Urteil des LG Karlsruhe vom 25.07.2002

LG Karlsruhe: daten, verarbeitung, anstalt, rechtliches gehör, verfügung, ausnahme, gpa, computer, drucksache, kopie

LG Karlsruhe Beschluß vom 25.7.2002, 15 StVK 30/02
Strafvollzug: Zulässige Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen bzw. Lichtbilder des Gefangenen in einer elektronischen Datei
Leitsätze
Die Bestimmung in StVollzG § 86 Abs. 2 S. 1, dass gewonnene erkennungsdienstliche Unterlagen zu den Gefangenenpersonalakten zu nehmen
sind, bedeutet nicht, dass eine anderweitige Verarbeitung und Nutzung der dadurch gewonnenen Daten, wie sie von StVollzG § 86 Abs. 2 S. 3
geregelt wird, ausgeschlossen wäre. Unter den Voraussetzungen von StVollzG § 86 Abs. 2 S. 3 dürfen die nach StVollzG § 86 Abs. 2 S. 1
aufgenommenen Lichtbilder des Gefangenen daher auch in einer elektronischen Datei gespeichert werden.
Tenor
Der Antrag des Gefangenen Thomas M. vom 23.01.2002 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Gefangene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Geschäftswert, aus dem die Kosten des Verfahrens zu berechnen sind, wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
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1. Der am 15.05.1971 geborene Gefangene befindet sich seit 12.10.1996 in Haft, hiervon seit dem 03.09.1998 in der JVA Bruchsal. Er verbüßt
dort eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Jahren, 6 Monaten und 3 Wochen, zu der er durch Urteil des LG Heilbronn vom 14.07.1997 - Ks 63 Js
22136/96 - u.a. wegen räuberischer Erpressung und erpresserischem Menschenraub verurteilt worden ist; das Strafende ist für den 05.08.2009,
der 2/3-Zeitpunkt für den 27.09.2005 vorgemerkt. Ferner steht noch eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten wegen Bedrohung und
Nötigung aufgrund des Urteils des LG Heilbronn vom 28.09.2000 - 2 KLs 11 Js 15695/97 - sowie der Rest von 1/3 aus einer Gesamtfreiheitsstrafe
von 2 Jahren wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung aufgrund eines Urteils des AG Mannheim vom 09.07.1996 - 3 Ls 67/96 - zur
Verbüßung an. Im Anschluss an die Vollstreckung der Freiheitsstrafen ist der Vollzug der ebenfalls mit Urteil des LG Heilbronn vom 14.07.1997 -
Ks 63 Js 22136/96 - angeordneten Sicherungsverwahrung vorgesehen.
2
Am 04.07.2002 ist der Gefangene für die Dauer von drei Monaten der JVA Stuttgart überstellt worden.
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2. Mit Rapportzettel vom 28.11.2001 wandte sich der Gefangene mit folgender Frage an die JVA Bruchsal:
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"Speichert die JVA mein Portraitfoto in einer Computeranlage? D.h. ich möchte wissen ob das v.d. JVA angefertigte erkennungsdienstliche
Foto 'lediglich' als Originalfoto + Negativ existiert, oder ob die JVA es - zur Vereinfachung - auch in einer elektronischen Datei abgespeichert
hat."
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Hierauf teilte der Systemverwalter der JVA Bruchsal am 28.11.2001 mit, beim Zugang des Gefangenen würden Bilder mit der Digitalkamera
gefertigt, die den bestimmten Stellen im Hause bis zum Tag der Entlassung zur Verfügung stünden und unmittelbar nach der Entlassung gelöscht
würden. Dies wurde dem Gefangenen am selben Tag mit dem Zusatz eröffnet, dass die vorstehende Praxis den §§ 179 ff. StVollzG entspreche
und die Bilder nur für vollzugliche Aufgaben genutzt würden, wobei auf § 180 Abs. 1 StVollzG verwiesen wurde.
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Mit Rapportzettel vom 29.11.2001 stellte der Gefangene folgenden Antrag:
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"a.) Löschung meines Passbildes von allen elektronischen Datenträgern in der JVA Bruchsal
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b.) Löschung meines Photos von allen Unterlagen innerhalb der JVA Dienststellen, mit Ausnahme des 'Paßbildes' in der GPA + Filmnegativ
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Gründe: Wie mir am 28.11. eröffnet wurde (379/01) werden Bilder elektronisch gespeichert.
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Zudem ist bekannt, daß z.B. auf den jeweiligen Sicherungsmaßnahmenverfügungen die an zig Stellen im Haus verteilt wird, ein Photo von
mir angebracht ist.
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Diese Praxis ist rechtswidrig und verstößt gegen § 86 II S. 1 StrVollzG, danach sind Lichtbilder 'zu den Gefangenenpersonalakten' zu
nehmen.
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Im übrigen gestattet das StrVollzG keine elektronische Speicherung auf einem elektronischen Speichermedium.
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Folglich sind alle elektronischen Dateien zu löschen, in denen mein Photo gespeichert ist; ferner ist mein Photo zu löschen von allen
Unterlagen, mit Ausnahme des Photos + Negativ das sich in der GPA befindet."
