen.
2
Damit war das Vorrecht der Rangklasse 2 (§ 10 ZVG) rechnerisch ausgeschöpft (5 %
des Verkehrswertes von 84.000,00 € = 4.200 €). Die Gläubigerin der Rechte Abt.III Nr.19
und 20 bzw. 14 und 15, die G (No.4) Vermögensverwaltungs-GmbH, löste vor dem
Versteigerungstermin am 4.3.2009 die Forderungen durch Zahlung an die
Oberjustizkasse Hamm (Bl.398 ff GA) ab. Das Vollstreckungsgericht stellte das
Verfahren, soweit es von der Wohnungseigentümergemeinschaft betrieben wurde, nach
§ 75 ZVG einstweilen ein und zahlte den Betrag in Höhe der Forderungen, wegen derer
die Zwangsversteigerung angeordnet und der Beitritt zugelassen worden war, nebst
Kosten an die Wohnungseigentümergemeinschaft aus. Mit Schreiben vom 2.3.2009
beantragte nunmehr die Beteiligte zu 3. die Zulassung des Beitritts wegen ihrer
dinglichen Forderung aus der Grundschuld III/14. Durch Beschluss vom 5.3.2009 wurde
der Beitritt zugelassen und es wurde neuer Versteigerungstermin bestimmt.
3
Mit Schriftsatz vom 04.05.2009 (Bl.453 ff GA) beantragte die
4
Wohnungseigentümergemeinschaft die Zulassung des Beitritts zum Verfahren wegen
weiterer inzwischen titulierter Wohngelder für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum
31.03.2009 nebst Kosten und Zinsen, und zwar in der Rangklasse 2 des § 10 ZVG.
Mit Beschluss vom 27.05.2009, auf den verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Beitritt
zum Zwangsversteigerungsverfahren lediglich wegen eines persönlichen Anspruchs in
Rangklasse 5 des § 10 ZVG zugelassen und den gestellten Antrag hinsichtlich des
geltend gemachten Vorrechts (§ 10 Abs.1 Ziffer 2 ZVG) zurückgewiesen.
5
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, das Vorrecht sei durch die Ablösung
der Vollstreckungsforderungen ausgeschöpft. Die Ansprüche seien nach Ablösung der
Forderungen auf die nachrangige dingliche Gläubigerin, die G (No.4)
Vermögensverwaltungs-GmbH, zusammen mit dem Vorrecht des § 10 Abs.1 Ziffer 2
ZVG übergegangen.
6
Gegen den am 02.06.2009 zugestellten Beschluss vom 27.05.2009 hat die Beteiligte zu
4) am 16.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz vom 03.07.2009,
auf den Bezug genommen wird, begründet wurde.
7
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sei der Kammer vorgelegt.
8
Die nach §§ 793, 567 ff. ZPO zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
9
Das Amtsgericht hat die Zulassung des Beitritts der Beschwerdeführerin in Rangklasse
2 zu Recht abgelehnt, weil der Beschwerdeführerin dieses Vorrecht nicht mehr zusteht.
Nach § 10 Abs. 1 Ziffer 2 ZVG ist der Vorrang für Hausgelder auf einen Betrag von 5 %
des Verkehrswertes, d. h. hier auf 4.200 €, begrenzt.
10
Das danach betragsmäßig begrenzte Vorrecht steht der Beschwerdeführerin nicht mehr
zu, denn es ist durch die Ablösung nach § 268 BGB auf die Beteiligte zu 3)
übergegangen. Die G (No.4) Vermögensverwaltungs-GmbH war als nachrangige
Grundschuldgläubigerin zur Ablösung der Vollstreckungsforderungen aus den
Beschlüssen vom 07.12.2007 und 19.05.2008 berechtigt, da ihr Recht bei einer
Versteigerung aus Ansprüchen nach Rang 2 nicht in das geringste Gebot aufzunehmen
war und daher der Verlust des dinglichen Rechtes drohte.
11
Mit der Ablösung nach § 268 Abs. 1 BGB gingen nach § 268 Abs. 3 BGB nicht nur die
Forderungen, sondern nach §§ 412, 401 BGB ging auch das Vorrecht des § 10 Abs.1
Ziffer 2 ZVG auf die Ablösende über.
12
Dem kann die Beschwerdeführerin nicht entgegenhalten, dass der Forderungsübergang
nach § 268 Abs. 3 S. 2 BGB nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden
könne. Als Nachteil führt sie insoweit an, dass die Möglichkeit, das
Versteigerungsverfahren aus Rangklasse 2 zu betreiben, der
Wohnungseigentümergemeinschaft auch die Möglichkeit gebe, durch die Versteigerung
einen zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Eigentümer loszuwerden, so dass
nicht weitere Hausgelder zu Lasten der Gemeinschaft aufliefen.
