Urteil des LG Frankfurt am Main vom 31.01.2007

LG Frankfurt Main: jura novit curia, darlehensvertrag, widerklage, rückzahlung, widerrufsrecht, geschäft, vollstreckung, form, obsiegen, rückabwicklung

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 68/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 BGB, § 1 HTürGG
(Anwaltshaftung: Schadensersatz wegen falscher
Prozessführung; Widerruf eines Darlehensvertrages nach
dem HWiG und Rückzahlung der Darlehensvaluta)
Leitsatz
Bis März 2002 musste ein Anwalt in einem Prozess, in dem sein Mandant auf
Rückzahlung eines Kredits in Anspruch genommen wurde, den er zur Finanzierung des
Beitritts zu einem Immobilienfonds aufgenommen hatte, nicht davon ausgehen, dass
der Widerruf des Darlehensvertrages nach dem HWiG dazu führen könnte, dass die
Bank seinen Mandanten nicht auf Rückzahlung der Darlehensvaluta in Anspruch
nehmen kann.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. September 2005 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten
des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin
bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die
Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von den beklagten Rechtsanwälten Schadensersatz wegen
angeblich falscher Prozessführung in einem vorausgegangenen Rechtsstreit über
Ansprüche, die eine Bank gegenüber der Klägerin aus einem Darlehensgeschäft
zur Finanzierung einer Fondsbeteiligung geltend gemacht hat.
Der vorausgegangene Prozess:
Die A AG erhob im Oktober 2000 gegen die Klägerin vor dem Landgericht Frankfurt
am Main im Rechtsstreit zu Aktenzeichen 2-12 O 393/00 (Beiakte) Klage auf
Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 101.820,91 DM. Das Darlehen über
ursprünglich 120.000,- DM war der Klägerin mit Vertrag vom 5.1./1.2.1995 zum
Zwecke der Finanzierung der Beteiligung an einer Fondsgesellschaft (B KG)
gewährt worden. Die Bank hatte das Darlehen unter dem 16.2.2000 fristlos
gekündigt, nachdem es die Klägerin trotz mehrfacher Mahnungen ab November
1998 nicht mehr bedient hatte.
Erstinstanzlich ließ sich die Klägerin von dem Beklagten zu 1) vertreten. Dieser
beantragte mit Schriftsatz vom 12.2.2001 (Bl. 50 ff. Beiakten) Klageabweisung und
erhob Widerklage auf Schadensersatz in Höhe von 152.000,- DM.
Das Landgericht erhob zunächst Beweis durch Vernehmung der Zeugen Z1 und
Z2 - einem Mitarbeiter der Bank -, und zwar über die Behauptungen der Klägerin,
die Bank habe ihr zugesagt, dass das Darlehen nicht gekündigt und ausschließlich
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die Bank habe ihr zugesagt, dass das Darlehen nicht gekündigt und ausschließlich
durch die zu erwartenden Fondsausschüttungen zurückgeführt werde sowie dass
die Klägerin mit dem Zeugen Z2 vereinbart habe, dass dieser das Angebot der
Fondsgesellschaft auf Rückkauf der Anteile zu 95 % der ursprünglichen
Beteiligungssumme annehme.
Mit Urteil vom 28.8.2001 gab das Landgericht sodann der Klage statt und wies die
Widerklage ab. Zur Begründung führte es aus:
Der Bank stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des gewährten Darlehens gegen die
Klägerin zu. Die Bank sei zur Kündigung des Darlehensvertrages berechtigt
gewesen, weil die Klägerin mit mehr als zwei Darlehensraten in Verzug gewesen
sei. Die Kündigung sei auch nicht deshalb unwirksam, weil die Bank mit der
Klägerin eine Stundungsabrede getroffen hätte. Ihre entsprechenden
Behauptungen habe die Klägerin nicht beweisen können - die Aussagen des von
ihr benannten Zeugen Z1 stünden im Widerspruch zu denen des Zeugen Z2.