14 Mit Verfügung der JVA Bruchsal vom 22.01.2001, von der dem Gefangenen am 23.01.2001 eine Mehrfertigung ausgehändigt wurde, wurden die
Anträge des Gefangenen wie folgt beschieden:
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"Die Anträge des Gefangenen M. vom 29.11.2001 (381/01) werden abgelehnt; eine Löschung seiner Fotos aus allen Unterlagen außerhalb
der Gefangenenpersonalakte und von den elektronischen Datenträgern der JVA Bruchsal erfolgt nicht.
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Die Aufnahme von Lichtbildern ist zunächst als erkennungsdienstliche Maßnahme gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 StrVollzG zulässig. Die
Lichtbilder dienen der Sicherung des Vollzuges und der Gewährleistung der Sicherheit der Anstalt. Thomas M. gilt als besonders gefährlich
und durch seine Äußerung, er beabsichtige, bei einer Gerichtsverhandlung zu flüchten, wenn ihm die Fesseln abgenommen werden, als
fluchtgefährlich. Zur Abwehr von Gefahren für die Justizvollzugsanstalt Bruchsal und einer Flucht des Gefangenen ist das Speichern und
Aufbewahren seiner Lichtbilder dringend erforderlich.
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Eine über den Rahmen des Wortlautes des § 86 Abs. 2 StVollzG hinausgehende Speicherung und Aufbewahrung der Lichtbilder des
Gefangenen M. ist bei entsprechender Auslegung des § 86 Abs. 2 StVollzG gerechtfertigt. Zur Gewährleistung einer modernen Justiz ist es
zunächst erforderlich, elektronische Hilfsmittel (z.B. Computer) effektiv einzusetzen. Der Begriff der Gefangenenpersonalakte wird zudem bei
Auslegung des § 86 Abs. 2 StVollzG vor dem Hintergrund der §§ 179 ff. StVollzG und unter Berücksichtigung des jetzt in den Strafvollzug
einziehenden Computeralltags durch die Möglichkeit des Zugriffs auf computergespeicherte Daten erweitert. Unter den Begriff der
Gefangenenpersonalakte fallen nicht nur die Akten in Papierform, sondern die ebenfalls im Computer gespeicherten Daten der Gefangenen,
so auch die des Gefangenen M.
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Die Anträge vom 29.11.2001 sind daher bei entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 2 StVollzG abzulehnen."
19 Am 28.01.2002 ging bei Gericht der Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung ein, der das Datum des 23.01.2002 trägt. Darin
beantragt der Gefangene,
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"1.) die am 23.1.02 durch die Agg. verfügte Ablehnung, die über den Ast. auf elektronischen Datenträgern gespeicherten Lichtbilder zu
löschen, sowie sämtliche weitere in anderen Unterlagen der JVA - mit Ausnahme der Gefangenenpersonalakte - gespeicherten, bzw.
vorhandenen Lichtbilder des Ast. zu vernichten aufzuheben,
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2.) die Agg. zu verpflichten:
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a.) Löschung des/der Lichtbilder/s des Ast., welches/welche in der JVA auf elektronischen Datenträgern gespeichert sind,
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b.) Vernichtung aller in der JVA im Umlauf befindlichen Lichtbilder des Ast., mit Ausnahme der Lichtbilder in der Gefangenenpersonalakte,
sowie des Filmnegativs,
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3.) hilfsweise die Agg. zu verpflichten den Ast. neu zu bescheiden,
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4.) dem Ast. rechtliches Gehör zu gewähren."
26 Zur Begründung seines Antrags führt der Gefangene aus:
27 "Sachverhalt:
28 Dem Ast. wurde am 28.11.01 auf Anfrage mitgeteilt, daß die Agg. das über ihn gefertigte Lichtbild mit einer Digitalkamera gefertigt habe, mithin
auf elektronischen Dateien gespeichert sei.
29 Aus eigener Anschauung ist dem Ast. zudem geläufig, daß die JVA Bruchsal beispielsweise auf den Abdrucken der
Sicherungsmaßnahmenverfügung (amtsbekanntermaßen befindet der Ast. sich in strenger Einzelhaft mit zahlreichen weiteren
Sicherungsmaßnahmen), welche an zahlreiche Stellen innerhalb der Anstalt verteilt und ans Justizministerium weitergeleitet werden, sich stets
ein Abdruck eines Lichtbildes des Ast. befindet.
30 Diese Abdrucke erhalten z.B. die VDL, die Psychologinnen, Sozialarbeiter, Pfarrer, Besuchsabteilung, Kammer, usw.
31 Der Ast. beantragte unter Hinweis auf die - eindeutige - gesetzliche Regelung des § 86 II StrVollzG am 29.11.01 bei der Agg. die Löschung der
auf elektronischen Datenträgern, bzw. in solchen Dateien gespeicherten Lichtbilder des Ast, und ferner die Vernichtung aller Lichtbilder des Ast.,
welche in der JVA in Umlauf sind, mit Ausnahme der Lichtbilder in der Gefangenenpersonalakte, sowie mit Ausnahme des dort befindlichen -
soweit vorhandenen - Filmnegativs.
32 Die Agg. vertrat mit ihrer, dem Ast. am 23.1.02 eröffneten Verfügung die Ansicht, die Praxis der Anstalt sei rechtmäßig und entspreche der
Gesetzeslage, weshalb der Antrag vollumfänglich abgelehnt wurde.
