Urteil des LG Kleve vom 27.08.2004

LG Kleve: garantie, zusicherung, fahrzeug, anzeige, mangel, eigenschaft, vertreter, pflichtenheft, vollstreckbarkeit, minderung

Landgericht Kleve, 5 S 57/04
Datum:
27.08.2004
Gericht:
Landgericht Kleve
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 57/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Rheinberg, 13 C 41/04
Schlagworte:
Garantie, Internetanzeige
Normen:
§ 444 BGB
Leitsätze:
Für konkret wertbildende Angaben zur Beschaffenheit des
Kaufgegenstandes in der Verkaufsanzeige übernimmt der Verkäufer -
wenn während der Vertragsverhandlungen keine abweichenden
Beschaffenheitsvereibarungen getroffen wird - die Garantie i.s.d. § 444
BGB.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8. März 2004 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Rheinberg unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 EUR nebst Zinsen
hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 26.09.2003 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 80% und die Beklagte
zu 20%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
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I.
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Der Kläger verlangt Minderung und Schadensersatz, weil die Beklagte - bzw. ihr
Vertreter - ihn beim Gebrauchtwagenverkauf arglistig getäuscht und Zusicherungen
nicht eingehalten habe.
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Am 24.02.2003 kaufte der Kläger von der Beklagten für 4.390,00 EUR einen
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Gebrauchtwagen Renault Twingo Liberty, den er trotz der geltend gemachten Mängel
behalten will. Der Kläger behauptet, entgegen den Zusicherungen habe der Wagen
über mehrere Mängel verfügt. Er sei insoweit arglistig getäuscht worden. Die Beklagte
behauptet, ihr Vertreter, der die Vertragsverhandlungen geführt hat, habe keine
Zusicherungen gegeben.
Das Amtsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Hinsichtlich der
entgegen den Angaben in der Internetanzeige fehlenden Alarmanlage und des
fehlenden Seitenairbags hat es zur Begründung ausgeführt: "Im schriftlichen Kaufvertrag
findet sich hierüber kein Eintrag, so dass es an einer vereinbarten Beschaffenheit fehlt.
Im Hinblick auf den wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss scheitert auch
eine Haftung aus § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, da das Vorhandensein von Alarmanlage
und Seitenairbag nicht garantiert wurde."
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er begehrt nach wie vor die
Zahlung von 2.033,72 EUR nebst Zinsen.
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II.
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Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
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Der zuerkannte Minderungsbetrag steht dem Kläger auf Grund des zwischen den
Parteien abgeschlossen Kaufvertrages gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 441, 346 BGB zu,
weil der Pkw mit Mängeln behaftet war.
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Der Wagen war bei Übergabe nicht frei von Mängeln, weil er hinsichtlich Alarmanlage
und Seitenairbag nicht die (konkludent außerhalb der Kaufvertragsurkunde) vereinbarte
Beschaffenheit hatte, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Zwar erfolgte der Verkauf des Gebrauchtwagens "unter Ausschluss der
Sachmängelhaftung". Da es sich bei der Beklagten nicht um eine Unternehmerin
handelt, stehen auch die Sondervorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§ 474 ff BGB,
insbesondere § 475 BGB) einem Gewährleistungsausschluss nicht entgegen. Nach §
444 BGB kann sich der Verkäufer aber nicht wirksam auf einen
Gewährleistungsausschluss berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder
eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Als Garantie im Sinne
des § 444 BGB ist regelmäßig die Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft zu
qualifizieren (LG Kleve, Urteil vom 25.06.2004 - 5 S 12/04; Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl.
2004, § 444 Rn. 12). Eine Kombination von Beschaffenheitsvereinbarung und
verschuldensunabhängiger Haftung entspricht inhaltlich der alten
Eigenschaftszusicherung, die der Gesetzgeber bei Schaffung des § 444 BGB vor Augen
hatte. Falls - wie hier - kein Formzwang besteht, müssen (ggf. auch konkludent
getroffene) Beschaffenheitsvereinbarungen nicht in die Vertragsurkunde selbst
aufgenommen werden; es genügen etwa Angaben auf einem an dem zum Verkauf
stehenden Pkw angebrachten Schild, wenn die Vertragspartner diesen Punkt nicht
besonders aufgreifen (Bamberger/Roth/Faust, BGB, Aktualisierung April 2004, § 444
Rn. 19 und § 434 Rn. 40; vgl. OLG Koblenz NJW 2004, 1670: die Garantieübernahme
nach neuem Recht ist an die Stelle der Zusicherung einer Eigenschaft getreten).
