Urteil des LG Freiburg vom 06.06.2003

LG Freiburg: nahe stehende person, zahlungsunfähigkeit, treu und glauben, geschäftsführer, stille reserven, verfügung, zustellung, datum, verjährungsfrist, unternehmen

LG Freiburg Urteil vom 6.6.2003, 2 O 66/02
Tenor
In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Freiburg auf die mündliche Verhandlung vom 04. April 2003 durch Vors. Richter am
Landgericht Dr. Jagmann als Einzelrichter für Rechterkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 223.435,00 nebst 4% Zinsen seit dem 7.12.1999 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: EUR 223.435,00
Tatbestand
1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der S. GmbH, L. Er nimmt die Beklagte auf Erstattung von Zahlungen in Anspruch mit der
Behauptung, die Beklagte habe diese Zahlungen rechtsgrundlos auf Kosten der Insolvenzschuldnerin erhalten, als diese bereits
zahlungsunfähig gewesen sei.
2
Die Insolvenzschuldnerin wurde 1991 mit einem Stammkapital von DM 130.000 gegründet und verlegte ihren Sitz 1992 nach L. und betrieb dort
auf einem von ihr angemieteten Grundstück ein Unternehmen des Straßen- und Tiefbaus. Alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist
die R. GmbH, R. Zum Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin wurde bestimmt H. S. Bis zum 20.04.1999 war S. auch der Geschäftsführer der
Komplementärin der Beklagten. Anschließend wurde Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten der Sohn des S. C.. C. und sein Bruder
H. sind die Gesellschafter der Komplementärin der Beklagten und die Kommanditisten der Beklagten. Alleingesellschafter der
Alleingesellschafterin (R. GmbH) der Insolvenzschuldnerin und deren Geschäftsführerin ist die Ehefrau des Geschäftsführers der
Insolvenzschuldnerin G. S. Sie ist zugleich Kommanditistin der R. S. GmbH und Co. KG, deren Komplementärin die Alleingesellschafterin der
Insolvenzschuldnerin ist.
3
Mit Schreiben vom 8.06.1999 (K 1), eingegangen am 10.06.1999, beantragte die Innungskrankenkasse B. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin. Die von der Insolvenzschuldnerin für den Zeitraum vom 22.04.1998 bis zum 30.04.1999
geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge beliefen sich einschließlich der Säumniszuschläge und Gebühren auf DM 669.347,84. Ein am
7.06.1999 durchgeführter Vollstreckungsversuch war fruchtlos geblieben. Im April 1998 hatten die Rückstände noch DM 22.413,16 betragen.
Bereits bis Dezember 1998 waren sie auf DM 420.685,68 angestiegen.
4
Mit Beschluss vom 1.10.1999 wurde vom Amtsgericht P. (K 2) die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Mit Beschluss vom 15.11.1999
erfolgte dann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter.
5
Im Zeitraum vom 29.03.1999 bis zum 11.08.1999 hatte die Insolvenzschuldnerin insgesamt DM 437.000,00 (EUR 223.435,00) an die Beklagte
überwiesen. Im einzelnen erfolgten folgende Zahlungen von folgenden Konten:
6
Sparkasse M.
B. LB Berlin
Kreisparkasse T.
Datum
Zahlung (DM)
Datum
Zahlung (DM)
Datum
Zahlung (DM)
22.04.1999 30.000,00
29.03.1999 25.000,00
27.05.1999 60.000,00
27.04.1999 100.000,00
27.05.1999 60.000,00
05.05.1999 22.000,00
22.06.1999 50.000,00
Gesamt
22.06.1999 70.000,00
11.08.1999 20.000,00
Gesamt
152.000
25.000,00
260.000
7
Inhaberin des Kontos bei der Kreissparkasse T war nicht die Schuldnerin, sondern die R. S. GmbH & Co. KG. Die Einrichtung des Kontos erfolgte
jedoch zu dem Zweck, den Forderungseinzug der Schuldnerin über dieses Konto vorzunehmen.
