Urteil des LG Karlsruhe vom 26.07.2005

LG Karlsruhe: beihilfe, selbstanzeige, wirtschaftsprüfer, staatsanwalt, auskunft, schneeballsystem, verdacht, firma, steuerstrafverfahren, amtspflicht

LG Karlsruhe Urteil vom 26.7.2005, 2 O 60/03
Amtshaftung: Beihilfe zum Betrug durch Außenprüfer des Finanzamtes; Amtsmissbrauch; Drittschutz; Anzeigepflicht von Straftaten – FlowTex-Urteil
Leitsätze
1. Keine Beihilfe zum Betrug durch Außenprüfer des Finanzamts, die bei einer Betriebsprüfung feststellen, dass Leasing- und Mietraten nicht durch wirtschaftlichen Einsatz der geleasten Geräte erwirtschaftet werden, sondern durch die Erlöse
aus dem Verkauf der Geräte an Leasinggesellschaften.
2. Zu den Voraussetzungen des Amtsmissbrauchs.
3. Amtspflichtverletzungen von Betriebsprüfern, Steuerfahndern und Staatsanwaltschaften begründen mangels Drittschutzes grundsätzlich keine Staatshaftung.
4. Zur Anzeigepflicht von Straftaten durch Betriebsprüfer.
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des beklagten Landes und des Streithelfers tragen
der Kläger Ziffer 1
1,7 %,
der Kläger Ziffer 2
1,5 %,
der Kläger Ziffer 3
1,2 %,
und die Klägerin Ziffer 4
95,6 %;
ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger jeweils selbst.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger machen unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung Ansprüche in einer Höhe von insgesamt über einer Milliarde Euro geltend.
2
Die Kläger
3
Kläger sind drei Insolvenzverwalter (der FTI und der Herren Manfred Sch. und Dr.-Ing. Klaus K.) sowie eine aus 116 Gläubigern (darunter ebenfalls die
Insolvenzverwalter) bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
4
Hierbei machen die Insolvenzverwalter den so genannten Gesamtschaden gem. § 92 InsO geltend, der den Gläubigern entstanden ist, die zum Zeitpunkt der Schadensersatz begründenden Handlungen bereits in Rechtsbeziehung zu
den Insolvenzschuldnern standen. Die zeitlich nach den Schadensersatz begründenden Handlungen entstandenen Schäden (sog. Individualschäden) wurden von den Gläubigern in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht
.
5
Der FlowTex-Betrug
6
Im Zentrum des so genannten FlowTex-Betruges stand die von Manfred Sch. und Dr.-Ing. Klaus K. kontrollierte Gesellschaft
FlowTex ... GmbH & Co KG
genannten grabenlosen Leitungsbau tätig. Die zunächst von der US-Firma Fl.M. lizenzierte und von Dr.-Ing. K. für deutsche Böden weiterentwickelte Horizontalbohrtechnik erlaubt es, unterirdisch Kabel- und Versorgungsleitungen zu
verlegen, ohne die Oberfläche aufzureißen. Die erforderlichen Horizontalbohrsysteme bestanden zunächst aus einem Lkw mit fest installierter Versorgungseinheit und einem Anhänger zum Transport des
Bohrgeräts (sog. Lkw-Systeme); später entwickelte Dr.-Ing. K. die so genannten „Shelter-Systeme“, bei denen keine speziellen Lkw und Anhänger mehr erforderlich waren, sondern die Geräte sich in einem Container (Shelter) befanden.
Die HBS wurden dabei über die Gesellschaft
KSK ... GmbH & Co. KG
KSK an Leasinggesellschaften für einen Stückpreis von 1,1 Mio. DM bis 1,6 Mio. DM verkauft. Allerdings existierten tatsächlich weniger als zehn Prozent der verkauften HBS. Bei Überprüfungen durch Leasinggesellschaften wurden
„Vorführmaschinen“ mit jeweils neuen Produktionsnummern versehen, Einsatzbestätigungen und Standortlisten wurden gefälscht.
7
Die Leasinggesellschaften verleasten die HBS an die FTI. Die FTI wiederum setzte die HBS nicht selbst ein, sondern vermietete sie an so genannte
Servicegesellschaften
und KG E. (im Folgenden:
FTS E.
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Da die Einnahmen aus der Vermietung der wenigen vorhandenen HBS nicht ausreichend zur Deckung der laufenden monatlichen Leasingraten waren, mussten die aus dem Verkauf der HBS erhaltenen Beträge von der KSK an die FTI
weitergeleitet werden. Dies geschah unter den Titeln „Ersatz für Leasingaufwand, Umsatzprovisionen und Ersatzteilprovisionen“. Da die Beträge aber nur eine gewisse Zeit zur Deckung der laufenden Leasingraten ausreichten, musste
die KSK weitere nicht existierende HBS verkaufen, um der FTI die zur Aufrechterhaltung des Schneeballsystems notwendigen Mittel zur Bedienung der Leasingverträge zur Verfügung stellen zu können.
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Die KSK finanzierte aber nicht nur die FTI, sondern auch die T.C., die von Manfred Sch. - ohne Wissen von Dr. K. - dazu benutzt wurde, seinen Lebensunterhalt durch Privatentnahmen zu finanzieren. Ferner wurde durch die KSK die
Gesellschaft P. finanziert, die unter dem Titel „Erschließungssubventionen“ Geld bekam; dieses wurde von Matthias Sch. zur Zahlung von Leasingraten, für seine privaten Bauvorhaben, zum Kauf einer Villa in Südfrankreich und mehrerer
Yachten benutzt.
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Die Beherrschung aller Elemente des Systems - FTI, KSK, Servicegesellschaften - wurde durch Sch. und Dr. K. verschleiert, um unter Hinweis auf die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit dieser Unternehmen die Forderungen
der Kredit gewährenden Banken und Leasinggesellschaften nach Vorlage der Bilanzen der KSK und der Servicegesellschaften abzuwehren. Aus diesem Grunde wurde bei der KSK A. N. als Gesellschafterin vorgeschoben, während für
die Servicegesellschaften die Liechtensteiner Firma F. AG als Muttergesellschaft installiert wurde. Tatsächlich standen Sch. und Dr. K. sowohl hinter der KSK als auch den Servicegesellschaften.
11
Auf diese Weise sind der Sch./K.-Gruppe von Leasinggesellschaften im Zeitraum zwischen 1991 und 1999 ca. 4,7 Milliarden DM zugeflossen. An Leasingraten sind über die Jahre hinweg zur Aufrechterhaltung des Schneeballsystems
ca. 2,9 Milliarden DM gezahlt worden.
12
Am 04. Februar 2000 sind die Haupttäter Sch. und Dr. K. verhaftet worden.
13
Mit Urteil vom 18. Dezember 2001 sind sie vom Landgericht Mannheim wegen Betrugs und bandenmäßigen Betrugs zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden .
14
In grundsätzlich gleicher Vorgehensweise wurden auch bei der von Matthias Sch., dem Bruder von Manfred Sch., beherrschten P. GmbH & Co KG Leasingverträge über nicht vorhandene HBS, wenn auch in geringerem Umfang,
abgeschlossen. Auch P. trat selbst nur als Vermieter der über Leasinggesellschaften finanzierten Systeme auf und vermietete die gelieferten HBS an die Firma P. France S.a.r.l., eine Art Holdinggesellschaft, die das Horizontalbohrsystem
in Frankreich entwickeln sollte.
15
Wegen dieser Betrugstaten sowie wegen Beihilfe zum FlowTex-Betrug hat das Landgericht Mannheim Matthias Sch. mit Urteil vom 12. März 2002 zu einer langjährigen Haftstrafe
verurteilt.
16
Verurteilt wegen Betrugs und bandenmäßigen Betrugs wurden auch A. N. und Karl Sz. , wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Betrug auch der Vertraute von Matthias Sch., M. C.
.
17
Das Handeln der Finanzbehörden
18
Vorgeschichte:
19
- Der angebliche Raubüberfall
20
Im Jahre 1986 wurde auf Manfred Sch. ein Raubüberfall verübt, in dessen Folge an die Familie Sch. Versicherungsleistungen in Höhe von 3 Mio. DM gezahlt wurden.
21
Am 16. August 1995 gestand ein als Täter des Raubüberfalls beschuldigter Privatdetektiv, dass es sich bei dem Raubüberfall auf Manfred Sch. um ein mit diesem abgestimmtes Vorgehen zum Versicherungsbetrug gehandelt habe. Dies
führte sodann zu einem Ermittlungsverfahren gegen Manfred Sch., über das auch in der Presse berichtet wurde, und zu Wohnungsdurchsuchungen. Das Verfahren wurde im Mai 1996 eingestellt.
22
- Frühere Scheingeschäfte
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Im Dezember 1991 bis Januar 1993 fand bei der Unternehmensgruppe der Brüder Manfred und Matthias Sch. eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1990 statt. Diese deckte Scheingeschäfte mit einem Volumen
von 163 Mio. DM (netto) auf. Manfred und Matthias Sch. teilten zusätzlich Scheingeschäfte in Höhe von weiteren 84 Mio. DM mit, die außerhalb des damaligen Prüfungszeitraums lagen. Die Scheingeschäfte hatten angabegemäß zum
Ziel, insbesondere die Bonität gegenüber den Kreditinstituten zu erhöhen. Über den genauen Umfang der Scheinrechnungen (sog. „Sachverhalt F.“) wurde das Betriebsprüfungsreferat der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe im Juli 1992
informiert. Im Zeitraum vom 14. September bis 03. November 1993 wurden gegen Matthias Sch. und Manfred Sch. auf Grund dieses Sachverhalts Strafverfahren wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung eingeleitet. Die
Verfahren wurden später durch die Staatsanwaltschaft Baden-Baden gegen Zahlung von Geldbußen in Höhe von 85.000 DM (Matthias Sch.) und 60.000 DM (Manfred Sch.) eingestellt.
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Die Feststellungen der Betriebsprüfung zur Verwendung von Scheinrechnungen wurden im Betriebsprüfungsbericht der KSK vom 05.05.1993 dargestellt, der auch bei der Betriebsprüfung der KSK und der FTI durch den Betriebsprüfer
AR S. vorlag.
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- Die „Sf.-Gelder“
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Am 13. Oktober 1994 erstattete die Sparkasse Pforzheim eine Verdachtsanzeige gem. § 11 Geldwäschegesetz gegen Rechtsanwalt Sf., den „Syndikus“ der FlowTex-Firmengruppe. Diese Anzeige gelangte am 17. Oktober 1994 an die
Staatsanwaltschaft Karlsruhe - Zweigstelle Pforzheim. Mit Verfügung vom 08. Juni 1995 wurde die gemeinsame Finanzermittlungsgruppe (GFG) Polizei-Zoll mit den weiteren Ermittlungen beauftragt. Im Zeitraum 27.07. bis 06.09.1995
unterrichtete die GFG die Steuerfahndung beim Finanzamt Karlsruhe-Durlach und übergab Unterlagen über die Geldtransfers des Rechtsanwalts Sf. Dieser hatte hohe Mio.-DM-Beträge von der KSK überwiesen bekommen, von seinem
Anderkonto abgehoben und anschließend regelmäßig das FTI-Firmengelände aufgesucht. Eine Auskunft über den wirtschaftlich Berechtigten der Gelder hatte er am 06. Oktober 1994 verweigert.
27
Das Ermittlungsverfahren wurde am 23. Mai 1996 mangels Tatverdachts eingestellt, die Akte jedoch der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Karlsruhe-Durlach zur Kenntnisnahme und Auswertung übersandt.
28
Betriebsprüfung 1990/1991 bis 1993
29
In der Zeit vom 27. September 1995 bis 29. Dezember 1997 wurde eine Betriebsprüfung bei den Gesellschaften und Personen der Sch./K. Gruppe durchgeführt. Sie begann mit der Prüfung der FTI und der FTS E. am 27. September 1995
und endete mit der Erstellung des Betriebsprüfungsberichts der FTI vom 29. Dezember 1997.
30
Die Prüfung der KSK begann am 22. April 1996 und wurde mit Prüfungsbericht vom 10. Juli 1997 abgeschlossen.
31
Die Prüfungen der P.-Gesellschaften begannen am 23. September 1996 und wurden mit Prüfungsbericht vom 23.10.1997 abgeschlossen.
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Betriebsprüfungszeiträume waren für FTI und KSK sowie bezüglich der natürlichen Personen Manfred Sch., Dr. K., A. N. die Veranlagungszeiträume 1990/91 bis 1993. Der Prüfungszeitraum für P. und Matthias Sch. erstreckte sich bis
1994.
33
Alle genannten Gesellschaften wurden u.a. durch den Betriebsprüfer Amtsrat Manfred S. geprüft, der seit 15. Januar 1996 an den Betriebsprüfungen teilnahm. Ferner war Regierungsrat Gr. als
Prüfer beteiligt. Die Matthias-Sch.-Gesellschaften und Matthias Sch. selbst wurden von dem Betriebsprüfer Steueramtmann H. beim Finanzamt Rastatt geprüft.
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In demselben Zeitraum waren auch die Finanzämter Düsseldorf-Nord, Finsterwalde, Hamburg, Ingolstadt und Saarbrücken mit Betriebsprüfungen bei FlowTex-Servicegesellschaften befasst.
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- Selbstanzeige vom 05.02.1996
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Am 05. Februar 1996 erstatteten A. N., Manfred Sch., Dr. K. und Rechtsanwalt Sf. Selbstanzeige bei dem Finanzamt Weimar und bezichtigten sich der Steuerhinterziehung. Dies geschah im
Hinblick auf die angekündigte Betriebsprüfung bei der KSK und die im Zuge der Ermittlungen gegen Rechtsanwalt Sf. bekannt gewordenen „Sf.-Gelder“.
37
A. N. gab an, 86 Mio. DM aus der KSK herausgezogen und auf ein Konto von Rechtsanwalt Sf. in Pforzheim transferiert zu haben. Rechtsanwalt Sf. habe dann die Gelder abgehoben und ihr wieder bar ausgehändigt. A. N. gab in der
Selbstanzeige weiter an, die Anteile der KSK treuhänderisch für Manfred Sch. und Dr. K. zu halten, „wie dies im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1988 bis 1990 festgestellt worden ist“.
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Die Selbstanzeige wurde am 08. Februar 1996 telefonisch vom Finanzamt Erfurt der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts Karlsruhe-Stadt mitgeteilt. An demselben Tag übergab Rechtsanwalt Kn., einer der Berater von Manfred Sch.,
die Selbstanzeige schriftlich der Betriebsprüfungsstelle. Zu einer Besprechung am 08.02.1996 im Finanzamt Karlsruhe-Stadt hielt AR S. fest :
39
„..., es wäre aus „Schmiergeldzahlungen“ bei der KSK in Höhe von ca. 40 Mio. DM bei einer Umbuchung ...Vorsteuer (14 %/15 %) herausgerechnet worden. Rechnungen für die Schmiergelder mit USt-Ausweis liegen nicht vor,
sodass die Vorsteuer tatsächlich zu Unrecht abgesetzt wurde...
40
Insgesamt handelt es sich um Schmiergelder in der Größenordnung von 60 bis 80 Mio. DM. Die Schmiergelder wurden durch RA Sf., Pfh., in bar über sein Konto abgehoben. Wer die Schmiergelder erhielt, konnte Kn. nur mit
dem Hinweis auf Aktivitäten der Firma T.C. im Osten (Litauen, Tschechien, Russland) erklären...
41
Die Selbstanzeige wurde auch i. N. und Auftrag von M. Sch. und Dr. K. erstattet, da über die Treuhandvereinbarung nicht Frau N., sondern die Herren Sch. und Dr. K. tatsächlich Gesellschafter der KSK seien - das
Treuhandverhältnis ist immer noch unklar - daher die Vorsichtsmaßnahme“
42
Manfred Sch. stellte in der Folgezeit seine Gesellschafterstellung bei der KSK in Frage. Am 12. Februar 1996 hielt AR S. in einem Aktenvermerk über ein Gespräch mit Manfred Sch.
Folgendes fest:
43
„...M. S. verneinte das Bestehen eines Treuhandvertrages... M. S. möchte jedoch in keinem Fall mit der Hinterziehung und einer möglichen Eröffnung eines Strafverfahrens etwas zu tun haben. Verweis - derzeitige
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen -Beteiligung Baden-Airport...“
44
Aussagekräftige Unterlagen zur Verwendung der Gelder wurden trotz mehrfachen Aufforderungen der Betriebsprüfer nicht vorgelegt
37 und vom 10.07.1996 Anl. B 113>.
45
Am 25.04.1996 wurde in einer Besprechung beim Finanzamt Erfurt im Beisein der dortigen Steuerfahnder und des Leiters der Straf- und Bußgeldsachenstelle Erfurt Dr. Sp. beschlossen, die Betriebsprüfer sollten die Prüfung weiter
durchführen und versuchen, das angeblich bestehende Treuhandverhältnis aufzuklären.
46
Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen an sich gezogen, im Mai 1996 wurde das Verfahren jedoch an die Staatsanwaltschaft Mannheim abgegeben.
47
Auf Drängen der Betriebsprüfer nach einer klaren Erklärung gaben Sch., Dr. K. und A. N. am 05.06.1996 eine schriftliche Erklärung ab, wonach A. N. die Anteile an der KSK im eigenen Namen und für eigene Rechnung halte und danach
nicht Treuhänderin sei .
48
- Anonyme Anzeige vom 25.04.1996
49
Am 25. April 1996 ging beim Finanzamt Weimar telefonisch eine anonyme Anzeige ein, wonach die KSK 1.000 HBS verleast hatte, obwohl nur 129 tatsächlich hergestellt seien
Anl. K 7/63 = Anl. K 7/134>. Die Anzeige wurde bei den Besprechungen vom 10.05.1996 in Erfurt und am 20.05.1996 bei der OFD Karlsruhe erörtert.
50
- Anonyme Anzeige vom 04.05.1996
51
Am 04.05.1996 ging bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe eine anonyme Anzeige wegen „Steuerhinterziehung, Urkundenfälschung, Investitionsbetrug“ ein. In dieser Anzeige
wurde behauptet, die Firma FlowTex habe von der KSK weit über 700 HBS geleast, die Systeme seien jedoch nie produziert worden.
52
Bei einer Besprechung am 10.05.1996 beim Finanzamt Erfurt zwischen der Steuerfahndung Erfurt, der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach und der Betriebsprüfung Karlsruhe kamen sowohl der Raubüberfall aus dem Jahre 1986 als auch
die beim Finanzamt Weimar eingegangene telefonische anonyme Anzeige zur Sprache.
53
AR S. teilte bei einer Besprechung am 13.05.1996 auf die Frage der
Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach nach steuerlichen und sonstigen Vorteilen des in der telefonischen Anzeige behaupteten Sachverhalts mit, es handle sich dabei
54
„um eine reine Finanzierungsmethode..., die auf einen Betrug gegenüber den Banken hinauslaufe“.
55
Er wurde gebeten,
56
„eine Stückzahlrechnung über die hergestellten und verleasten Systeme zu fertigen und zu untersuchen, welche steuerlichen oder sonstigen Vorteile sich bei der angezeigten Methode ergeben.“
57
- Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe
58
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Staatsanwalt Z., leitete ein Verfahren zur Prüfung eines Anfangsverdachts gegen Manfred Sch. und Dr. K. ein und übermittelte den Vorgang der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach. Die Steuerfahndung
Karlsruhe-Durlach wurde um Mitteilung gebeten, ob
59
„dort Erkenntnisse im Hinblick auf die in der anonymen Strafanzeige genannten Steuerdelikte etc. vorhanden“
60
seien .
61
- Die Systemüberprüfung
62
Den Betriebsprüfern wurde in einer Besprechung vom 20.05.1996 bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe der Auftrag erteilt, die Betriebsprüfung fortzuführen, von den Beteiligten bis 30.06.1996 eine „eindeutige und klare Darstellung der
Gesellschaftsverhältnisse“ anzufordern und das Vorhandensein der HBS mit den Mitteln und Möglichkeiten der Betriebsprüfung im Prüfungszeitraum 1991 bis 1993 zu überprüfen. In einem Aktenvermerk
20.05.1996 StA Mannheim 401 Js 22627/01 AS. 1935 = Anl. K 7/133 = Anl. K 74 = Anl. B 35> über diese Besprechung wurde Folgendes festgehalten:
63
„Verkauf der Geräte-Einheiten an Leasinggesellschaften Anmietung der Geräte-Einheiten durch verbundene Unternehmen „Verteilung des Rohgewinns“ an die verbundenen Unternehmen progressive Zunahme der
Leasingverträge“
64
Der Betriebsprüfer AR S. notierte sich zu dieser Besprechung :
65
„- Problem Systeme> Betrugsverdacht lt. anonymer Anzeige bei StA
66
- Problem nicht rechtzeitiges Einschalten der StA bzw. Steufa> Durchsuchung wenn Betrugsverdacht sich ergibt
67
- Beachtung bei Bp : wenn Verdacht auf Betrug hinsichtlich der Anzahl der Systeme, dann ggf. Strafverfahren, sonst Verwertungsverbot.
68
... Jedoch Einlassung von Frau N. u. M. Sch., dass an KSK vorbei durch FTI Systeme fremd gefertigt wurden, welche dann KSK für 0 DM überlassen wurden. Die Gelder der SA sind hierzu teilweise verwendet worden."
69
Der Steuerfahnder Oberamtsrat Gl. hielt in einem Aktenvermerk zu dieser Besprechung fest:
70
„Dabei ist als Ergebnis festgestellt worden,...
71
... dass die Stückzahlen der durch die KSK erstellten an die FlowTex u.a. verkauften und teilweise über fremde Leasinggesellschaften verleasten Systeme (Bohrvorrichtungen mit oder ohne LKW) bisher nicht eindeutig geklärt
sind. Nach der telefonischen anonymen Anzeige gegenüber dem FA Weimar werden angeblich 1.000 Maschinen verleast obwohl nur 129 Stck. hergestellt worden seien. Durch die Bp wird angenommen, dass die Zahl 1.000
den aktuellen Stand betrifft und von ihr nicht nachvollzogen werden kann, da der PZ bis einschließlich 1993 umfasst. Nach den bisherigen Feststellungen der Bp sollen 369 Systeme bis zum 31.12.93
buchhalterisch vorhanden gewesen sein. Anhaltspunkte, dass diese körperlich nicht vorhanden sein könnten, hat die Bp allerdings bisher nicht. Die Überprüfung hierzu läuft schon einige Zeit. Die Bp hat u. a. Nachweise über die
Herstellung der Systeme (beispielsweise über Daimler-Benz) gefordert...
72
Gleichzeitig sollen die Stückzahlen bzw. ihr körperliches Vorhandensein der buchmäßig erfassten Systeme nachvollzogen und festgestellt werden. Die Gefahr der Strafvereitelung durch Handlungen der BP (die ein
Verwertungsverbot auslösen) ist durch Herrn St. angesprochen worden. Die Glaubwürdigkeit der beim FA Weimar eingegangenen Anzeige kann aber sicher besser beurteilt werden, wenn sich für den PZ bis 31.12.93
Diskrepanzen bestätigen oder auflösen..."
73
Nach einem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Mannheim wurde bei einem Telefongespräch am 21.05.1996 besprochen, dass die
Betriebsprüfung die Lieferfirmen D., Do., W. um Auskunft über die Zahl der tatsächlich gelieferten Bohreinheiten ersuche. Dies erfolgte jedoch nicht.
74
Die Betriebsprüfer hatten bereits festgestellt, dass der Materialeinsatz bei KSK in einem Missverhältnis zur Zahl der verkauften Systeme stand .
75
Auf Anforderung der Betriebsprüfer hatte ihnen der Geschäftsleiter und technische Leiter der KSK Da. am 30.04.1996 Listen (die so genannten „Da.-Listen“) mit drei Ordnern (Bestellungen FTI - KSK,
Auftragsbestätigungen, Bestellungen KSK - Unterlieferanten, Abnahmeprotokolle) über gekaufte HBS und Hersteller übergeben. Die Zahlen von 91 gekauften Bohrgeräten und 94 gekauften Sheltern (bis 31.12.1993) bzw. von 181 und
175 (im Frühjahr 1996) Systemen wichen stark von den in der Buchhaltung der KSK geführten 372 (Ende 1993) bzw. ca. 1.000 verkauften Systemen (Frühjahr 1996) ab; Da. erklärte, es könne nicht stimmen, dass 300 Geräte vorhanden
sein müssten .
76
Die Prüfer ließen sich von der Geschäftsführung der FTI und A. N. erläutern, Da. habe keinen vollständigen Überblick und wisse nichts von den zur „Einsparung“ von Lizenzgebühren im Ausland produzierten Geräten, dass nämlich
wegen Lizenzstreitigkeiten mit der amerikanischen Firma Fl.M. von 1988 bis Anfang 1994 unter höchster Geheimhaltung mit der eigenen Produktion begonnen worden sei und Unterlagen, die auf die unerlaubte Herstellung von Geräten
hindeuteten, aus den Unterlagen entfernt worden seien .
77
Tatsächlich war der Prozess mit Fl.M. schon beendet (nach klägerischer Darstellung im Januar 1992, nach beklagtischer im September 1993), was aus den Wirtschaftsprüferberichten zur Bilanz 1993 hervorging
Jahresabschluss 1993 der FTI Anl. K 7/35>.
78
Der Betriebsprüfer AR S. hielt zu der Besprechung u.a. fest :
79
„Es wurde dargestellt, dass durch die Bp es nicht nachvollziehbar sei, dass im Pz ca. 370 Systeme durch KSK zu 98 % an FTI bzw. Leasingfirmen - Leasingnehmer FTI - veräußert wurden, der Materialeinsatz bei KSK aber nur für
ca. 77 Systeme bis Abnahmedatum 31.12.1993 nach den Aufzeichnungen der KSK-Technik Einkäufe vorhanden seien. Nach Angaben von Frau N. wurde von dieser erklärt, dass sie die Systeme von FTI für 0 DM übernommen
hätte, was auch in der Inventur 31.12.1991 u. 1992 dokumentiert sei. Die HK dieser Systeme seien von FTI getragen, der entstandene Gewinn würde durch Mietrückberechnung, Royalitys
royalties (engl.) = Lizenzgebühren>, fiktive Ersatzteillieferungen durch FTI wieder abgesaugt...
80
Bp
81
Es wurde dargelegt, dass der Nachweis der über KSK veräußerten Systeme tatsächlich durch FTI hergestellt wurde erbracht werden müsse. Bloße Erklärungen reichen nicht aus, da auch die Rechnungsstellung so wenig
Aussage enthält, die Systeme fast ausschließlich an FTI oder die FlowTex Service Ges. veräußert wurden, also keine Fremdverkäufe vorlägen. Auch die geänderte Bauweise vom LKW-System zum Sheltersystem mache die
Nachprüfung ohne geeignete Unterlagen oder Bezugs Nachweise unmöglich.
82
Es wurde auch darauf verwiesen wo der Markt für so viel Systeme in der BRD sei?“
83
Sch. erklärte dem Betriebsprüfer AR S., ein großer Teil der Systeme sei produziert, jedoch „auf Halde“ gestanden und zahlreiche stünden immer noch herum
2611 = Anl. K 7/101 = Anl. B 37>.
84
Ein Abgleich der Da.-Liste mit den Verkaufsunterlagen, wie er bei den Lkw-Systemen anhand der Fahrgestellnummern vorgenommen werden konnte, war bei den Shelter-Systemen wegen unterschiedlicher Bezeichnungen in
Herstellungs- und Verkaufsunterlagen zunächst nicht möglich. In den KSK-Rechnungen wurde eine von FTI vorgegebene interne Ident-Nummer verwendet, während im Fertigungsbereich der KSK die Sheltersysteme mit FPU-Nummer
und Motor-Nummer des Herstellers KHD bezeichnet waren.
85
Die Betriebsprüfer erhielten zunächst von A. N. am 03.06.1996 eine Liste der von der KSK in den Jahren 1991 bis 1993 verkauften HBS <„N.-Liste“, Anl. K 58>. Danach waren 1991 30 Lkw-Systeme und 44 Shelter-Systeme, 1992 120
Shelter-Systeme, 1993 178 Shelter-Systeme, insgesamt also 372 HBS verkauft worden.
86
Am 03.07.1996 erhielt der Betriebsprüfer AR S. von Sch. und Dr. K. Standortbescheinigungen zehn ausländischer Gesellschaften über 284 Bohrsysteme, die angeblich 1991 bis 1993 nicht nur verkauft, sondern auch eingekauft worden
seien. Beigefügt waren auch Mietverträge, wonach diese HBS beginnend 1994 - bis einschließlich 1996 unentgeltlich - an die Gesellschaften vermietet sein sollten.
87
Der Betriebsprüfer AR S. stellte in Auswertung der Unterlagen die Abnahmedaten der Lkw-Systeme durch KSK den Rechnungsdaten gegenüber ; hierbei
ergab sich bei 12 Lkw-Systemen, die von Januar bis April 1991 verkauft wurden, dass diese erst Monate und Jahre nach dem Verkauf durch den Unterlieferanten an die KSK ausgeliefert wurden. Da. teilte auf Anfrage S.s mit
Da. vom 10.07.1996 Anl. K 61>:
88
„Die LKW´s, welche der Fa. KSK zum Weiterverbau übergeben wurden, hatten keinen Aufbau.
89
Nach dem Verbau wurden die Anlagen durch den Unterlieferanten mit dem Aufbau, vor der Auslieferung an die Fa. KSK, zugelassen.“
90
Ob eine von AR S. formulierte Aufforderung zur Stellungnahme gegenüber Sch. und Dr. K. diesen vorgelegt wurde, ist unklar; sie blieb jedenfalls auch nach Erinnerung
Nr. 6 vom 05.09.1996 Anl. B 139> ohne Antwort.
91
Die Betriebsprüfer forderten für 45 von AR S. willkürlich ausgewählte Systeme die Vorlage von Ausfuhrzollbelegen, Übergabeprotokollen, Mietverträgen, Nachweisen der Mietzahlungseingänge etc. an
11.07.1996 Anl. K 89>. Vorgelegt wurden daraufhin lediglich Mietverträge, sodass Zweifel der Betriebsprüfer verblieben. Der Betriebsprüfer AR S. berichtete der Steuerfahndung am 17.07.1996
17.07.1996, Anlage B 54> über die Ergebnisse der Anfragen und erstattete über die bisherigen Prüfungsmaßnahmen am 21.07.1996 einen Zwischenbericht
1942 = Anl. K 7/161 = Anl. K 59>.
92
Nachdem der Betriebsprüfer AR S. telefonisch vom Abschlussprüfer der FTI Dr. R. Einsatzlisten der Systeme anforderte, erfuhr er, der Abschlussprüfer habe solche Listen erst ab 31.12.1994
65>.
93
- „Kr.-Vermerke“
94
Am 02. und 03. Juli 1996 wandte sich ein Beamter des Finanzamts Karlsruhe-Durlach, Kr., an die Steuerfahndung des Finanzamts und teilte mit, ein Bekannter, der kürzlich bei FlowTex ausgeschieden sei, sich jedoch nicht gegenüber
der Steuerfahndung äußern wolle, habe interessante Anmerkungen gemacht; diese beschrieben im Wesentlichen das in der anonymen Anzeige beschriebene Modell.
95
Die Angaben wurden in zwei Aktenvermerken festgehalten , in denen es u. a. heißt:
96
"Steuerliche Hintergründe konnten dabei allerdings nicht geschildert werden. Hauptgrund sei wohl mehr die Finanzierung über eine Art "Schneeballsystem".
97
Als besonders beachtenswert erscheinen folgende Angaben des Bekannten von Herrn Kr.:
98
1. Einer der Betriebsprüfer sei sechs Wochen in der Karibik gewesen.
99
2. Vor ca. vier bis fünf Monaten sei eine Durchsuchungsaktion bei der Fa gewesen.
100
3. Herr Sch. wisse von der anonymen Anzeige. Sch. gehe aber davon aus, dass deshalb auch durch die Bp nichts herauskomme, denn: ´Er habe die Leute gekauft´ - ´Er habe die Herren in der Tasche´. Zusammenhang mit 1.?
101
4. Mindestens für 200 Einheiten seien Luftgeschäfte durchgeführt worden. Den Bp gegenüber seien diese als Auslandsgeschäfte deklariert worden. Auf dem Papier seien die Geschäfte korrekt dargestellt. Man müsse sie mit den
vorhandenen Einheiten im Einzelnen abgleichen.
102
5. Auch einer der Bankdirektoren bei der BfG oder BW-Bank sei geschmiert...der Bekannte habe keine eindeutigen Beweise, keine schriftlichen Unterlagen, er habe aber verschiedene FOTOS von Fahrzeugen - ohne Aufbauten
u.ä.
103
...
104
der Bekannte hat ergänzend geäußert, dass
105
- insgesamt nur 186 Anlagen insgesamt produziert worden seien,
106
- davon 86 bei D. und 100 bei El. in Italien,
107
- der Frau N., bei der KSK sei (Gesellschafterin?) gehöre die El.,
108
- es müsse wohl teilweise auch Kfz oder mindestens entsprechende Papiere geben, für die Aufbauten gar nicht produziert worden seien,
109
- die Wechselaufbauten seien reine Luftgeschäfte, damit vermeide man die Nachweisprobleme von Fahrzeugen mittels Kfz-Briefen,
110
...
111
- er gehe davon aus, dass Sch. mindestens einen Betriebsprüfer in der Hand habe..."
112
- Der „Gewinnmarge-Vermerk“
113 Am 21.07.1996 hielt der Betriebsprüfer AR S. in einem Aktenvermerk („Gewinnmarge-Vermerk“) fest, er habe fünf Lkw-Systeme selbst überprüft:
114
„dabei konnte ich feststellen, dass diese LKW-Systeme mit LKW-Kauf 1990/91 heute erst zwischen 500 und 3.500 km gefahren wurden. Dies würde wieder dem entsprechen, was durch die Geschäftsführer von FTI vorgebracht
wird, es wurde auf Halde produziert, die fälligen Leasingraten wurden über KSK-Gewinnmarge refinanziert...,"
115 Auf geäußerte Zweifel, ob die Mieter überhaupt so viele Systeme bräuchten, habe Manfred Sch. erläutert, man wolle beim Marktaufbau
116
„klotzen, nicht kleckern“.
117 AR S. erstellte in einem Schriftstück vom 22.08.1996
= Anl. B 66> mit der Überschrift „Betrachtung bei KSK 1991 bis 1993“ folgende Tabelle:
118
„Geld aus VK
./. Mietraten
./. Royalties
./. Fiktive Schul., Ersatzteile
verbleibendes Geld“
119
- Der „Kegel-Vermerk“
120 In einem Aktenvermerk vom 02.09.1996 (sog. „Kegel-Vermerk“) hielt AR S. über ein Gespräch mit A. N. fest:
121
„Ich machte nochmals anhand des Kegels deutlich, dass m.E. eine Abkehr von der begonnenen Finanzierungsform schwer möglich ist, da derzeit monatl. Leasingraten von ca. 21 Mio. DM über die KSK aufgebracht werden
müssen, dies damit FTI seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.“
122 Mit Schreiben vom 16.09.1996 teilte die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach der Staatsanwaltschaft Karlsruhe unter Rückgabe der übersandten
Akte mit, nach dem Ergebnis der bisherigen Vorermittlungen schieden steuerstrafrechtliche Aspekte bei der Beurteilung der Anzeige aus; auf Grund der Selbstanzeigen seien jedoch gegen die Verantwortlichen der KSK
Steuerstrafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Mannheim anhängig.
123
- Das WP-Testatverfahren
124 Schließlich wurden Testate von Wirtschaftsprüfern über die Existenz von 45 willkürlich aufgelisteten Bohrsystemen mit Standorten in Spanien, Italien, Griechenland, Irland und Holland verlangt
Mannheim 401 Js 1009/01, 401 Js 3479/01 = Anl. K 7/167>. Mit der Durchführung wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X., München beauftragt, die ausländischen Wirtschaftsprüfer wurden allerdings von Dr. K. ausgesucht. Um die
Testate zu erhalten, verbrachten Sch. und Dr. K. „Vorführmaschinen“ in verschiedene europäische Länder.
125 Für 43 Systeme wurden im Dezember 1996 Testate vorgelegt , ein Gerät in Rom wurde nicht bestätigt; allerdings wurden teilweise andere als die angeblichen Standorte bestätigt, teils wurden nicht die vorgegebenen
Bestätigungsformulare benutzt, großenteils fehlten Angaben zum Lkw-Kennzeichen; zwei Prüfer mit insgesamt 8 Bestätigungen waren keine Wirtschaftsprüfer.
126 Auf wiederholte Aufforderungen, die externen Nummern der Shelter-Systeme den internen Ident-Nummern zuzuordnen, hatte Manfred Sch. am 11.10.1996 eine entsprechende Aufstellung übergeben.
127 Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Freiburg-Land hielt später zu der Liste fest:.
128
"Die Auflistung enthält einerseits Motornummern, die auch in der Da.-Liste und entsprechenden Abnahmeprotokollen aufgeführt und damit belegbar sind. Die weiteren, nicht aus Herstellungsunterlagen belegbaren
Motornummern ergeben sich in strenger auf- oder absteigender Zahlenfolge zu den belegbaren. Aufsteigenden Systemnummern, von der KSK chronologisch in aufsteigenden Erfolgen vergeben, sind Motornummern in ebenso
streng aufsteigender numerischer Folge zugewiesen. Diese Darstellungen indizieren nicht nachvollziehbare aufeinander abgestimmte Abläufe in verschiedenen Unternehmen:
129
- die bekannten Unterlieferanten der KSK (Firma D. und H. Schwerin) und nicht benannte (angebliche) Herstellerfirmen im Ausland müssten von der De. AG mit Motoren desselben Produktionslaufs beliefert worden sein.
130
- die Produktion von Shelter-Versorgungseinheiten (Verbau der Motoren) folgte bei der Firma D. bzw. H. Schwerin und den unbekannten ausländischen Herstellern nach aufsteigender Motornummer in zeitlich aufeinander
abgestimmter Folge...
131
Von 98 hergestellten Einheiten der Da.liste können nach der Identifikationsliste 85 Ausgangsrechnungen der KSK zugeordnet und datenmäßig verglichen werden. Der Datenvergleich zeigt, dass sämtliche nach dem 31.
Dezember 1993 hergestellten Einheiten Ausgangsrechnungen der Jahre 1991, 1992 und 1993 zugeordnet sind. Auch bei Einheiten, die bis 31. Dezember 1993 hergestellt waren, datiert die Ausgangsrechnung der KSK
üblicherweise vor dem Herstellungsdatum. Insgesamt liegen in 83 von 85 Fällen die Rechnungsdaten vor den Herstellungsdaten, zeitliche Abweichung 191 bis 1001 Tage."
132
- Die IZA-Auskunft
133 Auf eine Anfrage der Steuerfahndung des Finanzamts Karlsruhe nach den angegebenen ausländischen Mietfirmen der HBS teilte das Bundesamt für Finanzen (IZA) am 08.10.1996 unter
anderem mit,
134 - zu I.M., Spanien (1 HBS):
135
„existente Gesellschaft auf dem Gebiet der Verlegung von Gasleitungen tätigt“
136 - zu F.S., Italien (39 HBS):
137
„existente Gesellschaft, Baufirma“
138 - zu A., Griechenland (46 HBS):
139
„existente Gesellschaft, auf dem Gebiet des Imports und des Großhandels medizinischer Geräte tätig“
140 - zu I.B., Tschechien (3 HBS):
141
„existente Gesellschaft, Bauunternehmen“
142 - zu M. T., Italien (3 HBS):
143
„existente Gesellschaft, auf dem Gebiet des Verlegens von Rohren tätig“
144 - zu M. M., Spanien (59 HBS):
145
"Dem Vernehmen nach beabsichtigt er die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen in Kürze einzustellen";
146 - zu C. M., Niederlande (34 HBS):
147
"nur geringfügig aktiv, Räumlichkeiten gemietet... außer der Geschäftsleitung kein Personal... besitzt keinen eigenen Telefonanschluss..."
148 - zu P. M., Spanien (41 HBS):
149
"Tätigkeit Ende 1993 eingestellt und Antrag auf den gesetzlichen Zustand der Zahlungseinstellung bei Gericht eingereicht";
150 - zu D. C., UK (46 HBS):
151
"gem. letzt veröffentlichter Bilanz 31.12.1992 war die Firma inaktiv, gemäß den Jahresmeldungen für 1993 und 1994 soll man jedoch Glas- und Konservierungsarbeiten durchgeführt haben... nach mehrfachen Mahnungen und
Androhungen der Streichung aus dem Handelsregister erfolgte dies am 30.5.1995, Auflösung am 6.6.1995 in London Gazette publiziert..."
152 Die Betriebsprüfer erhielten diese Auskunft am 15.11.1996.
153 In einem Arbeitspapier vom 04.02.1997 zur Vorbereitung einer Besprechung zwischen der OFD Karlsruhe und den Betriebsprüfern am 05. Februar
1997 wurde ausgeführt, der geforderte Nachweis von 45 Systemen sei durch Wirtschaftsprüfertestate erbracht worden. Ferner:
154
„9. Grundsatzdiskussion über Leasing/Mietübernahme durch KSK, wenn Systeme nicht im Einsatz sind“
155 und:
156
„Geldüberstellung KSK> T.C. 19.608.303
157
Die Geldverwendung erfolgte i.H. v. ca. 9 Mio. als PE Manfred Sch.- jedoch lt. Bp Zurechnung als vGA bei A. N., da privates Darlehen unterstellt wird. Restbetrag von ca. 10 Mio., Verwendungsnachweise nicht erbracht, daher als
vGA bei A. N. zugerechnet
158
Möglichkeit, dass die Gelder für den Aufbau der T.C.-Firmen im westlichen Ausland - Tschechei, Litauen, Polen - verwendet wurden ist gegeben, jedoch Nachweis nicht erbracht. Sollte Nachweis erbracht werden, dann erneute
Zurechnungsprüfung u. Behandlung...“
159 Das Ergebnis der Systemüberprüfung wurde über die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach der Staatsanwaltschaft Karlsruhe mitgeteilt. Telefonisch wurde mit Staatsanwalt Z. besprochen, unter bestimmten Umständen liege Kreditbetrug
vor . In einer schriftlichen Mitteilung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach an die Staatsanwaltschaft vom
14.04.1997 wurde jedoch lediglich mitgeteilt, eine nach dem Zufallsprinzip erfolgte Überprüfung von 43 HBS im Ausland habe keine Beanstandungen ergeben. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellte daraufhin das
Verfahren ein .
160
- Der „Gewinnverprobungs-Vermerk“
161 In einer Aufstellung vom 16. April 1997 („Gewinnverprobung“) hielt der Betriebsprüfer AR S. Folgendes fest:
162
- Gang des Steuerstrafverfahrens
163 Das auf die Selbstanzeige eingeleitete Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen an die Staatsanwaltschaft Mannheim abgegeben.
164 Der Sachgebietsleiter der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach St. hielt in einem Aktenvermerk vom 29.04.1997 fest:
165
„Die unterschiedliche Darstellung der Rechtspositionen der Herren Sch. und K. sowie Frau N. im Jahre 1993 (vgl. Schriftsatz vom 04.02.1993) und im Jahre 1996 (vgl. Schriftsatz vom 05.06.1996) wurde geprüft.
166
Die wirtschaftliche Machtstellung der Herren Sch. und K. dürfte nach wie vor feststehen.
167
Die dargestellte Rechtsposition im Jahre 1996 kann im Moment nicht weiter von Fahndungsseite aufgeklärt werden. Strafprozessuale Maßnahmen zur Erhellung der Sach- und Rechtslage erscheinen nicht erfolgversprechend.“
168 Bei einer Besprechung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach (St., Gl., Si.) bei der Staatsanwaltschaft Mannheim (Staatsanwältin Kz.) wurde besprochen, inwieweit den Beschuldigten Sch. und K. eine Verstrickung in
Steuerhinterziehungen der A. N. im Zusammenhang mit der KSK nachgewiesen werden kann .
169 Mit Schreiben vom 09.06.1997 an die Staatsanwaltschaft Mannheim führte die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach, Sachgebietsleiter St., unter Beifügung der
Erklärung N./Sch./Dr. K. vom 05.06 1996 aus:
170
„Eine Beteiligung der Herren Sch. und Dr. K. an der KSK kann für den Prüfungszeitraum von hier aus nicht nachgewiesen werden. Damit liegt die Verantwortung für die bei der KSK und deren Gesellschafterin eingetretenen
Steuerverkürzungen allein bei A. N. Bei den übrigen genannten Personen ist ein steuerunehrliches Verhalten daraus nicht nachzuweisen.“
171 Die Staatsanwaltschaft Mannheim stellte daraufhin am 24.06.1997 das Steuerstrafverfahren gegen Manfred Sch. und Dr. K. nach § 170 Abs. 2 StPO ein ,
da der Verdacht, dass die verdeckten Gewinnausschüttungen zu Gunsten von Sch. und Dr. K. erfolgt seien, nicht aufrecht zu erhalten sei, nachdem ein Treuhandverhältnis bezüglich der Gesellschaftsanteile der KSK nicht nachzuweisen
sei; ebenso wenig ließen sich Beihilfehandlungen Sch.s und Dr. K.s zu Steuerstraftaten nachweisen. Die Ermittlungsverfahren gegen A. N. und Rechtsanwalt Sf. wurden abgetrennt und an die Staatsanwaltschaft Mühlhausen abgegeben.
Im Nachgang übersandte die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach an die Staatsanwaltschaft Mannheim ein Schreiben von Rechtsanwalt Sf. vom 14.07.1996 , wonach er
172
„die Zahlungen an N.I./FL auf Wunsch der KSK ... vorgenommen“,
173 im Übrigen
174
„die Gelder nach Abhebung in bar an Frau A. N. übergeben habe“,
175 und eine Bestätigung von A. N. vom 16.07.1996 , Rechtsanwalt Sf. habe die
176
„von uns zur Verfügung gestellten Gelder gemäß unseren Weisungen an die zuständigen Empfänger weitergeleitet“.
177 Im März 1999 kam es zu einem Telefongespräch zwischen Staatsanwalt D., Staatsanwaltschaft Mühlhausen, und AR Manfred S. wegen dieses Ermittlungsverfahrens, über dessen Inhalt AR S. notierte
S. vom 30.03.1999 StA Mannheim 401 Js 22627/01 AS. 1723 = Anl. K 7/121>:
178
„1. D. will Sache vom Tisch haben und Einstellung nach 153a mit Auflage hinwirken
179
2. Stellungnahme soll Gesamtkompromiss kurz umreißen...
180
3. D. möchte keine neuen Tatsachen erhalten, die ihm § 153a verwehren.
181 Mit Schreiben vom 25.11.1999 an die Staatsanwaltschaft Mühlhausen, Staatsanwalt D., führte AR S. die Steuerrückstände für den Prüfungszeitraum 1990 bis 1993 (Zinsen und Säumniszuschläge) auf und führte aus
vom 25.11.1999 Anl. K 7/200 = Anl. K 33>:
182
„Wie schon mündlich ausgeführt wäre die Betriebsprüfung daran interessiert das Verfahren im Einvernehmen mit dem FA Erfurt einem Ende zuzuführen. Ich kann hiermit in Abstimmung mit dem Hauptsachgebietsleiter
Betriebsprüfung Herr Re.dir. Bm. unsere Bereitschaft erklären, bei Bedarf die Sachlage aus der Bp 1990 -1993 Vorort im gemeinsamen Gespräch mit dem FA Erfurt zu erläutern. Vielleicht würde sich hieraus die Möglichkeit einer
gemeinsam tragfähigen Entscheidung herbeiführen lassen...“
183
- Betriebsprüfungsbericht KSK vom 10.07.1997
184
185 In dem Betriebsprüfungsbericht für die KSK sind an folgenden Stellen Geldtransfers von KSK an FTI erwähnt:
186
Kapitel 1.10.1 Rückübertragung Alleinvertriebsrechte 10.07.1991 von FTI GmbH mit einem Betrag von DM 4,3 Mio. in 1991
187
Kapitel 1.13.1 Leasing/Mieteübernahme nicht genutzter, jedoch von FTI GmbH oder Leasingfirmen verkaufter Systeme mit insgesamt 103 DM Mio. (1991 DM 13,8 Mio., 1992 DM 31,6 Mio., 1993 DM 57,2 Mio.)
188
Kapitel 1.13.2 Übernahme der Mietkosten von Systemen, welche durch die P.-Gruppe Rastatt geleast wurden mit DM 1,9 Mio. in 1992 und DM 7,5 Mio. in 1993
189
Auf S. 19 am Ende: „Für die Zukunft sind jedoch klare vertragliche Vereinbarungen für eine Anerkennung von wirtschaftlich begründeten Mietkosten notwendig.“
190
- Betriebsprüfungsbericht FTI vom 29.12.1997
191
192 Im Bericht über die Außenprüfung bei FTI wird ein Patentverletzungsverfahren mit der Fa. Fl.M. in den USA als Grund für „Zahlungsmodalitäten mit Pauschalbeträgen“ und eine dadurch geminderte Transparenz der Buchhaltung und des
Belegwesens auf Grund von Verschleierungen im Bereich der Lieferantenrechnungen angeführt.
193 Zu der Überprüfung der HBS ist ausgeführt :
194
„ Die Überprüfung der Bohrsysteme gestaltete sich sehr schwierig. Ein Großteil der Bohrsysteme ist im Pz von Leasingfirmen geleast. Die Verwendung - Weitervermietung der Bohrsysteme konnte
für den Pz nicht vollständig nachvollzogen werden. Von der Bp wurde versucht, die Überprüfung der Vollständigkeit der Systeme für den Pz vorzunehmen. Hierbei konnte die Bp auf Prüfungskenntnisse bei der Lieferfirma KSK ...
zurückgreifen. Es wurde eine Standortübersicht für alle Rohrsysteme des Pz zum Zeitpunkt „Juli 1996“ angefordert. Die Standorte bzw. Vermietungen mussten ferner durch Mietverträge belegt werden.
