Urteil des LG Kiel vom 13.03.2017

LG Kiel: ehre, gericht erster instanz, im bewusstsein, strafrechtliche verfolgung, schlichtungsverfahren, presse, rundfunk, prozessvoraussetzung, ehrverletzung, ehrbegriff

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Gericht:
LG Kiel 7.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 S 72/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 Nr 3
ZPOEG§15aAG SH, § 513 Abs
2 ZPO, § 823 Abs 1 BGB
Schlichtungsverfahren als Prozessvoraussetzung: Klage auf
Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen
einer nicht in Presse oder Rundfunk begangenen
Verletzung der Berufsehre; Klageabweisung als unzulässig
durch das Berufungsgericht
Leitsatz
1. Der Begriff der "persönlichen Ehre" in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG umfasst auch die
sog. Berufsehre.
2. Eine gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG schlichtungsbedürftige Streitigkeit über
Ansprüche wegen einer nicht in Presse oder Rundfunk begangenen Verletzung der
persönlichen Ehre liegt auch dann vor, wenn die klagende Partei Ersatz der ihr infolge
der behaupteten Ehrverletzung entstandenen außergerichtlichen
Rechtsanwaltsgebühren verlangt.
3. Eine Klage, die ohne vorherige Durchführung eines erforderlichen
Schlichtungsverfahrens erhoben worden ist, ist in der Berufungsinstanz als unzulässig
abzuweisen, selbst wenn das Gericht erster Instanz die Klage als zulässig angesehen
und eine Entscheidung in der Sache getroffen hat; der Rechtsgedanke des § 513 Abs. 2
ZPO ist nicht entsprechend heranzuziehen.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Plön vom
25.06.2008 (1 C 853/07) abgeändert:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO
abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Verurteilung des Beklagten durch das
Amtsgericht beruhte auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546
ZPO, denn die Klage ist bereits unzulässig.
Dies ergibt sich daraus, dass vor Klagerhebung ein Schlichtungsverfahren nach §
15a EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG hätte durchgeführt werden
müssen. Die streitgegenständlichen Ansprüche waren schlichtungsbedürftig (I.)
und das unterbliebene Schlichtungsverfahren war auch in der Berufungsinstanz
beachtlich (II.).
I.
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG ist, wenn es sich um eine Streitigkeit über
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Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG ist, wenn es sich um eine Streitigkeit über
Ansprüche wegen einer nicht in Presse oder Rundfunk begangenen Verletzung der
persönlichen Ehre handelt, die Erhebung einer Klage erst zulässig, nachdem von
einer Gütestelle nach § 3 LSchliG versucht worden ist, die Streitigkeit
einvernehmlich beizulegen.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Streitgegenständlich sind
Ansprüche des Klägers wegen einer nicht in Presse oder Rundfunk begangenen
Verletzung der persönlichen Ehre. Der Einwand des Klägers, durch die
streitgegenständlichen Behauptungen des Beklagten sei allein seine berufliche
Ehre tangiert, so dass es des obligatorischen Schlichtungsverfahrens nicht bedurft
hätte, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG ist eine
Differenzierung nach der Art der Ehre weder geboten noch überhaupt möglich.
Zwar sollen nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur Streitigkeiten, die aus der
Verletzung der persönlichen Ehre resultieren, schlichtungsbedürftig sein. Die Ehre
eines Menschen kann jedoch nicht in eine persönliche und eine berufliche Ehre
aufgeteilt werden. Der Ehrbegriff hat sich an den strafrechtlichen Bestimmungen
der §§ 185 ff. StGB zu orientieren (Heßler in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 15a
EGZPO Rn. 6). Dies zeigt die Gesetzesbegründung, die auf den Bereich
persönlicher Beziehungen und auf das Sühneverfahren nach § 380 StPO als
Parallelregelung Bezug nimmt (BT-Drucks. 14/980, S. 6). Demnach ist der
Ehrbegriff normativ zu verstehen. Schutzobjekt der Ehre ist der auf die
Personenwürde gegründete, einem Menschen berechtigterweise zustehende
Geltungswert bzw. der daraus folgende Anspruch, nicht unverdient herabgesetzt
zu werden (Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, Vorb. zu § 185 Rn.