13
Bei Verlust dieser Möglichkeit handelt es sich jedoch nach Auffassung der Kammer
nicht um einen dem Forderungsübergang entgegenstehenden Nachteil. Die
Zwangsversteigerung zur Vollstreckung nach ZVG dient der Befriedigung des
14
Vollstreckungsgläubigers wegen einer Geldforderung. Wenn dabei die
Wohnungseigentümergemeinschaft durch einen Eigentümerwechsel infolge der
Versteigerung auch die Chance hat, einen Miteigentümer los zu werden, so ist das doch
nicht der gesetzliche Zweck des Versteigerungsverfahrens, sondern nur ein möglicher
Nebeneffekt. Wenn es in § 268 Abs. 3 BGB heißt, dass der Gläubiger durch den
Forderungsübergang nicht schlechter gestellt werden dürfe, sind damit Nachteile bei der
Durchsetzung des abgelösten Rechtes gemeint, wie etwa die Rangfolge der
Restforderung bei einer Teilablösung. Aus dem Sinn und Zweck der Gesetzesänderung
ergibt sich nach Auffassung der Kammer aber nicht, dass die Möglichkeit, einen
Miteigentümer los zu werden, Ziel der Neufassung ist und deshalb als Nachteil im Sinne
des § 268 Abs. 3 ZVG anzusehen ist. Vielmehr ist Zweck der Gesetzesänderung, durch
Einführung des Vorrechtes der Wohnungseigentümergemeinschaft dieser die
Möglichkeit zu geben, ihre Forderungen überhaupt mit einiger Aussicht auf Erfolg bei
einer Versteigerung geltend zu machen. Zahlt ein Wohnungseigentümer das Hausgeld
nicht, wird das Eigentum häufig oder gar in der Regel derart hoch durch dingliche
Ansprüche in Rangklasse 4 belastet sein, dass kaum Aussicht bestand, dass
Hausgeldansprüche in Rangklasse 5 aus einem Versteigerungserlös befriedigt werden
konnten. Wie sich aus der Bundestagsdrucksache zur Gesetzesänderung ergibt, sollte
deshalb zugunsten der Wohnungseigentümer ein allerdings betragsmäßig begrenztes
Vorrecht in Höhe von 5 % des Verkehrswertes eingeräumt werden. In dieser Höhe hielt
der Gesetzgeber eine Belastung der nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger für
zumutbar. Diese nach Auffassung des Gesetzgebers zumutbare Belastung wird aber
erreicht, wenn der Grundpfandrechtsgläubiger die Eigentümergemeinschaft in voller
Höhe von 5 % des Verkehrswertes wegen Hausgeldforderungen ablöst, wie es hier
erfolgt ist. Könnten die Wohnungseigentümer dagegen in dem Fall, dass es –wie hier-
nach einer einstweiligen Einstellung nach Ablösung zu einer Fortsetzung des
Verfahrens kommt, erneut ihr Vorrecht geltend machen, müssten die
Grundpfandrechtsgläubiger mehr als 5 % des Verkehrswertes zugunsten der
Wohnungseigentümergemeinschaft aufwenden, um eine Versteigerung mit der für sie
ungünstigen Rangklasse zu vermeiden. Dass durch die Gesetzesänderung die
Möglichkeiten eines rangschlechteren Gläubigers durch Ablösung seine Position in dem
Verfahren zu verbessern, eingeschränkt werden sollte, ist nicht erkennbar. Es besteht
daher auch kein Anlass, den Übergang des Vorrechtes auf den ablösenden
Grundpfandrechtsgläubigers einzuschränken.
Wie Alff/Hintzen in "Die neue Rangklasse 2 des § 10 ZVG", Rpfleger, 2008, 165 ff
überzeugend ausführen, folgt aus Sinn und Zweck der Neuregelung des § 10 Abs.1
Ziffer 2 ZVG, dass Ansprüche der WEG-Gemeinschaft gegenüber den
Grundbuchgläubigern zwar bevorzugt werden, jedoch maximal bis zu 5 % des
Verkehrswertes. Dieses Vorrecht steht den Wohnungseigentümern nur einmal zu,
anderenfalls wäre der Umfang der Ansprüche gemäß § 10 Abs.1 Ziffer 2 ZVG, wie das
Amtsgericht überzeugend ausführt, für die Realkreditgläubiger nicht mehr kalkulierbar.
15
Bezogen auf den betragsmäßig begrenzten Vorrang der Klasse 2 liegt auch keine
Teilablösung vor, so dass sich die Frage des Rangverhältnisses der Restforderung
gegenüber der abgelösten Forderung wie etwa bei einer Teilablösung einer
Grundschuld hier nicht stellt.
16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der
Beschwerdeführerin, die Gerichtskostenkosten zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz.
Im Übrigen findet bei Rechtsmitteln im Zwangsversteigerungsverfahren eine
17
Kostenerstattung regelmäßig nicht statt (vgl. für den Fall der Beschwerde gegen die
Versagung der Rangklasse 2: BGH, Beschluss vom 21.2.2008, Az. V ZB 123/07).
Die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO wird wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen.
18
Beschwerdewert gemäß § 3 ZPO :bis 4.200 €
19