195
Aus der Standortübersicht und den vorgelegten Mietverträgen ergab sich, dass ca. 300 Systeme an Firmen mit Sitz im europäischen Ausland ab 1994 vermietet waren. Die Auslandsvermietungen erfolgten erst nach dem Pz,
zuvor standen die Bohrsysteme als „Poolsysteme“ dem Franchisepartner zur Verfügung. Für die Stillstandszeit übernahm die Herstellerfirma KSK GmbH den Mietausfall.
196
Für die Auslandsvermietungen wurde ein weiterer Nachweis von 15 % = 45 Rohrsysteme per Zufallsauswahl gefordert.
197
Die Bohrsysteme waren körperlich aufzunehmen und durch einen WP vor Ort zu testieren. Dies erfolgte über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft... München. Das von der Bp vorgegebene Anforderungsprofil wurde eingehalten,
die Systemspezifika wurden ermittelt und durch die beauftragten Personen testiert.
198
Die so geforderten 45 Nachweise wurden letztlich am 21.01.1997 erbracht. Weitere 10 Systeme wurden am Standort Rheinhafen - K. durch die Betriebsprüfer selbst überprüft.
199
Die Bp kann davon ausgehen, dass die per Zufallsauswahl überprüften Bohrsysteme als Spiegelbild des gesamten Leasingbohrsysteme und der bilanzierten Bohrsysteme für das Vorhandensein herangezogen werden können."
200
- Betriebsprüfungsbericht F. AG
201 Zu Beginn der Tätigkeit der FTI war diese selbst an den FlowTex-Servicegesellschaften beteiligt. Zum Jahreswechsel 1990/1991 wurden die Anteile an die Gesellschaft F. AG, Vaduz/Liechtenstein verkauft. Der Aufforderung der
Finanzverwaltung, die die F. AG als Briefkastengesellschaft ansah, deren Gesellschafter offen zu legen, kam die FTI zunächst nicht nach. Im Rahmen der Betriebsprüfung sollte die steuerliche Behandlung der F. AG überprüft werden. Im
November 1995 erklärte Mohammed Yassin Do., Gesellschafter der F. AG zu sein .
202 Nachdem die Finanzverwaltung daraufhin die Offenlegung der Gesellschafter seit Gründung der F. AG verlangte, wurden von Do. Unterlagen beigebracht, wonach er als Treuhänder für seine Schwägerin R. Al. seit Gründung der F. AG
Gesellschafter sei.
203 Diese Unterlagen, die im Juli 1996 der Betriebsprüfung vorgelegt wurden, waren gefälscht.
204 Im Betriebsprüfungsbericht der F. AG heißt es:
205
„Die Bp hat hinsichtlich der Firma F. AG umfangreiche Ermittlungen vorgenommen, welche letztlich ergaben, dass hinter der Firma F. AG die saudische Staatsbürgerin R. Al. vertreten durch den Bevollmächtigten Mohammed
Yussin Do., steht. Es werden der Bp die Gründungsunterlagen sowie die Geschäftsberichte der F. AG vorgelegt.“
206 Außerhalb der Finanzverwaltung wurden die Erkenntnisse der Betriebsprüfung nicht mitgeteilt.
207
Betriebsprüfung bei P. und Steuerstrafverfahren gegen Matthias Sch.
208 P./Matthias Sch. betrieb ein ähnliches Schneeballsystem wie FTI, versteuerte jedoch im Unterschied zu FTI den größten Teil der von KSK erhaltenen Zahlungen nicht. Dies wurde von der Betriebsprüfung entdeckt und gegen Matthias
Sch. ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, das von der Staatsanwaltschaft Baden-Baden und dem Amtsgericht Baden-Baden am 31.03.1997 mit einem Strafbefehl über eine Geldstrafe von 2,448 Mio. DM abgeschlossen wurde.
209 Im Verlauf der Betriebsprüfung bei P. wurde festgestellt, dass zwei Bohrsysteme mit den Endnummern 98 und 99 bilanziert waren. Diese Systeme existierten nicht. Dr. K. bestätigte auf Nachfrage, dass es nach der eigenen Nummern-
Systematik keine Systeme mit Endnummern unter 100 gebe.
210 Der Betriebsprüfer Manfred H. hielt in einem Aktenvermerk über die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens am 28.10.1996 an Verdachtsgründen fest :
211
„... 1. Subventionszahlungen im Wert von rund 40 Mio. für Shelter-Bohr-Systeme, die in Deutschland eingesetzt werden gewinnmindernd nach Frankreich gegeben wurden.
212
2. Die Existenz von zwei bilanzierten Bohrsystemen (AK netto 2.676.000 DM) bislang weder von Matthias Sch. noch vom Hersteller nachgewiesen wurde.
213
3. Von P. KG erfolgten Geld-Abflüsse am 02.05.93 (200.000 DM) und am 27.05.1993 (5.500.000 DM). Die Beträge wurden als Stammkapitalerhöhung der Tochterfirma P. France S.a.r.l. deklariert.
214
Es liegt eine Rechnung der Energie Invest (Liechtenstein) vom 01.06.93 vor, mit welcher der Verkauf von vier Shelter-Systemen in Höhe von 5,7 Mio. DM an P. France berechnet wird. Die Rechnung beinhaltet den Zufluss obiger
Zahlungen..“
215
- Grafik „System 245“
216 AR S. erstellte für eine Besprechung mit der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach am 15.11.1996 am 14.11.1996 eine grafische Übersicht
mit Anl. K 35> über Zahlungsflüsse zwischen P., FTI, KSK und Leasingfirmen am „Beispiel System 245“:
217 In einem weiteren Schaubild S.s vom 28.02.1997 wird zu den Subventionen vermerkt:
218
„1. Wertschöpfung bei KSK Verkauf 1,31 Mio. DM Herstellung ca. 400 TDM Rohergebnis 910 TDM
219
2. Abgabe von 880 TDM, Liquidität bei PDKG u. IF über den Zeitraum des Leasingvertrages
220
- Arbeiten die Systeme, dann zusätzlicher Gewinn
221
- Arbeiten die Systeme nicht, Deckung der Leasingraten über die Subvention.“
222 Über die Gewinnverwendung ist in einem weiteren Schaubild S.s vermerkt:
223
“Baubereich Matth. Sch.“
224 und:
225
„Liechtenstein ? Mio.“
226 In einem Aktenvermerk zu einer Besprechung mit französischen Finanzbeamten am 29.02.1997 wird erläutert:
227
„Von KSK wird pro System eine Subvention in Höhe von DM 880,000,00 an Firmen von MS bezahlt. Über die Subventionszahlungen wird wirtschaftlich der beim Verkauf an die Leasingfirmen gezahlte (oder finanzierte)
Überpreis an MS zurückgegeben. Die Subventionen verschaffen MS erhebliche Liquidität. Arbeitet ein System nicht, wird die Subvention zur Deckung der Leasingraten eingesetzt.“
228 Im Prüfungsbericht für P. GmbH & Co KG heißt es:
229
„Subventionen/“Markterschließungskosten“ KSK GmbH
230
Von KSK GmbH wird pro System eine Subvention/Provision in Höhe von 880.000 DM an die Gruppe Matthias Sch. bezahlt. Die Subventionszahlungen werden in den vertraglichen Vereinbarungen mit KSK GmbH auch als
Markterschließungskosten bezeichnet. Die Subventionen/Provisionen verschaffen der Gruppe Sch. erhebliche Liquidität, sodass für vorrätige Systeme diese Mittel zur Deckung von Leasing- und Bankverpflichtungen eingesetzt
werden können.“
231 Da P. Subventionen für HBS erhielt, die nach Frankreich vermietet worden waren, für die sie also im Saldo die Leasingraten nicht selbst aufbringen musste, rechnete die Betriebsprüfung ca. 52 Mio. DM Subventionen der P. und
Industriefinanz Matthias Sch. zu, die in Deutschland nur zum geringen Teil versteuert worden waren, sodass sich der Gewinn um 38 Mio. DM bei der P. insgesamt für die Jahre 1991 bis 1994 erhöhte,
232
Folge-Betriebsprüfung ab 1999 und Ermittlungsverfahren
233 Für die anschließenden Veranlagungszeiträume 1994 bis 1997 begannen ab 1999 bei den FlowTex-Unternehmen die nächsten Betriebsprüfungen („Folge-Betriebsprüfung“).
234 Im Juli 1999 und am 28.09.1999 kam es hierbei zu Besprechungen der Betriebsprüfer beim BKA in Wiesbaden. Bei der zweiten Besprechung wurden von den Betriebsprüfern die Erkenntnisse über die Finanzierungsform
sowie über Lieferwege und Lieferkreise des FlowTex-
Konzerns dargelegt.
235 In einem Aktenvermerk vom 03. Februar 2000 ist festgehalten:
236
„Zur Finanzierung des KSK-Verkaufsgeschäfts wird, initiiert durch die FlowTex, eine Leasinggesellschaft zwischengeschaltet. Mit dieser Leasinggesellschaft schließt die KSK GmbH einen Kaufvertrag über die Lieferung des
Systems ab. Daraufhin wird der KSK der vereinbarte Kaufpreis ausgezahlt. Die Leasinggesellschaft finanziert ihren Kaufpreis über eine Bank (Direktfinanzierung oder Factoring). Die FlowTex GmbH/KG least von der
Leasinggesellschaft das System. Die vereinbarten Leasingraten werden in der Folge durch die FlowTex GmbH/KG aufgebracht. Wirtschaftlich trägt allerdings die KSK diese Aufwendungen, da sie planmäßig Provisionen an die
FlowTex abzuführen hat.“
237
„Die FlowTex erhält von der KSK Provisionen u. dgl., die sie in die Lage versetzt, die Leasingraten zu bedienen. Gleichzeitig wird dadurch bei FlowTex ein erheblicher Gewinn ausgewiesen. Im Pz 1994-1997 kann in geringem
Umfang von tatsächlichen Einnahmen aus Systemvermietung als auch durch Leistungen ausgegangen werden. Der weitaus größere Bereich der Einnahmen entsteht durch Neuverkäufe von Systemen und der damit
einhergehenden Generierung von Gewinnen. Dies ist das typische Merkmal eines sog. „Schneeballsystems“.
238
„Die Täuschung der Leasinggesellschaften und Refi-Banken konnte nur durch das Zusammenwirken von KSK GmbH und FlowTex GmbH/KG stattfinden. Eine der wesentlichen Voraussetzungen war, dass KSK GmbH und
FlowTex GmbH/KG nach außen wie Fremde auftraten. Durch die Verschleierung der tatsächlichen Gesellschaftsverhältnisse konnte ein Außenstehender ... das Zusammenwirken nicht erkennen.“
239
„Manfred Sch. ist kaufmännischer GF der Flowtex GmbH/KG und muss als der Kopf und Finanzier der Gruppe bezeichnet werden. Ohne seine Zustimmung sind finanzielle Transaktionen in der Flowtex GmbH/KG und der KSK
GmbH nicht möglich. Hier kann von der Bp die Aussage getroffen werden, dass Anweisungen gegenüber der KSK GmbH und deren GF Frau A. N. egal ob Gesellschafterstellung oder nicht, befolgt werden.“
240
„Rund 25 Mio. Zahlungen in 1994 und 1995 über den Rechtsanwalt Sf. als „private Vorgänge“ zu werten sind (vgl. Selbstanzeige für die Jahre 1991 bis 1995)“
241
„Die P. - Matthias Sch. betreibt das gleiche Geschäftsfeld wie die Flowtex GmbH/KG auch er kaufte und leaste von Leasingfirmen Bohrsysteme an, wie dies auch bei Flowtex GmbH/KG der Fall war - gleiches Schema wie KSK
GmbH.“
242 Über den Steuerberater Josef W.:
243
„Er hatte spätestens seit der Selbstanzeige im Januar 1996 Kenntnis von den Vorgängen der erheblichen Geldschöpfung bei den Systemverkäufen und den Geldtransfers zwischen KSK GmbH und Flowtex GmbH/KG. Die
Geldtransfers, welche wesentlich das Erlösbild der Flowtex GmbH/KG prägten, dienten letztlich dazu, durch außerordentlich gute Bilanzergebnisse die Leasinggesellschaften zur Akzeptanz der Leasinggeschäfte zu
veranlassen.“
244 Der Betriebsprüfer H. hielt in einem Vermerk über die Besprechung fest:
245
„Sachvortrag Finanzamt Karlsruhe
246
Den Beteiligten wurden die verschiedenen Lieferwege und Lieferkreise im FlowTex-Konzern für die Jahre bis einschließlich 93/94 dargestellt. Aus den bisherigen Kenntnissen der Bp ist der Lieferkreis über Spanien, Gibraltar
und Portugal dadurch zu erklären, dass im Konzern versucht wird, Nachweise (Transportpapiere) für die Existenz von nicht existierenden Systemen zu beschaffen. Die Systeme werden im Konzern über Leasingfirmen verkauft
und verschaffen der FlowTex-Gruppe erhebliche Liquidität. Im letzten Prüfungsturnus wurde die Existenz von Systemen bezweifelt. Letztendlich konnte nur im Bereich P. 6 Systeme nachgewiesen werden, die nicht existierten."
247 Die Folge-Betriebsprüfung führte am 31.01.2000 zur Information des Finanzministeriums sowie der Staatsanwaltschaft Mannheim über die gewonnenen Erkenntnisse, worauf es am 04.02.2000 zur Verhaftung von Sch. und Dr. K. und
einer Durchsuchungsaktion kam. Die Betriebsprüfer AR S., StAM H. und M. waren auf Grund ihrer Sachkenntnis Mitglieder der Sonderkommission FlowTex und nahmen in dieser Eigenschaft an den Vernehmungen der Beschuldigten
Sch. und Dr. K. teil, bis erstmals am 31.03.2000 die Beschuldigten AR S. beschuldigten, er habe von den Betrügereien gewusst.
248 Im Ermittlungsverfahren machte der Zeuge Wolfgang B. folgende Angaben :
249
„Um nunmehr auf das Gespräch mit Herrn Manfred S. zu kommen, bis zu diesem Tag hatte ich keinerlei Informationen, dass bei der FlowTex-Gruppe irgendetwas nicht stimmen könnte. Ich vermutete, dass dieses Gespräch mit
Herrn Manfred S. im Juni oder Juli 1997 war... Herr Manfred S. hat dann später im Verlauf dieses Gespräches zum Ausdruck gebracht, dass einige Maschinen einfach nicht darstellbar seien. Mit darstellbar meine ich, dass Herr
Manfred S. gesagt habe, einige Maschinen seien nicht da. Das Gespräch dauerte zwei bis drei Stunden. Herr Manfred S. hat mir auch angedeutet, dass es große Probleme gäbe, bei P. in Rastatt, wo er noch nicht wisse zu
welchen Konsequenzen dies führe... Manfred S. hat mir bezüglich der fehlenden Maschine schon den Eindruck vermittelt, dass es ein größeres Loch ist, dass es also nicht nur etwa um drei Maschinen geht, sondern um eine
beachtliche Größenordnung, sonst hätte es ihn nicht so beunruhigt. Herr Manfred S. teilte mir dann auch mit, was mit „Loch“ gemeint sei, nämlich, dass es zwar Leasingverträge mit entsprechenden Finanzierungen geben würde,
aber keine Maschinen dagegen stehen würden...“.
250 Dr. K. erklärte in einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung vom 27.06.2000 :
251
"...der Herr S. hatte sicherlich größenordnungsmäßig das Problem erkannt, ob er es bis auf die Maschine erkannt hat, das muss nicht unbedingt sein...
252
Es war sicherlich so, dass Herr S. anhand der Prüfungszahlen der FlowTex Servicegesellschaften selbst festgestellt hat, dass Systeme fehlen müssen einerseits und dass eine Heilung nur über den operativen Einsatz von
FlowTex-Maschinen kurz und mittelfristig nicht möglich war. Wir zeigten dann Herrn S. Heilungsmöglichkeiten über Firmen auf. Sowohl von Herrn Sch. als auch von mir wurde Herrn S. bestätigt, dass Maschinen fehlen...
253
... da fanden z.B. Gespräche statt, in dem mich der Herr S. fragte, wie können Sie mit diesem Druck leben, ich - S. - kann seit Tagen und Wochen nicht mehr schlafen...
254
... es war ein konstruktives Theaterspiel. Konstruktiv insoweit, dass wir versuchten, eine Lösung für dieses Problem zu finden"
255
„...nachdem es für die Finanzbehörde hochwahrscheinlich war -Prüfung Servicegesellschaften, Prüfung Leasingverträge - dass Maschinen fehlten... .
256 In der Hauptverhandlung am 01.10.2001 sagte Dr. K. aus :
257
„Nachdem die Betriebsprüfung vorbei und unser Scheinfinanzierungssystem nicht aufgefallen war, weil man es uns letztlich nicht beweisen konnte, fassten wir den Plan, Assets zu machen, um sie verkaufen zu können. Während
der Betriebsprüfung bei den offenen Gesprächen zwischen uns hat Herr S. so gesprochen, dass ich das Gefühl hatte, dass er sehr nahe an der Wahrheit dran war, es aber letztlich nicht beweisen konnte und ich tat alles, um das
aufrecht zu erhalten.“
258 Als Zeuge bekundete er am 29.05.2002 :
259
„Soweit ich noch weiß, wurde ich auch auf die Anzahl der Maschinen von Herrn S. angesprochen. Ich kann mich jedoch an keine konkrete Zahl mehr erinnern. Ich hatte auch nicht den Eindruck, wenn ich danach gefragt werde,
dass Herr S. gewusst haben musste, dass es nicht existente Maschinen gab. Ich bleibe hierbei, auch wenn mir vorgehalten wird, dass nach Angaben der hierzu vernommenen A. N. Herr S. dieser gegenüber geäußert hat, von
fehlenden Maschinen zu wissen.“
260 und am 03.06.2003 :
261
„Die Behauptungen von Herrn Manfred Sch., die OFD sowie alle anderen seien eingeweiht worden, teile ich nicht.“
262 und auf die Frage, ob er immer noch behaupten würde, zumindest S. habe über fehlende Systeme Bescheid gewusst:
263
„Nein. Ich war damals in einer Gedankenwelt, als ich das sagte, die mich subjektiv glauben ließ, dass das so gewesen ist. In den Jahren meiner Haft habe ich mich damit intensiv auseinander gesetzt und kann [mich] heute
objektiv an kein Gespräch erinnern, in dem explizit darüber gesprochen worden sei, dass Herr S. wusste, dass Maschinen fehlen und dergleichen.“
264 In der Vernehmung vom 13.05.2004 erklärte Dr. K. als Zeuge:
265
„Ich wollte mir einreden, dass S. uns in unserer Situation Verständnis entgegenbringt... Wenn Herr S. freundlich gegrüßt hat, so kann dies schlicht der Anstand gewesen sein. Ich aber deutete es so, dass er das, was wir machen,
letztlich billigt. ...Tatsächlich weiß ich keine konkreten Anhaltspunkte zu nennen, warum Herr S. den Fehlbestand ´erkannt´ haben soll...Ich stelle noch einmal klar, dass die Belastung des Herrn S. durch mich objektiv unrichtig ist
und war.“
266 A. N. sagte am 28.01.2002 als Zeugin aus :
267
„Ich hatte später noch ein weiteres Gespräch mit Herrn S. in E.. Es ging um die „heimlich gebauten“ Geräte. Herr S. hatte damals schon sämtliche Unterlagen wonach der Bau mit dem Verkauf der Maschinen nunmehr
zahlenmäßig übereinstimmte... Er sagte zu mir damals, er habe nun die besagten Unterlagen, er wisse aber ganz genau, dass diese Maschinen nicht gebaut seien bzw. fehlen würden. Wörtlich sagte er noch zu mir: “Er sei ja
nicht auf der Brotsuppe daher geschwommen.“
268 und im Strafverfahren gegen M.Y. Do. vor dem Landgericht Mannheim am 14. bzw. 17.02.2005 auf Frage nach der Reaktion der Betriebsprüfung auf die Behauptung der heimlichen Auslandsfertigung:
269
„Herrn S. war das egal. Er wusste ja Bescheid...
270
Wenn ich hätte wissen wollen, wie viele Bohrsysteme exakt fehlen, dann hätte ich Herrn S. gefragt. Herr S. wusste genauer als Herr Sch., wie viele Systeme vorhanden sind und wie viele fehlen ...“
271
Die Kläger behaupten,
272
die Betriebsprüfer hätten vom Schneeballsystem Kenntnis gehabt, hätten diese Kenntnis jedoch nicht an die beteiligten Staatsanwaltschaften weitergegeben.
273
Kenntnis der Betriebsprüfer vom Schneeballsystem
274 Die Betriebsprüfer hätten - im Gegensatz zu Leasinggesellschaften sowie dem Abschlussprüfer der FTI - in der Prüfung 1995 bis 1997 die Abschlüsse, Buchhaltungen und Belege der Gesellschaften FTI, KSK, T.C., P. und zumindest der
FTS E. und FTS Z. gekannt. Es sei ihnen daher auch bekannt und bewusst gewesen, dass die KSK nicht vereinnahmte Gelder von den Servicegesellschaften weiter transferierte, sondern genauso wenig Umsätze mit den
Servicegesellschaften wie die FTI machte und Geld von den Leasinggesellschaften zur FTI transferierte, damit die FTI ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen konnte.
275 Der Betriebsprüfer AR S. habe erkannt, dass Erlöse aus der Vermietung der HBS im Prüfungszeitraum nicht erzielt werden konnten, weil die HBS größtenteils nicht existierten. Damit sei klar zu Tage gelegen, dass die Leasingraten nicht
aus Erlösen aus dem operativen Geschäft beglichen werden konnten. AR S. sei darüber hinaus bekannt gewesen, dass vom Markt nur wenige HBS nachgefragt worden seien, die Servicegesellschaften defizitär gewesen seien und von
FTI gestützt werden mussten, weil die Erlöse aus dem geringen operativen Geschäft zum Ausgleich der eingegangenen Leasingverbindlichkeiten bei weitem nicht ausreichend waren.
276 Die Prüfer hätten das Schneeballsystem nicht nur
erkannt
277 - Auf die Anfrage Nr. 7 vom 16.11.1995 an die Geschäftsleitung der FTS, von wem die Systeme genutzt werden und wo die Standorte seien, hätten
die Prüfer die Antwort erhalten, die Systeme würden von niemandem genutzt, der Standort sei „die Halde“ .
278 - Die Feststellungen im Aktenvermerk über die Besprechung am 20.05.1996 bei der OFD Karlsruhe
279
(„Verkauf der Geräte-Einheiten an Leasinggesellschaften, Anmietung der Geräte-Einheiten durch verbundene Unternehmen, „Verteilung des Rohgewinns“ an die verbundenen Unternehmen, progressive Zunahme der
Leasingverträge“)
280 könne nur von den Betriebsprüfern stammen. Handschriftlich sei als grafische Darstellung des Schneeballsystems (engl. pyramid system) ein
Kegel
281 - Bei einer Besprechung, an der Manfred Sch., Dr. K., Rechtsanwalt Kn., AR Manfred S. und RR Josef Gr. teilnahmen, habe Manfred Sch. gemäß einem Aktenvermerk vom 03.06.1996
Anl. B 37> gesagt:
282
„3.5. M. Sch.
283
ein Großteil der Systeme - Shelter und Bohrgerät - sei produziert, (heute HK ca. 100 TDM) jedoch auf Halte gestanden, wie auch heute noch zahlreiche Systeme herumstehen“
284 - Der von AR S. in einem Schriftstück vom 22.08.1996 mit der Überschrift „Betrachtung bei KSK 1991 bis 1993“ entworfenen Tabelle:
285
„Geld aus VK
./. Mietraten
./. Royalties
./. Fiktive Schul., Ersatzteile
verbleibendes Geld“
286 wobei hinsichtlich des verbleibenden Geldes zwei Bereiche unterschieden worden seien:
287
RA A.S. 61,5 Mio.
1991-1993
T.C. ca. 20 Mio.
1992-1993
288 sei zu entnehmen, dass Geld aus dem Verkauf der HBS unter verschiedenen Titeln an die FTI transferiert wurde. Der Vermerk beschreibe demnach in einer zusammengefassten und auf den Punkt gebrachten Form das
Schneeballsystem.
289 In einem späteren Vermerk vom 14.04.1997 seien den Titeln wie Mietraten, Royalties etc. Zahlen hinzugefügt worden und die Darstellung, wonach mit den KSK-Geldern Anschaffungen von
HBS durch FTI kompensiert worden seien, richtigerweise weggelassen worden.
290 - In dem Aktenvermerk vom 02.09.1996 (sog. „Kegel-Vermerk“) über ein Gespräch mit A. N. habe AR S. die aktuelle Situation des Jahres 1996, in dem
bereits 240 Mio. DM Leasingraten aufgebracht werden mussten, und nicht etwa des Prüfungszeitraums beschrieben; ihm sei nämlich die Rechnung der FTI an KSK vom 02.02.1996 über
20.952.240,51 DM für diverse Leasingverträge vorgelegt worden. Ferner habe er in dem Aktenvermerk festgehalten:
291
„auch unter dem Gesichtspunkt, wie die KSK im Innenverhältnis zu FTI geführt wurde, zeigt, dass die Geldverwendung über die FTI gesteuert wurde, da diese über die Leasingfirmen überhöhte Systempreise akzeptierte. Das
Ganze betrifft den Bereich der Finanzierung...“
292 Zutreffend sei damit die Geldverwendung über die FTI, also über Manfred Sch. beschrieben worden.
293 - Am 03.09.1996 habe AR S. von Sch. eine erweiterte Standort-Liste für HBS erhalten, in der auch die Standorte gemäß einer Liste des Wirtschaftsprüfers Dr. R. aufgeführt gewesen seien; auch für Systeme, die 1994 zu
ausländischen Mietfirmen verbracht worden sein sollten, seien dabei Standorte im Inland angegeben worden.
294 - In der bei der Besprechung bei der Oberfinanzdirektion am 26.09.1996 getroffenen Festlegung
295
"da nicht auszuschließen ist, dass ein Teil der Geldabflüsse lt. Selbstanzeige tatsächlich für betriebliche Zwecke ausgegeben worden ist - allerdings ohne Nennung des wahren Empfängers - soll ein Betrag in Höhe der
Zahlungen an N.I. (11,449 Mio. DM) nach 160 AO als nicht abzugsfähige BA behandelt werden..."
296 sei indirekt eine Aussage über die Existenz von HBS im Prüfungszeitraum getroffen worden, denn mit einer Ausgabe von nur 11,5 Millionen DM für HBS konnten nach den Anschaffungskosten 114 oder 29 HBS, keinesfalls aber die
fehlenden rund 300 HBS produziert worden sein.
297 - Im Aktenvermerk von RR Gr. und AR S. vom 04.02.1997
298
(„9. Grundsatzdiskussion über Leasing/Mietübernahme durch KSK, wenn Systeme nicht im Einsatz sind“)
299 sei bereits auf die Mietübernahme durch die KSK hingewiesen. Zur Mietübernahme durch die KSK, wenn die Systeme nicht im Einsatz sind, sei im Bericht über die Außenprüfung bei der KSK vom 10. Juli 1997
vom 10.07.1997 Anl. K 7/4> Folgendes festgehalten:
300
1991
DM 13,825 Mio.
1992
DM 31,588 Mio.
1993
DM 57,179 Mio.
301 Für den gleichen Zeitraum ergebe sich aus den Jahresabschlussberichten für die FTI folgender Leasingaufwand :
302
1991
DM 15,4 Mio.
1992
DM 36,4 Mio.
1994
DM 61,0 Mio.
303 Damit habe die KSK 1991 90 %, 1992 87 % und 1993 94 % der Leasingraten der FTI gezahlt. Ausgehend von der von den Betriebsprüfern festgestellten Verpflichtung der KSK gegenüber FTI, die Leasingaufwendungen für HBS, die nicht
vermietet waren, zu tragen, ergebe sich hieraus umgekehrt, dass nur 6 bis 13 % der HBS überhaupt im Einsatz gewesen seien.
304 - Aus der Buchhaltung der KSK sei den Betriebsprüfern auch ersichtlich gewesen, dass die KSK nicht Geld, welches sie - in lediglich nicht nennenswerter Höhe - von Servicegesellschaften über die Vermietung von HBS bekam, an die
FTI weitergeleitet habe, sondern das durch den Verkauf von HBS an Leasinggesellschaften erlangte Geld.
305 - Durch die Betriebsprüfung bei den Servicegesellschaften sei den Betriebsprüfern auch bekannt gewesen, dass die Ertragssituation bei den Servicegesellschaften äußerst bescheiden gewesen sei: bis auf FTS E. hätten alle
Servicegesellschaften Verluste gemacht, wobei auch das Ergebnis der FTS E. auf Sondermaßnahmen wie den Verkauf von Nutzungsrechten an vermeintlich selbst entwickelten Patenten an die KSK (für 17,7 Millionen DM)
zurückzuführen gewesen sei und selbst die negativen Ergebnisse der übrigen Servicegesellschaften geschönt gewesen seien - so sei eine Forderung gegen FlowTex Österreich in Höhe von 0,4 Mio. DM ausgebucht worden, FTS Bayern
habe eine Gutschrift über 0,699 Mio. DM erhalten , die FTS Schrobenhausen habe nach Mitteilung an die Betriebsprüfung
Anlage K 70> 1991 Gutschriften über insgesamt 485.458,00 DM, 1993 über 690.000,00 DM erhalten; aus den Unterlagen des Finanzamts Ingolstadt habe sich ferner ergeben, dass FTI der FTS Schrobenhausen 1991 ein Darlehen von
200.000 DM und 1992 von 250.000 DM gewährt habe und Manfred Sch. 1993 eine selbstschuldnerische Bürgschaft für die FTS Schrobenhausen in Höhe von 500.000 DM
übernommen habe .
306 - Aus dem Aktenvermerk vom 04. Februar 1997
307
„die Geldverwendung erfolgte i.H. v. ca. 9 Mio. als PE Manfred Sch.“
308 ergebe sich, dass den Betriebsprüfern zumindest bei der T.C. bekannt gewesen sei, dass ein Teil des von der KSK transferierten Geldes von Manfred Sch. privat vereinnahmt wurde.
309 - Mit der Aufstellung „Gewinnverprobung 1991 bis 1993 bei KSK GmbH“ vom 16.04.1997 habe AR S. ein klares,
quantifiziertes Wissen über das Schneeballsystem dokumentiert, er habe diese Aufstellung jedoch weder an die Oberfinanzdirektion Karlsruhe noch an die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach weitergegeben und seine Kenntnis nicht im
Betriebsprüfungsbericht, der der Steuerfahndung Erfurt und der Staatsanwaltschaft Mühlhausen wegen des Ermittlungsverfahrens gegen A. N. zur Kenntnis gelangen sollte, darlegen wollen. Die in der Aufstellung aufgeführten
Herstellungskosten von 94 Mio. DM hätten - da die Anschaffungskosten bei 300 TDM lagen - für die Anschaffung von ca. 300 Geräten ausgereicht, während die Betriebsprüfer aus der „Da.-Liste“ die Kenntnis gehabt hätten, dass 1991 bis
1993 nur 73 Geräte eingekauft worden seien, also nur Herstellungskosten von 20 bis 30 Mio. DM angefallen seien. Zahlungen der KSK an FTI seien als Herstellungskosten gebucht worden; die Zahlungen KSK an FTI unter den Titeln
übernommene Mieten, Schulungskosten, Royalties von 164 Mio. DM - wobei FTI 1991 - 1993 insgesamt ohne die „Verkäufe Bohrsysteme“ Umsätze von 217 Mio. DM gemacht habe - seien bei FTI als Umsätze mit FTS ausgewiesen
worden.
310 - Die Geldtransfers der KSK, die den wesentlichen Teil der Umsatzerlöse der FTI ausgemacht hätten, hätten auch nicht mit „Verlusten in der Anlaufphase“ erklärt werden können, solche Verluste seien aus den Jahresabschlüssen der FTI
nicht erkennbar gewesen, vielmehr hätten diese ein außerordentlich stark wachsendes Vorzeigeunternehmen mit steigenden Gewinnen, einer stark ausgestatteten Kapitalbasis sowie strotzender Liquidität gezeigt:
311
1991
1992
1993
Umsätze
85.650.805,31
100.247.115,48
118.540.177,87
Ergebnis der gewöhnlichen
6.532.765,89
9.046,344,79
24.098.441,27
Geschäftstätigkeit
Ertragsteuern
3.929.297,10
5.392.033,00
13.818.090,00
Sonstige Steuern
43.144,75
28.324,67
128.329,25
Jahresüberschuss
2.560.324,04
3.625.987,12
10.152.022,02
Eigenkapital
9.089.543,93
12.715.531,05
20.867.553,07
Guthaben bei Kreditinstituten
2.462.114,74
10.165.947,55
20.989.105,12
312 Da die Betriebsprüfer gewusst hätten, dass die vermeintlichen Umsatzerlöse der FTI aus Geldtransfers der KSK bestanden, hätten sie auch gewusst, dass Buchhaltung und Jahresabschlüsse gefälscht gewesen seien und der
Wirtschaftsprüfer massiv getäuscht worden sei.
313 - Eine „Heilung“ des Systems sei jedenfalls zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung und des Prüfungszeitraums längst nicht mehr möglich gewesen. Hierfür hätten nicht wie im Prüfungszeitraum geschehen 30 HBS, sondern die bis Ende 1996
verkauften ca. 1000 HBS zum operativen Einsatz gebracht werden müssen, was nicht möglich gewesen sei
314 - Der Betriebsprüfer AR S. habe zunächst für 12 im Zeitraum Januar bis April 1991 verkaufte Lkw-Systeme festgestellt, dass sie zu einem Zeitpunkt verkauft worden waren, als erst der Lkw angeschafft war, während die Systeme erst nach
ein bis zwei Jahren vollständig fertig gestellt worden seien . Dieselben Feststellungen habe er für vier weitere Lkw-Systeme in einer Sch. und Dr. K. übergebenen
Anfrage getroffen. Tatsächlich habe AR S. jedoch die gesamte „Da.-Liste“ ausgewertet, wie sich aus den von ihm handschriftlich vermerkten Verkaufsdaten ergebe. Damit sei ihm
klar gewesen, dass bei allen ab Mai 1985 verkauften Lkw-Systemen der Verkauf vor der Fertigstellung erfolgt sei. Schon diese Überprüfung habe einen Vorverkauf/eine Vorfinanzierung bezüglich 70 von 74 Systemen ergeben
.
315 - Tatsächlich habe sich die Kenntnis des „Vorverkaufs“ nicht nur auf die Lkw-Systeme erstreckt. Nachdem sich ergeben habe, dass es Standortlisten der HBS beim Wirtschaftsprüfer Dr. R. erst ab dem Jahr 1994 gegeben habe und
aufgrund der am 03.09.1996 von Sch. übergebenen Standortliste sich zwar Widersprüche zu den vom Wirtschaftsprüfer bestätigten Standorten ergeben hätten, ein Abgleich mit den Verkaufsunterlagen bei den
Shelter-Systemen wegen unterschiedlicher Bezeichnungen in Herstellungs- und Verkaufsunterlagen jedoch nicht möglich gewesen sei, habe AR S. auf wiederholte Anforderung am 11.10.1996 die so genannte „Identifikationsliste“
erhalten. Deren Auswertung ergebe, dass in 83 von 85 Fällen, in denen die Zuordnung zu Ausgangsrechnungen der KSK möglich gewesen sei, die Rechnungsdaten vor den Herstellungsdaten liegen (191 bis 1001 Tage)
Steuerfahndung Freiburg-Land vom 28.10.2002 Anl. K 62>. Dass AR S. eine Auswertung dieser Liste nicht vorgenommen habe, könne nicht angenommen werden, da er mehrfach auf deren Vorlage gedrängt hatte und auch einige
wenige handschriftliche Anmerkungen angebracht habe. Damit sei aber auch die Vortäuschung der Existenz von zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht existenten HBS - gegenüber Leasinggesellschaften und Banken durch Rechnungen,
Abschluss von Versicherungen und Zahlung der Leasingraten, gegenüber dem Abschlussprüfer durch Angabe von Standorten und Einnahmen aus dem operativen Betrieb der Systeme - erkannt worden.
316 Diese Kenntnis S.s vom Betrugssystem sei auch von Manfred Sch. in der Vernehmung vom 21.06.2000 und von Dr. K. noch in der Vernehmung vom 13.05. 2004
bestätigt worden. Ebenso habe B. über ein Gespräch mit AR S. ausgesagt, aus dem sich das Fehlen finanzierter
HBS in einer beachtlichen Größenordnung ergeben habe, und A. N. habe ihre Angaben bei ihrer früheren Vernehmung über ein entsprechendes Gespräch mit den Angaben
vor dem Landgericht Mannheim am 14.02.2005 bestätigt.
317 Diese Kenntnis sei nicht weitergegeben worden. Regierungsdirektor V. (Oberfinanzdirektion) und der Betriebsprüfer RR Gr. hätten sich bei ihren Vernehmungen
Vernehmungsprotokoll RR Gr. vom 27.08.2004 Anl. K 170> an eine entsprechende Mitteilung S.s nicht erinnert, der Betriebsprüfer H. lediglich an eine Aussage S.s, eine
Zuordnung der HBS sei nicht möglich gewesen, der Leiter der Betriebsprüfungsstelle Bm. habe die Aussage unter Berufung auf § 30 AO verweigert . Auch aus den
handschriftlichen Notizen von Rechtsanwalt Kn. ergebe sich (anders als vom Landgericht Mannheim im Beschluss vom 22.06.2004 angenommen) keine
Bestätigung dafür, dass über den „Vorverkauf“ bei der Besprechung am 25.09.1996 gesprochen worden sei . AR S. habe im Gegenteil das Ergebnis des WP-Testatverfahrens ausdrücklich
als Bestätigung für die Existenz der HBS „im Prüfungszeitraum“ dargestellt .
318 - AR S. habe ferner, damit das Betrugssystem nicht aufgedeckt werde, auch die sich ergebenden steuerlichen Konsequenzen nicht gezogen. So seien die vorgenommenen Abschreibungen, die ja erst mit Lieferung bzw. Fertigstellung
hätten beginnen dürfen, nicht korrigiert und keine Kontrollmitteilungen an die für die Leasingfirmen zuständigen Finanzämter zur Korrektur der im Anlagevermögen bilanzierten HBS versandt worden; bei FTT hätten die Gewinne allein für
die Lkw-Systeme um 283.618,36 DM (1989), 212.264,97 DM (1990) und 113.160,69 DM (1991) erhöht werden müssen . Auch seien die Erlöse, die erst mit Fertigstellung als
Umsatzerlöse hätten verbucht werden dürfen, nicht korrigiert worden; die Korrektur hätte allein für die Lkw-Systeme bei KSK im Jahre 1991 24.657 DM betragen . Als
Scheinrechnungen erkannte Rechnungen der FTS an KSK und der berechnete Verkauf von Nutzungsrechten seien nicht korrigiert worden; die Korrektur hätte bei FTS zu einer Reduzierung des Aufwandes um 8,6 Mio. DM geführt
. Bei P. hätten Subventionsansprüche gegen KSK für 28 im Prüfungszeitraum nicht existente HBS korrigiert werden müssen
174, S. 17>.
319 - Im Betriebsprüfungsbericht der KSK seien an verschiedenen Stellen Transfers von KSK an FTI dargestellt (Kapitel 1.13.1, 1.13.2), ohne eine zusammenfassende Darstellung jedoch
der Eindruck erweckt worden, es handle sich um wirtschaftlich gesehen verständliche Zahlungen. Der Betriebsprüfungsbericht sei gezielt unklar geschrieben worden, damit die an der Aufklärung interessierte Steuerfahndung in Erfurt
keine weiteren Maßnahmen ergreife. Bewusst falsch dargestellt sei in diesem Betriebsprüfungsbericht
320
- A. N. als Gesellschafterin ohne treuhänderische Bindung,
321
- A. N. habe über die „Sf.-Gelder“ verfügt (S. 7), von diesen Geldern sei ein Teil für den Kauf von HBS verwendet geworden (S. 9), obwohl der Betriebsprüfung bekannt gewesen sei, dass A. N. keine Angaben zum Verbleib der
„Sf.-Gelder“ geben konnte, insbesondere die Zahlung an die Firma N.I. AG, Liechtenstein, nicht erklären konnte, die A. N. gänzlich unbekannt gewesen sei;
322
- für den Geldtransfer von KSK an FTI, P. und T.C. bestünden wirtschaftliche Gründe (S. 9).
323 Wäre die Steuerfahndung Erfurt kenntnisgemäß informiert worden, hätte diese die Informationen an die Staatsanwaltschaft Mühlhausen weitergegeben, eine Zusammenführung der Verfahren in Mannheim und Mühlhausen wäre erfolgt
und Sch./Dr. K. wären alsbald verhaftet worden.
324 - Im Betriebsprüfungsbericht über die FTI vom 29.12.1997 tauchten selbst die in dem Betriebsprüfungsbericht über die KSK ansatzweise noch vorhandenen Andeutungen, dass die
FTI mit dem aus verkauften Bohrsystemen durch KSK erlösten Geld unterhalten werde und die Leasingraten begleiche, überhaupt nicht mehr auf. Es werde nicht darauf hingewiesen, dass die Umsatzerlöse der FTI aus Transfers der KSK
bestanden und nicht aus tatsächlichen Umsatzerlösen mit Servicegesellschaften. Hinweise, dass FTI die größte Zahl der gelieferten Maschinen nicht einsetzen konnte, fehlten; es fehle eine quantitative Darstellung der Zahlungen der
KSK an FTI und ein Hinweis, dass FTI HBS von P. anmietete und dafür Geld von KSK bekam, wohl angesichts der möglichen Brisanz für einen Wirtschaftsprüfer. Der Hinweis auf ein Patentverletzungsverfahren mit der Fa. Fl.M. habe nicht
den Erkenntnissen des Betriebsprüfers AR S. entsprochen. Dieser habe das Ende des Prozesses aus dem Wirtschaftsprüferbericht zum Jahresabschluss der FTI für 1991 und den übergebenen Unterlagen zum Prozess gekannt. Obwohl
der Betriebsprüfer AR S. gewusst habe, dass die im Prüfungszeitraum verkauften HBS größtenteils im Prüfungszeitraum nicht vorhanden gewesen seien, habe er sie im Bericht als existent dargestellt. Mit der Passage
325
„die Auslandsvermietung erfolgte erst nach dem Pz, zuvor standen die Bohrsysteme als ´Poolsysteme´ den Franchisepartnern zur Verfügung. Für die Stillstandszeit übernahm die Herstellerfirma KSK den Mietausfall.“
326 seien wirtschaftliche Gründe für ungewöhnliche Gestaltungen vorgespiegelt worden, weil nicht deutlich werden sollte, dass
327
- die Systeme keine Mieteinnahmen erbracht hätten,
328
- es die Systeme (noch) nicht gegeben habe oder
329
- falls existent, die HBS nicht eingesetzt werden konnten.
330 Das Ergebnis der Betriebsprüfung sei für den Abschlussprüfer Dr. R. von besonderer Bedeutung gewesen. Dieser habe in der Vergangenheit vergeblich versucht, die Jahresabschlüsse der KSK sowie der wichtigsten
Servicegesellschaften zu erhalten
und K 124> und nur im Hinblick auf die umfassende Betriebsprüfung ausnahmsweise eine uneingeschränkte Testaterteilung nochmals ohne Vorlage dieser Abschlüsse für vertretbar gehalten
124> und im Jahresabschluss 1996 - ebenso wie K. im Jahresabschluss 1997 - ausdrücklich auf die Betriebsprüfung Bezug genommen.
331 - Die unvollständigen Informationen im Betriebsprüfungsbericht der F. AG hätten Sch. ermöglicht, einem Abschlussprüfer der FTI darzulegen, die Servicegesellschaften gehörten nicht
zur S/K-Gruppe. Dass Sch. an einer Verdeckung der Beteiligung an den Servicegesellschaften erhebliches Interesse hatte, sei den Betriebsprüfern bewusst gewesen, wie sich auch aus der Stellungnahme des Betriebsprüfers AR S. vom
24.01.2001 ergebe.
332 - Auch im Betriebsprüfungsbericht der P. werde nicht erwähnt, dass die KSK der FTI für die bei P. angemieteten Systeme die Mietaufwendungen ersetze und dass die von P.
geleasten HBS nicht operativ eingesetzt wurden und keine Erlöse erbrachten. Entsprechende Kenntnisse seien auch Oberstaatsanwalt Dr. K. bei der Besprechung am 16.01.1998 nicht mitgeteilt worden.
333 - Eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Betrugssystems sei gewesen, dass die Beherrschung aller Elemente des Systems - FTI, KSK, Servicegesellschaften - durch Sch. und K. verschleiert worden sei. Denn nur unter
Hinweis auf die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit dieser Unternehmen hätten die Forderungen der Kredit gewährenden Banken und Leasinggesellschaften nach Vorlage der Bilanzen der KSK und der Servicegesellschaften
abgewehrt werden können. Aus diesem Grunde sei bei der KSK A. N. als Gesellschafterin vorgeschoben worden, während für die Servicegesellschaften die Liechtensteiner Firma F. AG als Muttergesellschaft installiert worden sei.
Tatsächlich hätten Sch. und Dr. K. sowohl hinter der KSK als auch den Servicegesellschaften gestanden.
334 - Die Unterlagen über die Gesellschafterstellung Do.s bzw. seiner Schwägerin seien als Fälschungen leicht erkennbar gewesen und auch als solche erkannt worden. Nach Angaben Manfred Sch.s
vom 19.09.2000 Anl. K 7/39 = Anl. K 128, Seite 20> seien sie von AR S. „augenzwinkernd“ bedacht worden. AR S. habe jedoch darauf hingewirkt, dass die Anteile der F. AG an den deutschen Servicegesellschaften an einen deutschen
Treuhänder veräußert wurden. Mit dem Betriebsprüfungsbericht habe Manfred Sch. ein offizielles Dokument in die Hand bekommen, mit dem er habe nachweisen können, dass Do. noch Gesellschafter der F. AG war und nicht er.
335 - Bei der Besprechung beim BKA in Wiesbaden im September 1999 habe AR S. das gesamte FlowTex-System als Schneeballsystem dargestellt und anhand einer Folie mit einer Darstellung einer Art Tannenbaum erläutert, um das
System letztendlich zu finanzieren, müssten immer weitere Systeme verkauft werden .
336 - Der Aktenvermerk vom 03. Februar 2000 sei zwar nicht von AR Manfred S. unterzeichnet, beruhe aber auf seinen Feststellungen. Ausführungen wie die über die
Stellung von Manfred Sch. („egal ob Gesellschafterstellung oder nicht“) seien im steuerstrafrechtlichen Verfahren wegen einer Selbstanzeige von A. N. über die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach gerade nicht mitgeteilt worden.
337 Mit den Ausführungen zu den „Sf.-Geldern“ werde eingeräumt, dass es sich um Privatentnahmen („private Vorgänge“) handle.
338 Ferner werde die Kenntnis der Betriebsprüfer, dass auch die P. ein betrügerisches Schneeballsystem („gleiches Schema wie KSK GmbH“) betrieb, offenbart. Diese Erkenntnisse beruhten auf der Betriebsprüfung der Jahre 1996 und
1997, da die Betriebsprüfung bei P. in 1999 noch nicht mit ausführlichen Prüfungshandlungen begonnen hatte. Sie seien der Staatsanwaltschaft Baden-Baden im Steuerstrafverfahren gegen Matthias Sch. nicht mitgeteilt worden.
339 Die auf den Steuerberater W. gemünzten Ausführungen träfen gleichermaßen auf den Betriebsprüfer AR Manfred S. zu.
340 - In einer Besprechung am 20.01.2000 bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe sei dargestellt worden ,
341
„dass die KSK Systeme an Leasinggesellschaften verkauft, und zwar für einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 1,1 Mio. DM. Abzüglich tatsächlicher Produktionskosten bzw. Maschineneinkaufskosten in Höhe von rund
200.000 DM verblieb bei KSK ein Rohgewinn von ca. 900.000 DM. Dieser Rohgewinn wurde von der KSK an die Flowtex durch so genannte Royalties, Provisionen, Schulungskosten oder direkte Leasingkostenübernahmen
bezahlt. Hierzu wurde nahezu der gesamte Rohgewinn aus einem Maschinenverkauf in Höhe von 900.000 DM an die Flowtex transferiert.“
342 Im Widerspruch zu den Ausführungen über Produktions- und Maschineneinkaufskosten sei jedoch auch dargestellt worden, dass ein „Schneeballsystem mit nicht existierenden Bohrsystemen“ vermutet worden sei.
343 Damit sei das dargestellt worden, was AR S. bereits am 22.08.1996 bzw. am
16.04.1997 zu Papier gebracht habe.
344
Verhalten gegenüber Strafverfolgungsbehörden
345 Außerhalb der Finanzverwaltung seien die Kenntnisse über den FlowTex-Betrug als Schneeballsystem erst im September 1999 dargestellt worden:
346 OFD und Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach seien nach den bekannten Unterlagen nur über einzelne Elemente, jedoch nicht klar, unmissverständlich, umfassend, detailliert, quantifiziert und widerspruchsfrei informiert worden;
allerdings sei eine umfassende Information der OFD Karlsruhe und der Steuerfahndung auch nicht auszuschließen.