1). Im Rahmen der persönlichen Ehre mag zwischen dem sittlichen, personalen
und sozialen Geltungswert differenziert werden, wobei der soziale Geltungswert
berührt sein soll, wenn dem Betroffenen ganz oder teilweise die Fähigkeit
aberkannt wird, seinen Beruf ordnungsgemäß wahrzunehmen (Lenckner in
Schönke/Schröder, Vorb. zu § 185 StGB Rn. 1 und § 185 StGB Rn. 2). Deshalb mag
sich der Kläger vorliegend auch nur in seiner sog. Berufsehre, von der mitunter
auch in gerichtlichen Entscheidungen die Rede ist (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1276 -
1277), verletzt sehen. Dies ändert aber nichts daran, dass unabhängig davon,
welche Sphäre und welcher Geltungswert im Einzelfall betroffen ist, immer zugleich
auch die persönliche Ehre betroffen ist, denn sie vereint den sittlichen, personalen
und sozialen Geltungswert in sich. Demnach ist, wenn einer Person ihre beruflichen
Fähigkeiten abgesprochen wird, gerade auch ihre persönliche Ehre berührt (vgl. AG
Kiel, Urteil vom 06.09.2006, Az.: 109 C 215/06, n.v.; LG Kiel, Beschluss vom
16.11.2006, Az.: 1 S 168/06, n.v.).
Eine Differenzierung zwischen einer persönlichen und einer beruflichen Ehre ist
demnach nicht nur nicht möglich, sie ist auch aufgrund teleologischer Erwägungen
nicht geboten. Gesetzgeberisches Motiv bei Schaffung des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
LSchliG war es, dass es sich "bei Ehrverletzungen im privaten Bereich ohne
presserechtlichen Bezug ... in aller Regel um in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht einfache Konflikte [handelt], die durch eine persönliche Erörterung mit den
Parteien beigelegt werden können" (BT-Drucks. 14/980, S. 6). Ihre Einbeziehung
schien dem Gesetzgeber "auch deshalb sachgerecht, weil für die strafrechtliche
Verfolgung ebenfalls ein Sühneverfahren vorgeschaltet ist (§ 380 StPO) und damit
eine gewisse Gleichwertigkeit des zivil- und strafprozessualen Vorgehens erreicht
wird" (BT-Drucks. 14/980, S. 6). Dass bestimmte Geltungswerte im Rahmen der
persönlichen Ehre nicht schlichtungsbedürftig sein sollten, kann der
Gesetzesbegründung dagegen nicht entnommen werden. Vielmehr stünde dies
der angestrebten Gleichwertigkeit des zivil- und strafprozessualen Verfahrens
entgegen, denn im Rahmen des § 380 StPO wird lediglich auf den Tatbestand der
Beleidigung Bezug genommen, nicht aber zwischen den einzelnen Geltungswerten
der Ehre differenziert (vgl. AG Kiel a.a.O.; LG Kiel a.a.O.). Wenn der Gesetzgeber
gleichwohl in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 LSchliG wie auch in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 3
EGZPO den Begriff der statt nur den der gewählt hat,
bedeutet dies keine Unterscheidung nach den einzelnen Geltungswerten. Vielmehr
kann hierin die Klarstellung gesehen werden, dass zum Katalog
schlichtungsbedürftiger Streitigkeiten nur Streitigkeiten über Ansprüche wegen der
Verletzung der Ehre einer natürlichen Person gehören (vgl. Hüßtege in
Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 15a EGZPO Rn. 3). Diese Klarstellung
erscheint auch geboten. Schließlich hält das Gesetz, wie sich aus § 194 Abs. 3 und
4 StGB ergibt, auch bestimmte Institutionen für beleidigungsfähig, womit es zu
erkennen gibt, dass auch diesen und nicht nur ihren Mitgliedern eine eigene Ehre
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erkennen gibt, dass auch diesen und nicht nur ihren Mitgliedern eine eigene Ehre
zukommt, die unabhängig davon betroffen sein kann, ob auch einzelne Personen
beleidigt sind (Lenckner in Schönke/Schröder, Vorb. zu § 185 StGB Rn. 1).
Nach dem Vorbringen des Klägers macht dieser Ansprüche wegen der Verletzung
seiner persönlichen Ehre geltend. Dies gilt zunächst für die Klaganträge zu 1) und
2). Das behauptete Aufstellen und / oder Verbreiten der Behauptung, der Kläger
verwende in seinem Stall mangelhaftes, insbesondere schimmelbehaftetes Futter
und Stroh und der Kläger habe die Erkrankung des Pferdes des Beklagten
verursacht oder verschlimmert, zumal er nicht rechtzeitig einen Tierarzt gerufen
habe, verletzt den Kläger in dem sozialen Geltungswert seiner persönlichen Ehre.
Verletzungen der persönlichen Ehre liegen vor, wenn der einzelne beschimpft,
verächtlich gemacht oder herabgewürdigt wird, wenn ihm Eigenschaften
zugesprochen werden, die andere als tadelnswert betrachten. Solche
Herabsetzungen erfolgen beispielsweise, wenn der Betroffene eines
strafrechtlichen sanktionierten oder eines moralisch verwerflichen Verhaltens
bezichtigt wird oder wenn ihm menschliche oder berufliche Unzulänglichkeiten
vorgeworfen werden. Dazu genügt zwar nicht jede negative Kritik an Eigenschaften
oder Leistungen, solange sie nicht einen darüber hinausgehenden Vorwurf enthält
(Rixecker in Münchener Kommentar, 5. Aufl. 2000, Anhang zu § 12 BGB Rn. 74). In
diesen Fällen kann die bloß herabsetzende Kritik an gewerblichen Leistungen, wenn
unwahre Tatsachen behauptet werden oder rechtswidrige Wertungen erfolgen,
Ansprüche aus § 824 BGB oder aus § 823 Abs. 1 BGB lediglich unter dem
Gesichtspunkt eines Eingriffs in einen eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb auslösen (Rixecker a.a.O.). Im Einzelfall kann jedoch auch die
persönliche Ehre des Gewerbetreibenden berührt sein, wenn die Äußerungen nach
Form oder Gewicht nicht nur qualitative Mängel des Erzeugnisses oder der
Leistungen betreffen, sondern wenn darüber hinaus individuelle Unzulänglichkeiten
ihres Herstellers oder Anbieters ausdrücklich oder konkludent geltend gemacht
werden. Demnach soll eine Verletzung der persönlichen Ehre vorliegen, wenn das
Gebaren eines Finanzmaklers mit seiner Bezeichnung als "Kredithai" oder
"Geldmafioso" kommentiert wird, einem Rundfunkunternehmen mangelnde
Seriosität in der Nachrichtenauswahl oder -präsentation entgegengehalten wird
oder wenn einem Maschinenbauer vorgeworfen wird, er sei allein bestrebt,
möglichst billigen Schmarren herzustellen; dagegen soll für eine Verletzung der
persönlichen Ehre nicht genügen, wenn einem Gastronomen lediglich
nachlassende Leistungen attestiert werden (Rixecker a.a.O. m.w.N.). Mit den
streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen wird nicht nur die Qualität der
gewerblichen Leistungen des Klägers infrage gestellt. Vielmehr wird er eines
moralisch verwerflichen Verhaltens bezichtigt und es werden ihm berufliche wie
menschliche Unzulänglichkeiten vorgeworfen. Der Vorwurf, Pferden mangelhaftes,
insbesondere verschimmeltes Futter zu geben, verschimmeltes Stroh als Einstreu
zu benutzen und die Erkrankung eines Pferdes verursacht und verschlimmert zu
haben, insbesondere nicht rechtzeitig einen Tierarzt verständigt zu haben,
bedeutet nämlich im Ergebnis, dem Kläger einen rücksichtslosen Umgang mit ihm
anvertrauten Tieren vorzuwerfen. Dies wiederum wirft ein negatives Licht auf die
Persönlichkeit des Klägers, so dass gerade nicht nur gewerbliche Leistungen in
Rede stehen, sondern auch die Persönlichkeit des Klägers als solche. Soweit diese
Äußerungen zugleich geschäftsschädigend gewesen sein sollten und negative
wirtschaftliche Folgen für den Kläger gehabt haben sollten, handelt es sich hierbei
lediglich um Folgen der Ehrverletzung, die die Schlichtungsbedürftigkeit nicht
entfallen lassen.
Auch bei den weiteren Klaganträgen zu 3) und 4) handelt es sich um Streitigkeiten
infolge der Verletzung der persönlichen Ehre. Dies bedarf im Hinblick auf den
Antrag, dem Beklagten gemäß § 890 Abs. 2 ZPO Ordnungsmittel für den Fall der
Zuwiderhandlung anzudrohen, keiner weitergehenden Erläuterung. Aber auch
soweit der Kläger mit dem Klagantrag zu 4) Ersatz seiner außergerichtlichen
Rechtsanwaltskosten verlangt, ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
LSchliG eröffnet. Unter Streitigkeiten im Sinne dieser Vorschrift fallen nämlich nicht
nur Unterlassungs- und Widerrufsansprüche, sondern auch
Schadensersatzansprüche (Hüßtege in Thomas/Putzo, § 15a EGZPO Rn. 3).
II.
Die Klage ist aufgrund des nicht durchgeführten Schlichtungsverfahrens auch noch
im Berufungsverfahren als unzulässig abzuweisen, auch wenn die erstinstanzliche
Entscheidung zu Unrecht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen ist.
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Zwar wird teilweise vertreten, dass sich die Nichtdurchführung eines
vorgeschriebenen Schlichtungsverfahrens in der Berufungsinstanz nicht mehr
auswirkt, wenn das Gericht erster Instanz die Klage als zulässig angesehen hat und
eine Entscheidung in der Sache getroffen hat (vgl. LG Marburg NJW 2005, 2866 -
2867; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 513 ZPO Rn.
5; Bausch, JR 2007, 444 - 446). Dabei wird darauf abgestellt, dass anderenfalls die
vom erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit aus einem bloß formalen
Gesichtspunkt hinfällig würde und es der Prozessökonomie widerspräche, wenn die
Gerichte nach Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erneut mit derselben
Sache belastet würden. Um dies zu vermeiden, sei der Rechtsgedanke des § 513
Abs. 2 ZPO entsprechend heranzuziehen. Schließlich habe das nicht durchgeführte
Schlichtungsverfahren ebenso wie die Missachtung von Zuständigkeitsvorschriften
keinen Einfluss auf die Entscheidung in der Sache gehabt.
Dieser Auffassung vermag sich die Kammer - wie auch die wohl herrschende
Meinung (OLGR Frankfurt 2008, 814 - 816; OLG Saarbrücken NJW 2007, 1292,
1293; Heßler in Zöller, § 15a EGZPO Rn. 25; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 15a
EGZPO Rn. 2; Rimmelspacher/Arnold, NJW 2006, 17 - 19) - nicht anzuschließen.
§ 513 Abs. 2 ZPO stellt eine Ausnahmevorschrift dar, der keine allgemeinen
Schlussfolgerungen auf andere Zulässigkeitsvoraussetzungen zu entnehmen sind.
So hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 22.10.2004
(NJW-RR 2005, 501 - 504) ausgeführt, dass § 513 Abs. 2 ZPO die Nachprüfung der
angefochtenen Entscheidung nur einschränke, soweit allein der Festlegung des
zuständigen Gerichts dienende Vorschriften in Rede stehen. Die Anwendung
sonstiger Normen, die einen anderen Zweck verfolgen, sei dagegen nach
allgemeinen Grundsätzen zu prüfen (BGH NJW-RR 2005, 501, 502). Als eine solche
sonstige Norm hat der Bundesgerichtshof in der besagten Entscheidung § 1 Abs. 1
S. 1 BadWürttSchlG angesehen, der § 1 Abs. 1 S. 1 LSchliG im Wesentlichen
entspricht. Hiermit ist bereits klargestellt, dass weder eine unmittelbare oder
analoge Anwendung des § 513 Abs. 2 ZPO noch eine Übertragung des
Rechtsgedankens dieser Vorschrift in Betracht kommt. Die Durchführung des
Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung ist vielmehr eine in jeder Lage des
Verfahrens von Amts wegen zu prüfende, unverzichtbare besondere
Prozessvoraussetzung (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2007, 1292, 1293).
Diese Sichtweise wird auch durch die Vorschrift des § 532 ZPO bestätigt. Hiernach
sind verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen - namentlich die
Zulässigkeitsrügen der fehlenden Ausländersicherheit (§§ 110 ff. ZPO), der
fehlenden Kostenerstattung (§ 269 Abs. 6 ZPO) und der Schiedsklausel (§ 1032
ZPO) - in der Berufung nur in engen Grenzen überprüfbar. Im Wege des
Umkehrschlusses ergibt sich, dass unverzichtbare Zulässigkeitsvoraussetzungen
wie die des vorgeschalteten obligatorischen Schlichtungsverfahrens grundsätzlich
vollumfänglich zu prüfen sind (Rimmelspacher/Arnold, NJW 2006, 17, 18). Die
Erforderlichkeit des Schlichtungsverfahrens zeigt auch keine Parallelität zu den
verzichtbaren Zulässigkeitsrügen auf. Letztere betreffen nämlich
Zulässigkeitsvoraussetzungen, die ausschließlich Parteiinteressen dienen. Darin
liegt die innere Rechtfertigung für die Obliegenheit der Parteien, im eigenen
Interesse die Beachtung der jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzung durch
rechtzeitige Rüge zu erzwingen. Das obligatorische Schlichtungsverfahren verfolgt
dagegen gerade auch ein öffentliches Anliegen, nämlich die Entlastung der Justiz
durch die Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung (vgl. BT-Drucks.
14/980, S. 5; BGH NJW-RR 2005, 501, 503; Rimmelspacher/Arnold a.a.O.).
Dieses Ziel ließe sich, folgte man der Gegenansicht, nicht verwirklichen. Die
fehlende Kontrolle in den Rechtsmittelinstanzen würde nämlich nicht dazu
beitragen, dass sich das obligatorische Schlichtungsverfahren als dem
gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltete Institution im Bewusstsein sowohl
der erstinstanzlich tätigen Gerichte als auch der Rechtsuchenden und der
Anwaltschaft verankert.
Dass eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage als
unzulässig im Einzelfall wie hier dazu führen mag, dass sich eine insgesamt
längere Verfahrensdauer und höhere Verfahrenskosten ergeben, ist hinzunehmen.
Prozessökonomische Überlegungen dürfen sich zum einen nicht nur auf den
Einzelfall beziehen, sondern müssen die vom Gesetzgeber gewollte Regelung des
Verfahrensgangs unter Einschluss des obligatorischen Schlichtungsverfahrens
berücksichtigen (BGH NJW 2005, 437, 439; LG Kiel SchlHA 2006, 359, 360). Zum
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berücksichtigen (BGH NJW 2005, 437, 439; LG Kiel SchlHA 2006, 359, 360). Zum
anderen kann durch die aufgrund der uneingeschränkten Kontrolle in den
Rechtsmittelinstanzen gewährleistete Förderung der Etablierung der
obligatorischen Streitschlichtung dem gesetzgeberischen Ziel des § 15a EGZPO
und darauf basierend des § 1 LSchliG gedient werden, indem bewirkt wird, dass in
Zukunft in vielen anderen Verfahren Kosten gespart und Gerichte entlastet werden
(vgl. Rimmelspacher/Arnold a.a.O.).
Es kann auch nicht zwangsläufig angenommen werden, dass infolge der
Nichtanwendung des Rechtsgedankens des § 513 Abs. 2 ZPO die vom
erstinstanzlichen Gericht geleistete Sacharbeit hinfällig wäre. Diese kann nämlich
durchaus auch Auswirkungen auf ein Güteverfahren haben (vgl. OLG Frankfurt
a.a.O.). Deshalb kann derzeit auch nicht prognostiziert werden, ob die Parteien im
Rahmen eines Schlichtungsverfahrens nicht doch zu einer gütlichen Beilegung
ihrer Streitigkeit gelangen. Im Übrigen kommt es auf die Erfolgsaussichten eines
entsprechenden Verfahrens für die Frage, ob eine Klage, die ohne ein vorheriges
Schlichtungsverfahren erhoben worden ist, zulässig ist, nicht an (vgl. BGH NJW
2005, 437, 438).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
11, 711, 713 ZPO.