8
Der Kläger behauptet, diese Zahlungen seien an die Beklagte ohne Rechtsgrund geleistet worden, um sie dem Zugriff der Gläubiger der
Insolvenzschuldnerin zu entziehen, indem sie in anderen Gesellschaften der Familie S. untergebracht worden seien. Unter Berufung auf ein
Gutachten der Steuerberatungsgesellschaft K. und H. GmbH (K 5) behauptet der Kläger, ab 1.01.1999 sei die Insolvenzschuldnerin
zahlungsunfähig gewesen. Per 1.01.1999 hätten sich die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Insolvenzschuldnerin auf DM
393.954,00 belaufen, die fälligen Verbindlichkeiten dagegen auf DM 3.454.389,00. Die Deckungslücke habe somit 88,60% betragen. In den
Folgemonaten sei es der Insolvenzschuldnerin zwar gelungen, diese Deckungslücke zu verringern; sie habe aber immer noch zu Beginn des
Monats Februar 62,66%, Anfang März 1999 41,66% betragen und sei zu Beginn des Monats April wieder auf 44,39% gestiegen. In der Folgezeit
habe sich die Liquiditätslage der Insolvenzschuldnerin weiterhin verschlechtert.
9
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei um diese Beträge ungerechtfertigt bereichert. Außerdem unterlägen die Zahlungen der
Insolvenzanfechtung nach §§ 130 ff InsO. Die Zahlungen an die Beklagte unterlägen im übrigen auch dann der Insolvenzanfechtung, wenn die
Beklagte, was bestritten werde, Verbindlichkeiten der Schuldnerin beglichen hätte. Entsprechende Behauptungen der Beklagten könnten
deshalb dahin gestellt bleiben.
10 Der Kläger beantragt,
11 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 223.435,00 nebst 5% Zinsen seit dem 11.08.1999 zu zahlen.
12 Die Beklagte beantragt,
13 die Klage abzuweisen.
14 Die Beklagte behauptet, sie habe nur als Zahlstelle der Klägerin fungiert und mit den erhaltenen Beträgen in der Zeit vom 5.01.1999 bis zum
16.12.1999 Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin beglichen. Insgesamt ergebe sich unter Berücksichtigung der Zahlungen der
Insolvenzschuldnerin ein Negativsaldo zu Lasten der Beklagten von DM 152.371,63. Die Insolvenzschuldnerin stehe sich also besser, als wenn
sie mit den an die Beklagte geflossenen Geldern ihre Gläubiger direkt bezahlt hätte. Die Zahlungen seien nicht rechtsgrundlos, sondern im
Rahmen eines Auftragsverhältnisses erfolgt.
15 Die Beklagte bestreitet, dass die Insolvenzschuldnerin ab 1.01.1999 zahlungsunfähig gewesen sei. Die in das Gutachten aufgenommenen der
Insolvenzschuldnerin zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel seien nicht nachvollziehbar und zu niedrig dargestellt. Die
Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und der Vorräte seien nicht mit weniger als DM 90.000 anzusetzen, sondern noch im Herbst
1999 mit über DM 1.000.000 bewertet worden. Ferner seien die fälligen Verbindlichkeiten unrichtig ermittelt worden, weil unberücksichtigt
geblieben sei, dass mit zahlreichen Gläubigern Stundungs- und Teilzahlungsvereinbarungen bestanden hätten. Letztere seien wie folgt zu
korrigieren:
16 fällige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Datum
Gutachten
richtig
01.01.1999
3.454.389
640.120,47
01.02.1999
4.432.352
661.006,18
01.03.1999
4.546.555
676.685,59
17 Bereits im März 1999 habe eine Überdeckung von DM 300.000 bestanden. Die Insolvenzschuldnerin habe über hohe Reserven in Form von
Sicherheitseinbehalten verfügt. Ebenso seien erhebliche stille Reserven vorhanden gewesen, welche bei der Feststellung der Überschuldung
aufzudecken seien.
18 Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung lägen nicht vor, weil durch die Zahlungen keine Benachteiligung
der Gläubiger eingetreten sei.
19 Gegenüber den Anfechtungsansprüchen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Sie ist der Ansicht, dass die Verjährung durch die
Zustellung des Mahnbescheids am 6.12.2001 nicht unterbrochen worden sei, weil die Abgabe nicht alsbald im Sinne von § 686 Abs. 3 ZPO
erfolgt sei.