Die Widerklage dagegen sei unbegründet. Der Klägerin stehe kein
Schadensersatzanspruch gegenüber der Bank zu. Insoweit habe sie nicht
beweisen können, dass zwischen ihr und dem Zeugen Z2 in einem Telefonat vom
29.10.1999 vereinbart worden sei, dass dieser für sie das schriftliche Angebot der
Fondsgesellschaft auf Rückkauf der Anteile annehme.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin Berufung ein. Im Berufungsverfahren ließ sie
sich durch die Beklagten zu 2) vertreten, die die erstinstanzlichen Klageanträge im
vollen Umfang weiterverfolgten.
Mit Schriftsatz vom 11.3.2002 (Bl. 333 Beiakte) trugen die Beklagten zu 2) vor,
dass die Klägerin die Fondsbeteiligung mit Kündigungsschreiben vom 8.3.2002 (Bl.
334 Beiakte) gekündigt habe und erklärten gleichzeitig den Widerruf des
Darlehensvertrages.
In der Berufungsverhandlung am 13.3.2002 (Protokoll - Bl. 336 Beiakte) wies der
erkennenden Senat den Beklagten zu 2 c) darauf hin, dass die Berufung keine
Aussicht auf Erfolg haben dürfte, da der Senat der Beweiswürdigung des
Landgerichts folge. Er gehe auch davon aus, dass der neue Vortrag im Schriftsatz
vom 11.3.2002 der Berufung nicht zu Erfolg verhelfen könne. Daraufhin nahm der
Beklagte zu 2 c) die Berufung zurück.
Der vorliegende Regressprozess:
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten des
Vorprozesses - die Beklagten - auf Schadensersatz in Höhe von 30.012,48 € in
Anspruch. Der Betrag setzt sich zusammen aus den von der Klägerin im Zeitraum
1.2.1995 bis 25.10.1999 weitergezahlten Darlehensraten (30.203,90 DM =
15.443,01 €) sowie den von ihr zu tragenden Kosten des ersten Prozesses
(14.569,47 €). Die insoweit behaupteten Schadensersatzansprüche gegen die
Beklagten hat sich die Klägerin von ihrer Rechtsschutzversicherung, die für die
Kosten eingetreten ist, rückabtreten lassen. Darüber hinaus verlangt die Klägerin
von den Beklagten Freistellung von den Forderungen der A AG aus dem ersten
Prozess (Verurteilungssumme 101.820,91 DM = 52.060,20 €).
Mit Urteil vom 2.9.2005 (Bl. 311 ff. d.A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete
Berufung der Kläger.
Die Kläger tragen vor:
Das Landgericht gehe rechtsirrig davon aus, dass der Darlehenvertrag nicht hätte
wirksam widerrufen werden können und dass kein verbundenes Geschäft
vorgelegen habe. Die Klägerin hätte gegenüber der Bank einen Anspruch auf
Rückzahlung aller Zins- und Tilgungsleistungen gehabt.
Eine Haustürsituation habe vorgelegen. Sowohl die Kreditanfrage als auch der
Kreditvertrag seien in einer Privatwohnung unterzeichnet worden. Deshalb habe
sich der Bank das Vorliegen einer Haustürsituation aufdrängen müssen.
Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Überraschungsmoment
nicht fortgewirkt habe (wird ausgeführt). Die Bank habe sich die Haustürsituation
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nicht fortgewirkt habe (wird ausgeführt). Die Bank habe sich die Haustürsituation
auch zurechnen lassen müssen. Nach BGH vom 14.6.2004, II ZR 395/01 wäre das
Widerrufsrecht auch nicht erloschen gewesen.
