Urteil des LG Kiel vom 14.03.2017

LG Kiel: internet, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, psychotherapeutische behandlung, schmerzensgeld, veröffentlichung, verbreitung, anschrift, herunterladen, rache, name

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Gericht:
LG Kiel 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 251/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 826 BGB
Persönlichkeitsschutz im Internet: Schmerzensgeld bei
unberechtigter Veröffentlichung privater Nacktfotos im
Internet
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.000,00 € nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszins seit dem 15.04.2003 sowie 141,94 € an vorgerichtlichen
Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen
weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der unbefugten Veröffentlichung
der Nacktfotos “X.jpg” durch den Beklagten im Internet zukünftig entstehen wird,
namentlich hinsichtlich der Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddateien aus
dem Internet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, ..., war mit dem Beklagten, ..., seit November 2001 befreundet. Sie
trennte sich im Dezember 2002 von ihm.
Während ihrer Beziehung hatte der Beklagte von der Klägerin mit seiner digitalen
Kamera Fotografien gefertigt, von denen zwei die Klägerin lächelnd, mit entblößter
Brust auf dem Bett sitzend, zeigen, mit dem An- oder Auskleiden beschäftigt,
während sie auf dem dritten Foto vollkommen entblößt schlafend zu sehen ist.
Diese Fotos hatte er ihr auf einer CD im November 2002 zukommen lassen. Nach
Beendigung der Beziehung versuchte der Beklagte zunächst noch bis Mitte
Februar 2003, die Klägerin wieder für sich zu gewinnen. Als dies misslang, stellte er
über “...” die drei Fotos von der Klägerin mit der Bezeichnung “X.jpg” auf einer
Tauschbörse ins Internet, nachdem er sie derart bearbeitet hatte, dass in der
linken oberen Ecke in roter Schrift Name, vollständige Postanschrift und
Telefonnummer der Klägerin eingeblendet wurden und in der rechten oberen Ecke
das Wort “... danach!”. Um diese Fotos anderen Mitgliedern der Tauschbörse zur
Verfügung zu stellen, musste er sie eigens dafür vorsehen und in eine eigene
Datei einlegen, auf die dann - weltweit unbegrenzt - der Zugriff eröffnet war,
sodass jeder Betrachter die Bilder herunterladen und auch seinerseits zum
Betrachten und Herunterladen wieder einstellen konnte.
Die Klägerin erhielt am 17.03.2003 gegen 12.30 Uhr den Anruf eines ihr
unbekannten Mannes, der ihr von der Internet-Veröffentlichung der Fotos
berichtete und ihr diese Fotos auf ihre Bitte per e-mail zusandte. Noch am selben
Tage erstattete die Klägerin gegen den Beklagten Strafanzeige und stellte
Strafantrag; er wurde ... rechtkräftig wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe
verurteilt.
Auf die Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.03.2003
zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines
Schmerzensgeldes von 11.000,00 € bis zum 14.04.2003 ließ der Beklagte mit
anwaltlichem Schreiben vom 17.04.2003 erklären, er habe sämtliche Fotos der
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anwaltlichem Schreiben vom 17.04.2003 erklären, er habe sämtliche Fotos der
Klägerin einschließlich der gespeicherten Dateien bzw. des Negativmaterials
mittlerweile gelöscht und außer den drei Fotografien weitere Veröffentlichungen
nicht vorgenommen, und er bot ein Schmerzensgeld von 1.500,00 € an.
Gleichzeitig ließ er einen entsprechenden vorformulierten Vergleichsvorschlag
übersenden, der auch die geforderte Unterlassungserklärung abänderte. Als die
Klägerin sich hierzu nicht äußerte, überwies er auf ein erneutes
Aufforderungsschreiben vom 20.01.2004 als abschließende
Schmerzensgeldzahlung Ende Januar 2004 einen Betrag von 2.000,00 €. Ein
gesonderter Ausgleich der auf diesen Streitwert berechneten Anwaltskosten der
Klägerin von 141,94 € - insoweit wird auf die Berechnung Bl. 7 d. A. Bezug
genommen - erfolgte nicht.
Zu dieser Zeit erhielt die Klägerin zwei Schreiben von ihr unbekannten Männern,
die mitteilten, sie hätten die Fotos mit der Anschrift der Klägerin im Internet
gesehen und wären an Kontakten interessiert; wegen der näheren Einzelheiten
wird auf diese Schreiben (Bl. 19 f d. A.) verwiesen.