347 Es wäre im Verfahren wegen der Selbstanzeige angebracht gewesen, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, dass Manfred Sch. das gesamte Betrugs-System beherrschte und zu seiner persönlichen Bereicherung nutzte. Im Verfahren
wegen der anonymen Anzeige hätte insbesondere die Mitteilung Bedeutung gehabt, dass der Verkauf nicht existenter Maschinen nicht in vollem Umfang nachgewiesen werden konnte, wobei es hierauf jedoch nicht angekommen sei,
denn der andauernde Verkauf unterstellt existierender Maschinen, die nicht eingesetzt werden konnten, habe ebenso einen Betrugstatbestand dargestellt wie der Verkauf nicht existierender Maschinen.
348 Die Erkenntnisse über das Schneeballsystem seien auch nicht an die Steuerfahndung Erfurt weitergegeben worden, die im Gegensatz zu den Finanzbehörden in Karlsruhe Anstrengungen zur Aufklärung unternommen habe. Vielmehr
seien der Betriebsprüfungsbericht für die KSK gezielt unklar geschrieben worden, weil die Steuerfahndung Erfurt diesen Bericht bekommen sollte und bekam.
349
- Ermittlungsverfahren wegen der Selbstanzeige vom 05.02.1996
350 - Auf Grund der Selbstanzeige der A. N. vom 05.02.1996, wonach 1991 bis 1995 von der KSK 86 Mio. DM an Rechtsanwalt Sf. gezahlt und als Betriebsausgaben mit Vorsteuerabzug gebucht wurden
K 7/88>, seien zunächst erhöhte Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer bei der KSK für 1991 bis 1993 festgesetzt worden , im Jahre 1998 auch erhöhte Gewerbesteuer für die Jahre 1991 bis 1993
, Anfang 1997 erhöhte Einkommensteuer bei A. N. für 1991 bis 1993 <(da die „Sf.-Gelder“ als verdeckte Gewinnausschüttungen angesetzt wurden) Einkommensteuerbescheide vom 02.01.1997 Anl. K
20>. Eine erhöhte Besteuerung auf Grund der „Sf.-Gelder“ für die Jahre 1994 und 1995 sei jedoch bis einschließlich 1999 weder bei der KSK noch bei A. N. festgesetzt worden.
351 Nachdem die „Sf.-Gelder“ für die Jahre 1991 bis 1993 A. N. steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet worden waren - obwohl den Betriebsprüfern bewusst gewesen sei, dass A. N. diese Gelder nicht bekommen hatte -
, habe der Betriebsprüfer AR S. am 30.03.1999 telefonisch und schriftlich am 25.11.1999
Anl. K 7/200 = K 33> gegenüber der Staatsanwaltschaft Mühlhausen darauf hingewirkt, das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen A. N. einem Ende zuzuführen, da ein Prozess gegen A. N. zu unerwünschten Entwicklungen
hätte führen können. Dabei sei AR S. bei der begonnenen Folge-Betriebsprüfung der KSK bereits auf Ungereimtheiten gestoßen, nämlich auf als Betriebsausgaben gebuchte Zahlungen in Höhe von 142 Mio. DM auf Rechnungen der La
M. de Levante , von der die Betriebsprüfer gewusst hätten, dass sie keinen aktiven Betrieb habe und Rechnungen über nicht
durchgeführte Transporte vorhanden seien .
352 - Die auf Grund der Selbstanzeige eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Sch. und Dr. K. seien eingestellt worden, weil der ermittelnden Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Mannheim durch die Steuerfahndung
Karlsruhe-Durlach auf Grund von Mitteilungen der Betriebsprüfer mitgeteilt worden sei, eine Beteiligung von Sch. und Dr. K. an der KSK lasse sich nicht nachweisen
31>. Die Betriebsprüfer hätten damit durch Täuschung der Staatsanwaltschaft Sch. - der ausdrücklich erklärt hatte, er könne sich ein solches Verfahren wegen seiner Baden-Airpark-Aktivitäten nicht leisten
12.02.1996 StA Mannheim 401 Js 1009/01, 401 Js 3479/01 AS. 1567 = Anl. K 103> - ein Steuerstrafverfahren erspart.
353 - Obwohl die Selbstanzeige vom 05.02.1996 ersichtlich unvollständig gewesen sei und insbesondere nahe gelegen habe, dass es sich bei der Angabe von Zahlungsempfängern in Südamerika, Osteuropa und Japan um eine bloße
Schutzbehauptung handele und die Gelder vielmehr auf Konten von Manfred Sch. und ggf. Dr. K. geflossen waren, hätten sich die Mitarbeiter der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach und die Betriebsprüfer bei mehreren Besprechungen
im April 1996 mit der federführenden Steuerfahndung Erfurt gegen Durchsuchungsmaßnahmen zur Feststellung der wahren Gesellschafter der KSK ausgesprochen
3479/01 AS. 38 = Anl. K 7/78, Aktenvermerk AR S. vom 30.04.1996 Anl. K 7/54>. Obwohl den Mitarbeitern der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach bewusst gewesen sei, dass Manfred Sch. die KSK beherrschte, auch wenn er kein
Gesellschafter war, hätten sie in dem Schreiben vom 09.06.1997 an die Staatsanwaltschaft Mannheim mitgeteilt, eine Beteiligung Sch.s an der KSK könne ebenso wenig
nachgewiesen werden wie ein steuerunehrliches Verhalten - obwohl eine Beihilfe oder Anstiftung zur Steuerhinterziehung im Raum gestanden habe.
354 - Die kommentarlose Weiterleitung der Schreiben von Rechtsanwalt Sf. vom 14.07.1996 , wonach er
355
„die Zahlungen an N.I./FL auf Wunsch der KSK ... vorgenommen“,
356 im Übrigen
357
„die Gelder nach Abhebung in bar an Frau A. N. übergeben habe“,
358 und eine Bestätigung von A. N. vom 16.07.1996 , Rechtsanwalt Sf. habe die
359
„von uns zur Verfügung gestellten Gelder gemäß unseren Weisungen an die zuständigen Empfänger weitergeleitet“,
360 durch die Steuerfahndung sei wider besseres Wissen erfolgt, denn die Steuerfahndung habe gewusst,
361
- dass Manfred Sch. die gesamte Sch./K.-Gruppe gesteuert habe,
362
- dass die „Sf.-Gelder“ auf Veranlassung von Manfred Sch. von der KSK an Rechtsanwalt Sf. gezahlt worden seien ,
363
- dass die „Sf.-Gelder“ Manfred Sch. zugute gekommen seien,
364
- dass weitere Beträge in zweistelliger Millionenhöhe zu Gunsten von Manfred Sch. und A. N. auf Veranlassung von Manfred Sch. von der KSK abgeflossen und als Betriebsausgaben gebucht worden seien, obwohl es sich nicht
um solche gehandelt habe (T.C.-Geld),
365 nämlich aufgrund des Schreibens des Steuerberaters W. vom 04.02.1993 , der Äußerungen Sch.s bei der Besprechung vom 04.12.1995 , der
Angaben in der Selbstanzeige, des Schreibens von Rechtsanwalt Kn. vom 08.02.1996 , der Angaben in der Vor-Betriebsprüfung und
des offensichtlichen Hintergrundes des Sinneswandels Sch.s, der nach Eröffnung des Steuerstrafverfahrens
Einleitungsverfügung vom 05.03.1996 Anl. K 101> damit nichts zu tun haben wollte , und der telefonischen Angaben Rechtsanwalt Kn.s vom 04.04.1996
Anl. K 105>, der Angaben Sch.s, wann und wie die KSK Mehrsteuern auf Grund der Selbstanzeige zahle
90>, sowie aufgrund der Probleme, gegenteilige Angaben zu glauben , die durch das Verhalten von A. N. bestärkt worden seien
. Die Anerkennung von Sch. und Dr. K. als „Nicht-Gesellschafter“ sei von der Bezahlung der bei KSK und N. anfallenden Mehrsteuer
abhängig gemacht worden .
366 - Der Betriebsprüfer AR S. habe am 23.11.1999 bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen zu Gunsten einer Verfahrenseinstellung interveniert , obwohl ihm zu diesem Zeitpunkt in
der bereits begonnenen Folge-Betriebsprüfung bei KSK bereits die Rechnungen der SMMDP (sog. „La M. alt“) über 142 Millionen DM vorgelegen hätten
3479/01 AS. 3036>, als deren Bezahlung die „Sf.-Gelder“ 1994 und 1995 gebucht worden waren, und obwohl er gewusst habe, dass die Firma La M. de Levante keinen aktiven Betrieb hatte und Rechnungen über nicht durchgeführte
Transporte vorhanden gewesen seien . Es sei deshalb klar gewesen, dass mit diesen Rechnungen irgendetwas nicht stimmen konnte.
367 Bei vollständiger, klarer und bezifferter Weitergabe der Erkenntnisse der Betriebsprüfer hätten die OFD Karlsruhe und die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach diese Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft Mannheim weitergegeben.
Angesichts der Schadenshöhe sei kein Raum für die Einhaltung des Steuergeheimnisses gem. § 30 AO gewesen.
368 Wäre nicht trotz gegenteiliger Erkenntnisse A. N. als Gesellschafterin der KSK ausgegeben worden, wäre das Steuerstrafverfahren gegen Manfred Sch. nicht eingestellt worden; in einem Steuerstrafverfahren wäre es nicht zu vermeiden
gewesen, dass das Betrugsschema zur Bereicherung Sch.s Gegenstand geworden wäre.
369
Vorermittlungsverfahren wegen anonymer Anzeige
370 Die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach sei mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 15.05.1996 ,
die ihr zugegangen sei (nicht etwa nur das auf Grund dieser Verfügung erstellte Anschreiben), mit der Durchführung steuerstrafrechtlicher und allgemein-strafrechtlicher Ermittlungen beauftragt worden. Mit der letztlich erteilten Auskunft
vom 14.04.1997 seien nur ein geringer Teil der ihr vorliegenden Informationen weitergeleitet, die Informationen vielmehr bewusst gefiltert und die
Staatsanwaltschaft über die tatsächlichen Kenntnisse der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach getäuscht worden.
371 Die Fahnder hätten die „Kr.-Vermerke“, die die Angaben in der anonymen Anzeige konkretisiert hätten, nicht der Staatsanwaltschaft Karlsruhe übermittelt .
372 Auf das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 15.05.1996 habe die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach am 11.06.1996 telefonisch mitgeteilt , derzeit finde eine
Betriebsprüfung der Dr. K./Sch.-Gruppe statt, nach Angaben der Betriebsprüfung könne frühestens am 15.07.1996 näheres dazu mitgeteilt werden, ob sich ein Anfangsverdacht ergebe. Ermittlungsansätze oder Anhaltspunkte, die die
Angaben der anonymen Anzeige unterstützten, seien hierbei nicht mitgeteilt worden . Dabei seien zu diesem Zeitpunkt bereits die anonyme Anzeige vom
25.05.1995 beim Finanzamt Weimar, die „Da.-Liste“, aus der sich ergeben habe, dass mehr HBS verkauft als belegt eingekauft worden seien, und die Angabe Sch.s, ein Großteil der Systeme stehe „auf Halde“, bekannt gewesen.
373 Mit Schreiben der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 16.09.1996 an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe
Anl. K 92> seien zwar Hinweise auf anderweitige Verfahren gegeben worden, aber keine Information über inzwischen gewonnene Erkenntnisse:
374
- dass angeblich nun eine Vielzahl der HBS im Ausland stehe,
375
- dass für diese bereits 1991 bis 1993 verkauften HBS keine Miete gezahlt worden sei,
376
- dass es nur Standortbescheinigungen und Mietverträge gebe, aber keine Bestätigungen Dritter wie Fracht- und Zollpapiere,
377
- dass nach Auskunft der IZA einige der Firmen, welche die Standorte bestätigt hatten, wirtschaftlich nicht aktiv seien,
378
- dass eine Überprüfung durch Wirtschaftsprüfer im Ausland vorgesehen sei.
379 Mit dieser Mitteilung sei Staatsanwalt Z. versteckt mitgeteilt worden, die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach gebe mangels Anhaltspunkten für Steuerstraftaten den Ermittlungsauftrag an die Staatsanwaltschaft zurück, dies jedoch in einer
gewollt nicht verständlichen Form, um Nachfragen zu vermeiden. Hätte die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach ihre Kenntnisse zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt - insbesondere folgende Fakten: Sch. und Dr. K. seien während Monaten nicht
in der Lage, die Existenz von HBS zweifelsfrei nachzuweisen, mangels Einnahmeerzielung existiere die überaus größte Zahl der HBS wirtschaftlich nicht, Manfred Sch. bereichere sich in hoher zweistelliger Millionenhöhe durch dieses
Geschäftsmodell -, wären weitere Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Erzwingung der Mitteilung des Kr.-Informanten, aufgenommen und Sch. und Dr. K. alsbald verhaftet worden
16.01.2002 Anl. K 92>.
380 Die Information der Staatsanwaltschaft Karlsruhe durch die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach, deren Inhalt sich im Wesentlichen aus dem Aktenvermerk der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 10.04.1997
Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 10.04.1997 StA Mannheim 401 Js 22627/01 AS. 94 = Anl. B 65> ergebe, beruhe auf der Darstellung der Betriebsprüfer vom 05.02.1997
04.02.1997 Anl. K 7/71= B 43>, wonach die geforderten Nachweise erbracht seien und davon ausgegangen werden könne, dass die Systeme vorhanden seien. Diese Darstellung sei wissentlich falsch gewesen, denn für die
Betriebsprüfer seien aufgrund der ihnen bekannten Unterlagen Diskrepanzen offenkundig gewesen:
381
HBS-Einkäufe laut Da.-Liste:
382
Typ
1991
1992
1993
Summe
Lkw-Systeme
26
7
23
56
Shelter-Systeme
1
5
11
17
Summe
27
12
34
73
383
Bestand laut Da.-Liste:
384
Typ
1991
1992
1993
LKW-Systeme
47
54
77
Shelter-Systeme
1
6
17
Summe
48
60
94
385
"eingesetzte Geräte" laut WP-Berichten :
386
Typ
1991
1992
1993
Lkw-Systeme
99
99
104
Shelter-Systeme
44
147
243
Summe
143
246
347
387
Differenz:
388
Typ
1991
1992
1993
Lkw-Systeme
-52
-45
-27
Shelter-Systeme
-43
-41
-226
Summe
-95
-186
-253
389 Da die Kfz-Kennzeichen der Lkw-Systeme sowohl auf der „Da.-Liste“ als auch auf den Rechnungen für die Leasingraten aufgeführt gewesen seien, habe überdies eine einfache Vergleichsmöglichkeit bestanden. Diese hätte ergeben,
dass die FTI den FlowTex-Servicegesellschaften nur Rechnungen für Systeme stellte, die auch auf der „Da.-Liste“ aufgeführt waren, der FTI jedoch auch Rechnungen für Lkw-Systeme mit Kfz-Nummern, die nicht auf der „Da.-Liste“
geführt waren. Die Überprüfung der nicht auf der „Da.-Liste“ geführten Lkw-Systeme (für 1993 rund 27) hätte ergeben, dass zwar die Lkw vorhanden waren, nicht aber die Shelter und die dazugehörigen Bohrsysteme. Den
Betriebsprüfern sei ferner aufgrund der „Da.-Liste“ bekannt gewesen, dass bis 30.04.1996 nur 181 Bohrgeräte und 175 Shelter eingekauft worden waren, die KSK aber 1996 monatlich ca. 21 Systeme für 21 Mio. DM an
Leasinggesellschaften verkaufte. Auch wenn der Zeitraum 1994 bis 1996 außerhalb des Prüfungszeitraums lag, hätten sie die ungefähre Größenordnung von ca. 1.000 verkauften Geräten gekannt, damit auch die Differenz zu den laut
„Da.-Liste“ 181 eingekauften Geräten und die Größenordnung des möglichen Schadens von rund 800 Mio. DM.
390 Nachdem Manfred Sch. zunächst die Differenzen zwischen eingekauften und verkauften Systemen damit erklärt habe, sie hätten „auf Halde“ gestanden, etwa einen Monat später damit, sie befänden sich im Ausland, und auf Anforderung
der Betriebsprüfer für 284 HBS Standortbescheinigungen vorgelegt habe - womit der Verbleib von weiteren 85 HBS ungeklärt geblieben sei -, hätten die Betriebsprüfer für 45 ausgewählte HBS weitere Unterlagen angefordert. Nachdem
hierauf nur Mietverträge, jedoch keine Zoll- oder Frachtpapiere vorgelegt werden konnten (angeblich da die HBS von den Nutzern selbst abgeholt worden seien), habe eine Prüfung durch externe Wirtschaftsprüfer erfolgen sollen. Hierfür
seien willkürlich - nicht nach dem Zufallsprinzip - zunächst 45 Systeme , später in einer geänderten Liste 44 Systeme , sämtlich mit KHD-Motoren - davon neun
fortlaufende Motorennummern -, ausgewählt worden. Die Bestätigungsschreiben hätten erfolgende Ungereimtheiten aufgewiesen:
391
- Beim örtlichen Prüfer aus Tschechien habe es sich um einen Rechtsanwalt und nicht um einen Wirtschaftsprüfer gehandelt,
392
- der amtliche Prüfer aus den Niederlanden sei kein Wirtschaftsprüfer gewesen,
393
- es seien HBS abgenommen worden, die außerhalb des Prüfungszeitraums hergestellt wurden,
394
- der spanische Prüfer habe Màlaga und Alcantàra ohne Akzente geschrieben,
395
- der Prüfer im Vereinigten Königreich habe die HBS bereits einen Tag nach der Absendung des Prüfungsauftrages geprüft,
396
- lediglich für die in Italien geprüften Maschinen seien Maschinenlaufzeiten angegeben worden, diese seien gering gewesen,
397
- die Bestätigungen aus Tschechien hätten zweifach mit teils unterschiedlichem Inhalt vorgelegen,
398
- es seien nur für 43 HBS Bestätigungen vorgelegt worden, ein angeblich bei MT. in Rom befindliches HBS sei nicht bestätigt worden,
399
- die HBS, welche bei El. bestätigt werden sollten, wurden als bei Fondazioni speciali stehend bestätigt,
400
- die Testate aus Italien und Tschechien seien nicht auf den vorgegebenen Standardformularen, sondern auf jeweils unterschiedlichen Formularen erfolgt,
401
- nur eine Bestätigung aus Spanien habe das Kfz.-Kennzeichen eines Lkw-Systems genannt.
402 Trotz dieser Ungereimtheiten und
403
- obwohl der Wert der Wirtschaftsprüfer-Testate durch die Auskunft der IZA deutlich in Frage gestellt gewesen sei, wonach zwei der ausländischen Gesellschaften nicht existierten, und
zwar im Jahre 1994, in dem die Vermietung und Lieferung angeblich erst erfolgt war, zwei sich nicht auf dem Gebiet der Horizontalbohrungen betätigten, und
404
- obwohl es keine Mieteinnahmen über diese HBS gegeben habe,
405
- keine Speditionsrechnungen,
406
- keine Unterlagen über die Verbringung im Ausland,
407
- keine Zustimmung der Leasinggesellschaften zur Verbringung ins Ausland und
408
- keine Einkaufsrechnungen,
409
- obwohl die Betriebsprüfer den Buchhaltungsunterlagen der KSK, FTI und der Servicegesellschaften entnehmen konnten, dass der tatsächliche Einsatz der HBS nicht ursächlich für das expansive Wachstum und den
Geschäftserfolg der FTI war und den Belegordnern bei der KSK zu entnehmen war, dass FTI und KSK vor allem Geschäfte untereinander
Leasingaufwendungen von 13,825 Mio. DM, 1992: 31,58 8 Mio. DM, 1993 57,179 Mio. DM.>, nicht aber mit Servicegesellschaften machten,
410
- obwohl nach der Auskunft der IZA die meisten der angeblichen Mietfirmen keine Unternehmen waren, bei denen beim Marktaufbau „geklotzt“ werden konnte,
411 hätten die Prüfer in einer Besprechung mit Vertretern der OFD Karlsruhe und der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach am 05. Februar 1997 festgehalten, alle geforderten Nachweise seien letztlich erbracht worden, die Betriebsprüfung
könne somit davon ausgehen, dass tatsächlich die Systeme im Prüfungszeitraum vorhanden seien .
412 Dabei hätten auch die Hinweise gefehlt, dass die Geräte möglicherweise existierten, aber keine Einnahmen erbrachten, dass von den überprüften HBS acht Geräte, die schon 1991 bis 1993 verkauft worden waren, erst 1994 und 1995
angeschafft worden seien, dass alle in die Überprüfung einbezogenen HBS, deren Existenz durch die „Da.-Liste“ nachgewiesen worden war, bis auf eine Ausnahme vor der Anschaffung verkauft worden seien, dass die an
Servicegesellschaften im Prüfungszeitraum vermieteten HBS alle auf der „Da.-Liste“ verzeichnet seien.
413 Ein in einem Aktenvermerk der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 10.04.1997 noch
enthaltener Hinweis, es liege „unter Umständen Kreditbetrug der eingeschalteten Refinanzierungsbanken und Leasingfirmen“ vor, sei nicht zu den Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gelangt, Staatsanwalt Z. habe sich auch an kein
Telefonat mit diesem Inhalt erinnern können .
414 Auch die Angaben im Betriebsprüfungsbericht für die FTI seien falsch und unvollständig: es hätten keine Bestätigungen für 45 HBS vorgelegen, sondern nur für 43; das von der Betriebsprüfung geforderte Anforderungsprofil sei nicht
eingehalten worden, da Angaben zu den Laufzeiten, in einzelnen Fällen zu Standorten und den Zeiten der Überprüfung sowie Angaben zu den Lkw und den Anhängern gefehlt hätten und acht Geräte nicht durch Wirtschaftsprüfer testiert
worden seien; bei acht überprüften Geräten habe es sich um HBS gehandelt, die nicht im Prüfungszeitraum angeschafft worden waren. An keiner Stelle sei im Prüfungsbericht erkennbar, dass die von FTI gelieferten HBS nur zu weniger
als 10 % im operativen Einsatz bei Servicegesellschaften waren und dementsprechend auch keine Umsätze erbrachten, die „Umsatzerlöse“ der FTI praktisch nur aus Transfers der KSK bestanden hätten. Ein Vergleich der dem
Betriebsprüfungsbericht der KSK zu entnehmenden von der KSK transferierten Beträge mit den Leasingaufwendungen der FTI ergebe, dass die KSK im betrachteten Zeitraum 86 %
bis 93 % aller Leasingraten der FTI abdeckte.
415 Die Prüfer hätten einfache Überprüfungsmöglichkeiten für die Existenz der HBS in Deutschland nicht wahrgenommen: So hätte eine Überprüfung der in der „Da.-Liste“ nicht enthaltenen Lkw-Systeme im Inland (nur ca. 27 HBS), deren
Leasingraten von FTI an KSK in Rechnung gestellt wurden, ergeben, dass lediglich die Lkw, nicht aber die Bohrsysteme vorhanden waren. Eine Überprüfung der nur rund 30 angegebenen KHD-Sheltermotoren bei KHD hätte ergeben,
dass diese nicht in FlowTex-Bohrgeräte eingebaut worden waren. Die Fahrgestellnummern der Anhänger hätten überprüft werden können, da jedes HBS auf einem Anhänger transportiert werden musste. Der Ersteller der „Da.-Liste“
hätte nach dem Standort der HBS gefragt werden können.
416 Diese Umstände legten den Schluss nahe, dass die Betriebsprüfer bewusst eine Überprüfungsart gewählt hätten, anhand derer Belege für die Existenz der HBS beigebracht werden konnten, obwohl sie gewusst hätten, dass effektiv nur
die auf der „Da.-Liste“ verzeichneten Geräte vorhanden waren und auch diese am Markt nicht eingesetzt werden konnten.
417 Dr. K. habe in diesem Zusammenhang bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung von einem „konstruktiven Theaterspiel“ gesprochen .
418
Steuerstrafverfahren gegen Matthias Sch.:
419 Das Betrugssystem sei in dem Strafverfahren gegen Matthias Sch. von der Betriebsprüfung nicht offen gelegt worden. Für die Zahlungen von KSK an P. sei zwar die Ertragsbesteuerung bei P. bejaht, aber bei KSK nicht etwa der
Betriebsausgabenabzug verneint worden, offensichtlich um KSK zu schonen.
420
Motivation S.s:
421 Manfred Sch. habe die persönlichen Nähe zu AR S. gesucht, so etwa durch
422
- Geschenk eines Zieleinlauffotos von AR S. beim New-York-Marathon,
423
- Teilnahme S.s am Geburtstag Sch.s in den FTI-Räumlichkeiten,
424
- Angebot einer Stelle bei FTI,
425
- Telefonate zum Geburtstag S.s und zu Weihnachten,
426
- Einladung zum Tennisspiel durch Sch. nach der Betriebsprüfung.
427 Dadurch sei die Bedeutung seiner Person erhöht worden, was für AR S. mehr wert gewesen sein könne als hohe Geldzuwendungen.
428 Möglicherweise habe Sch. AR S. mit folgenden Darstellungen beeinflusst:
429
- die Geschäfte liefen jetzt besser als im Prüfungszeitraum,
430
- das Schneeballsystem könne durch Mittel aus dem Verkauf von „Assets“ geheilt werden,
431
- er könne das Schneeballsystem nur heilen, wenn er ungestört weitermachen könne,
432
- durch eine Strafverfolgung wäre alles verloren, aber nichts gewonnen,
433
- die Selbstheilung des Systems sei gegenüber der Insolvenz die wirtschaftlich bessere Lösung.
434 Die so genannte „Asset“-Philosophie sei nach Angaben Sch.s und Dr. K.s in gemeinsamen Gesprächen herausgearbeitet worden .
435
Die Kläger sind der Ansicht, die Voraussetzungen einer Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG lägen vor.
436 Der Betriebsprüfer AR S. habe in Ausübung des ihm anvertrauten Amtes als Ermittlungsgehilfe des Finanzamts seine Amtspflicht zur Unterlassung unerlaubter Handlungen verletzt.
437 Sowohl AR S. als auch die Steuerfahnder hätten sich der Beihilfe zum Betrug, §§ 263, 27 StGB schuldig gemacht, indem sie den Haupttätern durch unterlassene Aufklärung den Schutz der Verborgenheit, des Unentdecktseins des
Schneeballsystems, verschafft hätten und durch die Fehlinformation der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und damit durch die Verhinderung eines Ermittlungsverfahrens die Haupttaten gerade erst ermöglicht hätten, ferner auch der
Konkursverschleppung (nach damaligen Recht) und des Bankrotts nach §§ 84 GmbHG, 283 StGB.
438 Als Beihilfe zum Betrug durch Handeln sei insbesondere die unvollständige und bewusst wahrheitswidrige Information im Aktenvermerk vom 04.02.1997 zu bewerten
.
439 Jedenfalls liege eine Amtspflichtverletzung durch Unterlassen vor, da AR S. das Vorliegen des betrügerischen Schneeballsystems erkannt, aber nicht an die Staatsanwaltschaften über die Steuerfahndung und/oder vorgesetzte Behörden
mitgeteilt habe. Eine Befugnis hierfür habe nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 b) AO bestanden, da das betrügerische Schneeballsystem geeignet gewesen sei, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören
58> .
440 Im vorliegenden Fall habe nicht nur eine Offenbarungsbefugnis bestanden, sondern im Hinblick auf den Umfang des drohenden Schadens infolge einer Ermessensreduzierung auf Null eine Offenbarungspflicht
Anl. K 37, S. 70; Gutachten Prof. Dr. H Anl. K 38, S. 32; Gutachten Prof. Dr. T. K 39, S. 22>.
441 Auch die für ein Unterlassungsdelikt erforderliche Garantenstellung S.s sei gegeben .
442 Die Falschinformation der Staatsanwaltschaft Karlsruhe durch die Steuerfahndung, besonders die unterlassene Mitteilung der „Kr.-Vermerke“, sowie die Falschinformation der Staatsanwaltschaft Mannheim, insbesondere durch die
Mitteilung, A. N. sei als Gesellschafterin für die KSK verantwortlich, stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Gesellschafter der Klägerin Ziffer 4 dar; die erforderliche Betriebsbezogenheit liege vor,
da die bewusste Fehlinformation die Schädigung der Geschäftspartner Sch.s und Dr. K.s durch weitere gutgläubige Geschäfte bewusst einkalkuliert und in Kauf genommen habe, damit sozusagen „voll ins Innere“ des Gewerbebetriebs
getroffen habe.
443 Jedenfalls liege ein Amtsmissbrauch vor. Auch wenn ein Amtsgeschäft seiner Natur nach nur dem allgemeinen Interesse oder dem Interesse bestimmter Einzelpersonen zu dienen bestimmt ist, müsse der Beamte bei seiner Tätigkeit sein
Amt sachlich und im Einklang mit den Forderungen von Treu und Glauben und guten Sitten führen. Verstoße er hiergegen, so missbrauche er sein Amt. Die Pflicht, sich jeden solchen Missbrauchs zu enthalten, obliege ihm gegenüber
jedem Dritten, der durch den Missbrauch geschädigt werden könnte. Ein Amtsmissbrauch liege jedenfalls dann vor, wenn der Beamte den Bürger „sehenden Auges“ in eine Gefahren- oder Schadenssituation laufen lasse
Prof. Dr. O. Anl. K 37, S. 20 - 37; Gutachten Prof. Dr. H. Anl. K 38, S. 47 -54; Gutachten Prof. Dr. T. K 39, S. 28 - 37>.
444 AR S. habe auch vorsätzlich gehandelt. Dies ergebe sich aus den mehrfachen Hinweisen auf die Möglichkeit eines Kreditbetruges in den Aktenvermerken.
445
Kausalzusammenhang
446 Die Verschleierung der Anteilseignerschaft und damit die Darstellung der Vertragsbeziehungen der beteiligten „Partnerunternehmen“ als tatsächlich abgewickelte Fremdkundengeschäfte, obwohl es sich bei den Servicegesellschaften
tatsächlich um keine rechtlich selbstständigen, nicht im FlowTex-Unternehmensverbund stehende Unternehmungen handelte, sei eine wesentliche Voraussetzung des Betrugssystems gewesen. Damit sei bezweckt worden,
unangenehmen Nachfragen - etwa nach Geschäftsberichten und Bilanzen der Servicegesellschaften - entgegenzuwirken und den Geldkreislauf nicht transparent werden zu lassen
Anl. K 114; Ermittlungsbericht Finanzamt Freiburg-Land Steuerfahndungsstelle vom 28.10.02 Anl. K 117, S. 33 f.; Urteil Landgericht Mannheim vom 18.12. 2001 KLs 628 Js 10855/01 Anl. K 5, S.22;>. Dieses wesentliche Merkmal für das
Gelingen des FlowTex-Betruges sei den Betriebsprüfern auch bekannt gewesen .
447 Bei pflichtgemäßem Verhalten wäre die Aufdeckung des FlowTex-Betrugssystems und damit der Zusammenbruch des FlowTex-Imperiums bereits im Sommer 1996 erfolgt. Denn bereits zum Zeitpunkt der Besprechung vom 20. Mai 1996
habe die erforderliche Kenntnis vorgelegen, bei deren Weitergabe an die Staatsanwaltschaft das Betrugssystem spätestens zum 30. Juni 1996 aufgedeckt worden wäre.
448 Wäre zum Zeitpunkt der Besprechung vom 05. Februar 1997 nicht eine inhaltlich falsche Mitteilung über das Vorhandensein der HBS erfolgt, hätte die Staatsanwaltschaft die Vorermittlungen nicht eingestellt, sondern ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet, das spätestens am 31. März 1997 das Betrugssystem aufgedeckt und die Unternehmensgruppe zum Zusammenbruch gebracht hätte.
449
Schutzbereich
450 Bei der Teilhabe an einem breit angelegten Betrugsvorhaben sei der Schutzbereich weit gefasst und erstrecke sich grundsätzlich auf alle Opfer der durch den Amtsmissbrauch geförderten Straftaten und die dabei entstandenen
Vermögensschäden .
451
Mitverschulden
452 Ein Mitverschulden der Banken und Leasinggesellschaften liege nicht vor. Aus deren Sicht habe keine Veranlassung bestanden, an der Seriosität Sch.s und Dr. K.s zu zweifeln. Die körperliche Existenz der Maschinen sei entweder durch
Inaugenscheinnahme (Abnahme) oder durch Abnahmebestätigungen der FTI nachgewiesen worden. Soweit keine körperliche Abnahme erfolgt sei, sondern auf die Abnahmebestätigung - insbesondere in Verbindung mit den Berichten
der Wirtschaftsprüfer - vertraut worden sei, stelle dies keine Leichtgläubigkeit dar , Bestandsaufnahmen am Einsatzort seien im Leasinggeschäft nicht üblich.
453 Auch die sonstigen Vertragspartner seien durch den vorgegebenen und zur Schau gestellten wirtschaftlichen Erfolg getäuscht worden, während die FlowTex-Unternehmensgruppe von vornherein insolvent und ohne Aufrechterhaltung
des Betrugssystems nicht in der Lage gewesen sei, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
454
Subsidiarität
455 Die Kläger müssten sich auch nicht auf die Inanspruchnahme Dritter verweisen lassen. Die testierenden Wirtschaftsprüfer seien ihrerseits selbst getäuscht worden , die von ihnen
erstellten Prüfberichte teilweise sogar gefälscht worden. Selbst im Falle des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB sei den Klägern nicht zumutbar, vor der Inanspruchnahme des beklagten Landes gegen die Wirtschaftsprüfer vorzugehen, da ein
derartiger Anspruch nicht oder jedenfalls nicht in absehbarer Zeit durchsetzbar sei .
456
Schaden: Quotenschaden/Individualschaden
457 Diejenigen Gläubiger, die bei rechtmäßigem Verhalten und demgemäß früherem Eintritt der Insolvenz einen Schadensersatzanspruch gehabt hätten (Altgläubiger), seien in Höhe der damaligen Quote unter Berücksichtigung dessen,
was sie heute in einem Insolvenzverfahren erlangen werden, geschädigt. Ihre Schadensersatzansprüche (Gesamtschaden) werden gem. § 92 Abs. InsO von den Insolvenzverwaltern geltend gemacht.
458 Die Insolvenzverwalter machen deshalb den Quotenschaden zum Stichtag 30. Juni 1996, hilfsweise zum 31. März 1997 geltend.
459 Im Insolvenzverfahren der FTI ergebe sich für den 30. Juni 1996 eine Quote von 5,32 %, zum 31. März 1997 eine Quote von 11,42 %, während heute lediglich eine Quote von 2,93 % zu erwarten sei.
460 Im Insolvenzverfahren Manfred Sch.s ergebe sich für den 30. Juni 1996 eine Quote von 12,6 %, zum 31. März 1997 eine Quote von 18,75 %, während heute eine Quote von 12,97 % zu erwarten sei.
461 Im Insolvenzverfahren Dr. K. ergebe sich für den 30. Juni 1996 eine Quote von 0,73 %, zum 31. März 1997 eine Quote von 5,71 %, während heute lediglich eine Quote von 0,71 % zu erwarten sei.
462 Zum Schadensersatz berechtigt seien alle diejenigen, die nach der unterbliebenen Aufdeckung des Betrugssystems Geschäfte mit der FlowTex-Gruppe eingegangen sind und jetzt auf Grund der eingetretenen Insolvenzen mit ihren
Forderungen ausgefallen sind (Neu- oder Individualgläubiger). Diese seien so zu stellen, wie sie ohne die Amtspflichtverletzung stehen würden. Auf den geschuldeten Schadensersatz seien lediglich an die Neugläubiger durch die
Insolvenzmassen bereits vorgenommene Zahlungen zu verrechnen, mangels Gleichartigkeit nicht jedoch ein noch nicht erfüllter Anspruch auf quotale Befriedigung gegen die Insolvenzmassen. Die Berücksichtigung des Vorteils einer
eventuellen quotalen Befriedigung aus der Insolvenzmasse erfolge dadurch, dass die Klägerin Ziffer 4 Schadensersatz Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Insolvenzschuldner verlange.
463 Die Klägerin Ziffer 4 macht daher als Individualschaden folgende Schadensersatzansprüche geltend:
464
Nr.
Gläubiger
Hauptforderung EUR
Zinsen EUR
Gesamtforderung EUR
1
22.607,15
22.607,15
2
8.114,71
8.114,71
3
7.442,47
7.442,47
4
926,82
926,82
5
11.526,23
11.526,23
6
332.718,95
332.718,95
7
11.630.628,16
11.630.628,16
8
73.394,48
73.394,48
9
14.057.692,04
14.057.692,04
10
374.146,09
374.146,09
11
320.799,72
320.799,72
12
12.514,45
12.514,45
13
1.060.948,16
1.060.948,16
14
351.855,29
351.855,29
15
7.326.140,02
620.382,86
7.946.522,88
16
4.517.910,89
542.149,31
5.060.060,20
17
47.748,78
5.690,68
53.439,46
18
8.442.008,44
8.442.008,44
19
55.286.816,34
55.286.816,34
20
12.993.080,34
1.309.259,30
14.302.339,64
21
4.655.702,18
942.041,71
5.597.743,89
22
9.548.060,16
922.094,96
10.470.155,12
23
9.109.830,31
1.258.438,58
10.368.268,89
24
9.489.797,29
1.818.779,39
11.308.576,68
25
655.113,11
137.117,85
792.230,96
26
10.107.714,18
10.107.714,18
27
11.973.204,00
1.376.918,46
13.350.122,46
28
3.147.156,86
381.128,82
3.528.285,68
29
9.360.044,63
1.048.153,33
10.408.197,96
30
1.000.000,00
1.000.000,00
31
4.352.591,73
264.172,49
4.616.764,22
32
14.427.985,70
1.726.689,23
16.154.674,94
33
4.335.233,61
577.477,25
4.912.710,86
34
872.267,72
15.362,57
887.630,29
35
6.107.152,30
475.851,48
6.583.003,78
36
16.297,50
1.930,99
18.228,49
37
7.191.550,20
1.480.878,76
8.672.428,96
38
15.063.941,27
1.013.552,18
16.077.493,45
39
3.431.136,15
234.354,90
3.665.491,05
40
3.803.913,66
3.803.913,66
41
3.997.920,65
269.931,93
4.267.852,58
42
12.538.857,16
649.531,63
13.188.388,79
43
3.738.047,74
3.738.047,74
44
2.537.019,40
158.507,34
2.695.526,74
45
2.489,84
2.489,84
46
5.640.942,18
1.033.583,53
6.674.525,71
47
261.623,26
27.615,79
289.239,05
48
14.530.490,50
14.530.490,50
49
32.336.858,60
7.958.025,58
40.294.884,18
50
27.145,18
27.145,18
51
1.458.807,26
475.288,82
1.934.096,08
52
5.056.507,86
929.367,73
5.985.875,59
53
11.390.700,21
11.390.700,21
54
35.602,31
35.602,31
55
1.402.788,75
1.402.788,75
56
35.483,11
35.483,11
57
59.168,14
8.313,87
67.482,01
58
8.953.645,44
8.953.645,44
59
1.739.891,75
230.338,05
1.970.229,80
60
18.969,51
18.969,51
61
114.883,14
114.883,14
62
2.904,65
288,21
3.192,86
63
33.275,90
3.298,00
36.573,90
64
1.824.385,37
1.824.385,37
65
6.372.800,95
1.504.707,46
7.877.508,41
66
2.655.172,86
192.271,10
2.847.443,96
67
9.118.358,65
1.167.195,85
10.285.554,50
68
8.743,09
8.743,09
69
3.776.236,42
3.776.236,42
70
1.491.645,52
1.491.645,52
71
36.106,90
4.192,41
40.299,31
72
133.002.688,44
133.002.688,44
73
124.747,86
19.123,38
143.871,24
74
40.746.077,03
40.746.077,03
75
4.343.240,82
4.343.240,82
76
27.291.280,10
5.855.337,59
33.146.617,69
77
14.907.484,33
1.545.466,95
16.452.951,28
78
10.589.865,06
2.117.972,70
12.707.837,76
79
25.725.939,36
5.140.273,89
30.866.213,25
80
38.006,41
38.006,41
81
1.721.663,97
1.721.663,97
82
73.859.738,62
14.064.644,75
87.924.383,37
83
11.397.308,46
1.967.666,38
13.364.974,84
84
7.897,04
7.897,04
85
8.191.081,66
1.162.914,60
9.353.996,26
86
2.533.620,60
677.503,32
3.211.123,92
87
3.583.655,94
3.583.655,94
88
90.914.292,74
90.914.292,74
89
3.495.225,03
3.495.225,03
90
15.172,00
15.172,00
91
6.087.483,23
6.087.483,23
92
7.169,57
7.169,57
93
6.932.775,53
894.385,95
7.827.161,48
94
1.852.004,90
267.320,22
2.119.325,12
95
9.532.199,12
660.049,36
10.192.248,48
96
67.510.749,60
67.510.749,60
97
12.494.408,27
12.494.408,27
98
186.103,85
186.103,85
99
12.163.253,58
12.163.253,58
100
12.171.098,61
3.097.972,74
15.269.071,35
101
6.072.326,33
6.072.326,33
102
14.272.094,30
14.272.094,30
103
29.239,95
29.239,95
104
5.886,85
5.886,85
105
7.003.604,50
2.097.848,67
9.101.453,17
106
21.200.000,00
21.200.000,00
107
273.386,28
38.302,53
311.688,81
108
2.019,60
2.019,60
109
171.452,73
171.452,73
110
12.234.089,70
12.234.089,70
111
11.351.859,71
11.351.859,71
112
7.563.148,13
7.563.148,13
113
7.563.148,13
7.563.148,13
Gesamtbetrag
1.045.893.672,33
70.371.665,43
1.116.265.337,76
465
Die Kläger beantragen :
466
1) Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 1 EUR 2.366.031,15 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
467
Hilfsweise: Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 1 EUR 19.816.946,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
468
2) Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 2 EUR 7.356.287,88 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
469
Hilfsweise: Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 2 EUR 16.504.751,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
470
3) Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 3 EUR 28.671,42 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
471
Hilfsweise: Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger Ziffer 3 EUR 13.753.041,56 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu bezahlen.
472
4) Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin Ziffer 4 EUR 1.116.265.337,76 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 1.045.893.672,33 seit Klagzustellung sowie 4 % Zinsen aus EUR
611.039.376,42 seit dem 1. Juli 1996 bis zur Klagzustellung zu bezahlen Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruches auf Verteilungserlöse, die den Gesellschaftern der Klägerin Ziffer 4 aus den Insolvenzverfahren über die
Vermögen des/der
473
- Manfred Sch.
- Dr. Klaus K.
- A. N.
- Matthias Sch.
- M. C.
- FlowTex Technologie GmbH & Co. KG
- KSK GmbH & Co. KG
- P. GmbH & Co. Horizontalbohrsysteme Vertrieb und Verarbeitung
- GEG Grundstückserwerbsgesellschaft mbH
- RPP Entsorgungstechnologie Vertrieb System Altvater & Co. KG
- Fl.W. GmbH
474
aus Rechten, für deren Verlust sie Schadensersatz geltend machen, zustehen.
475
Das beklagte Land beantragt,
476
die Klage abzuweisen.
477 Das beklagte Land bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin Ziffer 4. Es ist der Ansicht, die Abtretung der „Individualschadensgläubiger“ sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nach § 134 BGB nichtig. Die Abtretung sei zu
Einziehungszwecken erfolgt, da die durchzusetzenden Ansprüche nach Abzug der Aufwendungen ausgeschüttet werden sollten. Nachdem die Klägerin Ziffer 4 als BGB-Gesellschaft rechtsfähig sei , mache sie
fremde Forderungen geltend. Die Klägerin Ziffer 4 handle auch geschäftsmäßig; auch wenn keine Wiederholungsabsicht vorliege, sei die Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet, der Forderungsbestand nicht fest umrissen.
478
Das beklagte Land trägt vor:
479 Es werde bestritten, dass die Verschleierung der Beherrschung aller Elemente des Systems - FTI, KSK, Servicegesellschaften - durch Sch. und Dr. K. eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren des Betrugssystems gewesen
sei. Der wirtschaftliche Zusammenhang sei ohne weiteres erkennbar gewesen. Dass die KSK von Manfred Sch. gegründet worden sei, sei für jedermann durch Einsicht in die Handelsregisterakte oder durch einen Auszug aus der
Gesellschafterliste erkennbar gewesen. Aus dem Jahresabschluss der FTI gehe hervor, dass die FTI aufgrund eines Alleinvertretungsvertrages mit KSK der alleinige Nutzer der
Horizontalbohrtechnik im Lizenzgebiet sei, also FTI der einzige Kunde der KSK. Die Verbindung zu den Servicegesellschaften sei allein schon durch die fortbestehende Firma „FlowTex Servicegesellschaft“ und bei der FTS E. durch die
Geschäftsführung von Dr. K. offensichtlich gewesen. Unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Situation habe es den Leasinggesellschaften und Kreditinstituten freigestanden, Sch. und Dr. K. zur Offenlegung der Umsätze der
Servicegesellschaften aufzufordern; FTI habe auf Grund der bestehenden Miet- und Unterlizenzverträge die Möglichkeit gehabt, in die Buchführung der
Servicegesellschaften Einsicht zu erhalten. Der dreistufige Aufbau des Geschäftsmodells sei auch nicht zur Vornahme von Betrugshandlungen installiert worden, sondern im Zusammenhang mit der Kontroverse mit Fl.M.
Geständnis Manfred Sch. vom 27.09.2001 Anl. K 114>. Sch. und Dr. K. hätten sich diese Struktur nur zunutze gemacht.
480 Für Banken und Wirtschaftsprüfer seien etliche Ungereimtheiten ersichtlich gewesen, ohne dass diese zur Aufdeckung des Betruges geführt hätten. Weder seien die Leasinggesellschaften und Banken davon irritiert gewesen, dass die
Unterschriften von A. N. sämtlich von Manfred Sch. besorgt worden seien noch habe der Wirtschaftsprüfer Dr. R. auf Grund der ihm vorliegenden Bilanzen der KSK für 1993 und 1994 den Betrug erkannt; weder hätten die Banken auf den
auch nach dem offiziellen Geschäftsmodell für FTI zugänglichen Umsatzzahlen der Servicegesellschaften bestanden noch habe Dr. R. seine Testate bis einschließlich 1996 von der Vorlage aller Jahresabschlüsse der
Servicegesellschaften abhängig gemacht. Auch sei der Dresdner Bank Einblick in die Bilanz der FTS E. gewährt worden ; Mitarbeiter der Stadtsparkasse München
hätten sich auf ihre Fragen nach der hohen Diskrepanz zwischen dem Kreditvolumen der FlowTex laut Rückmeldung nach § 14 Kreditwesengesetz und dem Jahresabschluss mit der Auskunft zufrieden gegeben, diese beruhten zu
einem guten Teil auf „Meldefehlern“; auf die Frage, wie die entnommenen 84 Millionen DM verwendet worden seien, sei die Antwort ausreichend gewesen, die Entnahme sei überwiegend in andere Unternehmen des Konzerns
“investiert“ worden; als einer Leasinggesellschaft aufgefallen sei, dass die Nummern der einzelnen Baugruppen auf den Shelter-Briefen bei den verschiedenen Shelter-Versorgungseinheiten alle identisch sind, habe die Auskunft genügt,
es handele sich um Komponenten einer Baureihe, um interne System-/Baureihen- bzw. Verwaltungszeichnungsnummern der Firma KSK .
481 Auch die Kenntnis eines Treuhandvertrages zwischen Manfred Sch. und A. N. hätte nicht zu einer anderen Beurteilung der Leasinggeschäfte geführt; Leasingfinanzierungen würden häufig nach dem „sale and lease back“-Verfahren
durchgeführt, wobei das Leasingobjekt vom späteren Leasingnehmer zunächst an den Leasinggeber veräußert und dann zurückgeleast werde. Einen „unabhängigen Lieferanten“ gebe es bei dieser Konstellation nicht.
482 Die Verhandlungen mit Leasinggesellschaften über den Verkauf von HBS seien auch nicht von A. N., sondern von Sch. und Dr. K. geführt worden. Tatsächlich sei den Leasinggesellschaften und den Banken klar gewesen, dass die KSK
und A. N. sowie die Servicegesellschaften dem Einflussbereich von Sch. und K. zuzurechnen waren . So habe die Klägerin Ziffer 4.44 in den Kreditakten zu
Krediten aus 1995 festgehalten, die F. AG sei
483
„dem Interessenbereich Sch./Dr. K. zuzuordnen, die damit das dreistufige Firmengebilde direkt oder indirekt kontrollieren.“
484 Die Klägerin Ziffer 4.19 habe in einem Besuchsbericht festgehalten:
485
„Eine Abtretung der Mietansprüche gegenüber den Servicegesellschaften würde unserer Meinung nach keine wesentliche Sicherheitenverstärkung darstellen. Die Servicegesellschaften sind zwar rechtlich selbstständig,
wirtschaftlich aber abhängig von FlowTex.“
486 Auch die Klägerin Ziffer 4.17 sei davon ausgegangen, dass zumindest einige Firmen, die die FlowTex-Technologie nutzten, also Servicegesellschaften, Sch. und Dr. K. gehörten .
487 Für die Leasinggesellschaften und Banken sei weniger die Bonität der Servicegesellschaften entscheidend gewesen, sondern vielmehr die Bonität der Auftraggeber („vierte Ebene“), wobei hauptsächlich Stadtwerke in Erscheinung
traten, an deren Bonität keine Zweifel bestanden hätten .
488
Das beklagte Land bestreitet,
489
dass die Finanzbeamten vom Betrugssystem Kenntnis gehabt hätten, diese Kenntnis jedoch nicht an die beteiligten Staatsanwaltschaften weitergegeben hätten.