Rechtsfolge des Widerrufs wäre gewesen, dass die Klägerin von der Bank die
Rückerstattung aller Zins- und Tilgungsleistungen hätten verlangen können und
künftig auf das Darlehen keine Leistungen mehr schulde. Die Klägerin wäre dabei
nicht verpflichtet gewesen, der Bank die Darlehensvaluta zurückzugewähren, da es
sich vorliegend um ein verbundenes Geschäft handele, wie sich aus den Urteilen
des II. Zivilsenats des BGH vom 14.6.2004 ergebe. Bank und Fondsinitiatoren
hätten sich derselben Vertriebsorganisation bedient.
Zudem habe das Landgericht im Hinblick auf den Darlehensvertrag den Verstoß
gegen das VerbrKrG nicht erkannt. In Anbetracht der vorliegenden unechten
Teilabschnittsfinanzierung sei der Gesamtbetrag der Kreditkosten nach § 4
VerbrKrG fehlerhaft angegeben. Es habe die Pflicht der Bank bestanden, alle vom
Verbraucher zu erbringenden Leistungen anzugeben. Eine Heilung des
Darlehensvertrages sei nicht eingetreten, da die Darlehenvaluta direkt an den
Treuhänder geflossen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten gemäß den
erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen übereinstimmend,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen vor:
- der Beklagte zu 1):
Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein
Widerrufsrecht nicht zugestanden habe (wird ausgeführt). Wegen des langen
Zeitraums zwischen Haustürsituation und Vertragsunterzeichnung könne auch
nicht mehr von einem Fortwirken der Überrumpelung ausgegangen werden.
Außerdem habe die Haustürsituation nach der damaligen Rechtsprechung der
Bank nicht zugerechnet werden können. Die Beklagten hätten während des
Vorprozesses keine Veranlassung gehabt, entsprechende Ausführungen im
Rechtsstreit zu machen. Eine anwaltliche Pflichtverletzung sei daher nicht
gegeben.
Auch hinsichtlich der angeblichen Formnichtigkeit des Darlehensvertrages falle den
Beklagten keine falsche Beurteilung des Sach- und Streitstandes zur Last. Bis zur
Beendigung des Vorprozesses habe kein Anlass zur der Annahme bestanden, der
Darlehensvertrag erfordere die Angabe eines "fiktiven Gesamtbetrages". Überdies
sei es jedenfalls durch die Auszahlung der Darlehensvaluta zu einer Heilung nach §
6 II VerbrKrG gekommen. Die möglicherweise abweichenden Ausführungen des II.
Zivilsenats des BGH unter dem 14.6.2004 könnten keinen Rolle spielen.
Zudem habe das Landgericht auch das Vorliegen eines Verbundgeschäfts
zutreffend verneint (wird ausgeführt).
- die Beklagten zu 2):
Das Verteidigungsvorbringen der Klägerin sei auf die Unwirksamkeit des
Darlehensvertrages gerichtet gewesen. Aus welchen Gründen die Widerruflichkeit
des Vertrages anzunehmen war, sei eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu
beantworten war.
Es komme hinzu, dass der für die Klägerin im Vorprozess in der Berufung tätige
Beklagte zu 2 c) keine Informationen der Klägerin über eine angebliche
Haustürsituation und über Einzelheiten des Verbraucherkreditvertrages mit der
Bank erhalten habe. Er habe deshalb auch keinen ergänzenden Vortrag bringen
können.
Soweit die Klägerin den Beklagten zu 2) vorwerfe, nicht auf die angeblich
fehlerhafte Gesamtbetragsangabe im Darlehensvertrag aufmerksam gemacht zu
haben, greife auch dies nicht durch. Zum einen wäre ergänzender
Tatsachenvortrag hierzu in der Berufung gar nicht mehr möglich gewesen. Zum
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Tatsachenvortrag hierzu in der Berufung gar nicht mehr möglich gewesen. Zum
anderen habe der Beklagte zu 2 c) das Erfordernis der Gesamtbetragsangabe
zum damaligen Zeitpunkt gar nicht erkennen können. Darüber hinaus handele es
sich auch insoweit um Rechtsfragen, die nach dem Grundsatz "jura novit curia"
nicht vorgetragen, sondern vom Gericht selbst erkannt werden müssten. Überdies
hätte die Erkenntnis der formalen Fehlerhaftigkeit des Vertrages ebenfalls nur den
Widerruf des Vertrages zur Folge haben können. Dieser sei aber von den
Beklagten zu 2) mit Schriftsatz vom 11.3.2004 erklärt worden.
Der Senat hat die Akten des vorausgegangenen Prozesses Rechtsstreit 2-12 O
393/00 (= 9 U 184/01) beigezogen. Die Beiakten waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt worden. Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung
gerügten Mängel des Passivrubrums hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
21.12.2006 behoben, so dass - wie mit diesem Urteil geschehen - eine
entsprechende Berichtigung des Rubrums erfolgen konnte.
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage
zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 I 1 BGB, denn
den Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie ihre anwaltlichen Pflichten
schuldhaft verletzt haben. Voraussetzung des Anspruchs ist eine rechtswidrige
und schuldhafte Pflichtverletzung des Anwalts die zu einem Schaden geführt hat.
Dabei löst nicht jeder Schaden auch die Haftung aus; der haftungsbegründende
Vorgang muss vielmehr zum einen kausal für den eingetretenen Schaden
geworden sein und zum anderen muss letzter der anwaltlichen Pflichtverletzung
auch zurechenbar sein (Vollkommer/Heinemann Anwaltshaftung, 2. Auflage, Rn
342 und 465).
Die Klägerin wirft den Beklagten zwei pflichtwidrige Unterlassungen vor, nämlich
zum einen, dass sie die Möglichkeit des Widerrufs des Darlehensvertrages nach
dem HWiG nicht gesehen, und zum anderen die angebliche Formunwirksamkeit
des Darlehensvertrages nach dem VerbrKrG nicht erkannt haben.
Sieht man hierin eine verschuldete Pflichtwidrigkeit, setzt ein
Schadensersatzanspruch voraus, dass ein pflichtgemäßes Alternativverhalten der
Beklagten den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Anders gesagt: Ein
Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht nur dann, wenn sie hätte obsiegen
müssen, wenn die Beklagten die vorgenannten Punkte in den Prozess eingebracht
hätten (Vollkommer/Heinemann, a.a.O. Rn 479). Dabei ist im Regressverfahren
selbstständig darüber zu entscheiden, wie der Vorprozess richtig zu entscheiden
gewesen wäre (BGH NJW 2001, 673), und zwar auf der Grundlage der damaligen
Rechtslage und höchstrichterlichen Rechtsprechung (zuletzt BGH NJW 2005, 3071).
Unter diesen Voraussetzungen kann weder eine Haftung des Beklagten zu 1)
[dazu nachfolgend 1. und 2.] noch eine solche der Beklagten zu 2) [dazu
nachfolgend 3. und 4.] angenommen werden.
1. In der ersten Instanz des Vorprozesses haben die beiden vorgenannten Aspekte
keine Rolle gespielt. Der Beklagte zu 1) hat hierzu nichts vorgetragen. Die Klägerin
hätte aber auch nicht obsiegen können, wenn er es getan hätte.
a) Die Rechtsverteidigung bzw. die Widerklage der Klägerin hätten auch dann
keinen Erfolg gehabt, wenn sie (auch) auf einen Widerruf des Darlehensvertrages
nach dem HWiG gestützt worden wäre. Nach der damaligen Rechtslage - also vor
Verkündung des Urteils vom 28.1.2001 - konnte nämlich dahinstehen, ob der
Darlehensvertrag durch eine Widerrufserklärung unwirksam geworden wäre. Ginge
man von dem Vorliegen eines Haustürwiderrufsgeschäfts nach § 1 I Nr. 1 HWiG
aus und nähme man weiter an, dass das Widerrufsrecht weder nach § 5 II HWiG
(Subsidiarität des HWiG gegenüber dem VerbrKrG) ausgeschlossen noch nach § 1 I
HWiG verfristet war, ist Folge des wirksamen Widerrufs die Rückabwicklung des
Vertragsverhältnisses. Diese würde sich hier über die Rechtsfolgenverweisung des
§ 5 II HWiG nach dem VerbrKrG richten, das eine eigenständige
Rückabwicklungsnorm jedoch nicht enthält, sondern in § 7 IV VerbrKrG auf § 3
HWiG zurückverweist. Nach dieser Vorschrift sind beide Vertragsteile Zug um Zug
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HWiG zurückverweist. Nach dieser Vorschrift sind beide Vertragsteile Zug um Zug
zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen verpflichtet.
Die von der Klägerin empfangene Leistung besteht in der Darlehensvaluta. Dabei
spielt es keine Rolle, dass diese nicht unmittelbar an sie, sondern an die
Fondsgesellschaft bzw. auf ein Treuhandhandkonto ausgezahlt wurde. Weil es sich
bei der Auszahlung eines Darlehens nicht um eine höchstpersönliche Leistung
handelt, kann diese nach § 362 II BGB mit befreiender Wirkung auch an einen
Dritten erfolgen. Die dazu erforderliche Zustimmung vonseiten der Klägerin ist in
Ziffer 17 des Darlehensvertrages vom 5.1./1.2.1995 ausdrücklich vorbehalten.
Gemäß § 3 III HWiG hätte die Klägerin darüber hinaus den Wert der Überlassung
des Gebrauchs der Sache bis zum Zeitpunkt des Widerrufs zu vergüten. Bei der
Gewährung eines Darlehens ist deshalb ein Verzinsung vorzunehmen, die
grundsätzlich in Höhe des marktüblichen Zinses zu erfolgen hat (BGB WM 2002,
2501; 2003, 64), aber nicht höher sein kann als der konkret vereinbarte Zins.
Vorliegend hätte die Klägerin den vertraglich vereinbarten Zinssatz von 6,3 %
jährlich als Überlassungsvergütung zu zahlen, nachdem dieser Zinssatz nicht
höher liegt als der gesetzliche Verzugszinssatzes nach § 11 I VerbrKrG, der als
Bemessungsgrundlage für den marktüblichen Zins herangezogen werden kann.
Der Zinssatz des § 11 I VerbrKrG betrug 5 % über dem Diskontsatz der Deutschen
Bundesbank. Der Diskontsatz selbst aber lag ausweislich der Monatsberichte der
Deutschen Bundesbank in dem hier relevanten Zeitraum im Durchschnitt nicht
unter 1,3 %.Eine andere Beurteilung der Rechtslage hätte sich auch nicht unter
dem Gesichtspunkt ergeben, dass es sich bei dem Fondsbeitritt und dem
Darlehensvertrag um ein Verbundgeschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG handelte. In
der hier relevanten Zeit war eingedenk § 9 IV VerbrKrG bereits fraglich, ob die
Vorschrift überhaupt entsprechend auch für Kredite galt, die - wie hier - zur
Finanzierung der Beteiligung an einem Fonds gewährt wurden. Die Frage hatte der
Bundesgerichtshof bis dahin offen gelassen.
Selbst wenn man aber einen Vorgriff auf die Rechtsprechung des II. Zivilsenats im
Jahre 2003 (vgl. BGH vom 21.7.2003, II ZR 387/02) machen würde, wäre unklar
geblieben, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines Verbundgeschäfts -
gleichzeitiges Anbieten von Fondsbeteiligung und Darlehensvertrag durch den
Vermittler unter Verwendung von Formularen der Bank - überhaupt vorlagen.
Hierzu hat die Klägerin auch im Regressprozess nichts vorgetragen.