20 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der
mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
21 Der Kläger betrieb zunächst das Mahnverfahren mit am 15.11.2001 bei dem Mahngericht eingegangenem Mahnantrag, der der Beklagten am
6.12.2001 zugestellt wurde, nachdem auf eine Monierung des Mahngerichts von Seiten des Klägers am 29.11.2001 geantwortet wurde. Die
Nachricht über die Einlegung des Widerspruchs und die Aufforderung zur Zahlung der Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens
vom 20.12.2001 ging am 7.01.2001 bei dem Kläger ein. Der Kläger veranlasste am 7.01.2001 die Überweisung, die am 10.01.2002 von seinem
Konto abgebucht und am 8.02.2002 von der Gerichtskasse verbucht wurde. Am 11.02.2002 erfolgte die Abgabe an das Streitgericht.
Entscheidungsgründe
I.
22 Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines Teils des geltend gemachten Zinsanspruchs begründet.
23 Der Kläger kann als Insolvenzverwalter nach §§ 143, 129, 132 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 130 Abs. 2 u 3, 138 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 InsO von der Beklagten
die Rückzahlung der an sie von den im Tatbestand bezeichneten Konten geleisteten Zahlungen verlangen.
24 Die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen vor. Unerheblich ist, dass der Kläger nicht ausdrücklich die
Insolvenzanfechtung nach § 132 InsO geltend macht. Die Insolvenzanfechtung verlangt keine Gestaltungserklärung; sie ist die gerichtliche
Geltendmachung der Rechtsfolge des § 143 InsO. Diese besteht darin, dass ein Gegenstand, der ohne die anfechtbare Handlung zur
Insolvenzmasse gehören würde, zum Zweck der Verwertung durch den Insolvenzverwalter der Masse wieder zugeführt werden muss. Eine
Klage, mit der dieser Anspruch durchgesetzt werden soll, ist begründet, wenn ein Sachverhalt vorgetragen und festgestellt wird, der die
Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt. Erforderlich sind demnach ein bestimmter Klageantrag und der Vortrag des diesen
Antrag rechtfertigenden Sachverhalts. Nicht nötig ist es dagegen, dass der Kläger den rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnet, unter dem sein
Sachvortrag den Klageantrag stützt. Ist ein Anfechtungstatbestand erfüllt und ist danach das Klagebegehren begründet, dann ist der Klage
stattzugeben; es ist dazu weder erforderlich, dass der Kläger die Anfechtung "erklärt" oder noch sich auf diese Rechtsgrundlage beruft (BGHZ
135, 140; Gerhardt JZ 1990, 243 f).
II.
25 Voraussetzung für eine Insolvenzanfechtung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind
26 a) ein Rechtsgeschäft des Schuldners, das die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt,
27 b) eine Vornahme des Rechtsgeschäfts in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens,
28 c) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit des Rechtsgeschäfts,
29 d) die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit durch den anderen Teil, wobei der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis von Umständen
gleich steht, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen und gegenüber einen Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung
nahestand, diese Kenntnis vermutet wird.
30
Zu a)
31 Die Beklagte behauptet, sie habe als Zahlstelle der Schuldnerin fungiert und mit den vereinnahmten Zahlungen Verbindlichkeiten der
Schuldnerin beglichen. Damit behauptet sie das Bestehen eines Auftragsverhältnisses nach § 662 BGB mit der Schuldnerin, denn angesichts
des Umfangs der zur Verwendung erhaltenen Beträge kann nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis ausgegangen werden. Ein
Rechtsgeschäft im Sinne von § 132 Abs. 1 InsO liegt folglich vor.
32 Der Kläger hat sich diesen Sachvortrag hilfsweise zu eigen gemacht, so dass diese Behauptung der Beklagten der Beurteilung zugrunde gelegt
werden kann. Dass sich der Kläger diese Behauptung hilfsweise zu eigen gemacht hat, ergibt sich daraus, dass er sie in seine rechtlichen
Erörterungen mit einbezogen hat und auch für den Fall, dass diese Behauptung zutrifft, von einer Begründetheit seines Klagevorbringens
ausgeht.