Nachdem die Klägerin (...) mit ihren Kindern (...) ausgewandert war, wo sie
nunmehr in einem kleinen Dorf lebt, wurde aufgrund der Fotografien eine
Namensvetterin der Klägerin am 14.10.2005 gegen 02.00 Uhr nachts angerufen
und mit schlüpfrigen Angeboten überzogen. Eine Recherche vom 06.12.2005
ergab, dass die Fotos nach wie vor im Internet zu finden waren.
Die Klägerin behauptet, durch die Veröffentlichung der Fotos im Internet sei sie,
insbesondere wegen der Angabe von Anschrift und Telefonnummer, in den Bereich
der Prostitution gerückt worden.
Der Beklagte habe seinerzeit die Fotos von ihr gemacht, weil er seine neue
Digitalkamera habe ausprobieren wollen. Sie habe - unstreitig - ihr Einverständnis
nur unter der Bedingung gegeben, dass er die Fotos anschließend wieder lösche,
und dies auch von ihm gefordert, als er ihr später die CD übersandt habe. Dies
habe er ihr auch zugesagt und sie habe darauf vertraut.
Den Entschluss auszuwandern, habe sie während des laufenden Strafverfahrens
gegen den Beklagten gefasst im Hinblick darauf, dass die Bilder nach wie vor in der
Tauschbörse bis heute verfügbar seien. Ursprünglich sei dies keineswegs geplant
gewesen. Sie habe aber gefürchtet, dass bei jeder Art von Werbung für ihre Praxis
die Gefahr von Nachstellungen zunehmen und sich eine Negativ-Publicity
entwickeln werde. Ihre Namensvetterin erhalte, wie unstreitig ist, unter
Bezugnahme auf die Internet-Veröffentlichungen noch heute belästigende Anrufe.
Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld von mindestens 11.000,00 € für
angemessen.
Sie beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes, der Höhe nach in
das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich 5 % Zinsen über
dem Basiszins seit dem 15.04.2003 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten
von 141,94 € zu zahlen sowie
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr jeglichen weiteren
Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der unbefugten Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Nacktfotos entstehen werde, namentlich hinsichtlich der
Kosten einer effizienten Entfernung der Bilddateien aus dem Internet.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Parteien hätten seinerzeit freiwillig gegenseitig erotische Fotos
gemacht. Er habe die Verbreitung der Bilder im Internet nach etwa 14 Stunden
gestoppt, in dieser Zeit hätten lediglich drei unbekannte Nutzer die drei Bilder
heruntergeladen. Sofern Dritte anschließend die Fotos ihrerseits unbefugt
weiterverbreitet hätten, könne er hierfür nicht in vollem Umfang verantwortlich
gemacht werden. Er habe diese Eigendynamik nicht beabsichtigt, sie sei ihm auch
nicht klar gewesen.
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Technisch sei es nicht mehr möglich, die Bilder aus dem Internet vollständig zu
entfernen. Auffindbar seien sie nur, wenn der Rechner, auf dem sie sich befänden,
gerade eingeschaltet sei. Zudem seien digital unsignierte Bilddateien allenfalls
über die - jederzeit änderbare - Dateibezeichnung aufzuspüren. Wenn man die
Fotos in der Tauschbörse aufrufe, erscheine dazu kein Name dessen, der sie
eingestellt habe. Sofern man sie herunterlade und dann wiederum zur Verbreitung
freigebe, könne man zwar denjenigen, die darauf zugriffen, während dieses
Zugriffes eine Nachricht zukommen lassen, nicht jedoch demjenigen, von dem
man sie selbst heruntergeladen habe.
Er bedauere sein Verhalten, das aus der psychischen Situation des
Verlassenwerdens heraus erwachsen sei, und die daraus resultierende Verletzung
der Klägerin. Wegen des damaligen Kontrollverlustes habe er sich in
psychotherapeutische Behandlung begeben, um die Vorgänge aufzuarbeiten.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei aber auch zu berücksichtigen, dass
die Klägerin keinerlei Vergleichsbereitschaft gezeigt habe und andererseits den
Anspruch nur sehr zögerlich verfolgt habe. Offenbar sei ihr die Sache gar nicht so
wichtig und es gehe ihr darum, ihn “zappeln” zu lassen.