Angaben von Gebrauchtwagenhändlern über technische Daten werden, u.a. wegen
ihrer großen Bedeutung für den Wert des Autos, nach der Verkehrsanschauung als
Übernahme einer Garantie für ihre Richtigkeit angesehen (Hampel, JuS 2003, 465,
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467); wobei in solchen Fällen eine Anwendung dieser Grundsätze auch auf den
Privatverkäufer geboten erscheint. Auch bei ihnen greift die Ratio der Vorschrift - das
Verbot widersprüch- lichen Verhaltens - ein. Hier hat die Beklagte ausweislich ihres
Angebotes angegeben, dass das Fahrzeug über eine Alarmanlage und Seitenairbags
verfügt. Dies sind konkrete und für den Wert des Wagens erhebliche
Eigenschaftszusicherungen. Dass insoweit in der Kaufvertragsurkunde oder bei den
Vertragsverhandlungen eine Richtigstellung erfolgt ist, kann dem Parteivortrag nicht
entnommen werden. Mithin ist von einer (nicht eingehaltenen) Beschaffenheitsgarantie
auszugehen, die insoweit zur Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses führt.
Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war hier nicht erforderlich, da die Beklagte jede
Haftung abgelehnt hat. Ein Verschulden ist für den Minderungsanspruch nicht
erforderlich. Der vom Kläger geltend gemachten Höhe des Minderungsbetrages ist die
Beklagte nicht entgegengetreten.
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Die Zinsforderung besteht nicht bereits ab Rechtshängigkeit der Klage, da der Kläger
die begründete Teilforderung erst später geltend gemacht hat.
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Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu; auch nicht unter dem
Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 440, 280, 281
BGB.
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Soweit der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei entgegen einer Zusicherung nicht
scheckheftgepflegt gewesen, kann eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung im
Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit ein Mangel nicht festgestellt werden. Die
bloße Angabe des Wortes "Checkheft" in der Anzeige ist unklar. Die
Kaufvertragsurkunde, die u.a. ("angekreuzte" und handschriftliche) Garantieerklärungen
enthält, schweigt sich insoweit aus. Der vom Kläger benannte Zeuge Swen Meier hat
ausgeführt, bei den Verkaufsverhandlungen sei erklärt worden, die Inspektionen seien
"gemäß Pflichtenheft" durchgeführt worden. Auch in der Kaufvertragsurkunde wird auf
überreichte Unterlagen hingewiesen und zwar mit dem Zusatz "s. letzte Inspektion".
Dem "Garantie- und Wartungsheft" ist zu entnehmen, dass die letzte Inspektion vor
Übergabe des Fahrzeugs beim Kilometerstand von 35.890 vorgenommen wurde. Dass
anschließend keine Inspektion mehr stattgefunden hatte, war dem Kläger mithin bei
Kaufvertragsschluss bekannt; eine anderslautende Vereinbarung ist nicht bewiesen.
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Auch eine Beschaffenheitsvereinbarung bzw. Garantieerklärung dahingehend, dass die
Bremsbelege "erst nach ca. 8.000 km erneuert werden müssten", ist nicht bewiesen. Die
Anzeige und die Kaufvertragsurkunde enthalten insoweit keine Angaben. Der vom
Kläger benannte Zeuge hat dazu ausgesagt: "Der Verkäufer ... hat damals mitgeteilt, ...
(er) habe das Fahrzeug überprüfen lassen. Dabei habe man keine Mängel festgestellt
bis auf den Umstand, dass die Bremsbeläge erneuerungsbedürftig seien. In dieser
Werkstätte habe man ihm mitgeteilt, dass nach ca. 8.000 Kilometer die Bremsbeläge
ausgetauscht werden müssten." Es ist mithin ausdrücklich auf die
Erneuerungsbedürftigkeit der Bremsbeläge hingewiesen worden. Bei der Angabe
hinsichtlich der Haltbarkeit handelt es sich nach Angaben des Zeugen erklärtermaßen
um eine Schätzung eines Dritten. Dass die Beklagte als technischer Laie diesbezüglich
eine Garantie übernommen hat, ist dem nicht zu entnehmen.
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Allgemeine Anpreisungen wie "einwandfrei", "in Ordnung", "mängelfrei" oder "ohne
Mängel" stellen beim Kauf eines Gebrauchtwagens von einer Privatperson keine
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Beschaffenheitsvereinbarung bzw. Garantie dar (Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl. 2004, §
434 Rn. 78; vgl. auch OLG Hamm, NJW-RR 1997, 429; Reinking/Eggert, Der Autokauf,
8. Aufl. 2003, Rn. 1124 ff.).
Die beide Instanzen betreffende Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf einer entsprechenden Anwendung
des § 708 Nr. 10 ZPO (vgl. LG Landau NJW 2002, 973; Rimmelspacher in Münchener
Kommentar zur ZPO, Aktualisierungsband 2002, § 540 Rn. 10 f.).
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Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, bestehen nicht.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.033, 72EUR
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