33 Gründe:
34 A.) Zulässigkeit
35 Der Antrag ist zulässig. Verletzt werden das Recht des Ast. auf informationelle Selbstbestimmung, ebenso verletzt wird Art. 3 GG in seiner
Ausgestaltung als Willkürverbot, näheres unter Punkt B.
36 Zudem gibt es für die Praxis der JVA keine gesetzliche Grundlage; in Rechte des Ast. darf jedoch nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen
werden.
37 B.) Begründetheit
38 Der Antrag ist auch begründet.
39 Gemäß § 86 II StrVollzG dürfen aufgenommene Lichtbilder ausschließlich zu den Gefangenenpersonalakten genommen werden.
40 Als Gefangenenpersonalakten werden die in der Vollzugsgeschäftsstelle verwahrten Personalakten verstanden [vgl. Vollzugsgeschäftsordnung
Nr. 59, Nr. 62].
41 D.h. die Gefangenenpersonalakten [= GPA] werden als auf Papierform gespeicherte Akten verstanden.
42 aa.) elektronische Bildspeicherung
43 Das OLG Hamm entschied am 30.1.2001 (vgl. ZfStrVO 2001, Seite 315-316) zutreffend, daß die JVA nicht befugt sei, gefertigte Lichtbilder in
elektronischen Dateien zu speichern oder zu verarbeiten.
44 Eine elektronische Datei ist jedoch keine Personalakte i.S. von § 86 StrVollzG i.V.m. Nr. 59 ff Vollzugsgeschäftsordnung, denn das StrVollzG
differenziert, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 183 II StrVollzG und § 3 BDSG i.V.m. § 187 StrVollzG ergibt, zwischen Dateien und Akten.
45 Außerdem regeln Nr. 58, 59 VGO ausdrücklich, wie eine GPA beschaffen und geführt sein muss.
46 Auch von dieser mehr formalen Betrachtungsweise abgesehen, ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung, daß eine Speicherung
in einer Datei nicht zulässig sein kann.
47 Denn aus den in § 86, § 87 StrVollzG genannten Regelungen ergibt sich, daß auf erkennungsdienstliche Unterlagen nur in Ausnahmefällen
zurückgegriffen werden darf; eine Speicherung in einem EDV-System oder auf einer elektronischen Datei ist damit unvereinbar.
48 Die Fertigung und Speicherung des elektronischen Bildes läßt sich auch nicht aus §§ 179, 180 StrVollzG herleiten, da hier § 86 I und II als lex
specialis vorgehen (vgl. Schwind/Böhm, 3. A., § 179, Rz. 1).
49 Mithin ist dieser Teilantrag des Ast. begründet
50 bb.) Speicherung auf Abdrucken der Sicherungsmaßnahmenverfügung (=SM-Vfg)
51 Wie schon oben dargelegt, darf das Lichtbild ausschließlich in der GPA verwendet werden.
52 Es befindet sich jedoch z.B. auch in der Gesundheitsakte; aber Nr. 60 VGO regelt abschließend was in der Gesundheitsakte befindlich sein darf,
das Lichtbild zählt hierzu nicht, auch nicht auf der Sicherungsmaßnahmenverfügung! Ferner zählen die vielen im Hause der JVA zirkulierenden
Abdrucke der Sicherungsmaßnahmenverfügungen nicht als 'GPA' i.S. von Nr. 59 VGO.
53 Es ist h.M. in Literatur und Rspr. daß die Lichtbilder unter keinen Umständen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt
genutzt werden dürfen [OLG Koblenz ZfStrVO 1985, 56; Schwind/Böhm, § 86, Rz. 2; AK-StrVollzG, 4. A., § 86, Rz. 2], so auch das OLG Hamm in
seiner oben erwähnten Entscheidung vom 30.1.01.
54 Folglich gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Anbringung von Lichtbildern auf den im Hause verteilten Abdrucken der
Sicherungsmaßnahmenverfügungen.
55 cc.) Die Handlungsweise verletzt das Recht des Ast. auf informationelle Selbstbestimmung."
56 Die JVA Bruchsal hat mit Schreiben vom 27.06.2002 zu dem Antrag des Gefangenen wie folgt Stellung genommen:
57 "Es wird beantragt, die Anträge des Gefangenen M. als unbegründet zurückzuweisen. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
58 Am 29.11.2001 begehrte der Gefangene M. die Löschung seines Passbildes von allen elektronischen Datenträgern in der Justizvollzugsanstalt
Bruchsal und die Löschung seines Fotos von den Unterlagen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal mit Ausnahme der Gefangenenpersonalakte.
Mit Verfügung vom 20.12.2001 lehnte die Justizvollzugsanstalt Bruchsal das Begehren des Gefangenen M. ab.
59 Allgemein ist einleitend zu erwähnen, dass in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal bei Eintreffen neuer Gefangener Lichtbilder mit einer
Digitalkamera gefertigt werden. Nach den Vorgaben des Justizministeriums Baden-Württemberg sind die Vollzugsanstalten verpflichtet, nach
dem Ablauf von drei Jahren erneut Lichtbilder von den Gefangenen zu machen, um zu gewährleisten, dass in den Gefangenenpersonalakten im
Falle einer Flucht o.ä. die für die zuständigen Behörden notwendigen Informationen vorhanden sind. Im Rahmen des Einsatzes der neuen
technischen Möglichkeiten, wie des Computers und der Digitalkamera, wird das Lichtbild abgespeichert und den mit dem Gefangenen befassten
Stellen, wie den Abteilungsleitern und der Vollzugsdienstleitung im Formular für die Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Der Zugriff
auf das Lichtbild ist demnach begrenzt; ansonsten befindet sich ein Ausdruck in den Gefangenenpersonalakten der Gefangenen.