490
- Allgemeines
491 Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung seien Sch. und Dr. K. als fähige und erfolgreiche Unternehmer angesehen worden, die Technik des grabenlosen Leitungsbaus habe als faszinierende, zukunftsweisende Technologie gegolten, Sch.
habe auch durch Aktivitäten außerhalb der FlowTex-Gruppe mit großen Projekten wie dem Baden-Airpark und dem Erwerb der Fr. AG (mit angeblich dreistelligem Millionengewinn) beeindruckt. In der von Optimismus geprägten Zeit des
Internet- und Börsenbooms der 90-er Jahre seien auch hohe Anfangsverluste als Ausdruck einer expansiven Marktstrategie in Kauf genommen worden.
492 Die Ermittlungsverfahren wegen des angeblichen Raubüberfalls und die Geldwäscheermittlungen der GFG seien ohne erkennbare Ergebnisse eingestellt gewesen. Da die Staatsanwaltschaft auch wegen der anonymen Anzeige keinen
Anfangsverdacht bejaht habe, habe die Vermutung bestanden, an den Vorwürfen sei „nichts dran“.
493 Auch soweit die Gesellschafter der Klägerin Ziffer 4 sich mit der FlowTex-Unternehmensgruppe im fraglichen Zeitraum befasst hätten, sei ihnen das Bild professioneller, tüchtiger und seriöser Manager vermittelt worden, die ein
innovatives, florierendes und expandierendes Unternehmen leiten
3733), für Klägerin 4.23 aaO. S. 264 (AS. 3815), für Klägerin 4.30 aaO. S. 345 (AS. 3979), für Klägerin 4.45 aaO. S. 425 (AS. 4139), für Klägerin 4.82 aaO. S. 464 (AS. 4217) etc., vgl. AS. 5593>.
494 Auch für Oberstaatsanwalt Ad. als erfahrenen Staatsanwalt in Wirtschaftsstrafsachen sei ein Kreditbetrug sehr fern liegend gewesen, da das Unternehmen immerhin über die finanziellen Mittel verfügt habe, die es ermöglichten, eine
Steuernachzahlung in Höhe von ca. 32 Millionen DM wegen der Selbstanzeige sofort zu leisten; FlowTex könne es daher gar nicht nötig haben, Betrügereien zu begehen.
495 Den Betriebsprüfern hätten die Berichte des Wirtschaftsprüfers Dr. R. über die Prüfung der uneingeschränkt testierten Jahresabschlüsse der FTI für 1991,1992 und 1993 vorgelegen. Diese hätten die tatsächliche,
rechtliche und wirtschaftliche Position der FTI als einwandfrei bestätigt, insgesamt ein positives Bild gezeichnet und die Übereinstimmung der Lageberichte mit dem Jahresabschluss bestätigt. Der Wirtschaftsprüfer habe auch ergänzende
Überprüfungen vorgenommen, beispielsweise über den regelmäßigen Eingang der Zahlungen für die Untermietansprüche und deren Weiterleitung an die Leasinggesellschaften. Bestätigt worden sei ferner, dass die Leasingforderungen
nicht doppelt besichert und die geleasten Bohrsysteme von den Untermietern selbst genutzt oder an Dritte vermietet seien. Der Wirtschaftsprüfer habe ferner Bestandslisten erstellt, von der Versicherung der FTI den Versichertenbestand
angefordert und Übereinstimmung beider Listen festgestellt.
496 Für die Betriebsprüfer habe außer Zweifel gestanden, dass die Leasinggesellschaften die erworbenen HBS abgenommen hätten.
497 Die Betriebsprüfer hätten die zu beurteilenden Sachverhalte eher unter steuerlichen Gesichtspunkten als unter allgemeinen strafrechtlichen Gesichtspunkten beurteilt, da die Ermittlung und Beurteilung außersteuerlicher Sachverhalte
eine für sie fremde Aufgabe war, für die sie nicht ausgebildet wurden. Ziel der Betriebsprüfung sei - anders als bei strafrechtlichen Ermittlungen - nicht die umfassende Aufklärung und Feststellung eines in jeder Einzelheit nachweisbaren
Sachverhalts. Nur wenn ausnahmsweise die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4, Nr. 5 AO oder spezialgesetzlich zulässig ist, seien Anzeichen für außersteuerliche Straftaten für Betriebsprüfer relevant und unterfielen nicht dem
Steuergeheimnis.
498 Wie in Betriebsprüfungen üblich hätten die Betriebsprüfer Schwerpunkte gebildet und mit Stichproben gearbeitet, zumal die Prüfung zahlreicher Firmen mit vertretbarem Aufwand und in überschaubarer Zeit habe durchgeführt werden
müssen. Erschwert worden sei dies durch die erheblichen Mängel der Buchhaltung und die sich überlagernden Ebenen ihrer Tätigkeit:
499 Auch seien die Prüfungskompetenzen der Betriebsprüfer begrenzt gewesen: Sie konnten keine Prüfungen im Ausland, keine Prüfungen bei Dritten, keine Prüfungen außerhalb des Prüfungszeitraums und keine Prüfungen steuerlich nicht
relevanter Sachverhalte vornehmen; mit der Einholung der Wirtschaftsprüfer-Testate seien sie daher bereits an die Grenzen des rechtlich Möglichen gestoßen.
500 Die unklare Rollenverteilung im Verhältnis Betriebsprüfung, Steuerfahndung, Oberfinanzdirektion und Staatsanwaltschaft, der lange Berichtsweg und mangelnde Koordination hätten zu Informationsverlusten geführt.
501
- Selbstanzeige vom 05.02.1996 und Ermittlung der Gesellschaftsverhältnisse
502 Unzutreffend sei, dass die Finanzbeamten aus Baden-Württemberg Durchsuchungen verhindert hätten. Zwischen den Finanzbeamten in Karlsruhe und Erfurt habe Einvernehmen darüber bestanden, dass Durchsuchungsmaßnahmen
vorbereitet, aber noch nicht sofort ergriffen werden sollten . Übereinstimmend seien sie auch davon ausgegangen, dass mit Bezahlung der
angeforderten Mehrsteuer in Höhe von 28 Mio. DM die Selbstanzeige wirksam sei. Erst nachdem AR S. bei der Betriebsprüfung der KSK neun Rechnungen über 15,9 Mio. DM festgestellt hatte, die zwar bei KSK Gewinn mindernd, bei
FTS jedoch nicht als Erlös verbucht worden waren, und daraufhin das Steuerstrafverfahren gegen A. N. erweitert und auch gegen den Steuerberater W. ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet worden sei
, sei es - ausschließlich aus sachlichen Erwägungen - zu Meinungsverschiedenheiten über die Zweckmäßigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen gekommen
Steuerfahnder OAR Si. vom 30.04.1996 Anl. B 27> .
503 Die Klärung der gesellschaftlichen Verhältnisse bei der KSK habe richtigerweise zum Ergebnis geführt, dass A. N. rechtlich alleinige Inhaberin der Anteile an der KSK gewesen sei. Ein Treuhandverhältnis habe nicht bestanden, da nach
übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten kein Treuhandvertrag existierte. Auch eine Organschaft oder wirtschaftliches Eigentum der FTI oder Sch./K. habe nicht vorgelegen. Die
tatsächlichen wirtschaftlichen Abhängigkeiten seien durchaus erkannt, aber als unerheblich angesehen worden, zumal es aus Sicht der Betriebsprüfer in erster Linie um die steuerliche Zuordnung der verdeckten Gewinnausschüttungen
und nicht um die steuerstrafrechtliche Verantwortlichkeit für eine Steuerhinterziehung gegangen sei. Dass die Erklärung vom 05.06.1996, die von der OFD in der Besprechung am 20.05.1996 gefordert worden sei
Steuerfahnder AR Gl. vom 20.05.1996 Anl. B 34 = Anl. K 7/93 = Anl. K 7/140>, im Widerspruch zu der Organschaft stand, die die OFD im Anschluss an die Vor-Betriebsprüfung angenommen habe, sei durchaus erkannt worden. AR S.
habe deshalb bei der OFD schriftlich angeregt, diese Entscheidung zu korrigieren, was zur Festsetzung weiterer Umsatzsteuer geführt hätte. Die OFD habe sich zwar nach Prüfung an die nach der ersten Betriebsprüfung getroffene
Entscheidung gebunden gesehen, jedoch mit Schreiben vom 30.08.1996 klar zum Ausdruck gebracht, dass für die in der Selbstanzeige angesprochenen Zeiträume keine
Organschaft vorliege.
504 Das beklagte Land bestreitet, dass zwischen Betriebsprüfung, Steuerfahndung und Oberfinanzdirektion Einigkeit darüber geherrscht habe, dass die „Sf.-Gelder“ von Rechtsanwalt Sf. nicht an A. N. übergeben worden seien, und dass
diese Gelder wider besseres Wissen bei A. N. als verdeckte Gewinnausschüttung angesetzt worden seien. Nachdem A. N. nach mehrfachem Hinweis darauf, dass die behaupteten Schmiergeldzahlungen - ebenso Zahlungen für eine
angebliche Auslandsfertigung von HBS ohne Lizenz - ohne Beleg nicht anerkannt werden könnten, anwaltlich beraten die volle Verantwortung für die „Sf.-Gelder“ auf sich genommen habe, könne von einer fehlerhaften Behandlung der
Angelegenheit keine Rede sein. Dass Schmiergeldzahlungen nicht belegt werden konnten, dass A. N. eingestandenermaßen Gelder an T.C. mit unklarem Buchungsverlauf gezahlt habe
113>, und dass sie jedenfalls nach Angaben von Rechtsanwalt Sf. Gelder auf ein Konto der Firma N.I. einzahlen ließ, habe auf eine verdeckte Gewinnausschüttung zu Gunsten von A. N. hingedeutet.
505 Der Betriebsprüfer AR S. habe im Aktenvermerk vom 09.09.1996 die bisherigen Erkenntnisse für die Besprechung bei der Oberfinanzdirektion am 26.09.1996 ausführlich dargelegt und dabei ausgeführt, dass der Betriebsprüfung die
Verwendung der „Sf.-Gelder“ nicht bekannt sei.
506 Mit Nichtwissen werde bestritten, dass die von Do. in Kopie übersandten Unterlagen über die Gesellschafterverhältnisse bei der F. gefälscht gewesen seien. Jedenfalls hätten die Finanzbeamten die Fälschungen nicht als solche erkannt.
Da es keine Anhaltspunkte und Beweismöglichkeiten zur Widerlegung der vorgelegten Dokumente gegeben habe, habe man die F. als Gesellschafter der Servicegesellschaften anerkannt. Dies sei in mehreren Besprechungen unter
anderem am 26.09.1996 so besprochen worden. Ein Rückerwerb der Servicegesellschaften von der F. AG sei nicht von AR S. angeraten, sondern von Sch. in Aussicht
gestellt worden, um Bedenken der Finanzbeamten zu zerstreuen, die sich aus dem Charakter der F. AG als Briefkastengesellschaft ergaben .
507 AR S. habe auch nicht bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen zu Gunsten einer Verfahrenseinstellung interveniert. Vielmehr habe Staatsanwalt D. eine Verfahrenseinstellung trotz Gegenwehr der Steuerfahndung Erfurt durchsetzen
wollen. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 25.11.1999 hätten die Überprüfungen wegen der Rechnungen der Firma La M. de Levante erst begonnen, es sei der Möglichkeit nachgegangen
worden, dass es sich bei der 1994 - 1996 rechnungsstellenden Firma La M. de Levante und der nach Auskunft des BKA und IZA erst im November 1996 gegründeten Firma La M. de Levante S.A. um verschiedene Unternehmen handeln
könne; handfeste Erkenntnisse, die - auch im Hinblick auf das Steuergeheimnis, § 30 AO - der Staatsanwaltschaft hätten mitgeteilt werden können, hätten noch keine vorgelegen. Die Akribie, mit der AR S. diese Überprüfung
vorgenommen habe, und die Energie, mit der er in der Folgezeit die Aufklärung des Betrugs vorangetrieben habe, stehe auch der Annahme entgegen, er habe A. N. schonen wollen.
508
- Anonyme Anzeigen und Systemüberprüfung
509 Der Betriebsprüfer AR S. sei der Frage, ob die Systeme tatsächlich existieren, nachgegangen und habe seine Betriebsprüferkollegen, seinen Sachgebietsleiter, die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach und auch die OFD Karlsruhe über
die wesentlichen Erkenntnisse informiert.
510 Die Äußerung S.s am 13. Mai 1996, es handle sich
511
„um eine reine Refinanzierungsmethode..., die auf einen Betrug gegenüber den Banken hinauslaufe“
Anl. B 47>,
512 habe keine eigenen Erkenntnisse mitgeteilt, sondern sich auf die theoretisch erörterte Frage der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach nach steuerlichen und sonstigen Vorteilen des in der telefonischen Anzeige behaupteten Sachverhalts -
Geschäfte mit angeblich nicht existierenden Geräten - bezogen.
513 Die Verfügung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 15.05.1996 , mit der um Mitteilung gebeten wurde, ob
514
„dort Erkenntnisse im Hinblick auf die in der anonymen Strafanzeige genannten Steuerdelikte etc. vorhanden“
515 seien, sei entgegen der Auffassung der Kläger nicht als umfassender Überprüfungsauftrag gerade auch im Hinblick auf Vorermittlungen wegen eines etwaigen Betrugs zu verstehen. Auch wenn in Ziffer 3 der Verfügung (in einem
internen, nicht an die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach gesandten Vermerk) ausgeführt werde, dass „weitere Vorermittlungen bei der Steufa des Finanzamts Karlsruhe-Durlach angestellt werden“ sollten, sei in dem Schreiben lediglich
die Bitte um Mitteilung vorhandener Erkenntnisse enthalten, und zwar begründet mit § 386 AO. Es sei also lediglich um eine Zuständigkeitsabgrenzung gegangen, weshalb die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach davon ausgegangen
sei, dass Staatsanwalt Z. für nicht-steuerliche Delikte auch eine eigene Zuständigkeit gesehen habe. Dem entsprechend werde in den Schreiben der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach an die Staatsanwaltschaft jeweils mitgeteilt, es sei
kein steuerlicher Hintergrund zu erkennen. Obwohl damit die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach darauf hingewiesen habe, dass sie keine eigene Zuständigkeit gemäß § 386 AO sehe, habe dies die Staatsanwaltschaft nicht zum Anlass
für eigene oder polizeiliche Ermittlungen genommen.
516 In der Besprechung bei der OFD Karlsruhe vom 20.05.1996 seien die Betriebsprüfer vom
Sachgebietsleiter der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach St. auf den Unterschied zwischen einer bloßen Vermutung und einem Betrugsverdacht sowie darauf hingewiesen worden, dass bei Feststellung strafrechtlich relevanter
Tatsachen ein Verwertungsverbot entstehen könne; er habe sie deshalb zur Vorsicht gemahnt und auch vor einer bei einem Beweisverwertungsverbot möglicherweise eintretenden Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt (§ 258a
StGB) gewarnt und darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung eines Beweisverwertungsverbots ggf. ein Strafverfahren eingeleitet werden müsse.
517 Bei dieser Besprechung sei der Betriebsprüfung der Auftrag erteilt worden, die Existenz der Bohrsysteme zu überprüfen. Nach Hinweis, dass die Prüfungskompetenzen auf den Prüfungszeitraum beschränkt seien, während sich die
Vorwürfe in der anonymen Anzeige auf die Gegenwart bezögen, sei man übereingekommen, zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Vorwürfe eine Überprüfung der Existenz der im Prüfungszeitraum veräußerten Systeme
vorzunehmen.
518 Es sei den Betriebsprüfern bei dieser Besprechung nicht bekannt gewesen, dass im Prüfungszeitraum nur etwa 30 Bohrsysteme im Einsatz gewesen seien. Erst im Juni 1996 hätten sie erfahren, dass nicht alle Bohrsysteme im Einsatz
seien; Manfred Sch. habe dazu erklärt , man habe auf Halde produziert, da man beim Marktaufbau „klotzen, nicht kleckern“ wolle. Die Betriebsprüfer hätten bei
der Besprechung auch nicht falsch über die sich aus der Buchhaltung bzw. der „Da.-Liste“ ergebenden Zahlen informiert. Im Aktenvermerk des Steuerfahnders Gl.
B 34> seien die Zahlen zutreffend wiedergegeben, die abweichenden Notizen im Aktenvermerk Me. seien damit zu erklären, dass Me. der Gegenstand der Besprechung
vollkommen neu gewesen sei und er inhaltlich nur teilweise habe folgen können .
519 Die Begründung der heimlichen Auslandsfertigung von HBS wegen des Fl.M.-Prozesses sei auch nicht erkennbar unplausibel gewesen; der Fl.M.-Prozess sei nicht schon im Januar 1992, sondern erst im September 1993 beendet
worden .
520 Die Staatsanwaltschaft Mannheim, Oberstaatsanwalt Ad., sei vom Sachgebietsleiter St. am 21.05.1996 über die bisherigen Erkenntnisse und die Vermutung von „Luftgeschäften“ informiert worden, wobei ausdrücklich die Finanzierung
der Bohrsysteme angesprochen worden sei, da sich daraus der Verdacht des Kreditbetruges ergeben könne .
521 Auch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Staatsanwaltschaft Z., sei informiert worden.
522 Nachdem die Betriebsprüfer zur Überprüfung der Existenz der Bohrsysteme die „Da.-Liste“ erhalten hätten, sei die Differenz zwischen den in dieser Liste und den bei der KSK fakturierten Systemen wegen der nicht abgleichbaren
unterschiedlichen Nummerierung nicht nachvollziehbar gewesen . Von der Absicht, die Zahl der
hergestellten Systeme durch eine Überprüfung der Herstellerfirmen zu klären, habe man Abstand genommen, da jedenfalls die in der „Da.-Liste“ aufgeführten Systeme als existent angenommen worden seien und Anfragen an die
Hersteller zu diesen Systemen demnach nur Bekanntes bestätigt hätten.
523 In der Besprechung am 03.06.1996 mit A. N., Manfred Sch., Dr. K., Rechtsanwalt Kn. und Steuerberater W. habe A. N. dargelegt, dass die KSK die aus der „Da.-Liste“ nicht ersichtlichen Systeme von FTI ohne Zahlung übernommen habe;
FTI habe auch die Herstellungskosten dieser Systeme getragen. Sch. und Dr. K. hätten als Begründung die erst 1993 beendeten Lizenzstreitigkeiten mit Fl.M. dargelegt. Nachdem die Betriebsprüfer Nachweise für die Herstellung dieser
Systeme gefordert hätten, habe Rechtsanwalt Kn. vorgeschlagen, die Existenz der Systeme „ausgehend vom heutigen Stand, Einsatzbereich oder Lager“ nachzuweisen aufgrund der Überlegung, dass die Systeme, wenn sie heute
tatsächlich existierten, auch hergestellt worden seien . Die beiläufige Bemerkung Sch.s, dass Systeme „auf Halde“ stünden, habe
für die Betriebsprüfer keinerlei besondere Bedeutung gehabt, da ihnen bekannt gewesen sei, dass es einen System-Pool bei FTI gegeben habe, der damit offenbar gemeint gewesen sei. Dass dieser Pool 80 Prozent der Systeme
umfassen sollte, sei ihnen jedoch nicht bekannt gewesen. Die von A. N. geschilderte „Gewinnabsaugung“ sei bei geheimer Auslandsfertigung plausibel erschienen: FTI konnte auf Grund der Auseinandersetzung mit Fl.M. die Systeme
nicht offen verkaufen, übergab sie deshalb an KSK, die nach außen als Verkäuferin auftrat, wobei jedoch im Innenverhältnis FTI so gestellt wurde, als hätte FTI die Systeme selbst veräußert.
524 Die Steuerfahndung habe Kopie des Aktenvermerks vom 03.06.1996 erhalten. Über das Ergebnis der Besprechung sei die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach ferner am 05.06.1996 informiert worden
Si. vom 05.06.1996 Anl. K 7/113= Anl. B 50>.
525 Auch die am 03.06.1996 übergebene „N.-Liste“ habe nur einen Teil der erbetenen Angaben enthalten und keinen Abgleich ermöglicht. Die Zahl der aufgeführten HBS (372, unter Berücksichtigung einer handschriftlichen Korrektur 370)
sei nicht überraschend gewesen, nachdem bereits in dem Bericht des WP Dr. R. zum Jahresabschluss 1993 von 347 bei Service-Gesellschaften im Einsatz befindlichen Systemen die Rede gewesen sei; bei der Differenz von ca. 23 HBS
mochte es sich um nicht im Einsatz befindliche Pool-Systeme handeln.
526 Die Betriebsprüfer hätten zur Überprüfung der Existenz der HBS zunächst eine Aufstellung der verkauften Systeme angefordert ; nachdem die ihnen sodann
übergebene Standort-Liste mit Bestätigungen der Fremdfirmen, dass die Systeme dort vorhanden seien, nicht als ausreichend angesehen wurde, hätten sie für ausgewählte 45 Systeme Belege über die Verbringung oder Abholung der
Systeme zum Standort, Mietverträge, Nachweise über Mietzahlungseingänge etc. angefordert , am 17.07.1996 der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach berichtet und
Überlegungen über weitere mögliche Überprüfungsmaßnahmen angestellt und über die gewonnenen Erkenntnisse die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach
eingehend informiert . Dabei seien neben den bestehenden Zweifeln auch die Anhaltspunkte für die Existenz der HBS aufgeführt worden:
527
- die Erfassung von 280 mit null DM bewerteten HBS in der Inventur der KSK für 1991 und 1992 als Bestätigung der behaupteten heimlichen Auslandsfertigung,
528
- Standortbestätigungen und Mietverträge der ausländischen Mieter,
529
- Versicherungspolicen für die vermieteten HBS,
530
- die Überprüfung von fünf Lkw-Systemen mit Standort in Karlsruhe durch die
Betriebsprüfer; die geringen Laufzeiten seien als Bestätigung der Angabe von Manfred Sch. gesehen worden, dass auf Halde produziert worden sei,
531
- Sch.s Einwand, man wolle beim Marktaufbau „klotzen, nicht kleckern“
532 Dass AR S. von Sch. am 03.09.1996 eine erweiterte Liste mit den dem WP Dr. R. bekannten Standorten erhalten habe, bestreitet das beklagte Land mit Nichtwissen. Aus dieser Liste könne im Übrigen nicht viel abgeleitet
werden. Widersprüche zwischen den Standort-Angaben hätten allenfalls die ohnehin bestehenden Zweifel der Betriebsprüfer verstärkt, die durch die WP-Testate geklärt werden sollten.
533 Zwar hätten die Betriebsprüfer festgestellt, dass bei 16 Lkw-Systemen, die 1990 und 1991 von der KSK veräußert worden waren, das Rechnungsdatum der KSK als Lieferantin zwar nach dem KSK-Lieferdatum, jedoch vor dem Zeitpunkt
der Abnahme gelegen sei. Dem hätten die Betriebsprüfer jedoch keine strafrechtliche Relevanz beigemessen, wie sich aus folgenden Umständen ergebe: Zunächst habe es sich aus ihrer Sicht verglichen mit der Gesamtzahl der zur
Überprüfung anstehenden Systeme um Einzelfälle gehandelt, die meisten der anscheinend vorfinanzierten Systeme seien auch an FlowTex-Gesellschaften, nur vier Systeme an Leasinggesellschaften veräußert worden. Es sei auch eine
Vorfinanzierung im Einverständnis mit den Leasinggesellschaften denkbar gewesen. Über die vertraglichen Verhältnisse der Leasinggesellschaften und etwaiger Kreditgeber und die Finanzierung der an FlowTex-Gesellschaften
verkauften Systeme sei den Betriebsprüfern nichts bekannt gewesen. Im Übrigen seien die fraglichen Lkw-Systeme letztlich im Prüfungszeitraum abgenommen und damit nach der Überzeugung der Betriebsprüfer hergestellt worden.
Schließlich spreche auch der Umstand, dass die Betriebsprüfer am 25.09.1996 sogar mit Sch., Dr. K., Rechtsanwalt Kn. und Steuerberater W. über die „Vorfinanzierung“ gesprochen hätten
25.09.1996 Anl. B 68>, obwohl ihnen nach dem eindringlichen Hinweis des Sachgebietsleiters St. vom 20.05.1996 bekannt war, dass sie bei Verdacht auf strafbare Handlungen die Steuerfahndung benachrichtigen mussten und eine
Besprechung mit den Betroffenen hierüber zu einem Beweisverwertungsverbot und einer möglichen Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt führen konnte, dafür, dass sie eine strafrechtliche Relevanz nicht erkannt hätten. Die von
den Klägern hervorgehobene Vorfinanzierung sei im Übrigen nur ein Detailaspekt der Systemüberprüfung gewesen, die wiederum nur einen Teil der sehr umfangreichen Betriebsprüfungstätigkeit <Übersicht über Prüfungstätigkeiten Anl.
B 138> dargestellt habe.
534 Das beklagte Land bestreitet, dass AR S. eine umfassende Auswertung der am 11.10.1996 erhaltenen „Identifikationsliste“ vorgenommen habe. Diese Liste sei für die Betriebsprüfer nur der Endpunkt einer Reihe fehlerhafter oder
unvollständiger Listen gewesen, die alle Hoffnungen auf eine Übersicht über alle HBS und die Möglichkeit einer belegmäßigen Überprüfung schon früh zunichte gemacht hätten. Aus dieser Liste ergebe sich auch nicht der „Vorverkauf
aller HBS“; denn sie enthalte nicht das Verkaufsdatum, sondern nur das des „Vertragsbeginns“ und gebe damit über etwaige Vorfinanzierungen keinen Aufschluss. Ein Abgleich dieser Liste mit anderen Unterlagen sei jedoch nicht mehr
erfolgt; drei spärliche handschriftliche Vermerke S.s belegten lediglich eine Durchsicht; ein Abgleich hätte jedoch einen größeren Aufwand erfordert.
535 Dass AR S. die Listen vom 03. und 04.09.1996 in der von den Klägern vorgelegten Form übergeben worden seien, werde mit Nichtwissen bestritten; in dem übergebenen Exemplar seien möglicherweise Spalten
ausgeblendet gewesen.
536 Alle relevanten Listen seien im Übrigen der Steuerfahndung mit den Aktenvermerken vom 03.07.1996 und 21.07.1996 übergeben worden.
537 Nach eingehenden Überlegungen zu den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten einer Überprüfung im Ausland unter Einbindung der OFD
3479/01 AS. 1444 = Anl. K 7/125 und vom 17.06.2002 Anl. B 129> sei die Vorlage von Wirtschaftsprüfer-Testaten angefordert worden. Dass die ausländischen Wirtschaftsprüfer nicht von der beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
X. GmbH ausgewählt wurden, sondern von Dr. K., sei für die Betriebsprüfer nicht erkennbar gewesen wie auch der Umstand, dass Dr. K. nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch die Wirtschaftsprüfer offenbar durch Verbringung von
Systemen zu den ausländischen Mietfirmen getäuscht habe.
538 Die stichprobenweise Überprüfung habe sich auf solche Systeme konzentrieren sollen, die besonders schwer überprüfbar gewesen seien, bei denen also die größte Gefahr von Manipulationen bestanden habe. Deshalb seien
überwiegend im Ausland befindliche Shelter-Systeme ausgewählt worden, nur versehentlich seien in der ersten Liste vom 10.07.1996 inländische Systeme aufgenommen
worden.
539 Dass in der Liste vom 05.09.1996 ein System doppelt aufgenommen worden sei und die Liste daher zwar 45 Einträge, aber nur 44 verschiedene Systeme enthalte, beruhe auf einem Versehen.
540 Da der Betriebsprüfung aufgefallen sei, dass einige Shelter-Systeme abweichend vom üblichen Schema den Zusatz „a“ zur Identifizierungsnummer aufwiesen, seien diese für die Überprüfung ausgewählt worden.
541 Bei Erstellung der Liste der für das des Testat-Verfahren ausgewählten Systeme am 05.09.1996 sei ein Abgleich der Liste mit den bei FTI verwendeten internen Ident-Nummern mit den Angaben in der Da.-Liste (Fahrgestellnummer,
amtliche Kennzeichen der Lkw-Systeme, Motornummern der Shelter-Systeme) nicht möglich gewesen, da die Betriebsprüfer erst am 11.10.1996 die mehrfach angeforderte Liste erhalten hätten, in der die internen Nummern mit den
externen Nummern verknüpft gewesen seien. An sich hieraus ergebende weitere Überprüfungsmöglichkeiten hätten die Betriebsprüfer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gedacht, zumal sie bereits mit der Betriebsprüfung bei P. und
weiteren FlowTex-Gesellschaften befasst gewesen seien und weil man sich inzwischen entschlossen gehabt habe, an Stelle des Nachweises der Herstellung der Bohrsysteme zum Nachweis der tatsächlichen Existenz an den
derzeitigen Standorten das WP-Testatverfahren durchzuführen. Die Betriebsprüfer hätten sich daher weder die von der Steuerfahndung Freiburg-Land im Jahre 2002 angestellten Überlegungen zu den Motornummern gemacht noch sei
ihnen aufgefallen, dass vier Motornummern doppelt belegt gewesen seien und HBS in Shelter-Bauweise vor ihrer Anschaffung bereits verkauft gewesen seien.
542 Für 43 der 44 aufgelisteten HBS seien Testate vorgelegt worden; ein Lkw-System, das sich bei MT. in Rom befinden sollte, habe dort nicht überprüft werden können, da es sich nicht mehr dort, sondern bei FTS Italia befunden habe, die
es wiederum zu El. verbracht habe; dies ergebe sich aus einem Schreiben an Dr. K. ; entweder seien die Betriebsprüfer hierüber von Dr. K. informiert worden oder sie hätten das Fehlen des Testats schlicht übersehen.
Die Form der Testatformulare weiche nur unauffällig voneinander ab, die teilweise fehlenden - möglicherweise von den Wirtschaftsprüfern nicht gefundenen - Angaben hätten die Tauglichkeit der Testate nicht wesentlich beeinträchtigt;
für die Betriebsprüfer sei auch nicht erkennbar gewesen, dass die Prüfer in Tschechien und den Niederlanden keine Wirtschaftsprüfer seien; sie hätten sich insoweit auf die Auswahl durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X. GmbH,
München verlassen können.
543 Die Auswertung der am 10.10.1996 bei der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach eingegangenen und erst am 15.11.1996 an die Betriebsprüfer weitergeleiteten IZA-Auskunft sei nach Ansicht der Betriebsprüfung (im Hinblick auf die
Warnung vom 20.05.1996, Sachverhalte außerhalb des Prüfungszeitraums festzustellen) in die Zuständigkeit der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach gefallen und von der Betriebsprüfung daher nicht in die Überlegungen einbezogen
worden. Nach der IZA-Auskunft seien aber immerhin sechs der neun ausländischen Gesellschaften wirtschaftlich aktiv gewesen. Die Angaben über die übrigen Gesellschaften seien dadurch erklärbar gewesen, dass die als existent
bestätigten HBS auch nach Betriebseinstellung noch hätten vorhanden sein können.
544 Bereits die Bereitschaft Sch.s, das WP-Testatverfahren durchzuführen, sei - schon bevor die Testate vorlagen - als Hinweis darauf gewertet worden, dass die Geräte auch existierten. Da die Betriebsprüfer mit diesem Verfahren auch an
die Grenzen ihrer Ermittlungsmöglichkeiten gestoßen waren, habe man sich in der Folge keine Gedanken über zusätzliche Überprüfungen und Abgleiche gemacht.
545 Mehrfach habe der Betriebsprüfer AR S. der Steuerfahndung mitgeteilt, es sei
546
„kein steuerlicher Hintergrund bezüglich der anonymen Anzeige zu erkennen“ .
547 Nach Einleitung des WP-Testatverfahrens habe er mitgeteilt,
548
„weitere Überprüfungsmaßnahmen seien durch die Bp nicht möglich“ ;
549 damit habe er darauf hingewiesen, dass er sich mit der Systemüberprüfung außerhalb des Aufgabenbereichs der Betriebsprüfung bewege und nicht zuletzt auch aus diesem Grund keine weiteren Erkenntnismöglichkeiten sehe. Für die
Betriebsprüfer sei die Frage der Systemüberprüfung somit am 11.09.1996 im Wesentlichen erledigt gewesen. In der Folgezeit seien, abgesehen von der Weiterleitung und Erläuterung der Testate an die Steuerfahndung, keine
wesentlichen Überprüfungshandlungen mehr vorgenommen worden; so sei es auch in den Besprechungen mit Sch., Dr. K., Rechtsanwalt Kn. und Steuerberater W. am 25.09.1996 und bei der Oberfinanzdirektion am 26.09.1996, ebenso
bei weiteren Besprechungen im Dezember 1996 und Anfang 1997 fast nur noch um die Behandlung von Einzelfragen aus der regulären Betriebsprüfung und insbesondere um die steuerliche Behandlung der Selbstanzeige-Gelder
gegangen.
550 Die Betriebsprüfer hätten nicht erkennen können, dass die ausländischen Wirtschaftsprüfer tatsächlich von Dr. K. ausgesucht waren. Sie hätten auch die Unzulänglichkeiten der WP-Testate nicht verschwiegen, sondern Kopien sämtlicher
WP-Testate der Steuerfahndung übergeben.
551
- Weitergabe der Informationen
552 Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Staatsanwalt Z., sei zunächst mit Schreiben der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 16.09.1996 informiert
worden, dass nach dem Ergebnis der bisherigen Vorermittlung steuerstrafrechtliche Aspekte bei der Beurteilung der anonymen Anzeige ausschieden. Hierin sei eine Rückgabe des Ermittlungsauftrages zu sehen, was schon die
gleichzeitig erfolgte Rücksendung der Akte deutlich zeige. Staatsanwalt Z. sei ferner auch vom Steuerfahnder St. am 19.09.1996 telefonisch informiert worden . Die Betriebsprüfer hätten
der OFD am 26.09.1996 berichtet , ferner am 05.02.1997 .
553 Die Aussage, alle geforderten Nachweise seien letztlich erbracht worden , sei nicht bewusst wahrheitswidrig erfolgt. Der Vermerk vom 04.02.1997 stelle
lediglich eine Übersicht und Besprechungsunterlage vor, keinen umfassenden und detaillierten Bericht über alle Einzelheiten der zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der Betriebsprüfer schon länger abgeschlossenen Systemüberprüfung. Die
von den Klägern vermissten Detailinformationen seien teilweise den Besprechungsteilnehmern aus früheren Besprechungen bekannt gewesen. So sei bekannt gewesen, dass nur wenige Geräte im Einsatz waren und kein großer
Umsatz erfolgte , was von Sch. jedoch mit dem Aufbau einer Marktstellung erklärt worden sei.
554 Nachdem die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Staatsanwalt Z., nicht wie im November 1996 besprochen im Januar 1997 auf die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach
zugekommen sei, habe die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach einen Besprechungstermin mit ihm für den 10.04.1997 vereinbart. Bei dieser Besprechung sei Staatsanwalt Z. über die Steuerstrafverfahren bei der Staatsanwaltschaft
Mannheim und der Staatsanwaltschaft Mühlhausen und über die Ermittlungen wegen der anonymen Anzeige informiert worden. In dem gefertigten Aktenvermerk
65> habe die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach am Ende festgestellt:
555
„keine steuerliche Komponente (vgl. Anlage 1) - daher unter bestimmten Umständen Kreditbetrug der eingeschalteten Refinanzierungsbanken und Leasingfirmen.“
556 Damit sei auch klargestellt gewesen, dass die Staatsanwaltschaft die weiteren Vorermittlungen hinsichtlich eines möglichen Kreditbetruges wieder übernehmen solle.
557 Ein Ordner mit dem Überprüfungsergebnissen einschließlich der eingeholten Wirtschaftsprüfer-Testate sei Staatsanwalt Z. angeboten worden , er habe sich jedoch lediglich für das Ergebnis der
Überprüfung interessiert . Der Aktenvermerk vom 10.04.1997 habe Staatsanwalt Z.
jedenfalls für die Dauer der Besprechung vorgelegen.
558 Wie Staatsanwalt Z. in der eingehenden Besprechung erläutert worden sei, hätten die Steuerfahnder unabhängig von der überprüften Existenz der
43 Systeme Kreditbetrug für möglich gehalten, da bekannt gewesen sei, dass Leasingraten für Bohrsysteme aus den Verkaufserlösen (mit-) finanziert wurden; hierzu sei mitgeteilt worden, dass die Kredite der Banken auch aufgrund des
über die Leasing-Konstruktion finanzierten im Vergleich zu den Herstellungskosten der Systeme hohen Verkaufspreises gefährdet sein könnten. Ob eine solche Kreditgefährdung anzunehmen sei, habe jedoch auch Staatsanwalt Z. nicht
zu sagen vermocht; man habe angenommen, dass dies nicht der Fall sei, da sich andernfalls eine der vielen Banken selbst einmal an die Staatsanwaltschaft gewandt hätte.
559 Staatsanwalt Z. habe lediglich das Ergebnis des WP-Testatverfahrens für wichtig gehalten. Dies sei ihm auf seinen Wunsch mit Schreiben vom 14.04.1997 noch einmal schriftlich mitgeteilt worden. Nachdem Staatsanwalt Z. in
der Besprechung vom 10.04.1997 bereits umfassend informiert worden sei, habe sich dieses Schreiben nur auf den angebotenen, aber nicht angenommenen Ordner mit Ermittlungsunterlagen bezogen.
560 Das beklagte Land ist deshalb der Ansicht, die Betriebsprüfung habe über ihre Erkenntnisse die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach umfassend informiert, die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach habe ihrerseits die Staatsanwaltschaft
informiert.
561 Das beklagte Land bestreitet mit Nichtwissen, dass Staatsanwalt Z. von der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach nicht über die andere anonyme Anzeige vom 05.02.1996 beim Finanzamt Weimar unterrichtet worden sei. Da diese Anzeige
im Übrigen weniger detailliert gewesen sei als die in Karlsruhe eingegangene schriftliche Anzeige, sei auch nicht anzunehmen gewesen, dass diese weitere Anzeige für Staatsanwalt Z. von besonderer Bedeutung gewesen wäre -
entgegen dessen Aussage, er hätte bei Kenntnis dieser Anzeige einen Anfangsverdacht bejaht.
562 Die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach habe den „Kr.-Vermerken“ keine besondere Bedeutung beigemessen, da in ihnen nur ähnliche Vorwürfe enthalten gewesen seien wie bereits in den anonymen Anzeigen. Die Betriebsprüfer hätten
von diesen Vorgängen gar keine Kenntnis gehabt. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass Staatsanwalt Z. von der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach, Herrn St. über die „Kr.-Vorgänge“ nicht informiert worden sei.
563 Weitere Überprüfungsmöglichkeiten bei der Systemüberprüfung versäumt zu haben, sei den Betriebsprüfern aus damaliger Sicht unter Berücksichtigung ihrer begrenzten Möglichkeiten nicht anzulasten. Ein Auskunftsersuchen bei der
Fa. KHD zur Überprüfung der Shelter-Motoren habe sich nicht aufgedrängt, zumal ein Auskunftsersuchen an Dritte nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AO nur ein nachrangiges Mittel zur Sachverhaltsaufklärung darstelle.
564 Auch aus der steuerlichen Behandlung ergebe sich kein Hinweis darauf, dass die Betriebsprüfer das Betrugssystem vor der Aufdeckung hätten bewahren wollen. Dass die Vorfinanzierungen nicht berücksichtigt worden seien, könne
auch damit erklärt werden, dass der Sachverhalt nicht geklärt gewesen sei. Eine Korrektur der Abschreibungen hätte im Übrigen nur zu deren zeitlicher Verlagerung geführt. Eine Korrektur der Erlöse der KSK hätte sich steuerlich nicht
ausgewirkt, da die KSK im Prüfungszeitraum ohnehin nur Verluste geschrieben habe. Die nicht ordnungsgemäße Nachbuchung von Ersatzteilrechnungen sei im Betriebsprüfungsbericht für die FTS beanstandet worden. Dass AR S.
zunächst den Verdacht gehabt habe, es handle sich um Scheinrechnungen, belege, dass er Sch. und Dr. K. nicht habe schützen wollen. Dr. K. habe ihm jedoch erläutert, dass mit diesen Rechnungen Entwicklungsaufwand abgerechnet
worden sei . Die Erlöse aus dem Verkauf von Nutzungsrechten seien berücksichtigt worden, weshalb der Gewinn der FTS für 1993 lediglich um 1,96 Mio.
DM gemindert worden sei. Bei der KSK sei der Aufwand für die Überlassung der Nutzungsrechte ebenfalls anerkannt worden, allerdings nicht in voller Höhe, sondern in Höhe des Abschreibungsbetrages. Bei P. hätten die Betriebsprüfer
keine Kenntnis von Vorfinanzierungen gehabt.
565
- Zu belastenden Aussagen:
566 Die Kenntnis der Betriebsprüfer ergebe sich auch nicht aus den Angaben des Zeugen B. . Der Zeuge habe lediglich auf Grund des Verhaltens von AR Manfred S. auf dessen
Kenntnis geschlossen. Mit den fehlenden Bohrsystemen seien auch nicht etwa die bei FTI gemeint gewesen, sondern diejenigen, die bei der Betriebsprüfung bei P. aufgefallen seien. Dort habe die Prüfung ergeben, dass zwei Systeme
mit Ident-Nummern unter 100, die es nach dem internen Nummernschema der FTI gar nicht geben konnte, nicht existierten, weshalb dann auch das Steuerstrafverfahren gegen Matthias Sch. durchgeführt worden sei.
567 Dr. K. habe in seinen ersten Vernehmungen (als Beschuldigter) nach seiner Verhaftung nur seine subjektiven Vorstellungen geschildert und Vermutungen geäußert und auf konkrete Fragen stets vage
und ausweichend geantwortet. Er habe nur davon gesprochen, dass es „für die Finanzbehörde hochwahrscheinlich“ gewesen sei, dass Maschinen fehlten . In
der Hauptverhandlung am 01.10.2001 und am 29.05.2002 als Zeuge habe er diese Vorwürfe zurückgenommen
29.05.2002 Anl. B 128, S. 9>. Noch deutlicher habe sich Dr. K. von seinen früheren Äußerungen in einer Zeugenvernehmung am 03.06.2003 abgesetzt
Js 15037/03, S. 11 Anl. B 132>. Nochmals und vollständig habe Dr. K. seine belastenden Angaben als Zeuge in der Vernehmung vom 13.05.2004
Anl. K 166, B 134> widerrufen und deutlich gemacht, dass er bei den früheren belastenden Aussagen letztlich nur seine eigenen Vorstellungen in einer psychisch belasteten Situation auf AR S. projiziert habe.
568 Die AR S. belastenden Angaben des Manfred Sch. - dessen Glaubwürdigkeit als notorischer Betrüger ohnehin anzuzweifeln sei - seien widersprüchlich. Einerseits soll AR S. schon 1996 in alles eingeweiht gewesen sein und zugesagt
haben, auch die nächste Prüfung „in der gleichen Art abzunehmen“ , andererseits :
569
„Es war dann auch so, dass ja Herr S. immer noch geprüft hat im Jahre 1997, wir mussten erst einmal austesten, ob diese Prüfung noch hält, ob also unsere FlowTex-Problematik schon mit dieser Prüfung auffliegt.“
570 - und bei einer weiteren Vernehmung über die Organisation des WP-Testatverfahrens :
571
„Ohne Herrn R. wäre also das Ganze gar nicht gegangen, ohne ihn und diese Verschleierung wären wir mit FlowTex bereits 1996 an die Wand gefahren.“
572 Sch. halte in jüngerer Zeit an seinen früheren Anschuldigungen gegen AR S. nicht fest. Sein Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Sch. habe vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags am 12.11.2003 ausgesagt
vom 03.06.2003 Anl. B 133>, er habe seinerzeit mit Sch. sehr intensiv die Frage diskutiert, ob die Betriebsprüfer Bescheid gewusst hätten. Er habe von Sch. aber keine belastbaren Informationen erhalten.
573 Auch die Aussage der A. N. , wonach sie bei einer Besprechung zwischen Sch., Dr. K. und AR S. hinaus geschickt worden sei, gebe nichts her. Gemeint sei
offenbar die Besprechung vom 03.06.1996, bei der die Betriebsprüfer RD Bm., RR Gr. und AR S. die Ungereimtheiten im Hinblick auf die Zahl der HBS angesprochen hätten. Soweit N. ausgesagt habe, AR S. habe gesagt, er „wisse ganz
genau“, dass die Maschinen nicht gebaut seien bzw. fehlen würden - was bestritten werde -, sei denkbar, dass die Betriebsprüfer versucht hätten, die Verantwortlichen der FlowTex-Gruppe durch provokante Fragen aus der Reserve zu
locken.
574 Die jetzige Aussage von A. N., AR S. habe Bescheid gewusst, sei mit ihrer Aussage vom 13.04.2000, man habe seinerzeit die Betriebsprüfer „absichtlich getäuscht“ , nicht vereinbar. Im Verfahren gegen Do. vor dem Landgericht
Mannheim sei das Aussageverhalten von A. N. sehr wechselhaft gewesen. Sie habe dort auch ausgesagt, über fehlende Maschinen sei nie mit irgend jemand gesprochen worden, nicht einmal zwischen Sch., Dr. K., W. und ihr.
575
- Zu den Feststellungen der Betriebsprüfung
576 Die Betriebsprüfer hätten zwar durch die Betriebsprüfung Einblicke in die Geldflüsse innerhalb der FlowTex-Gruppe erhalten, diese jedoch nicht im Hinblick auf Anhaltspunkte für Betrugstaten durchleuchtet. An einen Betrug mit
existierenden HBS sei lediglich insoweit gedacht worden, als erwogen wurde, ob ein Betrug darin liegen könne, dass die KSK die HBS mit einem hohen Gewinnaufschlag von mindestens 700.000 DM an die Leasinggesellschaften
veräußerte. Das Betrugssystem, wonach Leasingverbindlichkeiten mit den Erlösen aus dem Verkauf von Bohrsystemen erfüllt wurden, sei nicht erkannt worden.
577 Dass die Betriebsprüfer erkannt hätten, dass die KSK 87 % bis 94 % der Leasingraten der FTI gezahlt habe und dass nur rund 6 % bis 13% der HBS überhaupt im Einsatz gewesen seien, werde bestritten. Eine wirtschaftliche Bewertung
der Ertragskraft der geprüften Gesellschaften bzw. der Bohraktivitäten sei nicht vorgenommen worden. Mit den Leistungsbeziehungen zwischen FTI und KSK und den Zahlungsströmen habe sich die Betriebsprüfung abgesehen von der
routinemäßigen steuerlichen Überprüfung lediglich unter dem Blickwinkel einer Erklärung für den Verbleib der Selbstanzeige-Gelder beschäftigt.
578 Eine Beschreibung des Betrugssystems lasse sich insbesondere nicht dem Aktenvermerk über die Besprechung bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe am 20.05.1996
AS. 1935 = Anl. K 7/133 = Anl. B 35> entnehmen. In diesem sei lediglich die bereits aus den Berichten des Wirtschaftsprüfers Dr. R. bekannte Struktur der Leasinggeschäfte zusammengefasst worden. Die „progressive Zunahme der
Leasingverträge“ sei nicht als Ausdruck eines „Schneeballsystems“ wiedergegeben, sondern habe die aggressive Geschäftspolitik der FTI zum Marktaufbau widerspiegeln sollen. Dass die Zeichnung eines Kegels auf dem Aktenvermerk
vom Betriebsprüfer AR S. stamme, wird vom beklagten Land bestritten. Diese Zeichnung symbolisiere im Übrigen auch kein „Schneeballsystem“, sondern die Wertschöpfung, die bei angenommenen Herstellungskosten von 100.000 DM
und einem Verkaufspreis von 1,0 Mio. DM möglich war. Dies sei der im Vermerk genannte „Rohgewinn“ gewesen, der habe entnommen und als Mietkostenerstattung für FTI zur Verfügung gestellt werden können. Keiner der Teilnehmer
an der Besprechung habe angenommen, dass diese Zahlungsflüsse Ausdruck eines Betrugssystems seien. Die Geldflüsse seien für die Betriebsprüfer nur insoweit von Interesse gewesen, als man gehofft habe, hierdurch Erkenntnisse
über den Verbleib der „Sf.-Gelder“ gewinnen zu können. Im Übrigen seien sie steuerlich ohne wesentliche Bedeutung gewesen: was bei KSK nicht zu versteuern war, wurde bei FTI besteuert.
579 Auch mit der Mitteilung Manfred Sch.s in der Besprechung am 03.06.1996, viele Systeme stünden „auf Halde“ , sei entgegen der
Ansicht der Kläger nicht klar gewesen, dass die nicht operativ tätigen Systeme keine Umsätze erwirtschafteten und nur durch neue HBS finanziert werden könnten. Vielmehr seien von Sch. und Dr. K. nachvollziehbar
Anlaufschwierigkeiten beim Markteinsatz der hergestellten Systeme erläutert worden, der sich schwieriger als geplant gestalte, da für den grabenlosen Verbau keine DIN-Norm zur Verfügung gestanden habe und die FlowTex-
Technologie ohne eine entsprechende Normung bei den angestrebten öffentlichen Aufträgen nur schwer zum Zuge kommen könne. Man habe deshalb in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken St. und E. eine entsprechende Norm
entwickelt. Ferner seien in der Anfangszeit Probleme mit mängelbehafteten oder zu schwachen Bohrsystemen aufgetreten. Die Betriebsprüfer hätten jedoch den Eindruck gewonnen, dass mit der Beseitigung dieser Hemmnisse die
geplante Auslastung der Bohrsysteme erreicht werden könne.
580 Der Sachgebietsleiter Betriebsprüfung Bm. habe die Ergebnisse der Besprechung vom 03.06.1996 in einem als Zwischenbericht bezeichneten Vermerk wie folgt
zusammengefasst:
581
„3. Finanzierung
Lieferung der Systeme von KSK beispielsweise - Hstk 400 TDM -Verkauf 800 TDM i. d. Regel an FTI - Weiterverkauf an Leasinggesellschaften; Einkaufspreis = Verkaufspreis.
Leasing
in der Regel von FTI
vermietet
Service-Gesellschaften
KSK
4. Gewinnabschöpfung
KSK
Service-Gesellschaften
582 Wie sich aus dem Aktenvermerk der Betriebsprüfer vom 22.08.1996 für eine Besprechung mit A. N., Rechtsanwalt Kn., Steuerberater W. und den
Betriebsprüfern ergebe, hätten die Betriebsprüfer die Geldflüsse im Hinblick darauf geprüft, ob die Selbstanzeige-Gelder von der Größenordnung her überhaupt bei KSK als Aufwand verbucht worden sein konnten. Die Frage nach der
tatsächlichen Verwendung der Gelder sei wie folgt beantwortet:
583
„Wenn die ges. Gewinnmarge von über 100 % auf den EK bei KSK anfällt, für die überlassenen Systeme der ges. Kaufpreis an KSK geht, so muss FTI versuchen, die ihr tatsächlich zustehenden Gelder wieder zu bekommen.“
584 Damit sei gemeint, dass die FTI von KSK Ersatz der Herstellungskosten der ohne Lizenz gefertigten Bohrsysteme bekommen haben müsse, also auf der Hand liege, dass die „Sf.-Gelder“ wie bereits von Manfred Sch. behauptet zur
Finanzierung dieser Systeme dienten; der beschriebene Geldkreislauf mit Rückberechnung von Mietaufwendungen, fiktiven Schulungs- und Ersatzteilkosten und den „Sf.-Geldern“ habe somit nach Vermutung der Betriebsprüfer den
Zweck gehabt, die ohne Lizenz hergestellten Bohrsysteme zu finanzieren. Die Verschleierung der Abläufe sei vor dem Hintergrund verständlich gewesen, dass die Fertigung ohne Lizenz wegen drohender Schadensersatzansprüche von
Fl.M. unter höchster Geheimhaltung habe stattfinden müssen. Auch in dem von AR Manfred S. gefertigten Schaubild seien die
Geldflüsse mit Pfeilen dargestellt, versehen mit dem Text:
585
„249 Systeme HK/AK ca. 100,0 Mio.
586
Grund Fl.M.-Prozess“
587 Die Betriebsprüfer hätten demnach ihre Erkenntnisse über die Zahlungsflüsse nicht als Anhaltspunkte für einen Betrug mit nicht existierenden Bohrsystemen, sondern als Hinweis darauf verstanden, dass die „Sf.-Gelder“ von KSK an FTI
geflossen waren und damit letztlich sogar als Hinweis auf die geheime Fertigung ohne Lizenz. Es sei den Betriebsprüfern darum gegangen, bei der vereinbarten Besprechung am 26.08.1996 durch Darstellung einer gewissen inneren
Logik der Zahlungsströme die Behauptung von Schmiergeldzahlungen zu widerlegen.
588 Bei der Besprechung mit A. N. am 02.09.1996 habe AR S. ebenfalls die Verwendung der „Sf.-Gelder“ erörtert und erläutert, die Behauptung, es habe sich hierbei um Schmiergelder gehandelt, sei nicht plausibel und werde nicht
anerkannt .
589
„Vielmehr erscheint die Rückgabe der Systemeinkaufskosten in den FTI-Bereich zutreffender.“
590 A. N. habe seine Argumente „nicht als unmöglich oder unlogisch zurückgewiesen“, aber offenbar in der Hoffnung, ihn zu einer Kompromisslösung bewegen zu können, auf die hohe finanzielle Belastung der KSK durch Übernahme der
monatlichen Leasingraten von 21 Mio. DM hingewiesen. Hierauf habe AR S. mit Kritik an dieser „Finanzierungsform“ reagiert. Für AR S. habe sich die Leasingfinanzierung mit den Einkaufserlösen als wirtschaftlich ungeeignete
Finanzierungsform, dagegen nicht als strafbares Verhalten dargestellt. Seine allgemein gehaltene abschließende Bemerkung in dem Aktenvermerk vom 02.09.1996
591
(„Ich machte nochmals anhand des Kegels deutlich, dass m.E. eine Abkehr von der begonnenen Finanzierungsform schwer möglich ist...“)
592 gebe für eine Kenntnis einer betrügerischen Schneeballfinanzierung nichts her. Hätte AR S. einen Betrug decken wollen, hätte er seine Feststellungen nicht in dem Aktenvermerk niedergelegt und diesen auch nicht der Steuerfahndung
übergeben wie geschehen .
593 Das beklagte Land bestreitet, dass AR S. die Rechnung der FTI an KSK vom 02.02.1996 , die den Prüfungszeitraum überhaupt nicht betroffen habe, und alle Unterlagen im Ordner „Unterlagen
BT 1990 - 1993“ über 20.952.240,51 DM für diverse Leasingverträge vorgelegt worden seien; möglicherweise seien in dem Ordner nur prophylaktisch Unterlagen für die Betriebsprüfung bereitgestellt worden, oder die
fragliche Rechnung sei versehentlich in den Ordner geraten, wofür immerhin spreche, dass sie wie einige andere Unterlagen hinter einem Blatt „z.Hd. Frau A. N. persönlich“ abgeheftet sei . Der Ordner enthalte im
Übrigen Unterlagen, die von den Betriebsprüfern zurückgegeben worden seien, wie z.B. mit Bearbeitungsvermerken der Betriebsprüfer versehene Unterlagen und Anfragen der Betriebsprüfer; es sei aber kaum anzunehmen, dass die
Betriebsprüfer Unterlagen übergaben, die mit einem Deckblatt „z.Hd. Frau A. N. persönlich “ versehen waren.
594 Auch in einer Besprechung der Betriebsprüfer mit Manfred Sch., Dr. K., Rechtsanwalt Kn. und Steuerberater W. am 25.09.1996 sei die Verwendung der „Sf.-Gelder“ angesprochen und von Sch. mit der Systemherstellung erklärt worden
.
595 Von Sch.s Beratern sei angeregt worden, zumindest die Zahlungen an N.I., die der Systemproduktion gedient hätten, als Betriebsausgaben anzuerkennen. Bei der Besprechung bei der OFD am 26.09.1996 seien die
Besprechungspunkte weitgehend wie in dem Vermerk vom 22.08.1996 besprochen worden. OFD und Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach seien somit über die Erkenntnisse der Betriebsprüfer zu den Zahlungsflüssen und ihre Annahme,
dass Gelder zur Finanzierung der Produktion ohne Lizenz verwendet worden seien, informiert worden . Dem
Vorschlag, die N.I.-Zahlungen anzuerkennen, sei zugestimmt worden, womit die steuerliche Behandlung der Geldflüsse im Wesentlichen geklärt gewesen sei. In der Folge habe sich Rechtsanwalt Kn. noch gegen eine Behandlung der
Zahlungen an T.C. gewandt, mangels Erlösbuchung bei T.C. sei dem jedoch nicht entsprochen worden.
596 Mit der von den Betriebsprüfern angeregten „Grundsatzdiskussion“ bei der Besprechung am 05.02.1997 sei die rein steuerliche Bewertung und
Behandlung der Geldflüsse gemeint gewesen. Es sei diskutiert worden, ob wie bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen als nicht abzugsfähig anzusehen sind, wenn diesen keine Mieterträge gegenüberstehen.
Lediglich die Frage, ob der von KSK vorgenommene sehr hohe Gewinnaufschlag strafrechtlich bedenklich sei, sei erörtert, jedoch verworfen worden, zumal Dr. K. ein Gutachten über den Wert eines HBS vorgelegt habe.
597 Eine Auswertung des Umfangs der Leasingaufwendungen (etwa durch Gegenüberstellung der Mietübernahmen durch die KSK und des Leasingaufwands der FTI wie in der Klageschrift AS. 229) hätten die Betriebsprüfer nicht
vorgenommen.
598 Auch aus der isolierten Feststellung einer einzigen Privatentnahme
599
(„Die Geldverwendung erfolgte i.H. v. ca. 9 Mio. als PE Manfred Sch.“ )
600 könne nicht auf die Kenntnis der Betriebsprüfer geschlossen werden, dass die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit der FlowTex-Gruppe allein auf Betrug und persönliche Bereicherung gerichtet sei.
601 Auch aus der Aufstellung vom 16.04.1997 ergebe sich nicht, wie von den Klägern behauptet, ein klares, quantifiziertes
Wissen S.s über das Schneeballsystem. Im Kontext der damaligen Überlegungen der Betriebsprüfer ergebe sich Folgendes: die Betriebsprüfung bei P. habe gezeigt, dass die Geldflüsse komplizierter gewesen seien als im Schaubild
vom 22.08.1996 angenommen. Es sei zwischen den von FTI und von P. geleasten Systemen zu unterscheiden und
Leistungsbeziehungen zwischen P. und FTI sowie unklare Geldabflüsse bei P. zu berücksichtigen gewesen. Mit dem Schaubild vom 17.04.1997 sei versucht worden, die
Zahlungsströme übersichtlich darzustellen; aus dem Schaubild gehe hervor, dass die KSK durch Mietübernahmen, Subventionen und sonstige Zahlungen der FTI und P. erhebliche Liquidität verschafft, letztlich einen Großteil der
Verkaufserlöse gezahlt habe. Dies habe für die Betriebsprüfer nicht auf ein betrügerisches Schneeballsystem hingedeutet; sie seien vielmehr davon ausgegangen, dass es FTI und P. auf Grund ihres wirtschaftlichen Einflusses auf die
KSK gelungen sei, das Risiko, dass Bohrsysteme nicht eingesetzt werden konnten, zumindest teilweise oder für die Anfangszeit der Markterschließung auf die KSK überzuwälzen. Die Subventionszahlungen seien bei der Prüfung der P.-
Gruppe deshalb im Vordergrund gestanden, weil diese Zahlungen auch nach Frankreich geflossen seien und zu entscheiden gewesen sei, ob und in welchem Umfang sie wo steuerlich zu behandeln waren; hierzu hätten Gespräche
zwischen der französischen und der deutschen Steuerverwaltung stattgefunden . Entscheidend sei es darum gegangen, die in dem Schaubild vom
17.04.1996 mit gestrichelten Linien dargestellten unklaren Geldverwendungen - die A. N. und Matthias Sch. betrafen - zu identifizieren bzw. in der Besprechung mit Matthias Sch. und A. N. vom 21.04.1996, zu der kein Vermerk gefertigt
worden sei, zu besprechen.
602 Die klägerische Interpretation der Aufstellung vom 16.04.1996 und des Schaubilds vom 17.04.1996 sei auch deshalb unrichtig, weil der Betrag „Mieten 120 Mio. DM“ nur in Höhe von 109,2 Mio. auf FTI entfalle, weil aus der Da.-Liste
keine Herstellungskosten ersichtlich gewesen seien und jedenfalls den Betriebsprüfern nicht bekannt gewesen sei, dass auch in der Position „Herstellungskosten“ Zahlungen an FTI verborgen seien.
603 Bei den Besprechungen beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden im September 1999 habe AR S. nicht selbst von einem Schneeballsystem oder Betrugssystem gesprochen, sondern im Gegenteil ausführlich und offen über die
Erkenntnisse berichtet :
604
"Es wurden dann weitere Ausführungen gemacht zu den Feststellungen der Spanier und Portugiesen über den ´Kreislauf´ der Maschinen. Hierzu wurde gesagt, dass dies auch ein zentraler Punkt der Bp sowohl in Deutschland
gewesen sei als auch in Frankreich. Daraus resultiere die oben angesprochene Steuerschuld. Dies alles wurde von Herrn S. mitgeteilt. Letztlich war es so, dass er mitteilte, ein Teil dieser Maschinen sei überprüft worden, auch
ein Teil in Frankreich. Hier habe man inoffiziell mit den französischen Behörden zusammengearbeitet. ... Wenn ich gefragt werde, warum dies so von Herrn S. sprich der Überblick, gemacht wurde, kann ich sagen, es war wohl
so, dass die Herren uns einen kompletten Überblick über die gesamte Firmengruppe geben wollten. Ich glaube nicht, dass Sie uns damit ´beeindrucken´ wollten. Wir wären auch nicht zu beeindrucken gewesen. ... Ich hatte nicht
den Eindruck, dass Herr S. diesbezüglich Erkenntnisse zurückhielt oder auf Fragen ´abgeblockt´ hat. ... Auch bei dieser zweiten Besprechung war Herr S., genau wie bei der ersten, ´offen´ und stellte alles dar.“
605 AR S. habe die Erkenntnisse aus der zweiten Betriebsprüfung und die durch die anonyme Anzeige genährte Vermutung, dass ein Betrug mit nicht existenten Bohrsystemen vorliege, dargestellt. Dass bereits die Finanzierung
existierender Maschinen ein Betrug gewesen sein könnte, sei ihm nicht bewusst gewesen. In einem vorbereitenden Aktenvermerk habe er für die anstehende dritte Betriebsprüfung einen
erneuten Systemabgleich angekündigt und auf Ermittlungsansätze wie Überprüfung der Höhe der Mieteinnahmen hingewiesen.
606 Soweit in dem nicht von AR S. stammenden Aktenvermerk vom 03.02.2000 erstmals die Wertung des "Finanzierungssystems" als Schneeballsystem enthalten sei,
könnten hieraus keine Rückschlüsse auf die Kenntnisse der Betriebsprüfer in den Jahren 1996/1997 gezogen werden. Diese Erkenntnis habe sich erst im Januar 2000 auf Grund eines intensiven Meinungsbildungsprozesses mit
zahlreichen Besprechungen gebildet. Noch kurz zuvor seien sich die Betriebsprüfer keineswegs sicher gewesen, ob ein Betrugsverdacht bestehe: Nachdem AR S. mit Anfrage vom 23.11.1999 an die KSK zahlreiche Unterlagen u. a.
auch zu den Rechnungen der Firma Male angefordert habe und sich bei deren Überprüfung herausgestellt habe, dass nicht nur Einkaufsrechnungen vorlagen, sondern KSK die angeblich bei Male gefertigten HBS auch verkauft haben
wollte, sei dies in einer Besprechung der Betriebsprüfer AR S. und StAM H. mit dem Sachgebietsleiter RD Bm. wie folgt besprochen worden
3479/01 AS. 222>:
607
"Daraus ergab sich für uns Prüfer die Vermutung, dass alle Male-Systeme nicht existent waren. Die bisherigen Feststellungen begründeten aber noch keinen sicheren Beweis für diese Vermutung. Aus dieser Vermutung heraus
stellte Herr S. bei der Besprechung mit Herrn Bm. in den Raum, dass für den Fall, dass es die Systeme nicht gibt, ein Betrug vorliege und eine mögliche Steuerhinterziehung in den Hintergrund treten würde. Eine endgültige
Lösung des Gesamtkomplexes wurde an diesem Tag nicht erreicht (unsichere Beweislage), es bestand aber Einigkeit darüber, dass auf Grund der Tragweite des gesamten Falles die OFD vorab informiert werden müsse."
608 In einer unmittelbar danach stattfindenden Besprechung mit der Sachgebietsleiterin der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts Karlsruhe sei die Frage im Vordergrund gestanden
Mannheim 401 Js 1009/01, 401 Js 3479/01 AS. 268., Anl. B 127>,
609
"ob die bisherigen in der Betriebsprüfung festgestellten Umstände bereits einen ausreichenden Grad an Verdachtsmomenten darstellten, um in tatsächlicher Hinsicht bereits die Vermutungsgrenze zu überschreiten und bereits in
diesem Stadium von einem Verdacht der Steuerverkürzung und/oder eines Betruges auszugehen.“
610 Die Prüfer hätten hierzu eine Entscheidung der Straf- und Bußgeldsachenstelle und eine Übernahme der Verantwortung erwartet, seien sich unsicher gewesen und hätten
611
„nichts falsch machen wollen und befürchtet, einen Stein ins Rollen zu bringen, der zu einem nicht wiedergutzumachenden finanziellen und Ruf-Schaden bei FlowTex führen könnte.“
612 Erst bei einer Besprechung bei der Oberfinanzdirektion am 26.01.2000 sei Klarheit geschaffen worden, dass der Verdacht eines Betruges bestanden habe, und erst nach Einschaltung der Staatsanwaltschaft sei es zu dem Vermerk vom
02.02.2000 gekommen, in dem alle Punkte, die in den Jahren 1996 und 1997 allenfalls Vermutungen genährt hätten, nun als Anhaltspunkt für einen Betrugsverdacht erkannt worden seien.
613 Die Feststellungen im Vermerk vom 03.02.2000 beruhten maßgeblich auf Erkenntnissen der dritten Betriebsprüfung, die die früheren Feststellungen in einem anderen Licht hätten erscheinen lassen. So hätten die Betriebsprüfer aufgrund
einer von ihnen angeforderten KSK-Produktionsliste und Abgleich mit den bei der zweiten Betriebsprüfung erstellten Bohrsystemlisten Mitte Januar 2000 festgestellt, dass nahezu alle P.-Systeme laut Produktionsliste bei der Firma Male
gebaut worden sein sollten; die IZA-Auskunft vom 26.01.2000 habe jedoch ergeben, dass die alte Firma Male im Jahr 1994 bereits insolvent gewesen sei, sodass der Verdacht bestanden habe, nahezu alle P.-Systeme ab 1994
existierten nicht. Somit habe erst das Auffinden der Male-Rechnungen, die Auswertung der KSK-Produktionsliste und die IZA-Auskunft einen konkreten Betrugsverdacht ergeben.
614 Bei der Betriebsprüfung der P.-Gruppe seien auf Grund der festgestellten Geldflüsse die Subventionszahlungen alsbald festgestellt worden. Die Betriebsprüfer hätten sie bei der Besprechung mit der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach
vom 15.11.1996 anhand eines von AR S. erstellten Schaubildes „Beispiel System 245“ dargestellt. Mit den Kenntnissen über
Zahlungsflüsse und dem hierüber gefertigten Schaubild "System 245" werde nicht die Kenntnis eines "Betrugssystems" dokumentiert. Zwar erschienen die Vereinbarungen zu Subventionszahlungen und Erstattung von
Mietzahlungen durch die KSK bei isolierter Betrachtung des Systems 245 unsinnig. Ein anderes Bild ergebe sich jedoch, wenn wie in dem Schaubild vom 17.04.1997 nur die Zahlungsflüsse im Zeitraum 1990 bis 1993
betrachtet würden, in dem hohen Verkaufserlösen vergleichsweise niedrige Leasingraten und Mietzahlungen gegenüberstünden und ein Restgewinn bei KSK von 6,4 Millionen DM verblieben sei; in diese Berechnung seien zwar alle
Verkaufserlöse, aber nur ein Teil der Leasingraten und Mietaufwendungen eingeflossen, da für die im genannten Zeitraum angeschafften Systeme auch danach noch Leasingraten bzw. Miete zu zahlen gewesen sei. Künftigen
Leasingraten und Mietaufwendungen hätten jedoch durchaus auch Erträge aus dem operativen Geschäft oder dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen gegenüberstehen können. Bei einem positiven Geschäftsverlauf in der Zukunft
wäre das Finanzierungssystem aus damaliger Sicht weder unumkehrbar noch im Ansatz unplausibel oder wirtschaftlich unsinnig gewesen. Der Schluss, dieses System könne lediglich der persönlichen Bereicherung dienen, habe sich
den Betriebsprüfern daher nicht aufgedrängt und sei von ihnen nicht gezogen worden. Aus Sicht der Betriebsprüfer habe die KSK das Vermietungsrisiko für die an FTI bzw. die Leasinggesellschaften veräußerten HBS übernommen und
Subventionen in der schwierigen Phase des Markteintritts und -aufbaus geleistet, was sie sich aufgrund der sehr hohen Gewinnmarge auch habe leisten können.
615 Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden sei umfassend über die Subventionszahlungen, die Geldflüsse und die anderen Feststellungen der Betriebsprüfung unterrichtet worden. Zunächst seien die Prüfungsfeststellungen in einer
Besprechung mit der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach und der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts Karlsruhe-Durlach am 14.05.1997 sowie in einer weiteren Besprechung mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle am
12.01.1998 erörtert worden . In einer Besprechung am 16.01.1998 mit Oberstaatsanwalt Dr. K. seien die strafrechtlichen Vorwürfe im Zusammenhang mit den Subventionen und der
Nichtexistenz der Systeme 98 und 99 wesentlicher Besprechungsgegenstand gewesen; darüber hinaus sei Oberstaatsanwalt Dr. K. über die Lieferbeziehungen zwischen KSK, FlowTex sowie P. informiert worden und die
Systemüberprüfung bei FlowTex zur Sprache gekommen. Den Besprechungsteilnehmern hätten die von AR S. gefertigten Schaubilder vorgelegen.
616
- Betriebsprüfungsberichte
617 Die Betriebsprüfungsberichte seien weder unvollständig noch lückenhaft. Soweit in ihnen die Zahl von 45 testierten Systemen aus dem Aktenvermerk vom 04.02.1997 - einer Art Vorstufe oder Fragment des späteren
Betriebsprüfungsberichts - übernommen worden sei, könne hieraus nicht auf einen Täuschungsvorsatz S.s geschlossen werden.
618 In den Betriebsprüfungsberichten seien nicht selektive Erkenntnisse, sondern in der für solche Berichte vorgegebenen und üblichen Form die steuerlich relevanten Feststellungen dargestellt worden. Ein Betriebsprüfungsbericht diene
den Interessen der Finanzverwaltung - nicht der Öffentlichkeit, der Abschlussprüfer oder sonst interessierten Personen - und teile diejenigen steuerlich relevanten Umstände mit, die zu einer anderen Besteuerung führen können (§ 202
Abs. 1 Satz 2 AO). Nach dem Erlass des Finanzministeriums vom 24.07.1995 über "Grundsätze zur Rationalisierung der Betriebsprüfung" solle die Betriebsprüfung "insbesondere durch die Bildung von Prüfungsschwerpunkten
rationalisiert werden" (Ziff. 4.1) und die Berichte seien "möglichst kurz zu fassen" (Ziffer 5.1).
619 Ausführungen zu etwaigen strafbaren Handlungen hätten im Betriebsprüfungsbericht keinen Platz, sondern gehörten in einen gesonderten Vermerk über straf- und bußgeldrechtliche Feststellungen (sog. "Rotbogen"). Ein solcher
Rotbogen sei nach internen Richtlinien der Finanzverwaltung nur dann zu erstellen, wenn wegen Straftaten oder
Ordnungswidrigkeiten, für deren Verfolgung die Finanzämter zuständig seien, im Zusammenhang mit der Außenprüfung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden sei, oder der Steuerpflichtige darauf hingewiesen worden sei,
dass die straf- und bußgeldrechtliche Würdigung einem anderen Verfahren vorbehalten bleibe, oder sich aus den Prüfungsfeststellungen ergebe, dass ein Straf- oder Bußgeldverfahren durchgeführt werden müsse. Ein Rotbogen werde
jedoch nur bei Delikten vorgelegt, für deren Verfolgung die Finanzämter zuständig seien, also nicht bei Verdacht auf nichtsteuerliche Delikte. Im vorliegenden Fall sei bei der Betriebsprüfung der KSK und der P. KG ein
Steuerstrafverfahren eingeleitet worden, weshalb die Betriebsprüfer die Berichte mit Rotbogen vorgelegt hätten.
620 Zur Täuschung des Abschlussprüfers seien die Betriebsprüfungsberichte auch nicht geeignet gewesen. Bei der Erstellung seines Prüfungsberichts für 1996 hätten ihm die Prüfungsfeststellungen der Betriebsprüfer nicht einmal
vorgelegen . Unzutreffend sei, dass Dr. R. überhaupt keine Jahresabschlüsse der KSK gehabt habe. Tatsächlich habe er nach eigener Aussage
zumindest die Jahresabschlüsse der KSK für 1993 und 1994 gehabt. Dennoch habe er den FlowTex-Betrug nicht aufdecken können. Obwohl Dr. R. selbst auf das
Einsichtsrecht der FTI nach § 8 des Franchisevertrages verwiesen habe, habe er sich mit der Verweigerung der Herausgabe von Informationen durch die Servicegesellschaften abgefunden und das Testat für 1996 trotz der zuvor
geäußerten Bedenken erteilt.
621 Der K. habe der Betriebsprüfungsbericht zwar bei Prüfung des Jahresabschlusses 1997 vorgelegen, sie habe ihn aber offenbar nicht genau gelesen, da sie trotz der Hinweise auf die desolate Buchhaltung, die pauschalen
Geldüberstellungen, die nicht mögliche Überprüfung, die bewusst vorgenommenen Verschleierungen und die verbliebenen Unklarheiten bezüglich Verwendung und Weitervermietung der HBS keine kritische Nachfrage gehalten und
die Zahlungsflüsse nicht unter die Lupe genommen habe.
622 Im Betriebsprüfungsbericht für KSK seien in Abschnitt 1.1 die Feststellungen über Gesellschafterstellungen zutreffend wiedergegeben. Mit der abschließenden Bemerkung
623
"es ist jetzt der rechtliche Stand vollzogen, welcher der früher angenommenen wirtschaftlichen Beherrschung entspricht"
624 hätten die Betriebsprüfer zutreffend darauf hingewiesen, dass erst mit der Treuhandvereinbarung vom 12.05.1997 die rechtliche Grundlage für die Zurechnung der Gesellschaftsanteile an Manfred Sch. und Dr. K. geschaffen sei, während
zur Zeit der Vor-Betriebsprüfung weder die Voraussetzungen für wirtschaftliches Eigentum noch die für die angenommene umsatzsteuerliche Organschaft vorgelegen hätten. In Abschnitt 1.2 sei die Buchführung der KSK als desolat
dargestellt worden, in Abschnitt 1.3 seien die Ermittlungen zur Selbstanzeige wiedergegeben, auch die Verschleierung der Geldverwendung seien nicht verschwiegen worden (Ziff. 13.8.1); ferner sei erwähnt worden, dass die
Selbstanzeige nicht vollständig gewesen sei, sondern die Betriebsprüfung weitere Feststellungen über nicht verbuchte Erlöse und Zahlungen an T.C. getroffen habe. In Abschnitt 1.05 seien die Subventionsansprüche der P., in Ziffer
1.13.8 detailliert die Übernahme von Leasingaufwendungen angeführt worden; auch die wirtschaftliche Machtstellung der FTI sei festgehalten worden.
625 Für die Gesellschafterstellung von A. N. sei für die Finanzbeamten entscheidend gewesen, dass alle Äußerungen dahin gingen, sie sei alleinige Gesellschafterin.
626 Auch die Angaben über die Verwendung der „Sf.-Gelder“ seien zutreffend wiedergegeben worden. Zutreffend sei auch dargestellt, dass (durch Rechtsanwalt Kn.) versucht wurde, die Zahlungen an N.I. als Betriebsausgaben
durchzusetzen.
627 Auch die Transferzahlungen an FTT, P. und T.C. sowie die Rolle von Sch. und Dr. K. seien im Bericht dargestellt.
628 Im Betriebsprüfungsbericht für FTI seien in Abschnitt 1.2 die Zweifel hinsichtlich der Verwendung und Weitervermietung der Bohrsysteme mitgeteilt und sodann das WP-Testatverfahren im Kern richtig wiedergegeben worden;
eine detaillierte Darstellung des Testatverfahrens sei nicht erforderlich gewesen. Auch hier sei (Abschnitt 1.1) auf den bedenklichen Zustand der Buchhaltung hingewiesen und beanstandet worden, dass bewusste Verschleierungen im
Bereich der Lieferantenrechnungen und Zahlungsflüsse vorgenommen worden seien. Die Ausführungen zum Verhältnis zwischen KSK und FTI im Prüfungsbericht für KSK hätten für FTI nicht spiegelbildlich wiederholt werden müssen,
da sie hier nicht steuerlich relevant gewesen seien. Während bei KSK die Anerkennung der Mietkostenübernahmen an FTI fraglich gewesen sei, seien die Zahlungen bei FTI auf jeden Fall als Einnahmen zu versteuern gewesen.
629 Der Betriebsprüfungsbericht für die F. AG sei nicht unvollständig, sondern gebe die Erkenntnisse der Betriebsprüfer wieder. Diese hätten die von Do. vorgelegte Erklärung vom 15.11.1995 nicht anerkannt, sondern eigene
Nachforschungen angestellt. Die eingeholte IZA-Auskunft habe ergeben, dass es sich bei der F. zwar um eine Briefkastenfirma handele, sie jedoch als Fremdunternehmen anzusehen sei und nicht dem unmittelbaren Einflussbereich von
Sch. und Dr. K. zuzurechnen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die dann am 07.07.1996 vorgelegten umfangreichen Unterlagen gefälscht gewesen seien, hätten die Betriebsprüfer nicht gehabt; sie hätten die F. daher als Gesellschafterin der
FlowTex-Servicegesellschaften akzeptieren müssen. Dies sei vom Sachgebietsleiter der Betriebsprüfung Bm. in einem Vermerk vom 06.08.1996 festgehalten und von der Oberfinanzdirektion in der Besprechung vom
26.09.1996 gebilligt worden. Zusätzlich hätten die Betriebsprüfer am 20.09.1996 eine IZA-Anfrage zu R. Al. und dazu gestellt, ob es möglich sei, dass diese über Gelder von ca. 13 Mio. DM verfüge; das
Bundesamt habe am 10.10.1996 telefonisch mitgeteilt, es bestünden keine Bedenken gegen eine Anerkennung als F.-Eigentümerin.
630 Im Betriebsprüfungsbericht für FTS E. seien die Ermittlungen und Feststellungen zur F. AG zutreffend wiedergegeben worden. Die Nähe zur FTI sei dargestellt worden, auch wenn es keine Anhaltspunkte und
Beweismöglichkeiten gegeben habe, um die vorgelegten Dokumente als Fälschungen zu widerlegen. Ferner seien die Unzulänglichkeiten der Buchhaltung festgehalten und die bereits bei der KSK behandelten Rechnungen seien als
fingiert dargestellt worden.
631 Im Betriebsprüfungsbericht für die Sch. & K. GbR seien vier Fälle von in der Buchhaltung nicht nachvollzogenen Veräußerungen bzw. storniertem Kauf von Bohrsystemen aufgegriffen, auch darauf hingewiesen worden, dass
zwei dieser Systeme durch Darlehen finanziert waren.
632 Im Betriebsprüfungsbericht für P. seien in Abschnitt 2.2 sowohl die Subventionszahlungen der KSK mitgeteilt als auch, dass Systeme nicht im Einsatz waren, sondern „auf Vorrat“ geleast wurden. In Abschnitt 1.3.2 sei darauf
hingewiesen, dass
633
„Liquiditätsüberhänge aus dem Bereich Bohren ... überwiegend den Unternehmen im Bereich Bauen und Beteiligungen zugeführt“
634 wurden. In Abschnitt 3.2 sei auf das eingeleitete Steuerstrafverfahren und dessen Anlass hingewiesen, in Abschnitt 4 auf erhebliche Mängel der Buchführung.
635
- Motiv
636 Für eine vorsätzliche Beihilfe zum Betrug fehle es auch an einem Motiv. Ein Vorteil des von den Klägern in erster Linie beschuldigten Betriebsprüfers AR S. sei nicht ersichtlich. Trotz eingehender Durchleuchtung seiner
Vermögensverhältnisse seien für den Zeitraum der zweiten Betriebsprüfung keinerlei Hinweise auf Zahlungen Manfred Sch.s oder Dr. K.s gefunden worden. Von Versuchen Manfred Sch.s, ihn mit kleinen Gesten wie einer Gratulation
zum Geburtstag oder der Einladung zum Tennisspiel freundlich zu stimmen, habe er sich nicht beeindrucken lassen. So habe er während der Betriebsprüfung regelmäßig Essenseinladungen ausgeschlagen. Er habe auch nicht an der
großen Feier zu Manfred Sch.s 50. Geburtstag teilgenommen, sondern lediglich an einem Stehempfang, der während der Betriebsprüfung in den Firmenräumen für die Mitarbeiter gegeben worden sei.
637 Das beklagte Land bestreitet, dass AR S. sich habe als Sanierer betätigen wollen, die "Asset-Philosophie" erarbeitet sowie von der Herstellung von "Light-Bohrmaschinen" abgeraten habe.
638 Gerade der Betriebsprüfer AR S. habe durch hartnäckige Anfragen, analytische Überlegungen und konsequentes Vorgehen den Haupttätern am stärksten zugesetzt. Seine Überlegungen und Erkenntnisse habe er im Verlauf der Prüfung
frei und ungeschminkt in zahlreichen Aktenvermerken dokumentiert. Bei den BKA-Besprechungen im Jahr 1999 habe AR S. das FlowTex-Finanzierungssystem umfassend dargestellt. Ferner habe er auf neue Ermittlungsansätze
hingewiesen.
639 Die Steuerfahnder hätten die insbesondere aus der laufenden Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse - sowohl in dem Steuerstrafverfahren gegen A. N. u.a. als auch in dem Vorermittlungsverfahren wegen der anonymen Anzeige -
den Staatsanwaltschaften mitgeteilt. Anlass, irgendwelche Erkenntnisse vorzuenthalten, habe nicht bestanden. Anhaltspunkte für eine solche Absicht oder ein Motiv hätten sie nicht gehabt. Während die Staatsanwaltschaft für eine
Beihilfe zum Betrug schon keinen Anfangsverdacht gegen die Steuerfahnder gesehen habe und gegen Si. und Gl. auch keinen hinreichenden Verdacht auf Strafvereitelung bejaht habe, sei gegen St. zwar Anklage wegen
Strafvereitelung erhoben, diese aber vom Landgericht Karlsruhe zu Recht nicht zugelassen worden .
640 Die Kr.-Vermerke, deren Kern bereits durch die anonyme Anzeige vom 04.05.1996 bekannt gewesen sei, habe für die Steuerfahnder wenig Relevanz gehabt.
641 Gegenstand der anonymen Anzeige und der Angaben Kr. sei ein Betrug mit nicht existierenden HBS gewesen. Nachdem sie trotz erheblicher Bemühungen keine objektivierbaren Anhaltspunkte für das Fehlen von HBS gefunden hätten,
hätten sie am 16.09.1996 Staatsanwalt Z. den Ermittlungsauftrag unter Rücksendung der Akte zurückgegeben und hierbei mitgeteilt, dass erstens sich aus dem angezeigten Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat
ergeben hätten und zweitens bei der Staatsanwaltschaft Mannheim wegen eines anderen Sachverhalts ein Steuerstrafverfahren geführt werde. Der Sachverhalt sei ferner am 19.09.1996 telefonisch zwischen Herrn St. und Staatsanwalt
Z. besprochen worden , nach Abschluss des WP-Testatverfahrens seien die Ergebnisse dieser Überprüfung bei der Besprechung am 10.04.1997 nachgereicht worden; hierbei sei auch auf die
Möglichkeit eines Kreditbetruges hingewiesen worden . Dass die Kr.-Vermerke nicht mitgeteilt worden seien, was bestritten werde, sei auch nicht kausal geworden.
642 Auch die Information der Staatsanwaltschaft Mannheim hinsichtlich des Steuerstrafverfahrens aufgrund der Selbstanzeige sei zutreffend erfolgt. Hinsichtlich der Gesellschafterstellung Sch.s und Dr. K.s habe es zwar zunächst
unterschiedliche Aussagen gegeben, letztlich sei aber A. N. Alleingesellschafterin und ein Treuhandverhältnis nicht nachweisbar gewesen. Über die Verwendung der Selbstanzeige-Gelder habe es zwar zahlreiche Vermutungen
gegeben, auch die, sie könnten an Sch. und Dr. K. geflossen sein, dies habe jedoch nicht geklärt werden können.
643
- Verhalten der Anspruchssteller
644 Von den Klägern seien die Bestimmungen der Rahmenverträge über die Refinanzierung offenkundig nicht lückenlos eingehalten worden, ganz überwiegend habe es keine schriftlichen Kaufverträge zwischen den Leasinggesellschaften
und der KSK gegeben. In der Täuschung über die Existenz des Leasingobjekts liege auch nicht eine Täuschung über die Verität der verkauften Leasingforderung, denn bei Nichtexistenz des Leasingobjekts sei der Leasingvertrag nicht
automatisch unwirksam (OLG Frankfurt WM 2003, 807).
645 Nur ein Teil der Leasinggesellschaften habe die gekauften HBS überhaupt sehen wollen. So habe die Klägerin Ziffer 4.33, A. GmbH, mitgeteilt , sie habe keine körperlichen Abnahmen durchgeführt.
Soweit sich die Leasinggesellschaften auf Überprüfungen der refinanzierenden Banken verlassen hätten, hätten solche ebenfalls nicht stattgefunden. So habe eine Mitarbeiterin der Klägerin Ziffer 4.18 ausgesagt
vom 30.01.2001 Anl. B 78 >, die A. GmbH habe auf Grund einer entsprechenden Vereinbarung die HBS sowie alle diesbezüglichen Unterlagen für die Bank verwaltet, man habe daher seitens der Bank keine Kontrollen durchgeführt oder
Listen angefordert. Auch die Klägerin Ziffer 4.80 die Klägerin Ziffer 4.17, C. Bank AG, die Klägerin Ziffer 4.25, die Klägerin Ziffer 4.91, die Klägerin Ziffer 4.44, die Klägerin Ziffer 4.60, die Klägerin Ziffer 4.34, hätten keine körperlichen
Abnahmen vornehmen lassen. Soweit Leasinggesellschaften doch auf einer körperlichen Abnahme der HBS bestanden hätten, seien diese ganz oberflächlich erfolgt.
646 Auch während der Vertragslaufzeit seien vielfach keine Standortkontrollen durchgeführt worden. Möglicherweise hätten die Leasinggesellschaften auch mit der Nichtexistenz der HBS gerechnet .
647 Am Finanzmarkt habe es immer wieder Gerüchte über die Seriosität der FlowTex-Gruppe gegeben; diese und das 1995/1999 geführte Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, Manfred Sch. habe einen Raubüberfall selbst inszeniert,
über das in der Presse berichtet worden sei, hätten Anlass für strengere Kontrollen geben müssen.
648 Immerhin seien die Zweifel an der Existenz der Bohrsysteme bei Leasinggesellschaften und Banken so ausgeprägt gewesen, dass sie teilweise Sonderprüfungsberichte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu den Leasingverträgen
31.12.1998 Anl. B 86> hätten erstatten lassen. Diese hätten entweder nur Fragezeichen oder nur Stichproben enthalten, die für die Prüfung des Eigentums an der jeweiligen einzelnen Maschine der Bank oder
Leasinggesellschaften nicht geeignet gewesen seien.
649
- Zur Rechtslage:
650 Die Finanzbeamten des beklagten Landes hätten zwar bei der Außenprüfung in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt. Soweit die Kläger behaupteten, AR S. habe sich um Finanzierungsfragen und die finanzielle Sanierung der
FlowTex-Gruppe gekümmert, den Erwerb von „Assets“ empfohlen und von der Produktion von “Light-Bohrsystemen“ abgeraten, hätte kein innerer Zusammenhang zwischen Amtsausübung und Schadenszufügung bestanden, da eine
solche Tätigkeit lediglich aus persönlichen Gründen, losgelöst von der dienstlichen Tätigkeit, erfolgt wäre.
651 Das beklagte Land hafte nicht wegen Verletzung von Amtspflichten zur Anzeige und Verfolgung von Straftaten, da diese nur dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung dienten und nicht drittgerichtet seien. Zwar hätten
insbesondere Staatsanwalt Z. und Staatsanwältin Kz. ihre Amtspflicht zur Verfolgung von Straftaten nicht verletzt, dies könne jedoch dahinstehen, da diese Amtspflicht der Staatsanwaltschaft nur gegenüber der Allgemeinheit, nicht jedoch
gegenüber dem einzelnen durch eine Straftat verletzten Bürger obliege.
652 Auch die Beamten der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach hätten ihre Amtspflichten nicht verletzt. Nach § 208 Abs. 1 AO sei die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten, nicht jedoch die Ermittlung
außersteuerlicher Straftaten Aufgabe der Steuerfahndung. Bei der Aufklärung der steuerstrafrechtlich relevanten Sachverhalte hätten sich die Steuerfahnder ordnungsgemäß verhalten, insbesondere keine falschen Auskünfte gegeben.
Auch im Vorermittlungsverfahren wegen der anonymen Anzeige vom 04.05.1996 hätten sie Staatsanwalt Z. mitgeteilt, die Sachverhalte der anonymen Anzeige seien steuerstrafrechtlich ohne Relevanz. Damit habe Staatsanwalt Z.
gewusst, dass keine Zuständigkeit der Steuerfahndung noch eine solche der Finanzbehörde (§ 386 AO) gegeben war. Ob die Anfrage vom 15.05.1996 nach Erkenntnissen zu den in der anonymen Anzeige genannten „Steuerdelikte etc.“
als Auskunftsverlangen nach § 161 StPO angesehen werden könne, erscheine sehr zweifelhaft. Jedenfalls hätten die Steuerfahnder Staatsanwalt Z. am 10.04.1997 vom Ablauf wie auch vom Ergebnis der Systemüberprüfung zutreffend
unterrichtet. Im Übrigen lägen ersichtlich sowohl die Amtspflicht zur Ermittlung von Steuerstraftaten als auch die bei Erledigung eines Auskunftsersuchens nach § 161 StPO zu beachtenden Amtspflichten ausschließlich im öffentlichen
Interesse, zumal es sich dabei um einen lediglich verwaltungsinternen Mitwirkungsakt handele, der keine Außenwirkung habe und daher nicht geeignet sei, die für den Drittbezug erforderliche besondere Beziehung zwischen verletzter
Amtspflicht und betroffenem Bürger herzustellen.
653 Auch die Beamten der Betriebsprüfung hätten keine Amtspflichten verletzt. Eine allgemeine Pflicht zur Anzeige begangener Straftaten bestehe weder für die Allgemeinheit noch für Beamte. Auch soweit die Finanzbehörden im Einzelfall
als Polizeibehörden mit speziellen Aufgaben im Sinne des § 163 StPO wie als Ermittlungsbehörde gemäß § 160 StPO tätig werden könnten, führe dies nicht zu einer allgemeinen Anzeigepflicht, da die Finanzbehörde nur im Rahmen des
Steuerstrafverfahrens tätig werde, nicht jedoch bei Ermittlungen wegen einer nichtsteuerlichen Straftat. Nach § 30 Abs. 1 AO hätten auch die Betriebsprüfer das Steuergeheimnis zu wahren. Einer der in § 30 Abs. 4 AO normierten
Ausnahmefälle habe in den Jahren 1996/1997 nicht vorgelegen; § 30 Abs. 4 Nr. 4 lit.a) AO hätte allenfalls die Offenbarung von Erkenntnissen hinsichtlich der Selbstanzeige vom 05.02.1996 gerechtfertigt, nicht jedoch die von
Erkenntnissen außerhalb dieser Tat im strafprozessualen Sinne; § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. a) AO rechtfertige nur die Offenbarung von Erkenntnissen über Verbrechen, Verbrechen hätten jedoch während der Betriebsprüfung nicht vorgelegen
; da die Betriebsprüfer 1996/1997 weder den Betrug als solchen noch das Schneeballsystem oder den aus
heutiger Sicht gewaltigen Umfang des hierdurch verursachten Schadens erkannt hätten, hätten sie auch keine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO annehmen können. Jedenfalls ergebe sich aus der
Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 AO keine Offenbarungspflicht. Eine solche könne auch nicht mit einer Ermessensreduzierung auf Null begründet werden, denn § 30 Abs. 4 AO sei keine Ermessensvorschrift.
654 Der Betriebsprüfer AR S. habe auch keine Beihilfe zum FlowTex-Betrug begangen. Eine Beihilfe durch positives Tun sei nicht in den Angaben im Aktenvermerk vom 04.02.1997 zu sehen, da diese Angaben
abgesehen von Ungenauigkeiten im Hinblick auf die Zahl der geforderten und erhaltenen Testate objektiv richtig gewesen seien und im Übrigen in keiner Weise geeignet gewesen seien, die Aufdeckung des Betrugssystem zu
verhindern und die Betrugstaten zu fördern. Auch eine tatbestandliche Unterlassung i. S. v. § 13 StGB habe nicht vorgelegen. Da sich keine Mitteilungspflicht aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO ergebe, habe keine Handlungspflicht
bestanden; zumindest seien dem Betriebsprüfer AR S. Umstände, die eine Offenbarung steuerlicher Geheimnisse erlaubt hätten, nicht bekannt gewesen. Der Irrtum hierüber lasse den Tatbestand der Beihilfe entfallen, § 16 Abs. 1 Satz 1
StGB. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Garantenpflicht lägen nicht vor. Der Beamte der Finanzverwaltung könne zwar Garant für das staatliche Steueraufkommen, der Steuerfahnder Garant für die Verwirklichung des
staatlichen Strafanspruchs in Steuersachen sein, die Kläger hätten jedoch nicht darauf vertraut und vertrauen können, dass etwaige Straftaten im Zuge der Betriebsprüfung aufgedeckt würden.
655 Eine Täuschung (wann, durch wen, worüber) der einzelnen Anspruchsteller sei nicht substantiiert vorgetragen.
656 Unzutreffend sei insbesondere die Ansicht der Kläger, bei allen Vertragsabschlüssen der Unternehmensgruppe sei gegenüber den Vertragspartnern die Erfüllungsfähigkeit und -willigkeit bezüglich der Gegenleistung nur vorgespiegelt
worden. Die Aufrechterhaltung des Betrugs-Systems sei gerade deshalb möglich gewesen, weil die Unternehmen der FlowTex-Gruppe ihre Verpflichtungen über Jahre hinweg anstandslos erfüllt hätten. Bezüglich der „sonstigen
Vertragspartner“ (außer Banken und Leasinggesellschaften) könne auch an der Erfüllungsfähigkeit nicht gezweifelt werden, da Sch. und Dr. K. zum Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen Geschäfte nicht wussten, dass ihr
Betrugssystem demnächst entdeckt werde und zusammenbreche.
657 In subjektiver Hinsicht fehle es an der Kenntnis der wesentlichen Merkmale der Haupttaten. Von Täuschung und Irrtum der Anspruchsteller hätten die Betriebsprüfer keine Kenntnis gehabt. Zu den Geschäften der Leasinggesellschaften
mit den refinanzierenden Banken und den ihnen zu Grunde liegenden Vertragsverhandlungen seien ihnen Einzelheiten nicht bekannt gewesen, sie hätten auch keine Kenntnis davon gehabt, dass die Berichte des Wirtschaftsprüfers Dr.
R. zur Täuschung verwendet wurden und hierzu geeignet gewesen seien, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten gegenüber Dritten verschleiert werden sollten, insbesondere hätten sie jedoch keine Kenntnis davon gehabt, dass nicht
existierende HBS verkauft und verleast wurden.
658 Selbst wenn es zuträfe, dass AR S. das Schneeballsystem erkannt habe, rechtfertige dies nicht den Schluss, er habe damit auch erkannt, dass die Leasinggesellschaften durch dieses System betrügerisch geschädigt wurden, da nach
Vortrag der Kläger AR S. eine Heilung des Systems durch Aufbau und Veräußerung werthaltiger Beteiligungen gefordert habe. AR S. habe jedenfalls den Betrug nicht unterstützen wollen, sondern angenommen, dass eine Prüfung durch
andere Stellen - Steuerfahndung, vor allem aber Staatsanwaltschaft - erfolgen werde. Da der Gehilfenvorsatz auch eine Vorstellung vom Ausmaß des durch die Haupttaten verursachten Schadens voraussetze, hätte er sich jedenfalls
nicht auf die erhebliche Ausweitung des betroffenen Systems (statt der angestrebten Heilung) gerichtet.
659 Das beklagte Land ist der Auffassung, es fehle an einer schlüssigen Darlegung, inwieweit die einzelnen Gesellschafter der Klägerin Ziffer 4 Opfer eines Betrugs geworden seien.
660 Selbst bei unterstellter Annahme einer Beihilfe zum Betrug durch den Betriebsprüfer AR S. ergebe sich eine Begrenzung der ersatzfähigen Schäden durch das Kriterium des Schutzzwecks. Die Amtspflicht, keinen Betrug zu begehen,
schütze die unmittelbaren Betrugsopfer, auf die die tatbestandliche Täuschung unmittelbar abgezielt habe, nicht aber Nachteile lediglich mittelbar Betroffener. Die durch das Strafurteil des Landgerichts Mannheim festgestellten
Betrugstaten seien in 221 Fällen zum Nachteil der Leasinggesellschaften erfolgt, im Übrigen hauptsächlich zum Nachteil der Banken, die Fondsgesellschaften refinanziert hatten, weitere vier Taten bezögen sich auf Darlehensverträge
der BW-Bank, der Volksbank Karlsruhe, der L-Bank und der griechischen Nationalbank, zwei Fälle auf die Schädigung der Firma Mietfinanz GmbH. Die refinanzierenden Banken seien vom Schutzzweck der in Rede stehenden
Amtspflicht nicht erfasst, zumal die gebotene Abgrenzung der Risikosphären ergebe, dass die Geschädigten in keiner Weise gehindert waren, eigenen Zweifeln nachzugehen und die Existenz der Leasingsysteme zu überprüfen.
661 Eine Haftung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beschränke sich auf den Schutz von Integritätsinteressen, während die vorliegend geltend gemachten Vermögensschäden auf dem Fehlschlagen von
Vertragserwartungen beruhten. Jedenfalls fehle es an einem betriebsbezogenen Eingriff.
662 Schließlich liege auch kein Amtsmissbrauch vor. Voraussetzung eines Amtsmissbrauchs sei zunächst die Verletzung einer Amtspflicht, an der es fehle. Es liege auch kein willkürliches Handeln und keine sittenwidrige, treuwidrige und
verwerfliche Amtspflichtverletzung vor. Ferner fehle es an einem Schädigungsbewusstsein. Im Übrigen wären auch bei Annahme eines Amtsmissbrauchs nur die Vermögensschäden derjenigen Personen ersatzfähig, deren unmittelbare
Schädigung für den Beamten zu erkennen gewesen sei. Hierzu gehörten weder diejenigen Banken, die Leasinggeschäfte nur refinanzierten, noch viele der sonstigen Anspruchssteller.
663
- Kausalität
664 Das beklagte Land bestreitet ferner, dass - Beihilfe zum Betrug unterstellt - eine Kausalität zu dem von den Anspruchsstellern geltend gemachten Schaden vorliege. Auch bei umfassenderer Information der Staatsanwaltschaften wäre ein
Anfangsverdacht nicht bejaht worden. Die Staatsanwaltschaft Mannheim hätte auch bei weiter gehenden Erkenntnissen über die Abhängigkeit der KSK von FTI nicht zu einer steuerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Manfred Sch.
und Dr. K. gelangen können. Selbst bei Fortführung der Steuerstrafverfahren gegen Sch. und Dr. K. hätte dies jedoch nicht zur Aufdeckung des Betrugssystems geführt, da die für den Betrug relevanten Tatsachen insoweit keine Rolle
spielten. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Staatsanwalt Z., der schon an dem Ordner mit den Wirtschaftsprüfer-Testaten nicht interessiert gewesen sei, habe an einer umfassenderen Information überhaupt kein Interesse gehabt; auf
Details sei es ihm ersichtlich nicht angekommen. Er hätte im Übrigen auch bei umfassender Information keine weiteren Ermittlungsansätze gehabt. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden, Oberstaatsanwalt Dr. K., habe ersichtlich ebenso
wie die Betriebsprüfer nicht an die Möglichkeit eines Kreditbetruges mit existierenden Bohrsystemen gedacht.
665 Jedenfalls hätten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht bereits zum 30.06.1996 bzw. 31.03.1997 zur Beendigung des FlowTex-Betrugs geführt. Am 30.06.1996 seien die Betriebsprüfer noch am Beginn ihrer Ermittlungen gewesen.
Maßnahmen zur Überprüfung der Bohrsysteme im Ausland seien Wochen später ergriffen worden. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen hätten selbst bei unterstelltem Anfangsverdacht noch mehrere Monate, möglicherweise Jahre
benötigt. Dass der Betrug im Jahr 2000 letztlich derart schnell aufgedeckt worden sei, sei auf das Vorliegen handfester Beweise durch die dritte Betriebsprüfung zurückzuführen gewesen. Zum Zeitpunkt 31.03.1997 hätten zwar die
wesentlichen Erkenntnisse der Betriebsprüfung vorgelegen, jedoch sei es erst am 10.04.1997 zu einer Besprechung mit Staatsanwalt Z., am 04.06.1997 mit Staatsanwältin Kz. gekommen; auch bei gegebener Dringlichkeit und früher
zustande gekommenen Terminen hätten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Monate gedauert.
666 Ein Kausalzusammenhang bestehe auch nicht zwischen der Ausstellung angeblich geschönter Betriebsprüfungsberichte und einer Täuschung der Anspruchssteller. Die Betriebsprüfungsberichte hätten auf das Ergebnis der
Abschlussprüfung der Wirtschaftsprüfer keinen Einfluss und seien hierzu auch nicht geeignet gewesen.
667 Das beklagte Land bestreitet ferner, dass bei einer Aufdeckung des FlowTex-Betrugs in 1996 oder 1997 sämtliche Vertragspartner der Anspruchssteller sofort in Insolvenz gegangen wären. Dass kein Automatismus zwischen der
Beendigung des FlowTex-Finanzierungssystems und der Insolvenz der Vertragspartner der Kläger bestehe, ergebe sich daraus, dass auch nach der Aufdeckung im Jahr 2000 ein erheblicher Teil der Gesellschaften im Einflussbereich
von Manfred Sch. und Dr. K. nicht insolvent geworden sei, nämlich neben den Gesellschaften des Teilkonzerns Fl.N. zahlreiche Gesellschaften der Baden Airpark-Gruppe und mehrere FlowTex-Servicegesellschaften .
668 Für den Fall einer Haftung wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung beruft sich das beklagte Land auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten der Kläger. Diese könnten von den Haupttätern Manfred Sch., Dr. K., A. N. Ersatz verlangen, ferner
von M. C., der für FTI die Typenschilder gestanzt habe, von B. Be., der die Typenschilder an den „Vorzeigemaschinen“ ausgewechselt und dafür gesorgt habe, dass diese auch nach längerer Zeit noch „fabrikneu“ ausgesehen hätten,
möglicherweise auch von Y. M. Do., von den Wirtschaftsprüfern Dr. R., K., die Refinanzierer von den Leasinggesellschaften.
669
- Verjährung
670 Vorsorglich erhebt das beklagte Land die Einrede der Verjährung. Die Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 852 BGB a.F., Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) habe mit der Verhaftung der Haupttäter am 04.02.2003 zu laufen begonnen.
Einigen der Gesellschafter der Klägerin Ziffer 4 seien die Betrugsvorwürfe sogar deutlich früher bekannt gewesen. So solle bei der Staatsanwaltschaft Mannheim bereits am 18.11. 1999 eine Anzeige eines Mitarbeiters der BfG-Bank
wegen Betrugs eingegangen sein, im Dezember 1999 ferner bei St. & P. eine anonyme Anzeige, die an die C. Bank AG weitergeleitet worden sei. Jedenfalls seien die verschiedenen Klageerweiterungen deutlich nach dem 04.02.2003
und damit nach Ablauf der Verjährung eingegangen.
671
- Zum Schaden
672 Ein Quotenschaden gem. § 92 InsO, bei dessen Ermittlung auch die Tilgung von allen offenen Forderungen, die durch die verzögerte Insolvenzeröffnung erst möglich wurde, zu berücksichtigen sei, sei nicht schlüssig dargelegt. Der
geltend gemachte „Gesamtschaden“ sei nur die Summe der Individualschäden der Altgläubiger, die nach der Differenzhypothese zu berechnen seien. Mit der Quotendifferenz könne nur der erste Schritt der Schadensberechnung
vollzogen werden. In einem zweiten Schritt müsse für jeden Gläubiger geprüft werden, inwieweit er durch die Verschleppung Vorteile erlangt habe.
673 Das beklagte Land bestreitet die behauptete Insolvenzquote.
674 Das beklagte Land bestreitet die geltend gemachten Individualschäden und macht geltend, nicht ersatzfähig seien geltend gemachte Fremdkosten, eigene Aufwendungen, Rechtsverfolgungskosten, Aufwendungen zur Erfüllung der
Verträge; ersatzfähig sei nicht der Erfüllungsschaden, sondern lediglich das negative Interesse. Hierbei könne die Verzinsung eingesetzten Eigenkapitals nicht nach §§ 849, 246 BGB bemessen werden. Entgangener Gewinn werde nicht
schlüssig geltend gemacht.
675 Anzurechnen seien ferner Erlöse der Verwertung von HBS und anderen Sicherheiten, Steuer- und Zinsvorteile, sowie sonstige Ansprüche gegen Dritte.
676 Insbesondere seien aber die Vorteile aus der Aufrechterhaltung des FlowTex-Finanzierungssystems in 1996 - 2000 (wobei die Kläger zu den in diesem Zeitraum erhaltenen Zahlungen nichts vorgetragen hätten; diese seien in Höhe des
unter Berücksichtigung der Quotenänderung verbleibenden Betrages auf die geltend gemachten Individualschäden anzurechnen) zu berücksichtigen. Ein großer Teil des durch den FlowTex-Betrug generierten Betrages sei zur
Aufrechterhaltung des Betrugssystems wieder an Banken, Sparkassen und Leasinggesellschaften geflossen. Die Kläger könnten nicht die von Sch. und Dr. K. erhaltenen Zahlungen, die nur durch weitere betrügerische Geschäfte
ermöglicht wurden, behalten, die ihrerseits geleisteten Zahlungen aber voll ersetzt erhalten. Dass Zahlungen auf Altverträge in erheblicher Höhe erfolgt seien, ergebe sich daraus, dass die Leasingverpflichtungen der FTT schon Ende
1996 500 Mio. DM und Ende 1997 über 1 Mrd. DM betragen hätten .
677 Zu berücksichtigen sei die beschränkte Gesamtwirkung der Vergleiche mit den Wirtschaftsprüfern, von denen die Kläger Zahlungen erhalten hätten oder (fiktiv) hätten erhalten können; die Refinanzierungsinstitute hätten ferner gegen die
Leasinggesellschaften, deren Geschäfte sie finanziert haben, Ansprüche aus Veritätshaftung aus §§ 440, 434, 347, 320 - 327 BGB a.F., die sie sich anrechnen lassen müssten.
678
- Mitverschulden
679 Zu berücksichtigen sei ferner ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens, da die klagenden Leasinggesellschaften und Refinanzierungsinstitute jede geschäftsübliche Sorgfalt außer Acht gelassen, insbesondere nicht
kontrolliert hätten, ob die gelieferten HBS überhaupt existierten. Insoweit sei vor allem zu berücksichtigen, dass 100 % des Geschäfts von Sch. und Dr. K. mit Leasing finanziert worden seien, während erfahrene Leasingexperten wüssten,
dass maximal 20 bis 30 % einer Unternehmensfinanzierung durch Leasing erfolgen sollte. Ein Mitverschulden sei ferner auch darin zu sehen, dass ein Teil der Leasinggesellschaften und Refinanzierungsinstitute entgegen der üblichen
Praxis sich die HBS nicht hätten sicherungsübereignen lassen und keine ausreichende Bonitätsprüfung vorgenommen hätten. Auch seien Gerüchte über die Seriosität der FlowTex-Gruppe und kritische Stimmen nicht beachtet worden.
680 Das beklagte Land hat u.a. dem Wirtschaftsprüfer Dr. R. den Streit verkündet.
681 Dieser ist dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten und beantragt ,
682
die Klage abzuweisen.
683 Der Streithelfer hält insbesondere die von den Klägern genannten Stichtage (30.06.1996 und 31.03.1997) für unrealistisch, selbst wenn unterstellt werde, dass AR S. und/oder Steuerfahnder das Betrugssystem früher hätten aufdecken
können und müssen. Die relevanten Prüfungshandlungen hätten erst im April 1996 begonnen (Da.-Liste) und seien erst Ende 1997 zum Abschluss gelangt. Da 1997 noch nachdrücklich geprüft worden sei, wäre nicht verständlich, wenn
Betriebsprüfer und Steuerfahnder das Schneeballsystem schon 1996 gekannt hätten. Auch sei der von den Klägern unterstellte glatte Verfahrensablauf, wenn unterstellt werde, dass Betriebsprüfer und/oder die Steuerfahnder das
Betrugssystem früher aufgedeckt hätten, unwahrscheinlich.
684 Der Streithelfer erhebt ferner Einwände zu dem geltend gemachten Schaden und weist darauf hin, dass er aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs zur Abgeltung von Schadensersatzansprüchen Zahlungen an einen
Gläubigerpool geleistet habe, dessen Gesellschafter teilweise mit denen der Klägerin Ziffer 4 identisch seien. Die Abgeltungsklausel des Vergleiches - ähnlich die eines mit der Streitverkündeten K. geschlossenen Vergleichs
- komme etwaigen Gesamtschuldnern des Streithelfers in der Höhe zugute, in der diese gegen den Streithelfer Regress nehmen könnten (beschränkte Gesamtwirkung).
685 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien und des Streithelfers wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
686 Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen AR S. (am 09.10.2005 und 10.06.2005 ), RR Gr. und RD Bm. (am 15.06.2005
), RD St. und OStA Z. (am 16.06.2005 ), AR Gl. (am 28.06.2005 ) und RD V. (am 30.06.2005
AS. 7027 - 7035>). Wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
687
A. Zulässigkeit
688 Die Klagen sind zulässig.
689 Die Klägerin Ziffer 4 ist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts parteifähig . Die Kammer hat auch keine Zweifel an der Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages vom 11.12.2004
K 4>. Diese könnte zwar nach § 134 BGB von dem vom beklagten Land behaupteten Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG berührt sein. Indessen liegt nach Auffassung der Kammer ein solcher Verstoß nicht vor.
690 a. Die Beitreibung abgetretener Ansprüche stellt eine Rechtsbesorgung dar. Nachdem BGB-Gesellschaften als parteifähig angesehen werden, dürfte auch zu bejahen sein, dass es sich um die Besorgung „fremder“
Rechtsangelegenheiten handelt, wenn eine BGB-Gesellschaft Ansprüche verfolgt, die ihr von ihren Gesellschaftern zur Beitreibung abgetreten wurden.
691 b. Problematisch erscheint allerdings die Geschäftsmäßigkeit, welche bejaht wird, falls der Handelnde von der Absicht bestimmt ist, die Tätigkeit zu wiederholen, um sie damit zu einem dauernden Bestandteil seiner Beschäftigung zu
machen (BGH NJW 1986, 1050, 1051; 2000, 1560, 1561; 2001, 3541, 3542). Die Dauerhaftigkeit fehlt bei einer Gesellschaft, die lediglich den Zweck hat, die aus einem abgeschlossenen Lebenssachverhalt entstandenen zahlreichen
Ansprüche beizutreiben; ob sich dies durch die lange Dauer der Tätigkeit und die große Zahl potenzieller Gesellschafter überspielen lässt, erscheint zweifelhaft.
692 c. Jedenfalls unter Zugrundelegung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.07.2004 zwingen die Umstände des
vorliegenden Falles zur Wertung, dass der Gesellschaftsvertrag der Klägerin Ziffer 4 keinen Verstoß gegen das RBerG darstellt, dass also der Erlaubnisvorbehalt des Art. 1 § 1 nicht greift.
693 Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die generalklauselartige Umschreibung der geschäftsmäßigen Rechtsberatung im Einzelfall abzuklären. Bei der Auslegung und Konkretisierung des Begriffs der
Geschäftsmäßigkeit sind einerseits die durch das Gesetz geschützten Belange und andererseits die Freiheitsrechte des Einzelnen unter Berücksichtigung des Alterungsprozesses des RBerG maßgeblich und heranzuziehen.
694 Überträgt man die vom BVerfG entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Konstellation, erscheint eine teleologische Reduktion des Art. 1 § 1 RBerG angezeigt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass
695
- bei der Gründung der - von Rechtsanwalt Dr. Br., also einem zugelassenen Rechtsanwalt, initiierten - Gesellschaft von vornherein der Zweck verfolgt wurde, die Beitreibung der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche
durch zugelassene Rechtsanwälte durchführen zu lassen;
696
- die gewählte Konstruktion des Zusammenschlusses zu einer Gesellschaft und Abtretung der Individualansprüche an diese, durch die die Rechtsbesorgung erst zu einer Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wird, der
effektiveren und rationaleren Besorgung der Rechtsangelegenheiten dienen soll und auch objektiv dienlich ist, die Qualität der Rechtsbesorgung also nicht zu beeinträchtigen, sondern allenfalls zu steigern vermag.
697 Ein Verstoß gegen das RBerG liegt demnach nicht vor.
698
B. Begründetheit
699 Die Klagen sind jedoch nicht begründet.
700 Zwar bestehen aus den bereits zur Parteifähigkeit der Klägerin Ziffer 4 ausgeführten Gründen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung der Ansprüche der Gesellschafter der Klägerin Ziffer 4 an diese und
damit gegen deren Aktivlegitimation.
701 Indessen bestehen die von den Klägern geltend gemachten Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht.
702 Das beklagte Land haftet den Klägern nicht wegen einer von seinen Beamten begangenen drittschützenden Amtspflichtverletzung.
703 Weder kann eine Beihilfe zum Betrug (I.), eine Beihilfe zur Konkursverschleppung (II.), eine Beihilfe zum Bankrott (III.) noch ein Amtsmissbrauch (IV.) oder ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (V.) durch
Beamte des beklagten Landes festgestellt werden. Auf sonstige möglicherweise begangene Amtspflichtverletzungen können sich die Kläger mangels drittschützenden Charakters nicht berufen (VI.).
704
I. Amtspflicht, unerlaubte Handlungen zu unterlassen - Beihilfe zum Betrug
705 Jeder Beamte darf die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundenen Mittel nur in den durch das Amt gezogenen Grenzen gebrauchen; ihm obliegt kraft seines Amtes die Fürsorgepflicht, bei der Amtsausübung in keiner Weise in den
Bereich Unbeteiligter einzugreifen . Hiernach ist der hoheitlich handelnde Beamte namentlich verpflichtet, sich bei der Amtsausübung aller Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, die eine unerlaubte Handlung im
Sinne des bürgerlichen Rechts, so auch des § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, darstellen. Ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes in diesem Sinne eine unerlaubte Handlung begeht, verletzt dadurch zugleich eine ihm dem
Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht . Diese ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Art. 20 Abs. 3
GG.
706 Ein Amtshaftungsanspruch wäre daher begründet, wenn der Betriebsprüfer AR S. oder andere Finanzbeamte, wie die Kläger geltend machen, bei Durchführung der Betriebsprüfung, also in Ausübung eines öffentlichen Amtes, Beihilfe
zum Betrug (§§ 263, 27 StGB) begangen hätten.
707 Dies kann indes nicht festgestellt werden.
708 Weder zu den Betrugstaten mit nicht existierenden Bohrmaschinen (A.) noch zu Betrugstaten mit zum Zeitpunkt des Verkaufs noch nicht vollständig hergestellten („vorfinanzierten“) Bohrsystemen (B.) noch zu Betrugstaten im
Zusammenhang mit nicht wirtschaftlich eingesetzten Betrugstaten (C.) kann eine Beihilfe durch Finanzbeamte des beklagten Landes festgestellt werden.
709
I. A. Betrug mit nicht existierenden Bohrsystemen
710
1) Haupttaten
711 Als unterstützte Haupttaten kommen in erster Linie die mit Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18.12.2001 als Betrug in 145 Fällen und bandenmäßiger Betrug in 97 Fällen (bei Manfred
Sch.) bzw. in 67 und 41 Fällen (bei Dr. Klaus K.) abgeurteilten Taten der Haupttäter in Betracht, nämlich die im Strafurteil als Tatkomplex A. bezeichneten Straftaten mit „virtuellen Bohrmaschinen“
vorhandene HBS, vgl. Urteil Anl. K 4, S. 19> - allerdings nur diejenigen, die zum Zeitpunkt der anzunehmenden Beihilfehandlung noch nicht vollendet waren, in denen also der Geldeingang
nach der angenommenen Hilfeleistung erfolgt ist; wenn als Zeitraum der Hilfeleistung Mai 1996 angenommen wird, wären dies von den Manfred Sch. zur Last gelegten insgesamt 242 Taten 180 Taten zum Nachteil der
Leasinggesellschaften und 20 Taten zum Nachteil refinanzierender Banken
Abschnitt 4.1 Nr. 3, Abschnitt 4.2 aufgeführt.>.
712
2) Objektiver Tatbestand der Beihilfe
713
a. Keine Beihilfe durch Unterlassen
714 Die Annahme einer Beihilfe durch Unterlassen scheitert am Fehlen der erforderlichen Garantenstellung. Nach § 13 StGB wird das Unterlassen der Abwendung eines tatbestandsmäßigen Erfolgs dem aktiven Begehungsdelikt nur
gleichgestellt, wenn der Täter (im Falle der Beihilfe der Gehilfe) „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“.
715 Finanzbeamte haben jedoch grundsätzlich nicht rechtlich dafür einzustehen, dass von ihnen überprüfte Steuerpflichtige ihre Geschäftspartner nicht betrügen.
716 1. Nach der Rechtsprechung können sich zwar
gesetzliche Pflichtenstellungen
besteht eine solche nur innerhalb der Zuständigkeit des Beamten . So trifft etwa die Polizei die Pflicht, Dritte im Rahmen ihrer Zuständigkeit vor Straftaten zu schützen
StGB, 52. Aufl., § 13, Rdn 6 g, 6h>. Auch für Umweltbehörden wird eine Beschützergarantenstellung bejaht . Dagegen gehört der Schutz Dritter vor Straftaten bereits nicht zu dem
Aufgabenbereich, der den Strafverfolgungsbehörden auferlegt ist, und erst recht nicht zum Aufgabenbereich der Finanzbehörden. Die Frage der strafrechtlichen Garantenstellung kann insoweit letztlich nicht anders als die des
drittschützenden Charakters der Amtspflichten bei § 839 BGB behandelt werden .
717 Eine allgemeine Pflicht zur Anzeige von Straftaten besteht für Beamte ebenso wenig wie für nicht beamtete Personen, allerdings mit folgenden Ausnahmen:
718
- nach § 138 StGB ist die Nichtanzeige bestimmter Straftaten unter Strafe gestellt; solche Straftaten lagen jedoch im vorliegenden Fall nicht vor.
719
- Beamte der Strafverfolgungsbehörden haben das Legalitätsprinzip zu beachten; diese Amtspflicht schützt jedoch nicht Dritte.
720
- Nach den Vorschriften der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung ist das Verfahren bei Verdacht einer Steuerstraftat
geregelt. Danach haben die mit der Außenprüfung befassten Betriebsprüfer die für die Bearbeitung von Straftaten zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat
bestehen, deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt (§ 9 BpO a.F., jetzt § 10 BpO n.F.). Im vorliegenden Fall geht es jedoch auch nach Darstellung der Kläger nicht um die unterlassene Anzeige von Steuerstraftaten, deren
Ermittlung nach § 386 Abs. 1 AO den Finanzbehörden obliegt, sondern um allgemeine Straftaten (Betrug), für deren Ermittlung die Staatsanwaltschaft zuständig ist.
721 Da die Beamten der Finanzverwaltung nach § 30 Abs. 1 AO grundsätzlich das Steuergeheimnis zu wahren haben, ist in § 30 Abs. 4, 5 AO die Befugnis zur Anzeige von Anhaltspunkten auf nichtsteuerliche Straftaten an
Strafverfolgungsbehörden besonders geregelt.
722
- Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 lit. a) AO dürfen den Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse mitgeteilt werden, die in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuer-OWi nach Belehrung über die Eröffnung eines solchen
Verfahrens erlangt wurden. Im vorliegenden Fall liegen grundsätzlich die Voraussetzungen hierfür vor, da während der Betriebsprüfung Steuerstrafverfahren eingeleitet wurden.
723
- Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. a) AO dürfen den Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse über Verbrechen mitgeteilt werden. Solche Erkenntnisse kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da der bandenmäßige Betrug nach §
263 Abs. 5 StGB erst ab 01.01.1999 als Verbrechen ins StGB eingeführt wurde. Der besonders schwere Fall des Betrugs nach § 263 Abs. 3 StGB stellt lediglich einen Strafverschärfungsgrund, kein Verbrechen dar (§ 12 Abs. 3
StGB).
724
- Nach § 30 Abs. 4. Nr. 5 lit. b) AO dürfen Anhaltspunkte für Wirtschaftsstraftaten angezeigt werden, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfanges des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die
wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern. Im Hinblick auf den Umfang des Schadens in Milliardenhöhe, der durch
den FlowTex-Betrug entstanden ist, lagen aus heutiger Sicht solche Wirtschaftsstraftaten vor.
725 Es ist allerdings schon streitig und zweifelhaft, ob über den Wortlaut der Vorschrift hinaus § 30 Abs. 4 AO nicht nur eine Offenbarungsbefugnis, sondern eine Offenbarungspflicht begründet. Soweit dies trotz des Ausnahmecharakters der
Vorschrift, die lediglich einen Rechtfertigungsgrund im Hinblick auf § 355 StGB, der die Verletzung des Steuergeheimnisses mit Strafe bedroht. begründet, entgegen der herrschenden Ansicht
Teil B Rdn. 63 m.w.N.> im Hinblick auf die Bindung der Strafsachenstellen der Finanzbehörden an das Legalitätsprinzip bejaht wird, ist zu berücksichtigen, dass das Legalitätsprinzip der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs
dient, nicht dem Schutz Dritter vor der Begehung künftiger Straftaten. Auch § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO kann nicht entnommen werden, dass der Schutz Dritter vor besonders hohem Schaden bezweckt ist; die Vorschrift hebt ausdrücklich
auf den Schutz der Wirtschaftsordnung und das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs ab, also auf Rechtsgüter, die im öffentlichen Interesse liegen. Auch insoweit könnte daher eine etwaige Verpflichtung
nicht als Garantenpflicht gegenüber Betrugsopfern gesehen werden.
726 Auch wenn man dieser Auffassung nicht folgen wollte, fehlt es jedenfalls, wie noch auszuführen ist, am subjektiven Tatbestand einer Beihilfe zum Betrug.
727 2. Kommt eine Garantenstellung aufgrund gesetzlicher Verpflichtung nicht in Betracht, so ergibt sich eine solche auch nicht aus vorangegangenem gefahrerhöhendem Tun der Finanzbeamten (
Ingerenz
aaO. Rdn. 11 m.w.N.; Gutachten Prof. Dr. Samson Anl. K 40 S. 41 ff;>. Die Frage der Garantenstellung aus vorangegangenem gefahrerhöhendem Tun ist zu unterscheiden von der Frage, ob sich ein passives Verhalten nach den
Umständen, insbesondere wegen seiner Einkleidung in aktive Handlungen, als Unterlassen oder als Handeln darstellt. Eine Sachverhaltskonstellation, wonach durch pflichtwidriges Handeln der Finanzbeamten die Gefahr der Begehung
weiterer Betrugstaten - etwa durch Bestärkung der Haupttäter - zunächst erhöht worden wäre, bevor die Betriebsprüfer oder Steuerfahnder den Eintritt des betrügerisch verursachten Schadens konkret für möglich hielten, aber nicht an die
Staatsanwaltschaft mitteilten, ist nicht ersichtlich.
728
b. Beihilfe durch Handeln - Förderung der Haupttaten
729 Ob eine objektive Hilfeleistung durch Handeln vorliegt, erscheint zweifelhaft.
730 Nach der Rechtsprechung ist ein Hilfeleisten i.S.d. § 27 StGB zu bejahen, wenn der Beitrag des Gehilfen die Haupttat fördert, d.h. sie ermöglicht, erleichtert oder die vom Täter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt
StGB § 27 Rdn. 1 m.w.N.; Kühl, StrafR AT, 4. Aufl., § 20, Rdn. 219 f.; Gutachten Prof. Dr. Samson Anl. K 40 S. 24 ff;>.
731 1. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Hilfeleistung in Form der
„psychischen Beihilfe durch Bestärkung der Haupttäter“
betrügerische Finanzierungssystem schon so weit fortgeschritten, dass eine Abkehr von diesem System objektiv ohne Aufdeckung der bereits begangenen Betrugstaten nicht mehr möglich war. Ausgehend von dem klägerischen Vortrag,
wonach bis 30.04.1996 nur 181 Bohrgeräte und 175 Shelter eingekauft worden waren, die ungefähre Größenordnung der verkauften Geräte aber bei ca. 1.000 gelegen habe, damit die Größenordnung des möglichen Schadens bei rund
800 Mio. DM und die monatlich aufzubringenden Leasingraten bei 21 Mio. DM, hatten die Haupttäter objektiv zu diesem Zeitpunkt bereits gar keine andere Wahl mehr als das Betrugssystem fortzuführen, wollten sie nicht dessen
Aufdeckung bewirken. Demnach kann die Tätigkeit der Finanzbeamten sie auch nicht bei der Fortführung des Systems bestärkt haben.
732 2. Eine Hilfeleistung kommt demnach allenfalls in Form des
„Abbruchs eines rettenden Kausalverlaufs“
Anl. K 40 S. 45 ff.>. Da eine Begehung durch Unterlassen, wie ausgeführt, ausscheidet, kommt als Gehilfenbeitrag eine unterlassene Informationserteilung der Staatsanwaltschaften nur insoweit in Betracht, als sie durch die Einkleidung
in die Unterrichtung der Staatsanwaltschaft zu positivem Tun wird, soweit also die erteilte Information durch Auslassungen objektiv entstellt wird und damit der Schwerpunkt des Vorwurfs auf dem aktiven Tun liegt.
733 Als Gehilfenbeitrag wollen die Kläger insoweit folgende Handlungen verstehen:
734 2.1 Verhalten der Betriebsprüfer, insbesondere AR S.
735 2.1.1 Lückenhafte Information der Steuerfahndung:
736 Die Zeugen AR S., RR Gr., RD Bm., AR Gl. haben übereinstimmend und glaubhaft einen regen Informationsaustausch zwischen Steuerfahndung und Betriebsprüfung bekundet. Dies wird durch die schriftlichen Unterlagen bestätigt. So
sind allein in den vorliegenden Unterlagen dokumentiert:
737
- Besprechungen zwischen der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach und der Betriebsprüfung
738
- am 08.02.1996 ,
- am 30.04.1996 ,
- am 20.05.1996 (bei der OFD) ,
- am 05.06.1996 ,
- am 26.09.1996 (bei der OFD) ,
- am 05.02.1997 (bei der OFD) , ferner
739
- Vorsprachen S.s bei der Steuerfahndung
740
- am 16.04.1996 ,
- am 17.07.1996 ,
- am 24.07.1996 ,
- am 25.07.1996 (mit RR Gr.) ,
- am 11.09.1996 ,
- am 28.10.1996 ,
- am 11.12.1996 ,
- am 09.01.1997 und
741
- telefonische Besprechungen
742
- am 25.04.1996 ,
- am 13.05.1996 .
743 Aus den Aktenvermerken ergibt sich auch, dass die Besprechungen mehrfach umfassend durch vorbereitete Zusammenstellungen vorbereitet waren:
744
- die Besprechung am 26.09.1996 durch einen Aktenvermerk vom 09.09.1996 ,
745
- die Besprechung am 05.02.1996 durch einen Aktenvermerk vom 04.02.1997 ,
746 und dass auch umfangreiche schriftliche Unterlagen übergeben wurden. So wurden am 17.07.1996 ausweislich des Aktenvermerks der Steuerfahnder diverse im Vermerk
aufgeführte Kopien übergeben, am 24. bzw. 25.07.1996 ausweislich des Aktenvermerks der Steuerfahnder :
747
- Aktenvermerk AR S. vom 21.07.1996
- Aktenvermerk AR S. vom 24.07.1996
- IZA-Auskunft über Fa. El.,
748 am 11.09.1996 ausweislich des Aktenvermerks der Steuerfahnder :
749
- Aktenvermerk vom 09.09.1996
- Aktenvermerk AR S. vom 02.09.1996
- Aktenvermerk Bm. vom 06.08.1996 über F.
- 2 handschriftliche Vermerke von RR Gr.
- Aufstellung A. N. über angebliche „Aufwandsentschädigungen“
- Vollmacht der FTI an RA Kn.,
- Vordruck für das WP-Testatverfahren,
750 am 05.02.1997 ausweislich des Aktenvermerks der Steuerfahnder :
751
- Vermerk über die Prüfungsfeststellungen .
752 Dass weitere, nicht dokumentierte telefonische Kontakte und Vorsprachen stattgefunden haben, ist lebensnah und glaubhaft. Es ist daher von einem intensiven Informationsaustausch auszugehen.
753 2.1.2 Unrichtige Unterrichtung der Steuerfahndung über WP-Testatverfahren:
754 Die Aussage in der Arbeitsunterlage der Betriebsprüfer für die Besprechung bei der Oberfinanzdirektion am 05.02.1997
755
„ Für die an Firmen im europäischen Ausland vermieteten Systeme wurde ein weiterer Systemnachweis von 15 % = 45 Systeme ... gefordert... Alle geforderten Nachweise wurden letztlich am 21.01.1997 erbracht“
756 war allerdings objektiv insoweit unrichtig, als nur für 44 Systeme ein Nachweis gefordert (weil ein System doppelt aufgeführt war) und nur für 43 Systeme ein WP-Testat vorgelegt worden war.
757 Allerdings erscheint es sehr zweifelhaft, ob diese unrichtige Darstellung des WP-Testatverfahrens als zur Verhinderung der Aufdeckung des Betrugssystems geeignet angesehen werden kann. Tatsächlich ist die Unrichtigkeit nämlich
offensichtlich nicht verborgen geblieben. Denn im Schreiben der Steuerfahndung an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 14.04.1997 ist die Anzahl der erbrachten Testate richtig
mit 43 angegeben. Obwohl sämtliche von der Kammer vernommenen Finanzbeamten sich bei ihrer Zeugenvernehmung für die Überprüfung der Testate unzuständig gehalten haben, ist demnach jedenfalls die Anzahl der vorgelegten
Testate offensichtlich überprüft und für ausreichend gehalten worden, obwohl zuvor immer von einer Stichprobe von „15 % = 45 Systeme“ die Rede gewesen war. Tatsächlich ändert auch der Umstand, dass aufgrund eines offenbaren
Versehens nur 44 Systeme für den zu erbringenden Testatnachweis aufgelistet worden waren und dass für ein System immerhin eine plausible Erklärung - MT. Rom habe mitgeteilt, das System sei an El. abgegeben worden und könne
deshalb nicht testiert werden - gegeben wurde, nichts daran, dass als Ergebnis des WP-Testatverfahrens die Verdächtigung der anonymen Anzeigen entkräftet erschien.
758 Soweit die Kläger behaupten, für die vorzulegenden WP-Testate, die sich absprachegemäß auf eine Stichprobe von 15 % der ca. 300 fraglichen HBS, also auf 45 Systeme erstrecken sollte, habe AR S. eine „Selektion“ getroffen, und
hierbei andeuten, es habe sich nicht um eine Zufallsauswahl, sondern um eine für Sch. und Dr. K. hilfreiche Auswahl, wenn nicht eine Kollusion gehandelt, fehlt es hierfür an aussagekräftigen Anhaltspunkten. Zutreffend ist, dass AR S.
die zu testierenden Systeme ausgewählt hat. Die Auswahl hat er zwar entgegen der Ansicht seiner Kollegen nicht mit Hilfe eines Zufallsgenerators auf seinem PC getroffen, sondern indem er - nach seiner Zeugenaussage - ohne
bestimmtes System einige Bohrsysteme bestimmte und hierbei offenbar jedes der in Betracht kommenden Länder, in denen sich die ausländischen Standorte befinden sollten, berücksichtigte; ob er darauf achtete, dass auch die
verdächtig erscheinenden mit dem Zusatz „a“ versehenen Nummern vertreten waren, oder ob sich dies zufällig ergab, konnte nicht geklärt werden. Dies ändert nichts daran, dass es sich letztlich um eine zufällige Auswahl handelte. Dass
ein System doppelt aufgeführt wurde und es sich daher nur um 44 verschiedene HBS handelte, beruhte offenbar auf einem Versehen und ist nicht geeignet, Misstrauen gegen die Zufälligkeit seiner Auswahl zu begründen.
759 2.1.3 Die Unterrichtung der Steuerfahndung ohne den Hinweis auf nicht eingesetzte Systeme.
760 Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass hierbei von den Betriebsprüfern Informationen unterdrückt wurden, die darauf hindeuteten, dass die HBS im Prüfungszeitraum nicht wirtschaftlich eingesetzt werden konnten. Auch
wenn nicht konkret feststellbar ist, dass die Vermerke, in denen sich die von Sch. und Dr. K. geschilderten angeblichen „Anlaufschwierigkeiten beim Marktaufbau“ und die Angaben über „auf Halde“ stehende Geräte wiedergegeben
waren, ebenfalls der Steuerfahndung zugeleitet wurden, sind jedenfalls die geringen Laufleistungen der Bohrsysteme der Steuerfahndung zur Kenntnis gegeben worden. So findet sich ein ausdrücklicher Hinweis auf die geringe
Laufleistung der von AR S. inspizierten Systeme in seinem Aktenvermerk vom 21.07.1996 , der ausweislich Aktenvermerk vom 25.07.1996 an die
Steuerfahndung übergeben wurde.
761 2.1.4 Die Unterrichtung der Steuerfahndung ohne den Hinweis auf „Vorverkauf“.
762 Bei der Unterrichtung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach durch die Betriebsprüfung erfolgte zwar kein Hinweis darauf, dass die verkauften Bohrsysteme teilweise zum Zeitpunkt ihres Verkaufs erst als Lkw ohne den noch nicht
montierten Aufbau existiert hätten. Hiervon ist auszugehen, da dieser Aspekt weder in den Aktenvermerken der Steuerfahnder noch in den oben aufgeführten der Steuerfahndung übermittelten Unterlagen oder in den Vermerken zur
Vorbereitung der Besprechungen Erwähnung findet.
763 Durch den fehlenden Hinweis auf den „Vorverkauf“ wurde jedoch die Information der Steuerfahndung nicht so entstellt, dass nicht nur ein Unterlassen, sondern ein positives Tun vorliegt. Es ist hierzu zu bedenken, dass lediglich
Erkenntnisse über eine beschränkte Anzahl von Fällen vorlagen, in denen der Verdacht bestand, dass der Aufbau auf Lkw-Systemen erst Monate oder Jahre nach dem Verkauf erfolgt war. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass
die vorliegenden Erkenntnisse, nämlich die zeitlichen Differenzen zwischen Abnahme- und Rechnungsdaten und die unklare Stellungnahme Da.s mehr als den Verdacht begründeten, dass in
12 oder 16 Fällen die Fertigstellung erst nach dem Verkauf erfolgt sein könnte. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass AR S. durch einen Abgleich der „Da.-Liste“ einen systematischen „Vorverkauf“ festgestellt hatte, da die
handschriftlichen Anmerkungen auf der „Da.-Liste“ nur das Datum der Erstzulassung, nicht das des Verkaufs wiedergeben und AR S. seine hierzu angelegte Tabelle „KSKSyst“
09.05.1996 Anl. K 60Anl.> nicht ergänzt hatte.
764 Der demnach aufgetretene, aber nicht abgeklärte Verdacht unterschied sich grundlegend von dem, der Gegenstand der anonymen Anzeigen und damit des staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungsverfahrens war. Die vorliegenden
Erkenntnisse rechtfertigten auch nicht die Annahme, dass der Umfang eines möglichen Schadens so groß sein könnte, dass eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4. Nr. 5 lit. b) AO gerechtfertigt wäre.
765 Allerdings erscheint auch fraglich, ob dieser Verdacht bei Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft überhaupt Veranlassung zur Bejahung eines Anfangsverdachts und zur Einleitung weiterer Ermittlungen gegeben hätte, insbesondere zu
so intensiven Ermittlungen, dass sie zur Aufdeckung des Betrugssystems mit nicht existierenden Systemen geführt hätten. Abgesehen davon, dass die Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen mit den Leasingfirmen erst hätten
ermittelt werden müssen, um deren Täuschung feststellen zu können, wäre die Überlegung nahe liegend gewesen, dass ein Schaden nicht verursacht worden sei, da die Systeme ja schließlich komplettiert worden seien.
766 2.1.5 Betriebsprüfungsberichte
767 Der Argumentation der Kläger, die Betriebsprüfungsberichte seien lückenhaft und unklar gehalten worden und hätten dadurch die Aufdeckung des Betrugssystems verhindert, dass die Abschlussprüfer durch sie getäuscht worden seien
und daraufhin die Testate erteilt hätten, kann nicht gefolgt werden.
768 Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Wertung der Kläger, es bestünden Lücken und Unklarheiten, geteilt werden kann:
769 - Im Betriebsprüfungsbericht für die KSK sind die Feststellungen der Betriebsprüfung zu den Gesellschafterverhältnissen zutreffend dargestellt. Dass A. N. als Gesellschafterin
ohne treuhänderische Bindung anzusehen war, da nach der von den Beteiligten abgegebenen schriftlichen Erklärung vom 05.06.1996 kein Treuhandvertrag nachweisbar war,
entsprach dem Ergebnis der Betriebsprüfung. Es fehlt noch nicht einmal der Hinweis darauf, dass mit der Treuhandvereinbarung vom 12.05.1997 „inzwischen der rechtliche Stand vollzogen wurde, welcher der“ bereits „früher
angenommenen wirtschaftlichen Beherrschung entsprach“.
770 Dass A. N. über die „Sf.-Gelder“ verfügt und sie teilweise für Systemeinkäufe verwendet habe, entsprach der den Betriebsprüfern plausibel gemachten Darstellung der angeblichen geheimen Auslandsfertigung. Dies ist im
Betriebsprüfungsbericht auch als Darstellung der Auskunftspersonen der KSK dargestellt
...“>, teilweise sogar in indirekter Rede wiedergegeben .
771 Die Transferzahlungen an die FTI sind aufgeführt und mit der vertraglichen Vereinbarung der Mietkostenübernahme begründet .
772 Die desolate Buchführung wird mit deutlichen Worten beanstandet .
773 Dass der Betriebsprüfungsbericht für die KSK bewusst unklar und lückenhaft gehalten worden sei, damit die an der Aufklärung interessierte Steuerfahndung Erfurt keine weiteren Maßnahmen ergreife, stellt eine nicht belegbare
Unterstellung der Kläger dar. Es erscheint im Übrigen sehr zweifelhaft, ob eine ausführlichere Darstellung im Betriebsprüfungsbericht die thüringischen Behörden zum Einschreiten veranlasst hätte. Der Steuerfahnder Sx. hat es zwar so
dargestellt , als ob sich den thüringischen Aufklärungsbemühungen eine „geschlossene Front aus Karlsruhe“ entgegen gestellt habe; indessen war auch in Thüringen der
Aufklärungseifer unterschiedlich stark verbreitet, wie sich aus seiner Schilderung ergibt, wie verärgert und schockiert er über die Abgabe des Ermittlungsverfahrens von der Staatsanwaltschaft Mühlhausen an die Staatsanwaltschaft
Mannheim war, und wie der weitere Gang des Verfahrens zeigt, nachdem es wieder nach Mühlhausen abgegeben wurde.
774 - Im Betriebsprüfungsbericht für die FTI sind die Transferzahlungen der KSK entgegen der Darstellung der Kläger nicht völlig unerwähnt: Auf Seite 5 ist die Übernahme des
Mietausfalls durch die KSK erwähnt. Dass hier keine breiteren Darstellungen der Geldflüsse erfolgen, ist dadurch erklärbar, dass dies steuerlich nicht in gleichem Maße relevant war wie bei der KSK, nachdem die „Sf.-Gelder“ dort im
Wesentlichen als verdeckte Gewinnausschüttungen an A. N. behandelt wurden.
775 - In den Betriebsprüfungsberichten für die FTS und für F. wird die Prüfung der Gesellschafterverhältnisse dargestellt:
Nach Vorlage der Gründungsunterlagen und der Geschäftsberichte könne ein direkter Bezug zu FTI nicht festgestellt werden. Dass dies den damaligen Sachstand unzutreffend wiedergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Kläger haben
auch nicht ansatzweise dargelegt, weshalb die von Do. vorgelegten Unterlagen als Fälschungen erkennbar gewesen seien.
776 - Im Betriebsprüfungsbericht für P. wurden sowohl die Subventionszahlungen der KSK mitgeteilt als auch, dass Systeme nicht im Einsatz waren, sondern „auf Vorrat“ geleast wurden und dass
Transferzahlungen „aus dem Bereich Bohren ... überwiegend den Unternehmen im Bereich Bauen und Beteiligungen zugeführt“ wurden , ferner wurde auf das eingeleitete Steuerstrafverfahren und dessen Anlass
hingewiesen .
777 Im Übrigen könnten Unvollständigkeiten der Betriebsprüfungsberichte lediglich als Unterlassen gewertet werden. Durch die von den Klägern beanstandeten Lücken oder Unklarheiten wurden die Betriebsprüfungsberichte nicht so
entstellt, dass nach dem Schwerpunkt des Vorwurfs ein positives Tun anzunehmen wäre. Nach dem Zweck der Betriebsprüfungsberichte und den Verwaltungsvorschriften sind die Berichte kurz zu fassen und zur Rationalisierung der
Betriebsprüfung Schwerpunkte zu bilden. Da die Betriebsprüfungsberichte lediglich den Zweck haben, gemäß § 202 Abs. 1 Satz 2 AO steuerlich relevante Feststellungen zu treffen, und gerade nicht bezwecken, Abschlussprüfern oder
Geschäftspartnern des Steuerschuldners einen Überblick über dessen wirtschaftliche Situation zu geben, besteht keine Garantenpflicht gem. § 13 StGB.
778 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass selbst eine unterstellte Täuschung der Abschlussprüfer durch die Betriebsprüfungsberichte nicht schlüssig die Verursachung des von den Klägern geltend gemachten Schadens begründen
könnte. Denn die Kläger berechnen ihren Schaden ausgehend von der These, ohne das schadensbegründende Verhalten der Finanzbeamten des beklagten Landes wäre das Betrugssystem bereits am 30.06.1996 bzw. am 31.03.1997
aufgedeckt worden. Zu diesen Zeitpunkten lagen die Betriebsprüfungsberichte, die zwischen 10.07. und 29.12.1997 erstellt wurden, den Abschlussprüfern aber noch gar nicht vor.
779 2.2 Verhalten der Steuerfahnder:
780 2.2.1 Mitteilung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 09.06.1997 :
781 Mit Schreiben vom 09.06.1997 teilte die Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach, Sachgebietsleiter St., der Staatsanwaltschaft Mannheim (unter Beifügung der Erklärung N./Sch./Dr. K. vom 05.06.1996) mit, dass
782
„eine Beteiligung der Herren Sch. und Dr. K. an der KSK ... für den Prüfungszeitraum ... nicht nachgewiesen werden“
783 könne und bei Manfred Sch. und Dr. K.
784
„ein steuerunehrliches Verhalten daraus nicht nachzuweisen“
785 sei. Tatsächlich beherrschte Manfred Sch. nach heutiger Kenntnis das gesamte Betrugs-System einschließlich der KSK.
786 Allerdings ist schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, eine Beteiligung Sch.s und Dr. K.s an der KSK sei nicht nachzuweisen, objektiv unrichtig war. Es ist nicht ersichtlich, wie beim damaligen Sachstand eine solche Beteiligung hätte
nachgewiesen werden können. Der von den Klägern hierbei vermisste Hinweis auf die wirtschaftliche Beherrschung der KSK durch Sch. hätte kaum irgendetwas an der Beurteilung der Beweislage hinsichtlich des allein als maßgeblich
angesehenen Vorliegens eines Treuhandvertrages geändert. Dass allein eine aus den Umständen ersichtliche Machtstellung Sch.s eine Durchsuchungsaktion (nach einem vielleicht doch vorhandenen Treuhandvertrag?) und eine
Durchleuchtung der gesamten Firmengruppe veranlasst hätte, bei der (gewissermaßen als Zufallsfund) auch die Nichtexistenz der verkauften HBS entdeckt worden wäre, erscheint als eher unwahrscheinlicher Kausalverlauf.
787 2.2.2 Mitteilung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach vom 14.04.1997 :
788 Mit der u.a. auf der in der Besprechung zwischen der OFD Karlsruhe und den Betriebsprüfern am 05. Februar 1997
OAR Si. vom 05.02.1997 Anl. K 7/61 = B 44> erfolgten Mitteilung der Betriebsprüfung, der geforderte Systemnachweis sei durch Wirtschaftsprüfertestate erbracht worden, beruhenden schriftlichen Mitteilung teilte die Steuerfahndung
Karlsruhe-Durlach der Staatsanwaltschaft Karlsruhe am 14.04.1997 mit, eine nach dem Zufallsprinzip erfolgte Überprüfung von 43 HBS im Ausland habe keine Beanstandungen ergeben - unter Weglassung aller Ungereimtheiten und
Zweifelspunkte.
789 Allerdings ist auch insoweit bezüglich eines Großteils der Ungereimtheiten, auf die die Kläger verweisen, zweifelhaft, ob deren Darstellung zu einem anderen Verfahrensverlauf geführt hätte. Der Zeuge Oberstaatsanwalt Z. hat hierzu
ausgesagt, ihm sei es im Wesentlichen um die Frage der Existenz der HBS gegangen, für die er das Ergebnis des WP-Testatverfahrens als entscheidend angesehen habe; er habe keinen Anlass gesehen, das ihm mitgeteilte
Ermittlungsergebnis in Frage zu stellen und zu überprüfen. Es ist insoweit festzuhalten, dass die Betriebsprüfer die erhaltenen Testate vollständig an die Steuerfahndung weitergegeben haben und die Steuerfahndung sie der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe jedenfalls angeboten hat. Dass versehentlich statt 45 nur 44 Systeme zum Nachweis durch WP-Testate aufgelistet worden waren und dass für ein System der Nachweis nicht erbracht wurde, wäre wohl noch
kein Anlass zur Verstärkung der durch die anonyme Anzeige begründeten Vermutung und zu weiter gehenden Ermittlungen gewesen.
790 Es dürfte auch als irrelevant anzusehen sein, dass die örtlichen Prüfer teilweise keine Wirtschaftsprüfer waren, denn ohne Kenntnisse des Berufsrechts der jeweiligen Länder erweckt dies noch kein Misstrauen. Dass der Prüfer im
Vereinigten Königreich die HBS bereits einen Tag nach der Absendung des Prüfungsauftrages geprüft haben wollte, lediglich für die in Italien geprüften Maschinen Maschinenlaufzeiten angegeben und die HBS, welche bei El. bestätigt
werden sollten, als bei Fondazioni speciali stehend bestätigt wurden, die Bestätigungen aus Tschechien zweifach mit teils unterschiedlichem Inhalt vorgelegt wurden, dass die Testate aus Italien und Tschechien nicht auf den
vorgegebenen Standardformularen, sondern auf jeweils unterschiedlichen Formularen erfolgten und nur eine Bestätigung aus Spanien das Kfz-Kennzeichen eines Lkw-Systems nannte, hätte ebenfalls kein Misstrauen geweckt. Auch der
Umstand, dass der spanische Prüfer Màlaga und Alcantàra ohne Akzente schrieb, vermag nur bei subtiler Prüfung und spanischen Sprachkenntnissen aufzufallen.
791 Anders könnte es sich allerdings mit dem Umstand verhalten, dass es sich nach der Auskunft des Bundesamts für Finanzen (IZA) vom 08.10.1996 bei mehreren
der angegebenen und testierten Standorte (Pavimentos de Murcia/Spanien, Carel Musters/Niederlande, Derbyshire Conservatories/Vereinigtes Königreich) um Firmen handelte, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatten oder nur
geringfügig geschäftlich aktiv waren. Dies war objektiv geeignet, Zweifel an der Aussagekraft der WP-Testate zu erwecken.
792 2.2.3 Die Unterrichtung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ohne den Hinweis auf die „Kr.-Vermerke“ und damit auf mögliche Ermittlungsansätze.
793 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bei der Unterrichtung durch die Steuerfahndung nicht über die „Kr.-Vermerke“ informiert worden ist. Weder sind sie in
dem die Besprechung vom 10.04.1997 vorbereitenden Aktenvermerk erwähnt noch konnte einer der hierzu vernommenen Steuerfahndungsbeamten bekunden, sie seien
Gegenstand der Besprechung gewesen. Der Zeuge Oberstaatsanwalt Z. hat im Gegenteil ausgesagt, diese Vermerke seien ihm erst Jahre später bekannt geworden.
794 Insoweit ist allerdings schon zweifelhaft, ob durch die unterlassene Unterrichtung über die „Kr.-Vermerke“ die Darstellung des Ermittlungsergebnisses so verfälscht wurde, dass sich das Verhalten der Beamten der Steuerfahndung nach
dem Schwerpunkt des Vorwurfs als aktives Tun und nicht lediglich als Unterlassen darstellt.
795 Es ist aber auch nicht unzweifelhaft, dass eine andere, die „Kr.-Vermerke“ umfassende Darstellung tatsächlich dazu geführt hätte, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom Vorermittlungsverfahren in ein Ermittlungsverfahren
übergegangen wäre und dies zur Aufdeckung des Betrugssystems geführt hätte. Der Zeuge Oberstaatsanwalt Z. wollte zwar mit Bestimmtheit bekunden, er hätte eine Aussage Kr. über dessen Informanten erzwungen und wäre hierzu
ggf. ins Ermittlungsverfahren übergegangen. Hierfür spricht sicher, dass die Einschätzung des Zeugen als objektiv zutreffend angesehen werden muss, dass nämlich die Kr.-Angaben geeignet waren, die Vermutung zu verstärken, dass
die bereits aus den anonymen Anzeigen bekannten Sachverhalte zutreffen könnten, also einen Anfangsverdacht möglicherweise bejahen ließen; ferner zeigten sie einen Ermittlungsansatz auf. Es kann aber nach Auffassung der
Kammer nicht ausgeschlossen werden, dass dies auf Überlegungen beruht, die erst ex post, nach Aufdeckung des Großbetrugs, erfolgten und hiervon beeinflusst sind; denn die bereits erwähnten Umstände - dass es dem Zeugen Z. auf
das Ergebnis der Feststellungen der Finanzbeamten ankam und er das WP-Testatverfahren als entscheidende Entkräftung der Vorwürfe der anonymen Anzeige ansah - stehen entgegen.
796 2.2.4 Die Unterrichtung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe ohne den Hinweis auf nicht eingesetzte Bohrsysteme:
797 Bei der Unterrichtung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erfolgte kein Hinweis darauf, dass die unterstellt existierenden verkauften Maschinen nicht eingesetzt werden konnten, sondern nach Angabe Sch.s „auf Halde“ standen. Die Kläger
weisen darauf hin, dies habe ebenso einen Betrugstatbestand dargestellt wie der Verkauf nicht existierender Maschinen.
798 Es erscheint jedoch auch insoweit zweifelhaft, ob der unterlassene Hinweis die Information der Staatsanwaltschaft so entstellt hat, dass nicht nur ein Unterlassen, sondern ein positives Tun vorliegt. Die Möglichkeit, dass Leasingfirmen
und Banken über die Marktchancen der HBS getäuscht worden sein könnten, unterschied sich grundlegend von dem Vorwurf der anonymen Anzeige und damit dem Gegenstand des staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungsverfahrens.
Die vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigten auch insoweit kaum die Annahme, dass der Umfang eines möglichen Schadens so groß sein könnte, dass eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4. Nr. 5 lit. b) AO gerechtfertigt sein könnte.
799 Es ist jedoch auch nicht ersichtlich, dass ein entsprechender Hinweis objektiv oder nach der Vorstellung der Steuerfahnder geeignet gewesen wäre, zur Aufdeckung des Betrugssystems mit nicht existierenden Systemen zu führen.
800
3) Subjektiver Tatbestand
801 Jedenfalls scheitert die Feststellung einer Beihilfe zum Betrug aber am fehlenden subjektiven Tatbestand.
802 Der subjektive Tatbestand einer Beihilfe zum Betrug setzt doppelten Vorsatz voraus: der Gehilfe muss die wesentlichen Merkmale der Haupttat kennen , wobei ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass sein
Vorstellungsbild den wesentlichen Unrechtsgehalt der Haupttat umfasst . Ferner muss er in dem Bewusstsein handeln, durch sein Verhalten die Begehung dieser Taten zu fördern
Rdn 31; RGSt 72, 20; BGH NStZ 85, 318>.
803
a. Kenntnis der Haupttaten
804 Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Finanzbeamten der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung, insbesondere der von den Klägern besonders belastete Zeuge AR S., in dem vorbezeichneten Sinn Kenntnis von den
betrügerischen Geschäften mit tatsächlich nicht existierenden HBS hatten.
805 Eine solche Kenntnis lässt sich keinem der zahlreichen Aktenvermerke und sonstigen schriftlichen Unterlagen entnehmen, und eine solche Kenntnis haben die als Zeugen vernommenen Beamten auch sämtlich in Abrede gestellt.
806 Dabei kann als gesichert davon ausgegangen werden, dass die Finanzbeamten der Betriebsprüfung und Steuerfahndung durch die Betriebsprüfung Kenntnis von den Geldflüssen von der KSK zur FTI hatten. Nicht festgestellt werden
kann jedoch, dass sie diese Geldflüsse als Ausdruck eines betrügerischen Systems begriffen haben, das die Haupttäter dazu zwang, weiterhin Betrugstaten in wachsendem Umfang zu begehen. Dieses Verständnis blieb den
Finanzbeamten - für die Kammer nachvollziehbar - nach ihren Angaben deshalb verschlossen, weil sie die aus den anonymen Anzeigen herrührende Verdächtigung, dass nicht existierende Bohrsysteme verkauft worden seien, der sie
von vornherein wenig Glauben schenkten, für unrichtig hielten und daher nicht als Erklärung für die Geldflüsse heranzogen, und dass auch die Überprüfung dieser Verdächtigung ergebnislos blieb.
807 1. Kenntnis der Betriebsprüfer, insbesondere des Betriebsprüfers AR S.
808 1.1. Eine Kenntnis vom Betrugssystem lässt sich insbesondere nicht dem Vermerk über die telefonische Besprechung des Betriebsprüfers AR S. mit dem Steuerfahnder Si. am 13.05.1996
13.05.1996 Anl. K 7/138 = K 80 = B 47> entnehmen, wonach AR S. geäußert habe, es handle sich um eine reine Finanzierungsmethode, die auf einen Betrug an Banken hinaus laufe. Aus dem Vermerk lässt sich entnehmen, dass dies
die Antwort auf die Frage darstellte, welche steuerlichen oder sonstigen Vorteile sich bei der anonym angezeigten Methode ergäben. Die Äußerung informiert demnach nicht über die positive Kenntnis eines Sachverhalts, sondern über
die rechtliche Bewertung eines behaupteten Sachverhalts, ist also letztlich ebenso theoretisch wie die Bearbeitung einer juristischen Examensaufgabe.
809 1.2. Gleiches gilt von den Vermerken über die Besprechung am
20.05.1996. Wenn dort von einer „Vermutung bezüglich Scheinumsätzen und versuchtem Kreditbetrug“ die Rede ist, bezieht sich dies auf die Erörterung des anonym angezeigten Sachverhalts und der bisher hierzu getroffenen
Feststellungen. Dass diese nicht als positive Kenntnis von Betrugstaten angesehen wurde, ergibt sich schon daraus, dass besprochen wurde, die Betriebsprüfung solle hierzu weitere Feststellungen treffen. Soweit in dem Vermerk des
Rastatter Betriebsprüfers Me. ferner vermerkt ist “Verteilung des Rohgewinns auf die verbundenen Unternehmen, progressive Zunahme der Leasingverträge“, erscheint die von den Klägern gezogene Schlussfolgerung, dies gebe wieder,
dass das Betrugssystem erkannt wurde, zwar nicht fern liegend. Sie ist aber keineswegs zwingend. Es kann sich insoweit auch lediglich um Notizen über eine Darstellung der geschäftlichen Aktivitäten ohne Bezug zu einem
Betrugsverdacht handeln. Hierfür spricht immerhin, dass im Vermerk Me.s diese Angaben in einem anderen Gliederungspunkt als der vermutete Kreditbetrug erscheinen, und dass der Steuerfahnder Gl. die entsprechenden Erörterungen
in seinem Vermerk von derselben Besprechung, der sich ausführlich mit der Frage der Systemüberprüfung und den anonymen Anzeigen befasst, nicht für erwähnenswert gehalten hat. Auch die Zeichnung eines auf der Spitze stehenden
Kegels auf einem Exemplar des Besprechungsprotokolls Me.s, von der unklar ist, von wem sie stammt und wann sie aufgebracht wurde, lässt sich nicht als schlüssiger Hinweis auf ein erkanntes Schneeballsystem werten. Die
Unterteilung des Kegels in zwei Teile und die zugefügten Zahlen deuten eher darauf hin, dass der Kegel das Verhältnis von Herstellungskosten zum Verkaufserlös veranschaulichen soll. Auch nach den glaubhaften Aussagen der als
Zeugen vernommenen Besprechungsteilnehmer AR S., RR Gr., RD Bm., RD St. und RD V. kann nicht davon ausgegangen werden, dass das als solches erkannte Betrugssystem Besprechungsgegenstand war.
810 1.3. Nach den Unterlagen und Aussagen sind Betriebsprüfung (und Steuerfahndung) vielmehr auch in der Folgezeit lediglich dem durch die anonymen Anzeigen aufgeworfenen Verdacht, es seien „Luftgeschäfte“ mit nicht existierenden
HBS durchgeführt worden, nachgegangen, fanden diesen Verdacht aber letztlich nicht bestätigt. Zwar schienen zunächst die Feststellung eines Missverhältnisses zwischen Materialeinsatz und verkauften HBS und die „Da.-Listen“ sowie
die Aussage Da.s, es könne nicht stimmen, dass es 300 Geräte gebe, Hinweise auf die Richtigkeit dieses Verdachts darzustellen, jedoch betrachteten sie die Erläuterungen der Betrüger hierzu - es sei eine heimliche Auslandsfertigung
erfolgt im Hinblick auf Lizenzstreitigkeiten, finanziert aus den „Sf.-Geldern“, und alle Unterlagen aus den Büchern entfernt worden
37>, Da. habe keinen vollständigen Überblick und wisse nichts davon - als schlüssig. Dies erscheint durchaus nachvollziehbar; denn diese von den zweifellos als besonders geschickten Betrügern anzusehenden Haupttätern
aufgetischte Geschichte - so phantasievoll sie war - wies mehrere Realitätskriterien auf, die sie plausibel machten: tatsächlich hatten Lizenzstreitigkeiten mit Fl.M.. zu Rechtsstreitigkeiten in den USA und Deutschland geführt; ferner
tauchten tatsächlich in der Inventur der KSK für 1991 und 1992 280 mit null DM bewertete HBS auf. Darüber hinaus schien diese Erläuterung die Auflösung eines weiteren Problems zu ermöglichen, mit dem sich Betriebsprüfung und
Steuerfahndung auseinander zu setzen hatten, nämlich dem der Verwendung der „Sf.-Gelder“. Nachdem ihnen die zunächst hierzu präsentierte Version, die Sf.-Millionen seien als Schmiergelder verwendet worden, schon wegen der
Höhe der Beträge unglaubhaft erschienen war, erschien die Finanzierung der angeblichen Auslandsfertigung als plausiblerer Verwendungszweck.
811 Hinzu kam, dass die Behauptung, es seien in größerem Umfang Luftgeschäfte durchgeführt worden, offenbar das Vorstellungsvermögen der Beamten überstieg, da sie in allzu krassem Gegensatz nicht nur zu dem damaligen
Erscheinungsbild der FlowTex-Firmengruppe stand, die sich als Unternehmensgruppe darstellte, die eine besonders innovative Technologie äußerst erfolgreich vermarktete, sondern auch - wie die Betriebsprüfer als Zeugen glaubhaft
geschildert haben - zu den während der Betriebsprüfung festzustellenden Aktivitäten wie Arbeiten an Bohrsystemen, Verhandlungen mit Geschäftspartnern.
812 Schließlich bot sich für die anonymen Verdächtigungen auch eine einleuchtende Erklärung an, nämlich dass es sich bei den unbekannten Denunzianten um Neider der erfolgreichen Unternehmensführer und insbesondere um Gegner
des damals in der Diskussion befindlichen Baden-Airpark-Projekts handeln könne.
813 1.4. Dass die Betriebsprüfer diese Plausibilitätserwägungen angestellt haben, ergibt sich aus dem „Gewinnmarge-Vermerk“ S.s vom 21.07.1996 , in dem dieser
die von ihm festgestellte geringe Laufleistung damit erklärte, es sei auf Halde produziert und die Leasingraten über die KSK-Gewinnmarge refinanziert worden, und insbesondere aus dem Aktenvermerk vom 22.08.1996
Betriebsprüfer RR Gr., AR S. vom 22.08.1996 Anl. K 7/102 = B 66>, wo unter Abschnitt 1.3.4 „Beurteilung lt. Bp“ ausgeführt ist:
814
„Ca. 249 Systeme wurden 1991 - 1993 ohne Berechnung von FTI an KSK geliefert, AK/HK jedoch von FTI getragen...
815
...
816
Wenn die gesamte Gewinnmarge von über 100 % auf den EK bei KSK anfällt, für die überlassenen Systeme der ges. Kaufpreis an KSK geht, so muss FTI versuchen, die ihr tatsächlich zustehenden Gelder wieder zu bekommen.“
817 Entsprechend ist auch das von AR S. gefertigte Schaubild vom 22.08.1996 erläutert:
818
„Geld aus Selbstanzeige bzw. an T.C.: logischer Geldrückfluß verdeckt an FTI
819
Grund: Prozeß mit Fl.M.., die System-HK/AK konnten nicht offen zu FTI zurück fließen.“
820 Auch im Aktenvermerk vom 02.09.1996 über ein Gespräch mit A. N. hielt AR S. fest:
821
„Ich machte deutlich, dass die inhaltliche Zuordnung der 8 Seiten Schmiergelder von mir nicht anerkannt wird... Schon der Umfang von ca. 80 Mio. bei bekannter Schmiergeldgröße von 10 - 15 % ...
822
Vielmehr erscheint eine Rückgabe der Systemeinkaufskosten in den FTI-Bereich zutreffender.“
823 Die Erklärung mit der heimlichen Auslandsfertigung schien demnach zu den festgestellten Geldflüssen von KSK an FTI zu passen.
824 1.5. Auch aus dem Aktenvermerk vom 02.09.1996 (sog. „Kegel-Vermerk“), in dem AR Manfred S. über ein Gespräch mit A. N. festgehalten hatte,
825
„Ich machte nochmals anhand des Kegels deutlich, dass m.E. eine Abkehr von der begonnenen Finanzierungsform schwer möglich ist, da derzeit monatl. Leasingraten von ca. 21 Mio. DM über die KSK aufgebracht werden
müssen, dies damit FTI seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.“,
826 kann auf eine Kenntnis der Betriebsprüfer von den wesentlichen Merkmalen der Haupttaten nicht geschlossen werden. Der Vermerk scheint zwar zunächst einen deutlichen Hinweis darauf zu geben, dass das schneeballartige System
durchschaut wurde. Darauf deutet weniger der erwähnte „Kegel“ hin, der lediglich eine kontinuierliche starke Zunahme veranschaulicht, aber nichts darüber aussagt, was zunimmt.
827 Der Hinweis auf die Höhe der Zahlungsverpflichtungen der FTI und die schwer mögliche Abkehr, insbesondere aber auch die in diesem Zusammenhang wiedergegebene Äußerung A. N.s, sie werde darauf achten, dass sich „die Spirale“
nicht weiter dreht, kann nach Auffassung der Kammer kaum anders verstanden werden, als dass aus den erkannten Geldflüssen von der KSK und deren Verwendung für die Leasingverpflichtungen der FTI die Gefahr abgeleitet wurde,
zur Deckung der Leasingraten müssten weiterhin die Erlöse der KSK herangezogen werden.
828 Insoweit kann die Kammer auch den Erläuterungen des Zeugen AR S., wonach mit „Finanzierungsform“ lediglich die Finanzierung über Leasing gemeint gewesen sei und mit den Angaben zu monatlich zu erbringenden Zahlungen und
der „Spirale“ lediglich Äußerungen von A. N. wiedergegeben worden seien, kaum Glauben schenken. Das zurückhaltende, sogar abwehrende Aussageverhalten des Zeugen, den die Kammer zwei Tage lang umfassend zu den
Vorgängen der Betriebsprüfung gehört hat, unterschied sich in diesem Punkt deutlich von seinem ansonsten durchaus glaubwürdigen Auftreten. Es erscheint wenig plausibel, dass der Zeuge mit der Äußerung A. N.s, sie werde darauf
achten, dass sich „die Spirale“ nicht weiter drehe, nur eine Äußerung wiedergegeben hat, die er gar nicht verstand.
829 Die Kammer hält deshalb die Angaben des Zeugen RR Gr. hierzu für glaubhafter. Dieser hat angegeben, die Betriebsprüfer hätten durchaus gesehen, dass die Deckung der Leasingverpflichtungen aus den Erlösen auf ein fatales
System hinaus laufe - wenn es nicht unterbrochen werde. Die letztere Einschränkung hat jedoch entscheidende Bedeutung: Den Betriebsprüfern gegenüber war die weit gehende Übernahme von Leasingverpflichtungen aus Zahlungen
der KSK als Subventionsmaßnahme zur Markteinführung der Systeme dargestellt und eine günstige Zukunftsprognose mit der Schilderung der Anlaufschwierigkeiten - insofern sowohl von AR S. als auch von RR Gr. als Zeugen glaubhaft
wiedergegeben - sowie einleuchtenden Erläuterungen der Unternehmensstrategie - man müsse zur Markteinführung die Systeme „zeigen“, „klotzen, nicht kleckern“ - plausibel gemacht worden. Der von ihnen zu beurteilende
Prüfungszeitraum, über den sie einen besseren Überblick hatten als über die inzwischen eingetretene Entwicklung der Unternehmenssituation, lag 3 - 5 Jahre zurück. Es erscheint daher durchaus möglich, dass sie davon ausgingen, der
Einsatz der Bohrsysteme werde zunehmend die Erlössituation der FTI bzw. der Servicegesellschaften verbessern und damit die Inanspruchnahme der Erlöse der KSK entbehrlich machen. Eine solche Entwicklung wäre nur dann
auszuschließen gewesen, wenn den Betriebsprüfern bekannt gewesen wäre, dass die HBS größtenteils tatsächlich gar nicht existierten und damit auch keine Erlöse erwirtschaften konnten. Da sie aber die ausbleibenden Erlöse im
Prüfungszeitraum mit den ihnen plausibel gemachten Schwierigkeiten beim Markteintritt und nicht mit der Nichtexistenz der Systeme in Verbindung brachten, ist es auch nachvollziehbar, dass sie nicht erkannten, dass die ausbleibende
Wertschöpfung im Prüfungszeitraum einen Hinweis auf die Richtigkeit der anonymen Anzeigen darstellte.
830 Dass der Zeuge S. zu der Bedeutung des „Kegel-Vermerks“ in einer der Kammer unglaubhaft erscheinenden Weise ausgesagt hat, mag damit zu erklären sein, dass er insbesondere im Hinblick auf das gegen ihn anhängige
Strafverfahren nachteilige Rückschlüsse aus einer weitergehenden Kenntnis fürchtet. Dies ändert allerdings nichts daran, dass seine - im Übrigen auch von den Zeugen Gr. und (bei eingeschränkter Erinnerung) Bm. bestätigten -
Angaben, die Betriebsprüfer seien von der Existenz der HBS ausgegangen und hätten die Erläuterungen über Schwierigkeiten beim Marktaufbau als Hintergrund der Geldflüsse akzeptiert, durchaus plausibel und glaubhaft erscheinen.
831 Es erscheint der Kammer durchaus möglich, dass im Gespräch zwischen S., Manfred Sch. und Dr. K. auch der Gedanke erörtert worden ist, durch Aufbau und Verkauf von „Assets“ genügend finanzielle Mittel in die Hand zu bekommen,
um nicht mehr Erlöse der KSK in Anspruch nehmen zu müssen. Dass sich S. darin gefallen haben mag, dass die vermeintlich erfolgreichen und bedeutenden Unternehmer derartige unternehmensstrategische Gedanken mit ihm
austauschten, ist durchaus vorstellbar. Auch wenn er hierzu geraten haben sollte, besagt dies nicht, dass ihm klar war, dass ohne eine solche - von außerhalb des Geschäfts mit HBS kommende - Heilung das Finanzierungssystem nur
durch Verkauf immer weiterer, gar nicht existierender Systeme aufrecht zu erhalten sein würde.
832 1.6. Auch aus der Aufstellung vom 16.04.1997 („ Gewinnverprobungsvermerk “) sowie dem Schaubild vom 17.04.1997
und der von AR S. gefertigten Grafik „System 245“ lässt sich nicht auf eine Kenntnis
der Betriebsprüfer vom Betrugssystem schließen. Die Grafiken versuchen offensichtlich, die mittlerweile durch die Betriebsprüfung bei P. gewonnenen Erkenntnisse, die sich auch aus der Aufstellung S.s vom 28.02.1997
(Übersicht) AR S. vom 28.02.1997 Anl. B 117> ergeben, zu veranschaulichen und - gewissermaßen als Fortentwicklung des Schaubilds vom 22.08.1996
401 Js 3479/01 AS. 165)[alte Heftung] in der Anl. zum Aktenvermerk vom 22.08.1996 = Anl. K 7/102 = Anl. B 66> - darzustellen, dass aus den aus dem Verkauf der Systeme an Leasinggesellschaften erzielten Erlösen nicht nur der
Geldfluss an FTI gespeist wurde, sondern auch „Subventionen“ an P. Als Grund werden im Vermerk vom 28.02.1997 die „Wertschöpfung bei KSK“, nämlich der dort erzielte
hohe Rohgewinn, und die Liquiditätsverschaffung für P. „über den Zeitraum des Leasingvertrages“ vermutet. Es wurde demnach zwar wiederum durchaus erkannt, dass aus der hohen Gewinnmarge bei KSK letztlich die Leasingraten
gedeckt wurden, denn „auf dem französischen Markt konnten max. 5 - 7 Systeme 1992 - 1994 platziert werden“. Dies wurde jedoch wiederum nicht als Ausdruck eines betrügerischen Systems verstanden, sondern als
Subventionsmaßnahme, wie sie unter verbundenen Unternehmen gerade zum Zwecke der Markteinführung nicht unüblich ist. Die festgestellten Subventionen bezogen sich auf den Prüfungszeitraum (bei P. von 1992 bis 1994). Ein
Zwang, auch künftig die Leasingraten ausschließlich oder weitgehend aus derartigen Subventionen zu bestreiten (die wiederum dann aus dem Verkauf immer weiterer Bohrsysteme zu speisen waren), wurde von den Betriebsprüfern
nicht erkannt. Die wirtschaftliche Situation wird vielmehr in der Aufstellung vom 28.02.1997 wie folgt beschrieben:
833
=> „arbeiten die Systeme, dann zusätzlicher Gewinn“
834
=> „arbeiten die Systeme nicht, Deckung der Leasingraten über die Subvention“
835 Dass die Systeme gar nicht arbeiten konnten, weil es sie zum größten Teil nicht gab, wurde demnach offenbar nicht erkannt.
836 1.7. Letztlich hat das durchgeführte WP-Testatverfahren dazu geführt, dass die Betriebsprüfer davon ausgingen, der durch die anonymen Anzeigen aufgeworfene Verdacht, es seien „Luftgeschäfte“ mit nicht existierenden HBS
durchgeführt worden, sei unzutreffend.
837 Zutreffend weist das beklagte Land darauf hin, dass die Betriebsprüfung mit diesem Verfahren an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen war. Da sie keine Möglichkeit hatte, selbst im Ausland zu ermitteln, war die Aufforderung an die
Steuerschuldner, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht den Nachweis für die Existenz der Systeme durch eine „private“ Beweisaufnahme durch Wirtschaftsprüfer zu führen, die einzige ersichtliche, aber auch - im Hinblick auf das
Wirtschaftsprüfern entgegengebrachte Vertrauen - eine vermeintlich besonders zuverlässige Erkenntnismöglichkeit. Dass sich dieser Nachweis nicht auf den Prüfungszeitraum beziehen konnte, sondern auf den damaligen Stand, lag in
der Natur der Sache und musste mit der Erwägung, wenn die Systeme jetzt existierten, dann würden sie wohl auch zum Zeitpunkt ihres Verkaufs existiert haben, in Kauf genommen werden.
838 Dass hierbei bereits die Bereitschaft Sch.s und Dr. K.s, die WP-Testate einzuholen, als Hinweis auf die Existenz gewertet wurde
Systeme vorhanden.“>, ist nachvollziehbar. Denn für den Fall, dass die Systeme tatsächlich nicht existierten, hätten Sch. und Dr. K. nach der Vorstellung der Finanzbeamten vom WP-Testatverfahren die Aufdeckung der Nichtexistenz
befürchten müssen und diesem Verfahren daher nicht zugestimmt. Dass diese die Dreistigkeit hatten, das WP-Testatverfahren selbst zur Täuschung zu benutzen - sei es durch Verbringung von HBS an die ausländischen Standorte, sei
es durch sonstige Beeinflussungen oder durch Fälschung der Testate -, lag offenbar außerhalb der Vorstellung der Beamten.
839 Die angeforderten Testate wurden der Betriebsprüfung in der Folge vorgelegt, mit einer Ausnahme. Ob sich die Finanzbeamten insoweit mit der Erläuterung Dr. K.s abfanden, MT. Rom habe mitgeteilt, das System sei an El. abgegeben
worden und könne deshalb nicht testiert werden, oder ob das fehlende Testat unbemerkt blieb, weil zwei tschechische Testate doppelt versandt wurden und daher insgesamt 45 Testate (43 und zwei Doppel) vorlagen, konnte nicht
geklärt werden. Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass die Aussage in der Arbeitsunterlage der Betriebsprüfer für die Besprechung bei der
Oberfinanzdirektion am 05.02.1997
840
„Alle geforderten Nachweise wurden letztlich am 21.01.1997 erbracht“
841 bewusst unrichtig war.
842 Dass offenbar eine eingehende Überprüfung der WP-Testate nicht stattgefunden hat - keiner der von der Kammer als Zeugen vernommenen Betriebsprüfer oder Steuerfahnder hat sie vorgenommen, jeder hielt eine andere Dienststelle
für zuständig -, lässt nicht den Schluss auf fehlenden guten Glauben der beteiligten Finanzbeamten zu. Ursächlich dafür kann entweder eine tatsächlich bestehende Unklarheit über die Zuständigkeit aufgrund mangelnder Koordination
sein oder bloße Nachlässigkeit, die im Nachhinein mit Unzuständigkeit zu kaschieren versucht wird. Es erscheint aber auch nachvollziehbar, weshalb eine eingehende Überprüfung der Testate unterblieben ist. Die Testateinholung
wurde durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X. GmbH koordiniert. Dass die Beamten darauf vertraut haben, damit sei für eine Testierung durch seriöse Wirtschaftsprüfer ausreichend Sorge getragen, und im Hinblick auf das
Wirtschaftsprüfern entgegen gebrachte Vertrauen auch darauf, mit den vorgelegten Testaten habe es seine Richtigkeit, ist nahe liegend. Die von den Klägern aufgelisteten Unstimmigkeiten - wobei unklar ist, ob die Kläger diese auf
Fälschungen zurückführen - waren denkbar unauffällig. Dass der Prüfer im Vereinigten Königreich die HBS bereits einen Tag nach der Absendung des Prüfungsauftrages geprüft haben wollte, lediglich für die in Italien geprüften
Maschinen Maschinenlaufzeiten angegeben und die HBS, welche bei El. bestätigt werden sollten, als bei Fondazioni speciali stehend bestätigt wurden, die Bestätigungen aus Tschechien zweifach mit teils unterschiedlichem Inhalt
vorgelegt wurden, dass die Testate aus Italien und Tschechien nicht auf den vorgegebenen Standardformularen, sondern auf jeweils unterschiedlichen Formularen erfolgten und nur eine Bestätigung aus Spanien das Kfz-Kennzeichen
eines Lkw-Systems nannte, war nicht geeignet, Misstrauen zu wecken. Auch der Umstand, dass der spanische Prüfer Màlaga und Alcantàra ohne Akzente schrieb, vermochte nur bei subtiler Prüfung und guten Spanischkenntnissen,
fehlende Wirtschaftsprüferqualifikation der tschechischen Prüfer nur mit Kenntnissen der tschechischen Sprache und des tschechischen Berufsrechts aufzufallen.
843 1.8. Auf die Kenntnis der Finanzbeamten, insbesondere des von den Klägern hauptsächlich belasteten Betriebsprüfers AR S., vom betrügerischen System kann auch nicht aus den Erörterungen beim Bundeskriminalamt im Jahre 1999
und den Vorgängen bei der dritten Betriebsprüfung geschlossen werden. Nach den Angaben des BKA-Beamten Kk. hat S. offen über die bei der zweiten Betriebsprüfung
gewonnenen Erkenntnisse berichtet. Dass diese Ausführungen von auf Wirtschaftssachen spezialisierten erfahrenen Kriminalisten als Schilderung eines betrügerischen Schneeballsystems verstanden wurden, besagt nicht, dass auch S.
selbst dieses Verständnis hatte und insbesondere nicht, dass er es auch bereits im fraglichen Zeitraum 1996/97 gehabt hatte. Vielmehr wird er sich dieser Erkenntnis im Laufe der Gespräche beim BKA im Jahre 1999 und im Lichte der
bei der dritten Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen nicht verschlossen haben und daher auch die 1996/97 getroffenen Feststellungen 1999 anders gedeutet haben.
844 1.9. Die Kenntnis der Finanzbeamten, insbesondere des von den Klägern hauptsächlich belasteten Betriebsprüfers AR S., kann auch nicht aufgrund von Aussagen der Haupttäter und des Zeugen B. festgestellt werden.
845 Die AR S. belastenden Angaben des Manfred Sch., die dieser als Beschuldigter gemacht hat, sind nicht glaubhaft. Zunächst ist zu dessen persönlicher Glaubwürdigkeit festzuhalten, dass es sich um einen rechtskräftig verurteilten
Rekordbetrüger handelt. Das Bestreben, durch eine angebliche Mitwisserschaft von Finanzbeamten die eigene kriminelle Intensität in milderem Licht erscheinen zu lassen, stellt ein mögliches Motiv für seine Behauptungen dar, zumal es
bei der Strafzumessung nicht unüblich ist, zu Gunsten der Straftäter zu berücksichtigen, dass ihnen die Begehung ihrer Taten leicht gemacht worden sei. Hinsichtlich der persönlichen Glaubwürdigkeit verdienen aber die
entgegenstehenden Aussagen der bisher unbescholtenen Beamten der Finanzverwaltung eindeutig den Vorzug vor denen der verurteilten Anführer der Betrügerbande. Die Angaben Sch.s zur angeblichen Kenntnis S.s enthalten jedoch
auch inhaltlich weitgehend nur pauschale Behauptungen und Schlussfolgerungen und wenig konkrete Tatsachen. Sie sind auch nicht frei von Widersprüchen. Einerseits soll AR S. schon 1996 eingeweiht gewesen sein und zugesagt
haben, auch die nächste Prüfung „in der gleichen Art abzunehmen“ , andererseits will Sch. noch 1997 befürchtet haben, dass durch dessen Tätigkeit
846
„unsere FlowTex-Problematik schon mit dieser Prüfung auffliegt“ ,
847 und meinte bei einer weiteren Vernehmung über die Organisation des WP-Testatverfahrens,
848
„ohne ...diese Verschleierung wären wir mit FlowTex bereits 1996 an die Wand gefahren“ .
849 Auch der Verteidiger Sch.s hat vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags am 12.11.2003 ausgesagt , er habe seinerzeit mit Sch. sehr intensiv die Frage diskutiert, ob die
Betriebsprüfer Bescheid gewusst hätten, aber keine belastbaren Informationen erhalten.
850 Dr. K. hat in seinen ersten Vernehmungen (als Beschuldigter) nach seiner Verhaftung nur subjektive Vorstellungen geschildert und Vermutungen geäußert , etwa in der Art, es sei
851
„für die Finanzbehörde hochwahrscheinlich“
852 gewesen, dass Maschinen gefehlt hätten . Bereits in der Hauptverhandlung am 01.10.2001 hat er diese Vorwürfe zurückgenommen und ausgesagt
Mannheim 401 Js 1009/01, 401 Js 3479/01 AS. 949 = Anl. K 7/48 = K 7/182>, bei der Betriebsprüfung sei
853
„unser Scheinfinanzierungssystem nicht aufgefallen ..., weil man es uns letztlich nicht beweisen konnte.“
854 Seine damalige Aussage, AR S. habe
855
„so gesprochen, dass ich das Gefühl hatte, dass er sehr nahe an der Wahrheit dran war, es aber letztlich nicht beweisen konnte und ich tat alles, um das aufrecht zu erhalten“,
856 erscheint durchaus glaubhaft und stellt möglicherweise auch eine Erklärung für die Behauptungen Manfred Sch.s und A. N.s dar: Tatsächlich hatte AR S. ja Kenntnis von den zur Aufrechterhaltung des Betrugssystems wesentlichen
Geldflüssen und unternahm Anstrengungen zur Überprüfung der Anzahl der vorhandenen Bohrsysteme, woraus sich für die Haupttäter ergeben musste, dass er Zweifel an deren Vorhandensein hatte. Die Annahme lag daher durchaus
nahe, er könne das gesamte Betrugssystem bereits durchschaut haben oder stehe unmittelbar davor, es zu durchschauen. Den Haupttätern war ja nicht bekannt, dass AR S. weniger eigene Zweifel hatte als lediglich Feststellungen im
Auftrag der Staatsanwaltschaft treffen sollte.
857 Mit seinen Aussagen als - nunmehr unter Wahrheitspflicht stehender - Zeuge am 29.05.2002 , noch klarer am 03.06. 2003
Staatsanwaltschaft Mannheim 401 Js 15037/03, S. 11 Anl. B 132> sowie am 13.05.2004 hat Dr. K. seine früheren belastenden
Angaben eindeutig widerrufen und als objektiv unrichtig bezeichnet.
858 Es war auch nicht geboten, Manfred Sch. oder Dr. K. persönlich als Zeugen zu hören. Sie wurden von keiner der Parteien als Zeugen zu Tatsachen benannt, aus denen sich die Kenntnis der Betriebsprüfer vom Betrugssystem ergibt.
Vielmehr haben die Kläger insoweit im Wesentlichen nur Urkundenbeweis durch Vorlage der zitierten Protokolle früherer Vernehmungen angetreten; nur zur peripheren, nicht erheblichen Punkten wie der Einschätzung Dr. K.s, die
Überprüfung von Bohrsystemen durch S. sei nur ein „konstruktives Theaterspiel“ gewesen und die am 03.06.1996 übergebene Liste der verkauften Systeme habe erkennbar „zum Himmel gestunken“ , dem Rat S.s,
„Assets“ aufzubauen und zu verkaufen , ist Dr. K. als Zeuge benannt worden, Manfred Sch. nur dazu, dass in der Folge ein deutscher Treuhänder für Sch. und Dr. K. statt der F. AG Gesellschafter der Servicegesellschaften
wurde, worauf S. hingewirkt haben soll . Diese Beschränkung der Beweisantritte ist auch offensichtlich bewusst erfolgt, nämlich im Hinblick auf die Änderung der Darstellungen durch Dr. K. und darauf, dass auch Manfred Sch.
in jüngerer Zeit seine belastenden Aussagen nicht wiederholt, wie das beklagte Land unwidersprochen vorgetragen hat.
859 Auch die Aussagen der A. N. hält die Kammer zum Nachweis der Kenntnis des Betrugssystems nicht für geeignet. Zu ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit kann zunächst auf die Ausführungen zu den Angaben Sch.s verwiesen werden, die
auf N. entsprechend zutreffen. Soweit sie ausgesagt hat , AR S. habe gesagt, er „wisse ganz genau“, dass die Maschinen nicht gebaut seien bzw. fehlen
würden, erscheint möglich, dass es sich hierbei um einen provozierenden Vorhalt handelte, mit dem versucht wurde, sie aus der Reserve zu locken. Nähere Einzelheiten, worauf das angeblich genaue Wissen S.s beruht haben könnte,
hat die Zeugin nicht mitgeteilt. Zu dem einzigen Realitätskriterium, das ihre Aussage zum Gespräch mit AR S. aufweist, nämlich der plastischen „Brotsuppe“-Anmerkung, hat AR S. bei seiner Vernehmung vor der Kammer ausgesagt,
diese sei bei einer anderen Unterredung in ganz anderem Zusammenhang gefallen, und dies sehr überzeugend mit seinem lebensnah geschilderten Ärger über plumpe Ausflüchte der A. N. hinsichtlich fehlender
Buchhaltungsunterlagen erläutert.
860 Zu Recht verweist das beklagte Land auch darauf, dass die Aussage, AR S. habe Bescheid gewusst, mit der Aussage A. N.s vom 13.04.2000, man habe seinerzeit die Betriebsprüfer „absichtlich getäuscht“, nicht vereinbar ist.
861 Auch die Aussage von A. N. im Verfahren gegen Do. vor dem Landgericht Mannheim erscheint nicht überzeugend. Die Erklärung, wenn sie hätte wissen wollen, wie viele Bohrsysteme exakt fehlten, „dann hätte ich Herrn S. gefragt“,
besticht zwar durch die Dreistigkeit der Formulierung - die Zeugin war im Prüfungszeitraum nicht nur Geschäftsführerin der KSK, sondern hatte auch die Buchhaltung selbst geführt -, enthält aber wiederum keine Begründung, keinen
konkreten Tatsachenkern. Konkrete Tatsachen wurden auch nicht in ihr Wissen gestellt, sodass auch ihre persönliche Vernehmung nicht geboten war. Soweit das beklagte Land unbestritten vorgetragen hat, N. habe auch ausgesagt,
über fehlende Maschinen sei nie mit irgend jemand gesprochen worden, nicht einmal zwischen Sch., Dr. K., W. und ihr, bestätigt dies die Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben.
862 Selbst wenn die Zeugin als glaubwürdig angesehen werden könnte, könnte die oben bereits angesprochene Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass sie selbst aufgrund der von den Betriebsprüfern bereits gewonnen
Erkenntnisse über die Geldflüsse, der Nachfragen und Vorhaltungen zum Vorhandensein der verkauften Systeme der Auffassung war, AR S. könne das gesamte Betrugssystem bereits durchschaut haben.
863 Die Kenntnis der Betriebsprüfer ergibt sich auch nicht aus den Angaben des Zeugen B. . Der Zeuge kann zwar mehr persönliche Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen als die
Haupttäter. Er hat jedoch auch lediglich aus Aussagen S.s
864
(„...dass einige Maschinen einfach nicht darstellbar seien. Mit darstellbar meine ich, dass Herr Manfred S. gesagt habe, einige Maschinen seien nicht da“)
865 auf dessen Kenntnis geschlossen, wobei unklar bleibt, ob es sich nicht um diejenigen fehlenden Bohrsysteme handelte, die bei der Betriebsprüfung bei P. aufgefallen waren und die dann auch zum Steuerstrafverfahren gegen Matthias
Sch. führten.
866 1.10. Die durch die Behauptungen Sch.s, N.s und die anfänglichen Angaben Dr. K.s insinuierte Version, man habe trotz Kenntnis der Betriebsprüfung, zumindest des Betriebsprüfers AR S., vom Betrugssystem Einvernehmen mit der
Finanzverwaltung erzielt und die Betriebsprüfung sei sozusagen augenzwinkernd als „konstruktives Theaterspiel“ fortgeführt worden, verträgt sich auch kaum mit anderen Aussagen derselben Personen wie denen, man habe 1997
befürchtet, aufgrund der Prüfung S.s „aufzufliegen“ , S. habe trotzdem „sehr hart geprüft“ , man habe „eine Heidenangst vor
diesem Mann“ gehabt, „weil er ein extrem systematisch und analytisch arbeitender Mensch“ gewesen sei , A. N. sei nach der Betriebsprüfung „körperlich nur noch ein Wrack“
gewesen , vor allem aber nicht mit dem enormen Aufwand, der zur Durchführung des WP-Testatverfahrens betrieben wurde und der bei Unterstellung eines kollusiven
Zusammenwirkens entbehrlich gewesen wäre.
867 2. Kenntnis der Steuerfahndungsbeamten
868 Weitergehende Kenntnis als die Betriebsprüfer hatten die Steuerfahnder lediglich insoweit, als ihnen die „Kr.-Vermerke“ bekannt waren. Auch aus deren Kenntnis kann jedoch - auch in der Gesamtschau mit den anderen Erkenntnissen -
nicht der Schluss auf eine Kenntnis von der Haupttat, also vom Betrugssystem, gezogen werden. Es handelte sich bei den „Kr.-Vermerken“ lediglich um anonyme Verdächtigungen, die im Wesentlichen denen der bereits vorliegenden
anonymen Anzeigen entsprachen, inhaltlich allenfalls geringfügig konkretere Angaben enthielten, aber noch keinen Beweis für irgend eine der aufgestellten Behauptungen. Die „Kr.-Vermerke“ waren daher zwar objektiv geeignet, die
bereits bekannten anonymen Anzeigen etwas ernster zu nehmen, begründeten selbst aber noch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der in ihnen erhobenen Vorwürfe. Dass die in ihnen enthaltenen Behauptungen
teilweise offenbar auch objektiv unrichtig waren, sei nur am Rande erwähnt; so konnte die Behauptung, einer der Betriebsprüfer sei „in der Karibik gewesen“, auch durch die späteren staatsanwaltlichen Ermittlungen nicht verifiziert
werden.
869 Auch bei einer Gesamtschau aller Umstände kann eine Kenntnis der oder eines Finanzbeamten des beklagten Landes vom Betrugssystem, die die Begehung künftiger Betrugstaten als nahe liegend erscheinen ließ, nicht festgestellt
werden.
870
b. Unterstützungswille
871 Da eine Kenntnis der Haupttaten demnach nicht festgestellt werden kann, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Finanzbeamten der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung, insbesondere der von den Klägern
besonders belastete Zeuge AR S. in dem Bewusstsein handelten, durch ihr Verhalten die Begehung dieser Taten zu fördern.
872 1. Auch bei unterstellter Kenntnis kein zwingender Schluss auf Unterstützungswillen
873 Selbst bei Kenntnis des betrügerischen Systems erschiene ein solches Bewusstsein fraglich: Zwar wäre, wenn die Kenntnis des Betrugssystems unterstellt würde, zunächst die Schlussfolgerung nahe liegend, dass auch akzeptiert wurde,
dass die Nicht-Aufdeckung eines als Schneeballsystem erkannten Systems zu weiteren Betrugstaten in immer größerem Umfang führen wird, da die Einnahmen aus der Vermietung der wenigen vorhandenen HBS nicht ausreichend zur
Deckung der laufenden monatlichen Leasingraten waren und daher weitere nicht existierende HBS verkauft werden mussten, um die zur Bedienung der Leasingverträge notwendigen Mittel aufzubringen und eine Aufdeckung zu
verhindern. Zwingend wäre diese Schlussfolgerung allerdings nur dann, wenn das erkannte System auch als unumkehrbar erkannt wurde. Gerade dies wäre aber im vorliegenden Fall zweifelhaft. Die Kläger tragen selbst vor, AR S. habe
dem Haupttäter Manfred Sch. helfen wollen, das System zu heilen, indem werthaltige Projekte wie das des Baden-Airparks (so genannte „Assets“) aufgebaut werden, um später durch deren Verkauf genügend Geld zu haben, um das
Kerngeschäft mit den HBS, welches sich nur langsam im Markt durchsetzte, zu retten. Demnach wäre es nach der Vorstellung S.s noch möglich gewesen, einen Ausweg aus dem Betrugssystem zu finden, und von ihm gerade
Unterstützung bei dem - vermeintlich noch möglichen, tatsächlich bereits unmöglichen - Ausstieg aus dem System, nicht bei dessen Fortführung, beabsichtigt gewesen.
874 2. Nichtbeachtung der IZA-Auskunft
875 Auf einen Unterstützungswillen kann nicht aus der Nichtbeachtung der IZA-Auskunft vom 08.10.1996 geschlossen werden. Die Beweisaufnahme hat insoweit ergeben, dass offenbar keiner der beteiligten Finanzbeamten sich dafür
zuständig hielt, diese Anfrage auszuwerten und sie deshalb unbeachtet geblieben ist. Der Zeuge AR S. bezweifelte, sie überhaupt gesehen zu haben, und auch der Zeuge RR Gr. konnte sich hieran nicht erinnern; die Aussage S.s, er sei
zum Zeitpunkt des Eingangs bei der Betriebsprüfung wohl in Urlaub gewesen, erscheint zwar nicht zuverlässig: Am 15.11.1996, als die IZA-Auskunft bei der Betriebsprüfung einging, hat AR S. an einer Besprechung bei der
Steuerfahndung teilgenommen ; allerdings war er zu dieser Zeit wohl mit der Prüfung bei P. in Rastatt beschäftigt . Dass AR S. persönlich die IZA-Auskunft erhalten
hat, ist damit aber nicht belegt, erst recht nicht, dass er sie inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Nicht nur AR S., sondern auch der leitende Betriebsprüfer RR Gr. haben bei ihrer Vernehmung zum Ausdruck gebracht, die Auswertung
der IZA-Auskunft als Aufgabe der Steuerfahndung gesehen zu haben. Diese Ansicht ist auch nicht fern liegend, da die Auskunft von der Steuerfahndung eingeholt und offenbar auch erst mit erheblicher Verzögerung an die
Betriebsprüfung weitergeleitet wurde. Jedoch ist auch bei der Steuerfahndung die Auskunft offenbar unbeachtet geblieben. Weder der Steuerfahnder Gl. noch sein Sachgebietsleiter St. konnten sich daran erinnern, ob sie sie gesehen
haben. Gl. hat wiederum zum Ausdruck gebracht, die Auswertung eher als Aufgabe der Betriebsprüfer angesehen zu haben. Alle diese Aussagen mögen als Beleg für bedauerliche Mängel in der Zusammenarbeit und Koordination der
beteiligten Dienststellen gesehen werden - als Hinweis darauf, dass die Finanzbeamten die Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen ausländischen HBS-Standorte, die sich aus der IZA-Auskunft ergaben, unterdrücken wollten,
können sie nicht gewertet werden. Ihre Nachlässigkeit kann darauf beruhen, dass sie nach Einleitung des WP-Testatverfahrens schon wegen der Bereitschaft Sch.s und Dr. K.s, daran mitzuwirken, auf dessen positives Ergebnis
vertrauten und andere Möglichkeiten der Verifizierung nicht mehr weiter verfolgten.
876 3. Insbesondere: Unterstützungswille S.s
877 Der Annahme eines Unterstützungswillens S.s steht auch dessen aktenkundiges Verhalten entgegen:
878 3.1. Der außergewöhnliche
Umfang
879 Es wurden aus dem Zeitraum der Betriebsprüfung 1996/97 über 30 Aktenvermerke, Anfragen und Besprechungsnotizen S.s vorgelegt. Bei Annahme eines Unterstützungswillens wäre es näher liegend gewesen, die Feststellungen der
Betriebsprüfung zur Verschleierung weniger ausführlich zu dokumentieren.
880 3.2. Das offensichtliche Bemühen S.s um eine
anschauliche Darstellung
881 AR S. hat hierzu mehrere Grafiken erstellt
245“ Anl. B 71, identisch (außer Datum vom 11.04.1997) mit Anl. K 35> und nach den glaubhaften Angaben des Zeugen RR Gr. bei Besprechungen zur Veranschaulichung benutzt, die das System der Geldflüsse sehr übersichtlich
darstellen und damit auch die Möglichkeit, dass ein Betrachter den Schluss auf ein betrügerisches System zieht, erheblich gesteigert haben. Hätte er das Bestreben gehabt, die Zusammenhänge nicht zu Tage treten zu lassen, wäre eine
rein verbale Darstellung näher liegend gewesen.
882 3.3. Auch der
Inhalt
883 3.3.1 In einem Gespräch mit Manfred Sch. am 12.02.1996 hielt AR S. Sch. laut Aktenvermerk vor, er könne nicht „einmal so und dann ... gerade umgekehrt“ argumentieren, er solle „die
Sache jetzt auf den Tisch legen“.
884 3.3.2 Auch in einer Besprechung am 15.04.1996 mit den Betriebsprüfern wurden Sch. und Dr. K. laut Aktenvermerk aufgefordert, gegenüber den Finanzbehörden „alle Tatsachen auf den Tisch (zu)
legen“. AR S. berichtete auch in der Besprechung mit Steuerfahnder Si. vom 16.04.1996 , er habe Sch. geraten, es sei das Beste, „Farbe zu bekennen und nicht immer nur Frau N. vorzuschieben“.
885 3.3.3 Das Vorgehen S.s, nachdem er bei der Betriebsprüfung der KSK neun Rechnungen über 15,9 Mio. DM festgestellt hatte, die zwar bei KSK Gewinn mindernd, bei FTS jedoch nicht als Erlös verbucht worden waren und daraufhin das
Steuerstrafverfahren gegen A. N. erweitert und auch gegen den Steuerberater W. ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet wurde, war ausweislich seiner Aktenvermerke
B 25 und vom 06.05.1996 Anl. B 112> akribisch und konsequent.
886 3.3.4 Die durch eine Gegenüberstellung des Materialeinsatzes und der Erlöse untermauerten Zweifel am Vorhandensein der von KSK verkauften Systeme wurden von AR S. einschließlich seiner Vorhaltungen und
insistierenden Fragen an A. N. zu deren Erklärungsversuchen dokumentiert .
887 3.3.5 Auch soweit sich die vorstehend aufgeführten Tätigkeiten aus eigenen Vermerken S.s ergeben, kommt diesen Beweiswert zu. Dass der Inhalt dieser Vermerke lediglich auf Fiktionen des Verfassers beruhen könnte, um
Aufklärungsbemühungen vorzutäuschen, kann nicht angenommen werden.
888 3.3.6 Bei einer Besprechung am 10.05.1996 im Finanzamt Erfurt berichtete AR S. nach dem Vermerk vom 13.05.1996 wie auch nach der späteren Vernehmung des Erfurter
Steuerfahnders Sx. über die Erkenntnisse aus der bisherigen Prüfungstätigkeit. Soweit es bei dieser Unterredung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Karlsruher und
thüringischen Finanzbeamten kam, wurde der Standpunkt der Karlsruher Beamten nach dem Vermerk Sx.s nicht von AR S., sondern von dessen Sachgebietsleiter Bm. vorgetragen.
889 3.3.7 Unstreitig wurden die bei der Betriebsprüfung der P.-Gruppe getroffenen Feststellungen, auch die über die nicht existenten Systeme, der Staatsanwaltschaft Baden-Baden mitgeteilt.
890 3.3.8 Zwar lässt sich nicht übersehen, dass die Hartnäckigkeit der Prüfungshandlungen hinsichtlich des Systemnachweises im Laufe der Betriebsprüfung nachgelassen hat. So wurde insbesondere davon abgesehen, einen Abgleich der
am 11.10.1996 erhaltenen Liste vorzunehmen, auf deren Vorlage AR S. zunächst gedrängt hatte; jedenfalls ist ein umfassender Abgleich der Liste nicht feststellbar. Dies ist jedoch durch die vom
beklagten Land vorgetragenen Gründe erklärbar: Die Systemüberprüfung sollte nunmehr durch das im September eingeleitete WP-Testatverfahren erfolgen, wobei allein die Bereitschaft Sch.s und Dr. K.s, an einem solchen Verfahren
mitzuwirken, als Hinweis darauf gewertet wurde, dass die Systeme vorhanden waren. Auch wurde der IZA-Auskunft vom 08.10.1996 und der Überprüfung der eingegangenen WP-Testate offenbar keine Beachtung geschenkt. Insoweit
mögen nach den Aussagen der vernommenen Zeugen, nach denen die Steuerfahnder davon ausgingen, die Betriebsprüfung prüfe, und umgekehrt, Missverständnisse und mangelnde Koordination eine Rolle gespielt haben.
891 3.3.9 Auch das Verhalten S.s bei den Besprechungen beim BKA im Jahre 1999, wo er die Erkenntnisse aus der zweiten Betriebsprüfung offen dargelegt hat, und der Umstand, dass er bereits in dem vorbereitenden Vermerk für die dritte
Betriebsprüfung eine erneute Systemüberprüfung sowie die Überprüfung anhand der Höhe der Mieteinnahmen angekündigt hat , spricht dagegen, dass er Unterstützungswillen
hinsichtlich der Betrugstaten der Haupttäter hatte. Sonst wäre zurückhaltenderes Verhalten zu erwarten gewesen, schon um die eigene geleistete Unterstützung nicht offenbar werden zu lassen.
892 Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben S.s an die Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 25.11.1999 , mit dem er - die von Staatsanwalt D. bereits früher
beabsichtigte - Einstellung des Steuerstrafverfahrens befürwortete. Dieses Schreiben ist zwar zu einem Zeitpunkt erfolgt, als in der Folge-Betriebsprüfung schon eine
erste Irritation aufgrund der bei der KSK aufgefundenen Rechnungen der erst im November 1996 gegründeten Fa. La M. de Levante S.A. aus 1994 bis 1996 aufgetreten war. Dies war aber noch nicht abgeklärt, vielmehr hielten die
Betriebsprüfer es wegen unterschiedlicher Briefköpfe für möglich, dass es sich um zwei verschiedene „Male“- Unternehmen handeln könnte , weshalb am 24.11.1999 eine
weitere IZA-Auskunft angefordert wurde.
893 3.3.10 AR S. hat mehrmals darauf hingewiesen, dass kein steuerlicher Hintergrund hinsichtlich der anonymen Anzeige erkennbar sei:
894
- in der Besprechung mit der Steuerfahndung am 17.07.1996 ,
895
- in der Besprechung mit der Steuerfahndung am 11.09.1996 ,
896
- in der Besprechung mit der Steuerfahndung am 05.02.1997 .
897 Damit hat er auch deutlich - mit der mehrfachen Wiederholung auch nachdrücklich - zum Ausdruck gebracht, dass eine weitere Ermittlungstätigkeit insoweit nicht in die Zuständigkeit der Finanzbehörden fällt. Es kann daher keine Rede
davon sein, dass dies nur verschleiert zum Ausdruck gebracht worden sei. Der wiederholte Hinweis auf die eigene Unzuständigkeit, der die Aufforderung an andere - für die Strafverfolgung zuständige - Dienststellen impliziert, die
Ermittlungen zu übernehmen, steht in Widerspruch zu der Annahme, er habe die Haupttäter durch Unterdrücken von Erkenntnissen unterstützen wollen.
898 3.4 Es ist insbesondere kein hinreichendes Motiv für eine Beihilfe zum Betrug bei AR S. ersichtlich. Allein das Bestreben, die Firmengruppe vor dem Zusammenbruch zu retten und dadurch wirtschaftlichen Schaden für die Baubranche in
Baden-Württemberg abzuwenden, erscheint als Motiv für die bewusste Deckung von Betrügereien im Umfang von vielen Millionen kaum plausibel. Soweit AR S., wie gerichtsbekannt ist, sich wegen Vorteilsannahme strafrechtlich zu
verantworten hat, fehlt es nicht nur an einem zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsprüfung, es geht auch um die Annahme von Vorteilen, deren Wert in keinerlei Verhältnis zu den von den Haupttätern ertrogenen Beträgen steht; da
ein Schneeballsystem notwendigerweise einen immer größeren Umfang annimmt, bis es irgendwann zusammenbricht, stellen materielle Vorteile nur dann ein plausibles Motiv für eine Teilnahme an einem solchen System dar, wenn sie
so erheblich sind, dass das Risiko der Aufdeckung hierzu in einem adäquaten Verhältnis erscheint. Auch die Kläger haben auf materielle Vorteile S.s als Motiv ausdrücklich nicht abgehoben.
899 Wenig überzeugend scheint die Erläuterung der Kläger, die ihm von Sch. und Dr. K. entgegen gebrachte Wertschätzung und Aufmerksamkeit habe das Selbstwertgefühl S.s mehr gesteigert, als dies materielle Zuwendungen vermocht
hätten. Dies steht in Widerspruch zu der Darstellung der Kläger, wonach AR S. sein (angebliches) Wissen verborgen und verschwiegen hat. Durch die Aufdeckung des Betrugssystems dagegen wäre sein Ansehen als derjenige, der den
Großbetrügern auf die Schliche gekommen ist, zwar nicht bei Sch. und Dr. K., aber in seinem für ihn und sein Selbstwertgefühl bedeutsameren beruflichen Umfeld wesentlich gesteigert worden.
900 4. Unterstützungswille anderer Betriebsprüfer oder Steuerfahndungsbeamten
901 Dafür, dass andere der befassten Finanzbeamten die Haupttäter durch Unterdrücken von Erkenntnissen hätten unterstützen wollen, fehlen - selbst wenn ihre Kenntnis vom Betrugssystem unterstellt würde - hinreichende Anhaltspunkte.
Auch insoweit fehlt es an jedem Hinweis auf ein denkbares Motiv.
902 Auch in der Gesamtschau aller weiteren von den Klägern vorgetragenen Umstände kann daher der subjektive Tatbestand einer Beihilfe zum Betrug nicht festgestellt werden.
903 Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, welche der Kläger zum Kreis der vom Verbot einer Beteiligung an einem Betrug
geschützten Dritten
durch die betrügerisch herbeigeführte Vermögensverfügung geschädigt wird. Im Falle des FlowTex-Betruges gehört hierzu das Vermögen der Banken und Leasinggesellschaften, das durch die Vortäuschung von Geschäften mit
tatsächlich nicht existierenden HBS geschädigt wurde.
904 Die von den Klägern vorgetragenen Vermögensschädigungen beruhen jedoch nicht sämtlich unmittelbar darauf, dass die Existenz tatsächlich nicht existierender Bohrsysteme vorgetäuscht wurde, sondern teilweise erst darauf, dass das
Betrugssystem aufgedeckt wurde, die FTI in Insolvenz geriet und infolge der Insolvenz ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Klägern nicht tilgen konnte.
905
I. B. Beihilfe zum Betrug mit „vorfinanzierten“ Bohrsystemen
906
1) Haupttaten
907 Als Variante der von den Haupttätern der FlowTex-Bande begangenen Betrugstaten, die (wohl) im Strafurteil des Landgerichts Mannheim nicht erfasst sind, kommen ferner die der „vorfinanzierten Bohrmaschinen“ in Betracht, bei denen
zum Zeitpunkt des Verkaufs lediglich die Lkw-Einheiten tatsächlich existierten, die noch nicht aufmontierten Bohrsysteme zwar gegenüber den Leasinggesellschaften bzw. finanzierenden Banken als tatsächlich vorhanden dargestellt
wurden, in Wirklichkeit aber erst später montiert wurden.
908
2) Objektiver Tatbestand
909 a. Bei der Unterrichtung der Steuerfahndung Karlsruhe-Durlach durch die Betriebsprüfung erfolgte kein Hinweis darauf, dass die verkauften Bohrsysteme teilweise zum Zeitpunkt ihres Verkaufs erst als Lkw ohne den noch nicht
montierten Aufbau existiert hätten. Hiervon ist auszugehen, da dieser Aspekt weder in den Aktenvermerken der Steuerfahnder noch in den oben aufgeführten der Steuerfahndung übermittelten Unterlagen noch in den Vermerken zur
Vorbereitung der Besprechungen Erwähnung findet.
910 b. Als Beihilfehandlung kommt insoweit jedoch lediglich ein Unterlassen in Betracht, nämlich die durch die Betriebsprüfer unterlassene Information der Strafverfolgungsbehörden, d.h. der Staatsanwaltschaft - ggf. über die Steuerfahndung
- über die insoweit getroffenen Feststellungen. Die Annahme einer Beihilfe durch Unterlassen scheitert jedoch am Fehlen der erforderlichen Garantenstellung. Nach § 13 StGB wird das Unterlassen der Abwendung eines
tatbestandsmäßigen Erfolgs dem aktiven Begehungsdelikt nur gleichgestellt, wenn der Täter (im Falle der Beihilfe der Gehilfe) „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“. Wie bereits ausgeführt, liegen die
Voraussetzungen hierfür bei den Betriebsprüfern des beklagten Landes nicht vor.
911 c. Die Nichtinformation über die getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Differenzen zwischen Abnahme- und Rechnungsdaten beim Informationsaustausch mit der Steuerfahndung kann auch nicht nach dem „Schwerpunkt des
Vorwurfs“ als positives Tun umgedeutet werden. Durch den fehlenden Hinweis auf den „Vorverkauf“ wurde die Information der Steuerfahndung nicht so entstellt, dass nicht nur ein Unterlassen, sondern ein positives Tun
vorliegt. Die Information der Steuerfahndung betraf neben der aus dem Steuerstrafverfahren herrührenden Problematik der Gesellschafterstellung bei der KSK und der Verwendung der „Sf.-Gelder“ die Feststellungen hinsichtlich der
Existenz der verkauften HBS im Hinblick auf die Vermutung von „Luftgeschäften“. Es ist hierzu zu bedenken, dass lediglich Erkenntnisse über eine beschränkte Anzahl von Fällen vorlagen, in denen der Verdacht bestand, dass der
Aufbau auf Lkw-Systemen erst Monate oder Jahre nach dem Verkauf erfolgt war. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die vorliegenden Erkenntnisse, nämlich die zeitlichen Differenzen zwischen Abnahme- und
Rechnungsdaten und die unklare Stellungnahme Da.s mehr als den Verdacht begründeten, dass in 12 oder 16 Fällen die Fertigstellung erst nach dem Verkauf erfolgt sein könnte.
Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass AR S. durch einen Abgleich der „Da.-Liste“ einen systematischen „Vorverkauf“ festgestellt hatte, da die handschriftlichen Anmerkungen auf der „Da.-Liste“ nur das Datum
der Erstzulassung, nicht das des Verkaufs wiedergeben und AR S. seine hierzu angelegte Tabelle „KSKSyst“ nicht ergänzt hatte.
912 d. Der demnach aufgetretene, aber nicht abgeklärte Verdacht unterschied sich grundlegend von dem, der Gegenstand der anonymen Anzeigen und damit des staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungsverfahrens war. Die vorliegenden
Erkenntnisse rechtfertigten auch nicht die Annahme, dass der Umfang eines Schadens so groß sein könnte, dass eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4. Nr. 5 lit. b) AO gerechtfertigt sein könnte.
913 e. Allerdings erscheint auch fraglich, ob dieser Verdacht bei Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft Veranlassung zur Bejahung eines Anfangsverdachts und zur Einleitung weiterer Ermittlungen gegeben hätte, insbesondere zu so
intensiven Ermittlungen, dass sie zur Aufdeckung des Betrugssystems mit nicht existierenden Systemen geführt hätte. Abgesehen davon, dass die Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen mit den Leasingfirmen erst hätten ermittelt
werden müssen, um deren Täuschung feststellen zu können, wäre die Überlegung nahe liegend gewesen, dass ein Schaden nicht verursacht worden sei, da die Systeme ja schließlich komplettiert worden seien. Dass bereits ein
Strafverfahren lediglich wegen der „Vorfinanzierung“ von 12 bzw. 16 HBS zum Zusammenbruch der FlowTex-Gruppe geführt und damit die Fortführung des Betrugssystems mit nicht existierenden HBS vereitelt hätte, kann nicht mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen unterstellt werden. Damit fehlt es insoweit auch an der Kausalität für den von den Klägern geltend gemachten Schaden.
914
3) Subjektiver Tatbestand
915
a. Kenntnis der Haupttaten
916 Wie bereits ausgeführt, bestand positive Kenntnis der Betriebsprüfung lediglich hinsichtlich der Feststellungen zeitlicher Differenzen zwischen Abnahme- und Rechnungsdaten in 12 oder 16 Fällen. Ob dies und die unklare
Stellungnahme Da.s mehr als den Verdacht begründeten, dass die Fertigstellung erst nach dem Verkauf erfolgt sein könnte, sich also auf die wesentlichen Merkmale der Haupttat
66> und den wesentlichen Unrechtsgehalt der Haupttat erstreckte, erscheint bereits zweifelhaft.
917
b. Unterstützungswille
918 Jedenfalls kann ein Unterstützungswille der Betriebsprüfer, insbesondere des Betriebsprüfers AR S., nicht festgestellt werden. S. ist den Unstimmigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Differenzen zwischen Abnahme- und Rechnungsdaten
nachgegangen. Ob eine von ihm formulierte Aufforderung zur Stellungnahme gegenüber Sch. und Dr. K. diesen vorgelegt wurde, ist unklar; sie blieb jedenfalls auch nach Erinnerung
ohne Antwort. Dass von S. nicht nochmals nachgehakt wurde, rechtfertigt nicht den Schluss, er habe in dem Bewusstsein gehandelt, durch sein Verhalten die Begehung der
(unterstellt: von ihm als zumindest möglich erkannten) Haupttaten zu fördern . Unwiderlegbar ist die Aussage S.s, er habe diese Problematik im weiteren Verlauf der
Betriebsprüfung „nicht mehr im Kopf“ gehabt, d.h. schlicht aus dem Auge verloren. Bei der Vielzahl der im Rahmen der Prüfung der gesamten Firmengruppe zu behandelnden Probleme, erschwert durch eine desolate Buchführung,
kompliziert durch die Aufträge, zunächst für das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren Feststellungen zu treffen und für das Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe Erkenntnisse zu sammeln, erscheint dies
durchaus vorstellbar.
919
I. C. Beihilfe zum Betrug mit nicht wirtschaftlich eingesetzten Bohrsystemen
920
1) Haupttaten
921 Als weitere Haupttaten heben die Kläger den Verkauf von (unterstellt) existierenden HBS hervor, die nicht eingesetzt werden konnten, sondern „auf Halde“ standen. Insoweit fehlen allerdings konkrete Darlegungen, dass tatsächlich eine
größere Anzahl von HBS unproduktiv herumgestanden habe. Tatsächlich dürfte es sich bei der entsprechenden Behauptung Sch.s weitgehend um eine Verschleierung der Nichtexistenz handeln. Mangels konkreter Darlegung
entsprechender Taten ist davon auszugehen, dass es diese Fallgruppe von Haupttaten nicht gab.
922 Die Fallgruppe gibt allerdings Veranlassung zur Prüfung, ob unter dem Gesichtspunkt des sog. „Täterexzesses“ eine Beihilfe zum Betrug durch Finanzbeamte in Betracht kommt, wenn diese nach ihrer Vorstellung den Haupttätern dazu
Hilfe geleistet hätten, dass diese existierende HBS ohne Marktchancen verkauften, während die Haupttäter tatsächlich überhaupt nicht existierende Systeme verkauften. Voraussetzung einer Strafbarkeit wäre allerdings insoweit, dass der
Unrechtsgehalt der vorgestellten und der ausgeführten Taten vergleichbar wäre . Dies erscheint zweifelhaft: Zwar läge in beiden Fällen als Haupttat ein Betrug vor; im ersten (irrtümlich
vorgestellten) Fall wäre die Täuschung der Banken und Leasinggesellschaften allerdings lediglich über die Marktchancen der HBS und damit über die Möglichkeiten der Wertschöpfung durch deren Einsatz und letztlich über die Bonität
ihrer Geschäftspartner, insbesondere der FTI, erfolgt - und damit über Umstände, über die sich zu vergewissern die ureigenste Aufgabe der Banken und Leasinggesellschaften in deren eigenem Interesse war; die Leasinggesellschaften
hätten aber immerhin Eigentum an einem Bohrsystem als Gegenleistung für ihre Kaufpreiszahlung erhalten. Tatsächlich erhielten sie nichts, da die Täuschung gerade darin bestand, dass ihnen eine Gegenleistung nur vorgespiegelt
wurde.
923
2) Objektiver Tatbestand
924
a. Unterstützungshandlungen der Betriebsprüfer
925 Unterstützungshandlungen der Betriebsprüfer sind allerdings nicht ersichtlich. Noch nicht einmal das Unterlassen eines Hinweises - wobei mangels Garantenpflicht der Vorwurf der Beihilfe auf eine bloße Unterlassung nicht gestützt
werden könnte - kann ihnen angelastet werden. Ausweislich des Aktenvermerks der Steuerfahnder vom 25.07.1996 wurde am 24. bzw. 25.07.1996 der Aktenvermerk S.s
vom 21.07.1996 an die Steuerfahndung übergeben, in dem die Feststellungen über geringe Laufleistungen und die damit begründete Vermutung, dass Bohrsysteme „auf Halde“ produziert und die Leasingraten jedenfalls
zeitweise aus der Gewinnmarge beim Verkauf bezahlt worden seien, festgehalten sind.
926
b. Unterstützungshandlungen der Steuerfahnder
927 Als Unterstützungshandlung kommt allenfalls das Unterlassen eines Hinweises an die Staatsanwaltschaft in Betracht. Auch insoweit fehlt es jedoch an einer Garantenpflicht.
928 Im Übrigen wäre ein Hinweis darauf, dass Bohrsysteme „auf Halde“ produziert worden seien und unproduktiv herumstanden, weder objektiv noch nach Vorstellung der Finanzbeamten geeignet gewesen, staatsanwaltschaftliche
Ermittlungen zu veranlassen, die die Haupttäter von der Begehung künftiger derartiger Taten abgehalten hätten. Dass die Staatsanwaltschaft, obwohl keine Anzeige eines geschädigten Leasing- oder Kreditunternehmens vorlag, der
durch eine Produktion „auf Halde“ allenfalls begründeten vagen Vermutung nachgegangen wäre, es könnten Geschäftspartner über die Marktchancen der HBS getäuscht und hierdurch geschädigt worden sein, erscheint kaum
vorstellbar.
929
3) Subjektiver Tatbestand
930 Jedenfalls fehlt es auch insoweit bei den Finanzbeamten des beklagten Landes am subjektiven Tatbestand. Allein die Kenntnis davon, dass Bohrsysteme „auf Halde“ produziert und die Leasingraten jedenfalls zeitweise aus der
Gewinnmarge beim Verkauf gedeckt wurden, begründet nicht die Kenntnis von den wesentlichen Merkmalen oder die hierfür erforderliche Vorstellung vom wesentlichen
Unrechtsgehalt der Haupttat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Finanzbeamten in dem Bewusstsein gehandelt hätten, durch ihr Verhalten die Begehung dieser Taten zu fördern
318>.
931
II. Beihilfe zur Konkursverschleppung
932 1) Als Konkursverschleppung stand nach § 84 GmbHG und § 401 AktG die Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds bzw. Geschäftsführers einer überschuldeten GmbH bzw. AG unter Strafe, der es unterließ, die Eröffnung des
Konkursverfahrens zu beantragen. Gehilfe der Tat kann jedermann sein. Die Vorschriften schützten die Gläubiger der überschuldeten Gesellschaft. Eine Beihilfe zur Konkursverschleppung wäre demnach eine Verletzung einer
drittschützenden Amtspflicht und damit ein geeigneter Anknüpfungspunkt für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
933 2) Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Kapitalgesellschaften der FlowTex-Gruppe bereits zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung 1996/97 überschuldet waren, auch wenn hierzu Konkretes nicht vorgetragen wurde. Die
Überschuldung ergab sich daraus, dass bis zu diesem Zeitpunkt bereits in großem Umfang Betrugstaten ausgeführt waren, aus denen sich (auch wenn sie noch nicht entdeckt waren) bereits Schadensersatzansprüche in einer bei
Weitem nicht mehr durch Aktiva gedeckten Höhe ergeben hatten.
934 3) Zweifelhaft erscheint, ob in objektiver Hinsicht ein Gehilfenbeitrag durch Beamte des beklagten Landes angenommen werden kann. Auf die Ausführungen zum objektiven Tatbestand einer Beihilfe zum Betrug kann insoweit verwiesen
werden.
935 4) Die Annahme einer Beihilfe zur Konkursverschleppung scheitert jedenfalls daran, dass der subjektive Tatbestand nicht festgestellt werden kann. Dieser erfordert Kenntnis der Haupttat, die vom Gehilfen zumindest als möglich erkannt
und in Kauf genommen worden sein müsste, sowie Unterstützungswillen.
936 a. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Überschuldung der geprüften Gesellschaften als möglich erkannt wurde. Ansatzpunkt für eine entsprechende Feststellung könnten allenfalls die Überlegungen im „Kegel-Vermerk“ S.s und
die Aussagen der Zeugen RR Gr. und Gl. sein , wonach ein gefährliches System erkannt wurde. Da die Erkenntnisse im fraglichen Zeitraum sich jedoch, wie bereits ausgeführt, lediglich auf den
Prüfungszeitraum 1991 bis 1993 bezogen und den Betriebsprüfern plausibel Anlaufschwierigkeiten beim Marktaufbau dargestellt wurden, mit deren Überwindung gerechnet werden könne, kann nicht unterstellt werden, dass sie die
Möglichkeit einer bereits vorliegenden Konkursreife als ernsthafte Möglichkeit in Betracht zogen und in Kauf nahmen.
937 b. Erst recht fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass sie den Haupttätern die Fortführung der Geschäfte trotz Überschuldung ermöglichen wollten. Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum fehlenden Unterstützungswillen beim
Betrug verwiesen werden.
938
III. Beihilfe zum Bankrott
939 1) Als Bankrott stand nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. im Zeitraum bis 31.12.1998 das Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen nach Eintritt der Überschuldung unter Strafe. Die Konkursstraftaten in §§ 283 ff. StGB schützen die
Konkursmasse vor unwirtschaftlicher Verringerung, Verheimlichung und ungerechter Verteilung zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft . Eine Beihilfe zum Bankrott wäre demnach eine
Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht und damit ein geeigneter Anknüpfungspunkt für einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
940 2) Es kann zwar auch insoweit davon ausgegangen werden, dass die Kapitalgesellschaften der FlowTex-Gruppe bereits zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung 1996/97 überschuldet waren, auch wenn hierzu Konkretes nicht vorgetragen
wurde. Auch lag durch die Privatentnahmen der Haupttäter ein Beiseiteschaffen vor.
941 3) Zweifelhaft erscheint, ob in objektiver Hinsicht ein Gehilfenbeitrag durch Beamte des beklagten Landes angenommen werden kann. Auf die Ausführungen zum objektiven Tatbestand einer Beihilfe zum Betrug kann insoweit verwiesen
werden.
942 4) Die Annahme einer Beihilfe zum Bankrott scheitert jedoch ebenfalls daran, dass der subjektive Tatbestand nicht festgestellt werden kann. Dieser erfordert Kenntnis der Haupttat, die vom Gehilfen zumindest als möglich erkannt und in
Kauf genommen worden sein müsste, sowie Unterstützungswillen.
943 Wie ausgeführt, kann nicht festgestellt werden, dass die Überschuldung der geprüften Gesellschaften als möglich erkannt wurde. Erst recht fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass sie den Haupttätern die Fortführung der Geschäfte trotz
Überschuldung ermöglichen wollten. Auch insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum fehlenden Unterstützungswillen beim Betrug verwiesen werden.
944
IV. Amtsmissbrauch
945 Auch das Vorliegen eines
Amtsmissbrauchs
946 1) Nicht jede schuldhaft unrichtige Amtsausübung stellt einen Amtsmissbrauch dar. Vielmehr muss es sich um eine mit den Forderungen von Treu und Glauben und guter Sitte in Widerspruch stehende Amtsausübung handeln, wie sie
immer, aber nicht nur bei der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB zu bejahen ist . Auch für einen nur fahrlässig begangenen Amtsmissbrauch wird nach § 839 BGB gehaftet
. Die Haftung wegen Amtsmissbrauchs setzt - auch in Fällen pflichtwidriger Unterlassung - wie die aus § 826 BGB nicht das Wissen voraus, wer im Einzelnen der Geschädigte sein werde. Es genügt, dass
wenigstens die Richtung, in der sich die amtsmissbräuchliche Handlung zum Nachteil anderer auswirken kann, und die Art des möglichen Schadens in den Willen aufgenommen und gebilligt wird
1100>. Lediglich eine nur allgemeine Vorstellung über eine etwa mögliche Schädigung reicht nicht aus . In Fällen, in denen die an
sich wertneutrale Amtshandlung gerade erst dadurch zum Amtsmissbrauch wird, dass sie vorgenommen wird, obgleich erkennbar ist, dem Dritten werde unter Ausnutzung dieser Amtshandlung möglicherweise ein Schaden zugefügt
werden, ist eine Haftung nach § 839 BGB jedoch nur begründet, wenn der Beamte auch die Möglichkeit des Eintritts eines Schadens erkannt hat oder hätte erkennen müssen . Die Verpflichtung des Beamten, sich
jedes Amtsmissbrauchs zu enthalten, besteht gegenüber jedem Bürger, der durch das missbräuchliche Verhalten geschädigt werden könnte; dieser ist insoweit stets "Dritter" im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB
1966, 473, 475; 1985, 281, 282; 1986, 1100>. Zu unterscheiden ist zwischen dem Schutzzweck des Amtsgeschäfts und dem Schutzzweck des Verbots des Amtsmissbrauchs: Auch wenn ein Amtsgeschäft seiner Natur nach nur dem
Allgemeininteresse oder dem Interesse einer bestimmten Einzelperson zu dienen bestimmt ist, muss der Beamte bei seiner Tätigkeit sein Amt sachlich und im Einklang mit den Forderungen von Treu und Glauben und guter Sitte führen.
Verstößt er hiergegen, so missbraucht er sein Amt. Die Pflicht, sich jedes solchen Missbrauchs zu enthalten, liegt ihm gegenüber jedem Dritten ob, der durch den Missbrauch geschädigt werden könnte
BGH MDR 1970, 993>.
947 Die Haftung wegen Amtsmissbrauchs setzt nicht die Schädigung bestimmter Rechtsgüter voraus. Geschützt wird jede nachteilige sitten- oder treuwidrige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit
1985, 336>.
948 2) Der demnach recht konturenlose Tatbestand des Amtsmissbrauchs ist in der Rechtsprechung etwa in Fällen angenommen worden, in denen die Amtsstellung für sachwidrig eigennützige Zwecke ausgenutzt wurde: Beim
Fluglotsenstreik wegen der Rücksichtslosigkeit, mit der eine kleine Gruppe von Spezialisten unter Missbrauch einer Monopolstellung ihre Macht zur Führung eines verbotenen Arbeitskampfs benutzte, bei
zahllosen Unbeteiligten Schäden in einer außer Verhältnis zu den verfolgten Interessen stehenden Höhe verursachte und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verlässlichkeit der Beamten schwer erschütterte; beim Bediensteten eines
Versorgungsamts , der ordnungsgemäß geklebte Versicherungskarten nicht an die Versicherungsanstalt weiterleitete, sondern für sich für persönliche Zwecke behielt; beim Sachbearbeiter des
Regierungspräsidiums , der eine Konzession für den Güterfernverkehr gegen Geldzahlung erteilt und sich damit an einer betrügerischen Schädigung des betroffenen Fuhrunternehmers beteiligt hatte; beim
AOK-Betriebsprüfer , der für einen geprüften Unternehmer Nebentätigkeiten verrichtete, die Buchhaltung manipulierte und Sozialversicherungsbeiträge verkürzte, weil er bei der Prüfung die eigenen
Manipulationen verschleierte.
949 3) Jedoch scheint Eigennutz keine wesentliche und unabdingbare Voraussetzung des Amtsmissbrauchstatbestandes zu sein: So hat die Rechtsprechung (obiter) zum Ausdruck gebracht, ein Amtsarzt , der eine
gleichgültig aus welchem Anlass untersuchte Person über eine erkannte lebensbedrohende Gesundheitsgefahr im Unklaren lässt und "sehenden Auges" ihrem Schicksal überlässt, handle amtsmissbräuchlich; ebenso ein Betriebsprüfer
der wider besseres Wissen unzutreffende Feststellungen trifft, um die Steuerhinterziehung eines Dritten zu vertuschen .
950 4) Im vorliegenden Fall kann ein Amtsmissbrauch nicht bejaht werden, weil sich die hierzu erforderliche besondere Verwerflichkeit weder aus einer eigennützigen Amtspflichtverletzung ergibt noch daraus, dass (einem) Finanzbeamten
des beklagten Landes vorgeworfen werden könnte, er habe das Betrugssystem „sehenden Auges“ weiterlaufen lassen oder Prüfungsfeststellungen wider besseres Wissen getroffen.
951 a. Eigennütziges amtspflichtwidriges Handeln im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung ist nicht ersichtlich. Die - wie ausgeführt wenig überzeugende - Annahme der Kläger, die ihm von Sch. und Dr. K. entgegen gebrachte
Wertschätzung und Aufmerksamkeit habe das Selbstwertgefühl S.s gesteigert und ihn zur Unterstützung des betrügerischen Handelns bewogen, reicht hierfür nicht aus.
952 b. Der Vorwurf, das Betrugssystem „sehenden Auges“ weiterlaufen gelassen zu haben, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Finanzbeamten des beklagten Landes das System einschließlich seines Zwangscharakters, der sich daraus
ergab, dass immer neue nicht existierende Bohrsysteme verkauft werden mussten, um die Leasingraten für die bereits verkauften nicht existierenden und daher keine Erlöse erwirtschaftenden Geräte zu beschaffen, auch tatsächlich
erkannt hätten. Wie ausgeführt, kann jedoch gerade diese Erkenntnis nicht festgestellt werden. Die Finanzbeamten haben nicht „sehenden Auges“, sondern weil sie selbst darüber getäuscht worden waren, dass das von ihnen erkannte
Geldflusssystem nicht nur zur Deckung von Anfangsverlusten diente, also „geblendeten Auges“ keine Maßnahmen zur Beendigung des Betrugssystems ergriffen. Aus denselben Gründen kann auch nicht davon ausgegangen werden,
die Finanzbeamten des beklagten Landes hätten Prüfungsfeststellungen wider besseres Wissen getroffen.
953 c. Andere Gesichtspunkte, die das Handeln der Finanzbeamten als eine mit den Forderungen von Treu und Glauben und guter Sitte in Widerspruch stehende Amtsausübung erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Eine solche
Sittenwidrigkeit lässt sich nicht allein aus dem entstandenen überaus hohen finanziellen Schaden ableiten. Vielmehr müsste entweder das Handeln der Beamten selbst als besonders verwerflich erscheinen oder sich die Verwerflichkeit
daraus ergeben, dass auch die Möglichkeit des Eintritts eines Schadens erkannt wurde oder hätte erkannt werden müssen . Dabei ist in subjektiver Hinsicht auch erforderlich, dass der Beamte wenigstens die
Richtung, in der sich die amtsmissbräuchliche Handlung zum Nachteil anderer auswirken kann, und die Art des möglichen Schadens in seinen Willen aufnimmt und billigt . Eine solche
billigende Einstellung kann den Beamten jedoch nicht unterstellt werden.
954
V. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
955 Der eingerichtete und ausgeübten Gewerbebetrieb ist als sonstiges Recht i.S.d. § 823 BGB anerkannt, ein Eingriff in diesen könnte daher zu einem Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG führen.
956 Es fehlt im vorliegenden Fall jedoch an einem betriebsbezogenen Eingriff.
957 1) Ein betriebsbezogener Eingriff liegt vor, wenn der durch Art. 14 GG geschützte Gewerbebetrieb als solcher unmittelbar beeinträchtigt ist; der Eingriff muss sich spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische
Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinausgehen. Eine Haftung wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beschränkt sich auf den Schutz der
wirtschaftlichen Grundlagen, des gegenwärtigen sachlichen Bestands des Gewerbebetriebs, er erstreckt sich nicht auf bloße Chancen.
958 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Schutz des § 823 Abs. 1 BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gewährt, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in
den gewerblichen Tätigkeitskreis darstellt, auch außerhalb des Gebietes des Wettbewerbs und der gewerblichen Schutzrechte , nicht nur in seinem eigentlichen Bestand,
sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist.
959 Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke,
Maschinen und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der
Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Geschützt werden soll der
Gewerbebetrieb in seinem Bestande und in seinen Ausstrahlungen, soweit es sich um gerade den Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungsformen und
Beziehungen handelt.
960 2) Nach wie vor aber ist ein unmittelbarer Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes als Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB zu fordern
BGB § 823 (Da) Nr. 4>. Die Frage der Unmittelbarkeit eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann allerdings nicht nur aus der Kausalitätslehre beantwortet werden, und es kommt auch auf das
Fehlen so genannter Zwischenursachen nicht entscheidend an . Ein Angriff, der eine Verletzung des Rechts am Gewerbebetrieb darstellt, muss jedoch irgendwie gegen den Betrieb als solchen, gegen den
Gewerbebetrieb selbst gerichtet, also betriebsbezogen sein und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen . So liegt etwa kein unmittelbarer Eingriff in den
gewerblichen Tätigkeitskreis vor, wenn einem Betriebe durch Verletzung von Personen das zu seiner Fortführung unentbehrliche Personal entzogen wird ; dies zeigt die Grundhaltung der Rechtsprechung auf, eine
übermäßige Ausweitung des Schutzes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vermeiden, die dem deutschen Rechtssystem der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen würde.
961 3) Das Handeln der Finanzbeamten des beklagten Landes lässt sich danach nicht als unmittelbarer Eingriff in die Gewerbebetriebe der verschiedenen Geschäftspartner der FlowTex-Firmengruppe verstehen. Betriebsbezogen war das
Handeln der Finanzbeamten lediglich hinsichtlich des Betriebs der FlowTex-Unternehmen, nicht hinsichtlich der Leasinggesellschaften und sonstigen Geschäftspartner der FlowTex-Firmengruppe und der Geschäftspartner der
Geschäftspartner wie der refinanzierenden Banken. Es wirkte nicht unmittelbar auf die Vertragsbeziehungen der FlowTex-Unternehmen ein.
962
VI. Keine Haftung für sonstige Amtspflichtverletzungen wegen fehlender Drittbezogenheit
963 Es kann dahin gestellt bleiben, ob den Beamten der verschiedenen Behörden und Dienststellen (Staatsanwaltschaften, Steuerfahndung, Betriebsprüfung) des beklagten Landes im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung und den (Vor-)
Ermittlungsverfahren Verletzungen der ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten anzulasten sind, die als Amtspflichtverletzungen gewertet werden können. Denn solche Pflichtverletzungen begründen keine Amtshaftung des beklagten
Landes.
964 Der Geschädigte ist "Dritter" im Sinne des § 839 Abs. 1 BGB, wenn die Amtspflicht - zumindest auch - den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Ob das der Fall ist, ergibt sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie
umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts. Dabei muss eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem Geschädigten bestehen. Gehört dieser danach nicht zu dem Personenkreis,
dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, so ist sein Ersatzanspruch nicht begründet, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für ihn mehr oder
weniger nachteilig ausgewirkt hat .
965 Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Fehlens eines Drittschutzes scheiden daher mögliche Amtspflichtverletzungen - wenn sie nicht als Beihilfe zum Betrug, Amtsmissbrauch etc. gewertet werden können (im Folgenden: schlichte
Amtspflichtverletzungen) - als Anknüpfungspunkte für einen Amtshaftungsanspruch aus:
966
1) Amtspflichtverletzungen von Beamten der Staatsanwaltschaft
967 Ob die Beamten der Staatsanwaltschaften Karlsruhe und Mannheim die Ermittlungsverfahren pflichtgemäß und entsprechend dem Legalitätsprinzip geführt haben, kann dahingestellt bleiben. Denn insoweit etwa begangene schlichte
Amtspflichtverletzungen scheiden als Anknüpfungspunkt für Amtshaftungsansprüche schon deshalb aus, weil der Staatsanwaltschaft als Organ der Strafrechtspflege die Amtspflicht, wegen verfolgbarer Straftaten einzuschreiten, nur
gegenüber der Allgemeinheit, nicht jedoch gegenüber dem einzelnen durch eine Straftat Verletzten obliegt. Die Pflicht zur Strafverfolgung bezweckt nicht den Schutz des durch eine begangene oder eine künftige Straftat Geschädigten.
Während die Erhebung der öffentlichen Anklage und Maßnahmen im Bußgeldverfahren, wenn sie unberechtigterweise vorgenommen wurden, Amtspflichtverletzungen gegenüber dem Verdächtigten darstellen können
3162 m.w.N.>, ist eine Amtspflicht der Staatsanwaltschaft zum Einschreiten im Interesse der möglicherweise von einer Straftat Betroffenen - anders als für die Polizei - nicht gegeben. Die Pflicht der
Staatsanwaltschaft zur Verfolgung strafbarer Handlungen, zur Verhaftung eines Beschuldigten etc. besteht nur im öffentlichen Interesse. Ihre Unterlassung kann daher in aller Regel nicht eine Amtspflicht gegenüber dem durch die Straftat
Geschädigten verletzen .
968
2) Amtspflichtverletzungen der Steuerfahndung im Rahmen der Heranziehung nach § 161 StPO
969 Soweit die Beamten der Steuerfahndung auf Grund des Auskunftsersuchens der Staatsanwaltschaft Karlsruhe nach § 161 StPO tätig wurden, hatten die ihnen obliegenden Amtspflichten keinen weiter gehenden Zweck als diejenigen der
Staatsanwaltschaft. Eine insoweit begangene schlichte Pflichtverletzung kommt daher als Anknüpfungspunkt für einen Amtshaftungsanspruch mangels Drittbezugs ebenfalls nicht in Betracht. Tätigkeiten im Rahmen des § 161 StPO
dienen ebenfalls nur dem öffentlichen Interesse an der Verfolgung von Straftaten.
970
3)
971
4) Amtspflichtverletzungen hinsichtlich der Durchführung der Betriebsprüfung
972 Nicht anders verhält es sich mit einer etwaigen Verletzung von Pflichten, die sich darauf beziehen, die für die Besteuerung der Firmen und Personen der FlowTex-Gruppe maßgeblichen Tatbestände richtig zu ermitteln. Diesen
Ermittlungen dient die Durchführung von Betriebsprüfungen. Die sich daraus ergebenden Amtspflichten (nämlich die Grundlagen für die Besteuerung durch eine sorgfältige Prüfung festzustellen) verfolgen das öffentliche Interesse an der
Erhebung von Steuern und an der richtigen, gerechten Besteuerung der Steuerbürger. Der Schutz von Personen, die künftig durch die Geschäftstätigkeit der geprüften Unternehmen Schaden erleiden können, wird hierdurch nicht
bezweckt. Auf eine etwaige unsorgfältige, unvollständige Betriebsprüfungstätigkeit könnte daher ein Amtshaftungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden.
973
5) Amtspflicht zur Anzeige von Straftaten
974 Wie bereits ausgeführt, besteht eine allgemeine Pflicht zur Anzeige von Straftaten für Beamte ebenso wenig wie für nicht beamtete Personen, allerdings mit folgenden Ausnahmen:
975
- Nach § 138 StGB ist die Nichtanzeige bestimmter Straftaten unter Strafe gestellt; solche Straftaten lagen jedoch im vorliegenden Fall nicht vor.
976
- Beamte der Strafverfolgungsbehörden haben das Legalitätsprinzip zu beachten; diese Amtspflicht schützt jedoch nicht Dritte.
977
- Nach den Vorschriften der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung haben die mit der Außenprüfung befassten
Betriebsprüfer die für die Bearbeitung von Straftaten zuständige Stelle unverzüglich zu unterrichten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen, deren Ermittlung der Finanzbehörde obliegt (§ 9 BpO
a.F., jetzt § 10 BpO n.F.). Im vorliegenden Fall geht es jedoch auch nach Darstellung der Kläger nicht um die unterlassene Anzeige von Steuerstraftaten, deren Ermittlung nach § 386 Abs. 1 AO den Finanzbehörden obliegt,
sondern um allgemeine Straftaten (Betrug), für deren Ermittlung die Staatsanwaltschaft zuständig ist.
978
Da die Beamten der Finanzverwaltung nach § 30 Abs. 1 AO grundsätzlich das Steuergeheimnis zu wahren haben, ist in § 30 Abs. 4, 5 AO die Befugnis zur Anzeige von Anhaltspunkten auf nichtsteuerliche Straftaten an
Strafverfolgungsbehörden besonders geregelt.
979
- Nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 lit. a) AO dürfen den Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse mitgeteilt werden, die in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nach Belehrung über die Eröffnung eines
solchen Verfahrens erlangt wurden. Im vorliegenden Fall liegen grundsätzlich die Voraussetzungen hierfür vor, da während der Betriebsprüfung Steuerstrafverfahren eingeleitet wurden.
980
- Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. a) AO dürfen den Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse über Verbrechen mitgeteilt werden. Solche Erkenntnisse kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da der bandenmäßige Betrug nach §
263 Abs. 5 StGB erst ab 01.01.1999 als Verbrechen ins StGB eingeführt wurde. Der besonders schwere Fall des Betrugs nach § 263 Abs. 3 StGB stellt lediglich einen Strafverschärfungsgrund, kein Verbrechen dar (§ 12 Abs. 3
StGB).
981
- Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b) AO dürfen Anhaltspunkte für Wirtschaftsstraftaten angezeigt werden, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfanges des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die
wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern. Im Hinblick auf den Umfang des Schadens in Milliardenhöhe, der durch
den FlowTex-Betrug entstanden ist, lagen aus heutiger Sicht solche Wirtschaftsstraftaten vor.
982 Es ist allerdings schon streitig und zweifelhaft, ob über den Wortlaut der Vorschrift hinaus § 30 Abs. 4 AO nicht nur eine Offenbarungsbefugnis, sondern eine Offenbarungspflicht begründet. Soweit dies trotz des Ausnahmecharakters der
Vorschrift, die lediglich einen Rechtfertigungsgrund im Hinblick auf § 355 StGB begründet, entgegen der herrschenden Ansicht im Hinblick auf die Bindung der
Strafsachenstellen der Finanzbehörden an das Legalitätsprinzip bejaht wird, ist zu berücksichtigen, dass das Legalitätsprinzip der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dient, nicht dem Schutz Dritter vor der Begehung künftiger
Straftaten. Auch § 30 Abs. 4 Nr. 5 b AO kann nicht entnommen werden, dass der Schutz Dritter vor besonders hohem Schaden bezweckt ist; die Vorschrift hebt ausdrücklich auf den Schutz der Wirtschaftsordnung und das Vertrauen der
Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs ab, also auf Rechtsgüter, die im öffentlichen Interessen liegen.
983 Auch insoweit kommen daher allenfalls schlichte Pflichtverletzungen von nicht drittschützenden Amtspflichten in Betracht.
984
C. Aussetzung
985 Die Kammer hat erwogen, den Rechtsstreit gemäß § 149 ZPO im Hinblick auf das Strafverfahren gegen den Zeugen S. auszusetzen. Nachdem die Kammer jedoch ohnehin an die in einem Strafverfahren getroffenen tatsächlichen
Feststellungen nicht gebunden wäre und eine alsbaldige Erledigung dieses Strafverfahrens, in dem nach Anklageerhebung im April 2003 und nur eingeschränkter Eröffnung im Juni 2004
durch das Landgericht Mannheim bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit noch keine rechtskräftige Entscheidung darüber vorlag, ob der Vorwurf der Beihilfe
zum Betrug überhaupt nachgeprüft wird, nicht zu erwarten war, wurde hiervon abgesehen.
986 Auch nachdem das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 21.07.2005 doch noch die Anklage auch wegen dieses Vorwurfs zugelassen hat, sieht die Kammer keine Veranlassung zur Aussetzung des vorliegenden
Rechtsstreits. Die vom Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 21.07.2005 vermisste Überprüfung des Vorwurfs der Beihilfe zum Betrug in einer Hauptverhandlung hat die Kammer durch eine umfassende - wenn auch nach den
Verfahrensprinzipien des Zivilprozesses auf angetretene Beweise beschränkte - Beweisaufnahme vorgenommen. Es hat sich bereits bei der jetzt vorgenommenen Beweisaufnahme gezeigt, dass die Aufklärung der Vorgänge aus den
Jahren 1996 und 1997 durch die verstrichene Zeit erheblich erschwert ist; die vernommenen Zeugen haben sehr weit gehend geltend gemacht, keine oder keine genaue Erinnerung mehr zu haben. Ein weiteres Zuwarten verspricht
daher auch unter Berücksichtigung der strafprozessualen Möglichkeiten keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn, zumal deutlich geworden ist, dass zwischen den Klägern des vorliegenden Rechtsstreits und der Staatsanwaltschaft
Mannheim ein umfassender Informationsaustausch stattfindet und daher mit weiteren, bisher unbekannten wesentlichen Erkenntnissen kaum zu rechnen sein dürfte.
987
D. Nebenentscheidungen
988 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 2, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
989
B e s c h l u s s
990 Der Streitwert wird festgesetzt auf
991
1. für die bis zum 02.06.2005 entstandenen Gebühren auf
1.138.387.120,41 EUR
992
a. für die Klage des Klägers Ziffer 1:
19.996.697,53 EUR,
b. für die Klage des Klägers Ziffer 2:
18.900.793,90 EUR,
c. für die Klage des Klägers Ziffer 3:
13.761.876,57 EUR,
d. für die Klage der Klägerin Ziffer 4:
1.085.727.752,41 EUR,
993
2. für die ab 02.06.2005 entstandenen Gebühren auf
1.166.340.077,13 EUR,
994
a. für die Klage des Klägers Ziffer 1:
19.816.946,71 EUR,
b. für die Klage des Klägers Ziffer 2:
16.504.751,10 EUR,
c. für die Klage des Klägers Ziffer 3:
13.753.041,56 EUR,
d. für die Klage der Klägerin Ziffer 4:
1.116.265.337,76 EUR.