Die Klägerin selbst habe die Aufmerksamkeit auf die Bilder gelenkt, indem sie im
gemeinsamen privaten und beruflichen Umfeld sein Verhalten bekannt gegeben
habe. Sie habe damit erfolgreich Rache geübt und in der Folgezeit hätten ihn
Dritte in aller Deutlichkeit ihre Missbilligung spüren lassen.
Schließlich müsse seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, er
erziele derzeit einen monatlichen Überschuss von 1.500,00 €.
Der Beklagte hält den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aufgrund der
geleisteten Zahlung von 2.000,00 € für erfüllt und den Feststellungsantrag für
unzulässig mangels Feststellungsinteresses. Insbesondere wegen der Kosten für
eine effiziente Entfernung der Bilddateien aus dem Internet könne die Klägerin
Leistungsklage erheben. Die Unzulässigkeit ergebe sich auch daraus, dass der
Antrag auf eine technisch oder wirtschaftlich unmögliche Leistung gerichtet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug
genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten aufgrund der unberechtigten
Veröffentlichung und Verbreitung erotischer Fotos von ihr über das Internet aus
unerlaubter Handlung ein Schmerzensgeld wegen Verletzung ihres allgemeinen
Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB, Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG) sowie auch
wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu.
Die Haftung des Beklagten steht zwischen den Parteien dem Grunde nach außer
Streit. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch der von ihm 10 Monate nach
erstmaliger Aufforderung gezahlte Schmerzensgeldbetrag nicht ausreichend,
sondern in Anbetracht der Schwere und insbesondere der Permanenz der
Verletzung der Klägerin sowie der Nichtigkeit des Anlasses und der mit einigem
Aufwand umgesetzten Schädigungsabsicht des Beklagten vollkommen
unangemessen.
Der Beklagte hat, allein um der Klägerin Schaden zuzufügen und sie buchstäblich
vor aller Welt bloßzustellen, intime Fotos der Klägerin verbreitet, die niemals für
eine Betrachtung durch Dritte bestimmt waren und von denen mindestens das
eine, sie unbekleidet schlafend zeigende, auch ohne ihr Wissen aufgenommen
worden ist. Er hat darüber hinaus diese digitalen Fotografien eigens in einer Weise
bearbeitet, dass - durch das Wort “... danach!” - nicht nur eindeutig auf einen
vollzogenen Geschlechtsverkehr angespielt wurde, sondern - durch die eingestellte
vollständige Postanschrift und Telefonnummer - auch noch eine ebenso eindeutige
Kontaktaufforderung enthalten war. Indem er die so bearbeiteten Fotos in eine
eigene Datei (mit der gezielt sexuelle Neugier weckenden Dateibezeichnung “...X
...”) brachte und auf einer Tauschbörse anonym, d.h. ohne Hinweis auf seine
eigene Urheberschaft, Dritten zum Betrachten wie auch zum Herunterladen
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eigene Urheberschaft, Dritten zum Betrachten wie auch zum Herunterladen
präsentierte, hat er bewusst den Eindruck erweckt, die Klägerin betreibe auf diese
Weise Werbung für sich und sei geneigt, den Geschlechtsverkehr mit jedem
beliebigen unbekannten Mann durchzuführen. Daran ändert es auch nichts, dass
es sich um keine gestellten Fotos, sondern ersichtliche Amateur-Schnappschüsse
handelte; vielmehr ist nicht auszuschließen, dass gerade diese Art von Fotografien
auf einige Betrachter reizvoll wirkte. Eben diese Wirkung lassen auch die beiden
der Klägerin im Januar 2004 zugegangenen Schreiben kontaktsuchender Männer
erkennen.
Die Tatsache, dass der Beklagte nicht aus kommerziellen Motiven gehandelt hat,
ist entgegen seiner Ansicht kein Grund für eine Ermäßigung des
Schmerzensgeldes, da er vorliegend allein von dem niedrigen Beweggrund
getrieben war, sich an der Klägerin, die sich auf eine Fortführung der Beziehung
mit ihm nicht einlassen mochte, zu rächen.
Der Beklagte kann sich auch nicht, wie mit Schriftsatz vom 23.03.2006 geschehen,
auf eine “affektähnliche Handlung” berufen. Abgesehen davon, dass er selbst
keinerlei konkretes Ereignis nennt, das ihn plötzlich derart hätte außer sich
geraten lassen, weist die Präparierung der Fotos durch Einfügung von Kommentar
und Anschrift vor der Veröffentlichung deutlich auf eine sorgsame und mit
Zielstrebigkeit umgesetzte Planung der Tat hin. Dass er, falls seine Angaben
zutreffen, die Bilder nicht länger als 14 Stunden im Internet zur Verfügung gestellt
hat, entlastet ihn nicht, da in dieser Zeit, wie er auch erkannt hatte, bereits drei
Mitglieder der Tauschbörse die Fotos heruntergeladen hatten und damit die sich
später verwirklichende Möglichkeit bereits eröffnet war, dass diese Bilder über das
Internet verbreitet würden. Die Behauptung des Beklagten, diese Eigendynamik sei
ihm damals nicht klar und jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen, hält das Gericht
für eine reine Schutzbehauptung, denn der Beklagte war sowohl mit der
Wirkungsweise des Internets als auch speziell mit der Funktion derartiger
Tauschbörsen vertraut.
Das von dem Beklagten am 05.04.2003 und damit zwei Wochen nach der bei ihm
durchgeführten Hausdurchsuchung und vorübergehenden Beschlagnahme von PC
und Digitalkamera und nach Einschaltung seines Anwalts gefertigte Schreiben an
die Klägerin (Bl. 66 f. d. beigezogenen Strafakte) wirkt eher wie der Versuch, sich
“reinzuwaschen” als wie der Ausdruck ehrlichen Bedauerns: So wirft der Beklagte
der Klägerin vor, sie habe ihn mit seinen Gefühlen, Wünschen und Hoffnungen
“eiskalt stehen gelassen”, was er als “herzlos und egoistisch” empfinde und “die
Schmerzen, die er ertragen habe”, hätten ihn zu der Unüberlegtheit geführt, die er
“wie in einem Traumzustand” begangen habe. Auch Sätze wie “Statt offen
aufeinander zuzugehen und ehrlich miteinander zu reden, werde ich diese
rechtlichen Folgen (der Verbreitung der Fotos) hinnehmen müssen. Dennoch bin
ich im Rückblick sehr verletzt und enttäuscht über das Geschehene ...”, sprechen
eher für Selbstmitleid als Selbstkritik des Beklagten. Diesen Eindruck erweckte der
Beklagte auch in seiner persönlichen Anhörung, in welcher er einerseits darauf
verwies, dass die Klägerin ja selbst zum Bekanntwerden seiner Handlungen
beigetragen habe, indem sie davon - was er schriftsätzlich als ihre “erfolgreiche
Rache” bezeichnet hat - ihren Bekannten gegenüber gesprochen habe, um
sogleich anschließend zu erklären, über ihn seien Gerüchte im Zusammenhang
mit Kinderpornografie aufgekommen, die dazu geführt hätten, dass man ihn
geschnitten habe, und aus diesem Grunde seien die beiden letzten Jahre die
schlimmsten seines Lebens gewesen.
Für die Höhe des Schmerzensgeldes sind neben der Art und Intention der
Tatausführung insbesondere die Folgen dieser Handlung für die Klägerin von
Bedeutung. Insoweit hat der Beklagte selbst dargestellt, dass eine endgültige
Entfernung der Bilddateien aus dem Internet nach dem derzeitigen technischen
Stand nicht möglich ist, da weder die Identität desjenigen festgestellt werden kann,
der die Bilder herunterlädt, noch zu ermitteln ist, wer diese Bilder erneut einstellt
und damit seinerseits wieder zur Verbreitung freigibt. Da auch die Dateinamen frei
veränderbar und zumindest teilweise auch bereits verändert worden sind, muss
nach den gegenwärtigen Erkenntnissen die Klägerin damit rechnen, zeitlebens von
Dritten auf diesen Fotos “besichtigt” zu werden, ohne dass sie weiß und jemals
kontrollieren kann, ob und wann jemandem aus ihrem Bekanntenkreis diese Bilder
bekannt geworden sind und ob das von Dritten ihr gegenüber an den Tag gelegte
Verhalten auf die Kenntnis von diesen Fotos zurückzuführen ist. Entgegen der
Ansicht des Beklagten ist es damit nicht entscheidend, ob und wann zuletzt die
Klägerin aufgrund eindeutiger Veranlassung durch die Internetveröffentlichung