60 Die Vollzugsdienstleitung ist in regelmäßigen Abständen, spätestens nach drei Monaten, mit den Sicherungsmaßnahmen eines Gefangenen
befasst, so dass sie das bei den Sicherungsmaßnahmen computergespeicherte Lichtbild des Gefangenen verwendet. So liegt der Fall auch bei
dem Gefangenen M.
61 Der Justizvollzugsanstalt Bruchsal ist es zunächst gestattet, von dem Gefangenen M. als erkennungsdienstliche Maßnahme gem. § 86 Abs. 1 Nr.
2 StVollzG ein Lichtbild zu fertigen. Infolge der Fluchtgefährlichkeit des Gefangenen dient dies der Sicherung des Vollzuges, so dass das
Lichtbild auch von der Vollzugsanstalt aufbewahrt werden darf.
62 Nach hiesiger Auffassung ist eine über den Rahmen des Wortlautes des § 86 Abs. 2 StVollzG hinausgehende Speicherung des Lichtbildes des
Gefangenen M. auf einem Computer der Justizvollzugsanstalt Bruchsal bei entsprechender Auslegung des § 86 Abs. 2 StVollzG gerechtfertigt.
Um eine moderne Justiz gewährleisten zu können, ist es erforderlich, elektronische Hilfsmittel, wie z.B. Computer oder eine Digitalkamera,
effektiv einzusetzen. Der Begriff der Gefangenenpersonalakte ist bei Auslegung des § 86 Abs. 2 StVollzG vor dem Hintergrund der §§ 179 ff.
StVollzG und unter Berücksichtigung des in den Strafvollzug einziehenden Computeralltags durch die Möglichkeit des Zugriffes auf
computergespeicherte Daten erweiternd auszulegen. Dabei sind unter dem Begriff der Gefangenenpersonalakte nicht nur die Akten in
Papierform, sondern ebenfalls die im Computer gespeicherten Daten der Gefangenen zu verstehen.
63 Sofern der Gefangene M. zusätzlich die Vernichtung aller der in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal im Umlauf befindlichen Lichtbilder verlangt,
kann diesem Antrag aus folgenden Gründen nicht entsprochen werden:
64 Das Lichtbild des Gefangenen M. befindet sich in seiner Gefangenenpersonalakte, ebenso wie die mit einem Bild versehene Originalverfügung
über seine Sicherungsmaßnahmen. Die täglich mit ihm zusammentreffenden Bediensteten des AvD haben für die tägliche Einhaltung seiner
umfangreichen Sicherungsmaßnahmen eine Kopie der Verfügung über die Sicherungsmaßnahmen aus der Gefangenenpersonalakte gefertigt
und zu ihrer Handakte genommen. Dabei handelt es sich um eine Kopie im Zimmer des Bereichsdienstleiters des 3. Flügels und im Zimmer der
Vollzugsdienstleitung.
65 Es ist durchaus zulässig, dass die mit den Gefangenen befassten Stellen eigene Notizen über die Gefangenen fertigen und in Handakten
aufbewahren, um diese Notizen später nutzen zu können. Im Hinblick auf die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung über die mangelnde
Dokumentation der Justizvollzugsanstalten, was letztendlich in einem (tragischen) Fall zu einer Haftung des Landes Baden-Württemberg führte,
muss es den Bediensteten sogar gestattet sein, sich Notizen über den täglichen Umgang mit den Gefangenen und dabei festgestellten
Auffälligkeiten zu fertigen, um diese z.B. in die vollzugsplanerischen Entscheidungen einfließen lassen zu können und nicht dem Vergessen
preiszugeben. Fertigt sich nun ein Bediensteter eine Kopie aus der Gefangenenpersonalakte, auf der sich ausnahmsweise ein Lichtbild des
Gefangenen befindet, ist die Nutzung dieser Kopie für den ihm aufgegebenen Vollzug der Freiheitsstrafe gem. § 180 Abs. 1 StVollzG erforderlich.
66 Die Verwendung des Lichtbildes der Gefangenen ist im übrigen gerade in Verbindung mit den Sicherungsmaßnahmen hilfreich. Ein
Bediensteter, welcher sich über die Sicherungsmaßnahmen eines Gefangenen, mit welchem er befasst ist, informiert, diesen jedoch, weil es sich
z.B. um einen Neuzugang handelt, noch nicht ausreichend kennt, kann den Gefangenen anhand des Lichtbildes in einem Ernstfall erkennen und
seine Gefährlichkeit einschätzen. Dadurch ist es möglich, wertvolle Zeit zu gewinnen. Desweiteren ist die Einhaltung der Sicherungsmaßnahmen
bei einem Gefangenen wie Herrn Thomas M. täglich zu beachten, um eventuellen Zwischenfällen vorzubeugen und einen möglichst
reibungslosen Vollzug der Freiheitsstrafe zu gewährleisten. Es muss somit gestattet sein, Kopien aus der Gefangenenpersonalakte des
Gefangenen M. machen zu dürfen, um sie für den täglichen Gebrauch in einer Handakte aufzubewahren, auch wenn sich darauf ein Lichtbild des
Gefangenen befindet.