33 Dieses Rechtsgeschäft und die in seiner Ausführung erfolgten Zahlungen an die Beklagte benachteiligten unmittelbar die Insolvenzgläubiger,
weil mit ihnen der Insolvenzmasse Geld entzogen worden ist, das ohne die Zahlungen zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger zur Verfügung
gestanden hätte. Das gilt auch, soweit diese Zahlungen von dem Konto der Sparkasse T. erfolgten. Insoweit handelte es sich um eine mittelbare
Zuwendung der Schuldnerin an die Beklagte, da das Guthaben aus diesem Konto sich aus dem Einzug von Forderungen der Schuldnerin
speiste und deshalb letztlich dieser zustand (Wimmer/Dauernheim, InsO
3
[2002] § 129 Rn. 33, § 143 Rn. 42; BGH NJW 1990, 1795).
34 Dahin gestellt bleiben kann, ob die Beklagte die an sie erfolgten Zahlungen auftragsgemäß dazu verwandt hat, Verbindlichkeiten der
Schuldnerin zu begleichen. Denn dadurch würde sich an der unmittelbaren Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nichts ändern, weil damit die
Geldmittel allen anderen Gläubigern der Schuldnerin entzogen worden wären (Uhlenbruck/Hirte, InsO [2003] § 129 Rn. 124; RGZ 53, 234, 236).
Der Beklagten ist es nach §§ 134 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819, 818 Abs. 4 BGB auch verwehrt sich darauf zu berufen, dass ihr das Geld nicht mehr zur
Verfügung steht (Wimmer/Dauernheim § 143 Rn 20). Soweit die Beklagte Geld zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Schuldnerin verwandt
hat, kann sie ihren Anspruch aus § 670 BGB lediglich als Insolvenzforderung geltend machen, § 144 InsO.
35
zu b)
36 Da die Zahlungen ab 29.03.1999 erfolgten, wurden sie sämtlich in den letzten drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags und damit
innerhalb des nach § 132 Abs 1 Nr. 1 InsO maßgeblichen Zeitraums vorgenommen.
37
zu c)
38 Die Schuldnerin war zur Zeit der Vornahme der Zahlungen an die Beklagten zahlungsunfähig.
39 Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dabei
reicht aus, dass der Schuldner einen nicht völlig unwesentlichen Teil seiner Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann (Uhlenbruck, InsO
[2003] § 17 Rn. 10). Abzugrenzen ist die Zahlungsunfähigkeit von der sog. Zahlungsstockung, die dann nur vorliegt, wenn der Schuldner
vorübergehend über einen kurzen Zeitraum von wenigen Wochen nicht in der Lage ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (vgl.
dazu Wimmer/Dauernheim § 17 Rn. 13 ff). Zur Feststellung, ob eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin vorliegt, bedarf es keiner exakten
Berechnung der Aktiven und Passiven der Schuldnerin. Die richterliche Überzeugung kann sich bereits aus einzelnen Tatsachen und Indizien
ergeben, die den sicheren Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit begründen (Braun/Kind, InsO [2002] § 17 Rn. 24).
40 Derartige Tatsachen liegen im Streitfall vor. Ein wesentliches Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin in dem nach § 132 Abs. 1 Nr. 1
InsO maßgeblichen Zeitraum ist die Tatsache, dass die von der Schuldnerin nicht gezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge sich bereits im
Dezember 1998 auf DM 420.685,68 beliefen. Hinzu kommt, dass sich hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten eine dynamische Entwicklung zeigte,
Dezember 1998 auf DM 420.685,68 beliefen. Hinzu kommt, dass sich hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten eine dynamische Entwicklung zeigte,
die eindeutig ergibt, dass die Schuldnerin diese nicht unerheblichen Verbindlichkeiten nicht nur vorübergehend nicht erfüllen konnte. Denn die
nicht gezahlten Verbindlichkeiten beliefen sich im April 1998 noch auf DM 22.413,16, um dann in deutlichem Umfang anzusteigen und auch
noch im Jahr 1999 zu wachsen, so dass sie sich im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung auf DM 669.347,84 beliefen. Diese Entwicklung zeigt,
dass bei der Schuldnerin nicht nur eine Zahlungsstockung vorlag, sondern dass die Schuldnerin bereits über einen längeren Zeitraum unfähig
war, einen maßgeblichen Teil ihrer Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ein weiteres Indiz für die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ist die
Einräumung des Kontos bei der Kreissparkasse T. und damit die Abwicklung von Zahlungsverkehr über ein nicht der Gesellschaft zugeordnetes
Konto. Zu einer derartigen Maßnahme wird gemeinhin gegriffen, wenn Vermögenswerte dem Zugriff von Gläubigern entzogen werden sollen. Sie
spricht deshalb gegen eine fortbestehende Liquidität der Schuldnerin.
41 Dem kann die Beklagte nicht entgegen halten, dass einzelne Gläubiger mit der Schuldnerin Stundungen vereinbart haben. Zwar sind gestundete
Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht als fällige Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Es muss sich aber um echte
Stundungen handeln und nicht um Maßnahmen, zu denen sich Gläubiger bereit finden, weil ihr Schuldner nicht in der Lage ist, seine
Verbindlichkeiten zu begleichen (Uhlenbruck, InsO § 17 Rn. 8).
42 Die von der Beklagten vorgelegten Vereinbarungen der Schuldnerin mit den Gläubigern Ro. GmbH und Re. GmbH (Anlagen B 4, 5) stellen in
diesem Sinne keine Indizien für eine bestehende Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin dar, sondern belegen vielmehr, dass die Schuldnerin nicht
in der Lage war, ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Der Vergleichsvertrag mit der Fa. Ro. GmbH vom 19.01.1999 betrifft eine titulierte
Forderung in Höhe von DM 198.862,96 und sieht nicht nur eine Ratenzahlung dieses Betrags durch die Schuldnerin vor, sondern einen
Schuldbeitritt der R. S. GmbH & Co, KG, die zudem durch Übergabe eines Grundschuldbriefes über DM 200.000 auf einem Grundstück in H.
Sicherheit leistete. Derartige Ratenzahlungsvergleiche verbunden mit Sicherheitenstellungen Dritter sind hinsichtlich an sich fälliger
Forderungen nur dann erforderlich, wenn die Schuldnerin nicht in der Lage ist, die fällige Verbindlichkeit zu begleichen. Dasselbe gilt hinsichtlich
der Vereinbarung mit der Re. GmbH vom 13.01.1999, deren Stillhalten durch Wechselhingaben über insgesamt DM 100.000 der R. S. GmbH &
Co. KG erkauft wurde. Derartige Vereinbarungen zeigen folglich, dass die Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt finanziell am Ende war.
43 Hinzu tritt, dass die Schuldnerin ausweislich des von dem Kläger vorgelegten Gutachtens zuletzt lediglich zwei Baustellen betrieb, von denen die
eine weitgehend abgeschlossen war, und deshalb eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin nicht zu erwarten war.
44 Der Einzelrichter hat angesichts der dargelegten Umstände nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Schuldnerin in dem maßgeblichen
Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Soweit die Schuldnerin gehofft haben sollte, aus diesen Bauvorhaben noch weitere Zahlungen zu erhalten,
änderte das nichts an der bestehenden Zahlungsunfähigkeit. Ebenso wenig ändert der Umstand, dass die Schuldnerin Gegenstände ihres
Anlagevermögens hätte veräußern können, etwas an ihrer insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit. Maßgegend ist, ob die Schuldnerin als
werbendes Unternehmen zahlungsunfähig ist. Ein derartiges Unternehmen kann sich nicht die dafür notwendige Liquidität durch sukzessive
Verwertung seines Betriebsvermögens verschaffen und dadurch zu Lasten der Gläubiger die Insolvenz hinauszögern, bis ein Antrag wegen
Masselosigkeit abgewiesen werden müsste (Uhlenbruck, § 17 InsO Rn. 6).
45
zu d.
46 Die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin wird nach § 132 Abs. 3, 130 Abs. 3, 138 InsO vermutet.
47 Nach § 130 Abs. 3, der nach § 132 Abs. 3 im Fall der Anfechtung nach § 132 Abs. 1 Nr. 1 entsprechend anwendbar ist, wird gegenüber einer
Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahe stand vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit kannte.
48 Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten war bis zum 20.04.1999 der Geschäftsführer der Schuldnerin, der nach § 138 Abs. 2 Nr. 1
InsO als der Schuldnerin nahe stehende Person gilt. Anschließend war Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten der Sohn des
Geschäftsführers der Schuldnerin, der nach § 138 Abs. 2 Nr. 3 iVm § 138 Abs. 1 Nr. 2 als Verwandter des Geschäftsführers ebenfalls als nahe
stehende Person gilt, gegenüber der die Vermutungswirkung des § 130 Abs. 3 InsO eingreift. Die damit vermutete Kenntnis beider muss sich die
Beklagte nach § 166 BGB zurechnen lassen, weil beide als Geschäftsführer der Komplementär- GmbH die Beklagten vertreten bzw. vertreten
haben.
49 Die Eigenschaften des jetzigen Geschäftsführers der Komplementärin der Beklagten als nahe stehende Person entfällt nicht deshalb, weil der
Geschäftsführer der Schuldnerin nach § 85 GmbHG zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und in diesem Fall nach § 138 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2
InsO die Eigenschaft des Verwandten als nahe stehende Person entfällt. Denn eine derartige Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführers der
Schuldnerin besteht im konkreten Fall nicht. Geht man von dem Sachvortrag der Beklagten aus, dass ihr die Zahlungen geleistet worden sind,
damit sie Gläubiger der Schuldnerin befriedigt, war die Schuldnerin und damit ihr Geschäftsführer aufgrund des bestehenden
Auftragsverhältnisses vielmehr sogar vertraglich verpflichtet, der Beklagten und damit ihrem Geschäftsführer eine bestehende
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu offenbaren, weil die Beklagte mit der Durchführung des entsprechenden Auftrags einer
zahlungsunfähigen Schuldnerin die Gefahr lief, sich Anfechtungsansprüchen des Insolvenzverwalters auszusetzen. Die Schuldnerin hatte nach
Treu und Glauben die Beklagte über sämtliche Umstände aufzuklären, die für die Schuldnerin erkennbar für deren Willensentschließung von
Bedeutung waren. Zumindest kann nicht gesagt werden, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin aufgrund seiner organschaftlichen
Verschwiegenheitspflicht verpflichtet war, der Beklagten als Auftragnehmerin die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu verschweigen und sie
damit der Gefahr auszusetzen, in den Verdacht zu geraten, Vermögensteile der Schuldnerin während der Krise beiseite gebracht zu haben. Eine
Verpflichtung zur Verschwiegenheit, die dem jetzigen Geschäftsführer die Eigenschaft einer nahe stehenden Person im Sinne von § 138 InsO
nehmen könnte, bestand folglich nicht.
50 Die danach bestehende Vermutung der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hat die Beklagte nicht entkräftet.
III.
51 Der Anspruch ist nicht verjährt. Nach § 146 InsO verjährt der Anspruch in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens erfolgte am 15.11.1999. Die Verjährungsfrist endete deshalb nach § 187 Abs. 2 BGB am 15.11.2001. Nach § 209 Abs. 2
Nr. 1 BGB a.F. iVm Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB wird die Verjährung durch Zustellung eines Mahnbescheids unterbrochen und wirkt nach Art. 229
§ 6 Abs. 2 ab 1.01.2002 als Hemmung fort. Die Zustellung des Mahnbescheids erfolgte zwar erst am 6.12.2003, die die Verjährung
unterbrechende Wirkung dieser Zustellung wird jedoch nach § 270 Abs. 3 ZPO a.F. auf den Tag der Einreichung des Antrags auf Erlass des
Mahnbescheids zurückbezogen, soweit die Zustellung „demnächst“ im Sinne des § 270 Abs. 3 erfolgt ist. Das ist der Fall, weil sich, wie sich aus
den Akten des Mahnverfahrens ergibt, wegen einer vom Kläger zu verantwortenden unvollständigen Anschriftenangabe lediglich eine
Verzögerung von 9 Tagen ergab, die wegen ihrer Kürze unschädlich ist. Da der Mahnantrag am 15.11.2001 einging, wurde somit die
Verjährungsfrist rechtzeitig am letzten Tag vor ihrem Ablauf unterbrochen. Auf die Frage, wann die Streitsache als rechtshängig anzusehen ist,
kommt es aufgrund der Neuregelung des § 146 InsO, der die Ausschlussfrist des § 41 KO durch eine Verjährungsfrist ersetzt hat, nicht an.
IV.
52 Der zugesprochene Zinsanspruch folgt aus § 284 Abs. 1 a.F. iVm § 288 Abs. 1 a.F. iVm Art. 229 § 1 Abs. 1, § 5 EGBGB. Die Voraussetzungen
eines weitergehenden Zinsanspruchs sind nicht unter Beweis gestellt.
53 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.