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Klägerin aufgrund eindeutiger Veranlassung durch die Internetveröffentlichung
konkrete Angebote mit sexuellem Bezug erhalten hat, sondern ihr Leben hat sich
dadurch einschneidend verändert, dass sie auch bei unspezifischen
Verhaltensweisen Dritter wie der Nennung beim Vornamen durch Unbekannte,
einem anzüglichen Grinsen oder - so geschehen, solange sie noch unter der auf
den Fotos angegebenen Anschrift wohnte - nächtlichem Klopfen an die
Fensterscheiben, Klingeln an der Haustür oder Telefonanrufen niemals sicher sein
kann, ob dieses Verhalten nicht aufgrund der im Internet kursierenden Fotos
veranlasst ist. Hinzu kommt, dass die Klägerin fürchten muss, dass auch ihre
Kinder beim Surfen im Internet auf diese Fotos stoßen. Die Gefahr konkreter
Belästigungen an ihrem Wohnort dürfte zwar durch den Wegzug der Klägerin
zurückgegangen sein, jedoch haben sie und ihre Kinder damit auch ihr vertrautes
Umfeld eingebüßt. Insoweit spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass die
Klägerin (...) ausgewandert ist. Auch ein Umzug innerhalb Deutschlands hätte den
Verlust des sozialen Umfeldes zur Folge gehabt, und dass die Klägerin bei einem
Umzug lediglich innerhalb der Stadtgrenzen mit weiteren konkreten
Nachstellungen zu rechnen gehabt hätte, zeigen die nach ihrem unbestrittenen
Vorbringen noch heute vorkommenden Anrufe bei ihrer Namensvetterin. Dass sich
die Klägerin auch nach ihrer Auswanderung nicht sicher vor Nachstellungen fühlt,
ist im Übrigen daraus ersichtlich, dass sie ausdrücklich darum gebeten hat, ihre
jetzige Anschrift nicht preiszugeben.
Insgesamt hält das Gericht in Anbetracht der Tatsache, dass die Klägerin zukünftig
bis auf weiteres mit den im Internet - weltweit - kursierenden verunglimpfenden
Fotos wird leben müssen, auch in Anbetracht der vorgetragenen
Einkommensverhältnisse des Beklagten ein Schmerzensgeld von insgesamt
25.000,00 € für angemessen. Der Beklagte kann sich zu seiner Entlastung nicht
darauf berufen, für die Folgen seiner Handlung, insbesondere das wiederholte
Herunterladen und Neueinstellen der Fotos durch Dritte, nur eingeschränkt
verantwortlich zu sein, weil diese Dritten ihrerseits haften würden. Abgesehen
davon, dass sich aus der Aufmachung der Bilder gerade nicht ergibt, dass durch
das Herunterladen und das erneute Einstellen ins Netz eine unerlaubte, zum
Schadensersatz verpflichtende Handlung begangen wird, lassen sich wegen der
Anonymität der vom Beklagten gewählten Tauschbörse die weiteren Nutzer der
Fotos - zumindest derzeit - nicht ermitteln.
Gleichwohl war auch dem Antrag der Klägerin auf Feststellung der Ersatzpflicht des
Beklagten für künftige Schäden stattzugeben.
Auch wenn gegenwärtig unstreitig keine technische Möglichkeit besteht, die Fotos
(unter sämtlichen derzeit verwendeten Dateinamen) vollkommen und dauerhaft
aus dem Internet zu entfernen, und daher derzeit etwa für eine solche Entfernung
aufgewendete Kosten nicht zum Erfolg führen können, ist es nicht ausgeschlossen,
dass zukünftig ein effizientes Löschungsverfahren entwickelt wird. Die Möglichkeit,
dass ohne eine jetzige Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten dem Grunde
nach die spätere Durchsetzung von Kostenerstattungsansprüchen wegen der
Erhebung einer Verjährungseinrede gefährdet wäre, rechtfertigt das erforderliche
Feststellungsinteresse der Klägerin. Solange im Übrigen die Fotos im Internet
weiterhin vorhanden sind, ist auch die Entstehung neuer Schäden bei der Klägerin
nicht auszuschließen.
Da der Beklagte ein Schmerzensgeld von 2.000,00 € bereits bezahlt hat, war
dieser Betrag von dem angemessenen Schmerzensgeldbetrag von 25.000,00 €
abzuziehen.
Ebenfalls zu erstatten hat der Beklagte die auf den gezahlten Betrag entfallenden
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin, die - nach der seinerzeit
geltenden Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - mit 141,94 € zutreffend
berechnet sind.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.