67 Die Anträge des Gefangenen M. sind daher als unbegründet zurückzuweisen."
68 Mit ihrer Stellungnahme hat die JVA Bruchsal eine Kopie des Aufsatzes von Ralf Bothge unter dem Titel "(Keine) Fotos im Computer: Die Justiz
im 21. Jahrhundert" (ZfStrVo 2001, 333-335) übermittelt, bei dem es sich um eine kritische Besprechung des von dem Gefangenen zitierten
Beschlusses des OLG Hamm vom 30.01.2001 handelt.
69 Auf die Stellungnahme der JVA Bruchsal hat der Gefangene am 30.06.2002 wie folgt erwidert:
70 "1.) Zuerst wird bestritten, daß der Zugriff auf das Lichtbild des Ast. 'begrenzt' ist in dem Sinne, daß nur wenige Stellen in der JVA das Bild
vorgelegt bekommen.
71 Nach Kenntnis des Ast. wird die Sicherungsmaßnahmenverfügung incl. Bild an etwa 15-20 Stellen innerhalb der JVA verteilt, sogar an die
katholischen und evangelischen Geistlichen, obwohl der Ast. weder evangelisch noch katholisch ist. Bei der Ärztin der JVA konnte der Ast. sogar
selbst in Augenschein nehmen, daß sein Lichtbild in der Krankenakte abgeheftet ist!
72 2.) eine erweiterte Auslegung der §§ 179 + 86 II StrVollzG kommt nicht in Betracht.
73 Die Rechtsauffassung von Bothge - auf die die JVA Bezug nimmt - geht fehl. Die JVA hat dem LG den Aufsatz von Bothge per Fax übermittelt, der
Ast. nimmt insbes. Bezug auf ZfStrVO 2001, S. 334, rechte Spalte, Abschn. 4. Dort führt Bothge an, daß mittlerweile ein Gesetzgebungsverfahren
angelaufen sei um es rechtlich zu ermöglichen Bilder digital zu speichern.
74 Damit entzieht Bothge seinem ganzen übrigen Vortrag den Boden. Denn offensichtlich ist nach bisherigem Gesetzesstand eine Speicherung auf
digitaler Ebene unzulässig, ansonsten bedürfte es keines Gesetzgebungsverfahrens.
75 Da nach derzeitigem Gesetzesstand die Speicherung digitaler Lichtbilder nicht vorgesehen ist, ist sie auch im Fall der JVA Bruchsal
widerrechtlich.
76 Eine Gesetzeslücke die durch Gerichte ausgefüllt werden dürfte liegt nicht vor.
77 2.) Neben dem OLG Hamm (ZfStrVO 2001, 315) hat mittlerweile nach Wissen des Ast. auch das OLG Celle die Speicherung digitaler Bilder als
rechtswidrig eingestuft.
78 Da das LG an das Gesetz gebunden ist, kann es nur im Sinne des Ast. entscheiden.
79 Soweit die JVA behauptet, die JVA sei ermächtigt Handakten anzulegen wird dies bestritten, im übrigen hat dies mit der Fertigung - zahlloser -
Kopien des Lichtbildes des Ast. nichts zu tun."
II.
80 1. Der Antrag des Gefangenen ist zulässig mit der Maßgabe, dass mit der "Vernichtung aller in der JVA im Umlauf befindlichen Lichtbilder des
Ast." nur diejenigen Lichtbilder gemeint sein können, die von der JVA Bruchsal angefertigt worden sind und sich in deren Gewahrsam befinden.
Der Umstand, dass der Gefangene vorübergehend, nämlich für die Dauer von drei Monaten, in die JVA Stuttgart überstellt worden ist, berührt die
Zulässigkeit des Antrags nicht. Ob die JVA Bruchsal die Lichtbilder des Gefangenen aus diesem Anlass bereits vernichtet oder an die JVA
Stuttgart weitergeleitet hat, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. Hierauf kommt es aber auch nicht an, weil sich nach der absehbaren
Rückkehr des Gefangenen in die JVA Bruchsal die sachliche Frage von neuem stellen wird.
81 2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Die angefochtenen Maßnahmen sind schon nach dem Wortlaut des Gesetzes zulässig, ohne dass es der
von der JVA Bruchsal vorgeschlagenen erweiternden Auslegung bedarf.