Auch wenn man dies dahinstehen lässt, wäre damals noch eine weitere hohe
Hürde zu nehmen gewesen, denn die Rückabwicklung hätte sich nach den Regeln
der fehlerhaften Gesellschaft richten müssen.
b) Die Rechtsverteidigung bzw. die Widerklage der Klägerin hätte auch unter dem
Aspekt der angeblichen Formunwirksamkeit des Darlehensvertrages keinen Erfolg
gehabt. In der hier relevanten Zeit wurde die Nichtangabe des "Restlaufzeit-
Gesamtbetrages" (Angabe der Zinsen nur bis zum Ablauf der ersten
Zinsbindungsfrist und nur des Nettorestbetrages bis zum Ablauf der gesamten
Darlehenslaufzeit) in den Fällen der sog. "unechten Teilabschnittfinanzierung" nicht
problematisiert. Die erste BGH-Entscheidung, die die Einhaltung der
Formvorschriften des § 4 I VerbrKrG auch für die unechte Abschnittsfinanzierung
verlangt, stammt vom 8.6.2004 (XI ZR 150/03). Aktuell vertritt der BGH zudem die
Auffassung, dass jedenfalls dann eine Heilung nach § 6 II VerbrKrG eintritt, wenn
der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen hat. Hiervon ist vorliegend
auszugehen, auch wenn das Darlehen auf das Treuhandkonto ausgezahlt wurde
(BGH vom 25.4.2006, XI ZR 29/05).
Wie die Beklagten zutreffend einwenden, kommt hinzu, dass diesbezüglich schon
keine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) vorliegt, denn die Feststellung eines
Verstoßes gegen § 4 I VerbrKrG ist reine Rechtsanwendung, die das Gericht selbst
vornehmen muss. Eines Vortrags des Beklagten zu 1) hierzu hat es nicht bedurft,
nachdem der Darlehensvertrag selbst, aus dem sich alle notwendigen Tatsachen
für die Rechtsanwendung ergeben, dem Gericht vorgelegen hat.
2. Der Beklagte zu 1) hat sich auch nicht schon dadurch haftbar gemacht, dass er
der Klägerin überhaupt zur Verteidigung gegen die Klage der Bank (anstelle eines
Anerkenntnisses) und darüber hinaus zu einer Widerklage geraten hat. Zwar ist es
denkbar, dass der Anwalt sich in diesen Fällen gegenüber seinem Mandanten
haftbar macht. Vorliegend kann man jedoch nicht davon ausgehen, dass die
Strategie der Beklagten zu 1) von vornherein aussichtslos bzw. pflichtwidrig war,
weil der Erfolg der Rechtsverteidigung und der Widerklage von einer
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weil der Erfolg der Rechtsverteidigung und der Widerklage von einer
Beweisaufnahme abhängig. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1) hätten
erkennen müssen, dass die Beweisaufnahme zuungunsten der Klägerin ausgehen
würde, sind nicht erkennbar.
3. Die Beklagten zu 2) haften aus denselben Gründen, die oben in Bezug auf das
Verhalten des Beklagten zu 1) ausgeführt wurden, nicht für den Schaden, den die
Klägerin daraus herleitet, dass von ihren damaligen Prozessbevollmächtigten
weder der Widerruf des Darlehensvertrages noch seine angebliche
Formunwirksamkeit problematisiert wurde. Der Stand der Rechtsprechung hatte
sich auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (13.3.2002) in Bezug auf die
hier relevanten Rechtsprobleme noch nicht verändert.
Anders als dem Beklagten zu 1) kann den Beklagten zu 2) aber schon keine
Pflichtverletzung vorgeworfen werden, da sie in der Berufungsinstanz des
Vorprozesses mit Schriftsatz vom 11.3.2002 den Widerruf erklärt haben.
4. Soweit die Klägerin den Beklagten zu 2) zusätzlich vorwirft, dass sie die
Berufung auf einen Hinweis des Senats zurückgenommen haben, verfängt dies
ebenfalls nicht, da hieraus nur dann ein Schaden hätte entstehen können, wenn
die Berufung ansonsten hätte Erfolg haben können. Hiervon konnten die Beklagten
zu 2) aus den vorgenannten Gründen zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ausgehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2, 108 I ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht
vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.