82 a. aa. Gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG ist als erkennungsdienstliche Maßnahme zur Sicherung des Vollzuges die Aufnahme von Lichtbildern
zulässig. Einschränkungen dahingehend, mit welchem Aufnahmeverfahren Lichtbilder aufgenommen werden dürfen, sind dieser Formulierung
nicht zu entnehmen. § 86 Abs. 2 S. 1 StVollzG bestimmt, dass die "gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen" zu den
Gefangenenpersonalakten genommen werden; nach § 86 Abs. 2 S. 2 StVollzG können sie aber auch in kriminalpolizeilichen Sammlungen
verwahrt werden. Gemäß § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG dürfen die nach § 86 Abs. 1 StVollzG "erhobenen Daten" nur für die in § 86 Abs. 1 StVollzG
selbst sowie für die in §§ 87 Abs. 2 und 180 Abs. 2 Nr. 4 StVollzG genannten Zwecke, also zur Sicherung des Vollzuges, soweit es für Zwecke der
Fahndung und Festnahme eines entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist
oder zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten sowie zur Verhinderung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, durch welche die
Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden, verarbeitet oder genutzt werden. Die Begriffe des Verarbeitens und Nutzens sind gemäß
§ 187 S. 1 StVollzG im Sinne der in § 3 BDSG enthaltenen Begriffsbestimmungen zu verstehen. Danach umfasst Verarbeiten das Speichern,
Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten; unter Nutzen ist jede sonstige Verwendung personenbezogener
Daten zu verstehen, so etwa das Auswerten, Zusammenstellen oder Abrufen der Daten, aber auch jede zielgerichtete Kenntnisnahme davon.
Zum Nutzen ist auch das Weiterleiten von Daten innerhalb der Vollzugsbehörde selbst zu zählen (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl., §
180 Rn. 2).
83 § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG ist erst durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (4. StVollzÄndG) vom 28.08.1998 in das
StVollzG eingefügt worden; durch dieses Gesetz sind u.a. - mit fast fünfzehnjähriger Verspätung - die Konsequenzen aus dem sogenannten
Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 (BVerfGE 65, 1) für den Bereich des Strafvollzuges gezogen worden. Im
ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (BR-Drucks. 57/98) war dabei vorgesehen gewesen, § 86 Abs. 2 S. 1 und 2 StVollzG durch
den (jetzigen) § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG zu ersetzen. Nach Auffassung der Bundesregierung wäre der Verweis auf die Aufbewahrung
erkennungsdienstlicher Unterlagen in den Gefangenenpersonalakten durch die neue Bestimmung, die allgemein das Verarbeiten und Nutzen
durch erkennungsdienstliche Maßnahmen gewonnener Daten regeln sollte, überflüssig geworden; ihrer Ansicht nach sollte lediglich in der
Vollzugsgeschäftsordnung, also in einer Verwaltungsvorschrift, bestimmt werden, dass die entsprechenden Unterlagen zu den
Gefangenenpersonalakten zu nehmen seien. Der Bundesrat erhob hiergegen in seiner Stellungnahme jedoch Bedenken, weil durch die
Streichung jeden Verweises auf die Gefangenenpersonalakten, die auch nicht erforderlich sei, eine Regelungslücke entstehe und zudem ein
Anknüpfungspunkt für die in § 184 StVollzG normierten Aufbewahrungsfristen fehle, wenn der Gefangene bei seiner Entlassung nicht die
Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verlange. Die Bundesregierung schloss sich diesen Bedenken in ihrer Gegenäußerung
nicht an (vgl. BT-Drucksache 13/10245), jedoch überzeugten sie offenbar den Rechtsausschuss des Bundestages davon, die später Gesetz
gewordene Textfassung zu empfehlen. In seinem Bericht führte der Rechtsausschuss des Bundestages lediglich aus, die bisherige flexible
Regelung, die sich bewährt habe, solle beibehalten werden; auch solle einzelnen Ländern, die von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten,
erkennungsdienstliche Unterlagen in kriminalpolizeilichen Sammlungen zu verwahren, dies nicht verwehrt werden (vgl. BT-Drucksache
13/11016). Aus der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich somit entnehmen, dass es sich entgegen dem bei der Lektüre des Gesetzestextes
zunächst entstehenden Anschein bei § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG tatsächlich um die allgemeinere Regelung gegenüber den § 86 Abs. 2 S. 1 und 2
StVollzG handelt. Die Bestimmung des § 86 Abs. 2 StVollzG kann daher im Gesamtzusammenhang nicht dahingehend verstanden werden, als
wäre die Verarbeitung und Nutzung der gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen ausschließlich in der Gestalt möglich, dass diese zu
den Gefangenenpersonalakten genommen bzw. bei kriminalpolizeilichen Sammlungen verwahrt werden. Eine solche Auslegung der
Bestimmung wäre auch offenkundig unsinnig. Vielmehr ist die Verarbeitung und Nutzung der durch erkennungsdienstliche Maßnahmen
gewonnenen Daten zu den in § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG zulässig; darüber hinaus ordnet das Gesetz an, dass entsprechende Unterlagen zu
Dokumentationszwecken jedenfalls zur Gefangenenpersonalakte zu nehmen bzw. in kriminalpolizeilichen Sammlungen zu verwahren sind. Eine
"gesetzliche Regelungslücke", wie sie Bothge (a.a.O. (334)) erblicken will, besteht daher nicht; die Ausführungen Bothges, denen im Ergebnis
überwiegend beizutreten ist, kranken in ihrer Methodik daran, dass Bothge von bloßen Spekulationen über die Motive des Gesetzgebers
ausgeht, anstatt sich mit den veröffentlichten Gesetzgebungsmaterialien auseinander zu setzen.
84 Es ist nicht völlig klar, von welchem Gesetzgebungsstand das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 30.01.2001 - 1 Vollz (Ws) 131/00 -,
abgedruckt in ZfStrVo 2001, 315, ausgegangen ist. Für den im vorliegenden Fall einschlägigen Gesetzestext lässt sich jedenfalls nicht von einer
"nur aktenmäßige Verarbeitung erwähnende[n] Regelung" sprechen, die daher "eine Verarbeitung in elektronischen Dateien ausschließen" solle
(so das OLG Hamm, a.a.O. (316)). Vielmehr umfasst der ganz allgemeine Verweis auf das Verarbeiten und Nutzen der "erhobenen Daten" in § 86
Abs. 2 S. 3 StVollzG - der im Gegensatz zu § 86 Abs. 2 S. 1 StVollzG auch nicht von "Unterlagen", also von aktenmäßig zu erfassenden
Datenträgern, spricht - auch die Möglichkeit einer elektronischen Verarbeitung und Nutzung. Eine "analoge Anwendung" der §§ 179 ff. StVollzG,
wie sie das OLG Hamm erwogen hat, kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG unmittelbar Anwendung findet
und eine Gesetzeslücke daher nicht besteht.
85 bb. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf zu verweisen, dass durch das Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes und andere
Gesetze vom 22.05.2001, das vom OLG Hamm in seinem Beschluss vom 30.01.2001 selbstverständlich nicht berücksichtigt werden konnte, die
bisher für das Datenschutzrecht prägende Abgrenzung von "Dateien" und "Akten" überwiegend aufgegeben worden ist (vgl. die
Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/4329, S. 32). Lediglich weil es nicht möglich erschien, die neue Terminologie des
Bundesdatenschutzgesetzes bereits in einer - unter dem Druck europäischer Gesetzgebung erforderlichen - ersten Gesetzgebungsstufe in das
gesamte übrige Bundesrecht umzusetzen, wurden in § 46 Abs. 1 und 2 BDSG die bisherigen Begriffsbestimmungen für "Datei" und "Akte"
konserviert (a.a.O., S. 47). Die vom OLG Hamm herausgestellte Abgrenzung zwischen Dateien und Akten, die das OLG Hamm selbst allerdings
als "mehr formale [...] Betrachtungsweise" bezeichnet hat, hat mit dieser gesetzgeberischen Entwicklung ihre sachliche Berechtigung noch mehr
verloren.
86 cc. Am 13.06.2002 hat der Bundestag ferner den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (BT-Drucksache
14/9197 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 14/9423) beschlossen; der - zustimmungsbedürftige
- Gesetzentwurf ist inzwischen dem Bundesrat zugeleitet worden, der den Entwurf seinem Rechtsausschuss zugewiesen hat. Der Gesetzentwurf
sieht vor, in § 86 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG die Klarstellung aufzunehmen, dass die Aufnahme von Lichtbildern als erkennungsdienstliche Maßnahme
nur mit Kenntnis des Gefangenen erfolgen darf. Ferner soll ein neuer § 86a in das StVollzG eingefügt werden, wonach unbeschadet des § 86
StVollzG mit Kenntnis des Gefangenen Lichtbilder auch zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt aufgenommen und mit den
Namen und Geburtsdaten der Gefangenen gespeichert werden dürfen. Diese Lichtbilder sollen ausschließlich zur Identifizierung der
Gefangenen durch Justizvollzugsbedienstete genutzt, jedoch zu bestimmten anderen Zwecken, einschließlich der in § 86 Abs. 2 StVollzG
genannten Zwecke, übermittelt werden dürfen. Die Lichtbilder sollen - anders als nach § 86 Abs. 3 StVollzG auch ohne ein entsprechendes
Verlangen des Gefangenen - bei Entlassung oder Verlegung zu vernichten sein. In der Begründung des Entwurfs wird ausgeführt, dass im
Strafvollzugsgesetz derzeit keine Rechtsgrundlage für die Speicherung und Nutzung von Gefangenenlichtbildern in anstaltsinternen Dateien
zum Zwecke der Identitätsfeststellung von Gefangenen durch die Vollzugsbediensteten vorhanden sei. Eine solche Identitätsfeststellung sei
jedoch erforderlich. Wörtlich heißt es in der Entwurfsbegründung der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/9197, S. 6):
87 "Soweit im Rahmen von § 86 StVollzG als Teil erkennungsdienstlicher Maßnahmen auch die Aufnahme von Lichtbildern, ihre Aufbewahrung in
Gefangenenpersonalakten und kriminalpolizeilichen Sammlungen - unabhängig davon, ob diese in elektronischer oder in Papierform geführt
werden - und ihre weitere Verwendung geregelt ist, ist hier zunächst die Aufnahme von Lichtbildern nur unter strengeren Voraussetzungen
möglich. Sie kann lediglich zur Sicherung des Vollzuges durchgeführt werden, d.h. wenn konkrete Gründe für eine Fluchtgefahr vorliegen, und
nicht bereits zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Vollzug. Sodann können die so gewonnenen Lichtbilder nur zu den in § 86 Abs.
2 StVollzG genannten Zwecken verwendet werden."
88 Der Gesetzesbegründung der Bundesregierung ist demnach zu entnehmen, dass auch diese bereits nach gültiger Gesetzeslage eine
elektronische Speicherung von Gefangenenlichtbildern für zulässig hält, soweit diese zur Sicherung des Vollzuges erfolgt, also etwa konkrete
Gründe für eine Fluchtgefahr vorliegen. Die Gesetzesänderung soll den Vollzugsanstalten lediglich darüber hinaus eine Speicherung von
Lichtbildern auch zum bloßen Zweck einer Identifizierung der Gefangenen, also auch der nicht gefährlichen, ermöglichen. Aus der Tatsache,
dass eine entsprechende Gesetzesänderung geplant ist, lassen sich also für die Entscheidung des vorliegenden Falles keine unmittelbaren
Schlüsse ziehen.
89 b. Ist nach den dargestellten Erwägungen die Formulierung des § 86 Abs. 2 StVollzG jedenfalls in der seit 1998 gültigen Fassung nicht so zu
verstehen, dass eine elektronische Verarbeitung und Nutzung von zu erkennungsdienstlichen Zwecken aufgenommenen Lichtbildern
ausgeschlossen wäre, dann ist die konkrete Verarbeitung und Nutzung dieser Lichtbilder im Fall des Gefangenen nicht zu beanstanden.
90 aa. Wie die JVA Bruchsal dargelegt hat, wird der Gefangene als gefährlich und fluchtgefährlich eingestuft. Damit war die Aufnahme der
Lichtbilder zur Sicherung des Vollzuges als erkennungsdienstliche Maßnahme nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG zulässig.
91 bb. Die Verteilung eines Abdrucks des so gefertigten Lichtbildes im Zusammenhang mit der Verfügung, auf der die Sicherungsmaßnahmen im
Hinblick auf den Gefangenen aufgeführt sind, an die zuständigen Bediensteten innerhalb der JVA Bruchsal begegnet ebenfalls keinen
Bedenken. Es handelt sich hier um eine Verarbeitung (in Form des Speicherns, das nach der Begriffsbestimmung des BDSG auch jede
nachlesbare Fixierung in Akten, die der weiteren Verarbeitung und Nutzung dient, einschließt) sowie um eine Nutzung der nach § 86 Abs. 1 Nr. 2
StVollzG gewonnenen Daten, die nach § 86 Abs. 2 S. 3 StVollzG zulässig ist, weil sie ebenfalls zur Sicherung des Vollzuges erforderlich ist. Um
den gegen den Gefangenen getroffenen Sicherungsmaßnahmen überhaupt Wirkung zu verleihen, ist es notwendig, dass die zuständigen
Vollzugsbediensteten über diese Sicherungsmaßnahmen informiert werden. Damit auch Bedienstete, die den Gefangenen bislang noch nicht
von Person kennen mögen, sich über den Betroffenen dieser Sicherungsmaßnahmen sofort orientieren können, ist es sinnvoll, ihnen den
Gefangenen nicht nur mit Namen zu bezeichnen, sondern ihnen auch ein Lichtbild des Gefangenen zu zeigen. Es begegnet keinen
datenschutzrechtlichen Bedenken, wenn derartige Verfügungen vervielfältigt und in Handakten aufbewahrt werden, damit die mit der Sicherung
des Vollzuges befassten Bediensteten sie jederzeit zur Hand haben können. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die entsprechende
Sicherungsverfügung mit dem Lichtbild des Gefangenen beispielsweise auch an die Anstaltsgeistlichen weitergeleitet worden ist. Auch wenn der
Gefangene konfessionslos sein mag, hindert ihn dies nicht daran, die seelsorgerliche Betreuung durch die Anstaltsgeistlichen in Anspruch zu
nehmen, falls er dies wünschen sollte. Dass auch die Anstaltsgeistlichen von vornherein über die gegen den Gefangenen getroffenen
Sicherungsmaßnahmen informiert werden, ist vor diesem Hintergrund durchaus sinnvoll. Die gleichen Überlegungen treffen um so mehr auf die
Anstaltsärztin, die Anstaltspsychologinnen und die Sozialarbeiter zu. Nach den eigenen Angaben des Gefangenen beschränkt sich die Zahl der
Vervielfältigungsstücke auf etwa 15-20, was bei einer Anstalt von der Größe der JVA Bruchsal auf keinen Fall als eine übermäßige Verbreitung
erscheint.
92 cc. Die Speicherung des elektronisch gefertigten Lichtbildes im Computersystem der Anstalt ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Wie sich der
Stellungnahme des Systemverwalters in der JVA Bruchsal, an deren Richtigkeit zu zweifeln sich für das Gericht kein Anlass ergibt, entnehmen
lässt, steht der Zugriff auf die entsprechende Datei nicht generell allen Anstaltsbediensteten, sondern nur den bestimmten Stellen offen. Gerade
hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, den das OLG Hamm mit Beschluss vom 30.01.2001 entschieden hat. Darin
hat das OLG Hamm nämlich betont, dass eine generelle Verwendung im Computersystem der Anstalt ohne Einschränkung der
Rückgriffsmöglichkeiten nicht zulässig sei. Im vorliegenden Fall sind jedoch einschränkende Regelungen für die Möglichkeit einer Nutzung der
gespeicherten Lichtbilder durch Vollzugsbedienstete vorgesehen.
93 Da der Antrag des Gefangenen keinen Erfolg hat, hat er die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen zu tragen (§ 121 Abs. 2 S. 1
StVollzG). Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§ 48a, 13 Abs. 1 S. 1 StVollzG.
94 Gegen diese Entscheidung kann Rechtsbeschwerde erhoben werden; auf die beigefügte Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen.