Urteil des LG Frankfurt am Main vom 15.08.2008

LG Frankfurt: mängelrüge, reiseveranstalter, beweislast, entschädigung, reiseleiter, form, lärm, schwimmbecken, pauschalreisevertrag, urlaub

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Gericht:
LG Frankfurt 24.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2-24 S 29/07, 2/24
S 29/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 651c Abs 1 BGB, § 651d Abs
1 BGB, § 651d Abs 2 BGB
Pauschalreisevertrag: Verspätete Mängelrüge aufgrund
Nichterreichbarkeit der Reiseleitung; Beweislast
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.01.2007 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H., Az.: 2 C 2175/06 (22), teilweise wie folgt
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.067,34 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2006 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits, sowohl der ersten als auch der zweiten Instanz,
hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I S. 1 ZPO
abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache Erfolg.
1.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des
Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen
Reisemängeln gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt
533,68 Euro.
a.
Die Reise des Klägers (Reisezeit: 07.05.2006 - 28.05.2006) war mängelbehaftet im
Sinne von § 651c I BGB.
In der Zeit vom 07.05. - 13.05.2006 waren der Kläger und seine Lebensgefährtin,
ausgehend von der nah gelegenen Plaza, massiven Lärmbeeinträchtigungen
ausgesetzt. Diese Lärmbelästigungen rührten durch Aufbauarbeiten her, die der
Errichtung einer Showbühne für eine Modenschau am 13.05.2006 dienten. Die
Lärmbelästigungen bestanden zum einen in elektrischen Metall- und
Holzsägearbeiten, Hämmern, Fallen lassen von Stahlrohren sowie dem
ganztägigen Betrieb von zwei Kompressoren. Diese waren täglich ab morgens ca.
8.00 Uhr bis abends 18.00 Uhr zu vernehmen.
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Weiterhin lag im genannten Zeitraum eine massive Lärmbeeinträchtigung durch
Musikbeschallung vor. Die mit den Aufbauarbeiten beschäftigten Handwerker
betrieben eine Musikanlage, die teilweise mit 140 Dezibel betrieben worden ist. Die
Musikbeschallung dauerte von morgens 8.00 Uhr bis nachts 24.00 Uhr, zeitweilig
bis 1.00 Uhr morgens. Die Lärmbelästigungen fanden auch am Samstag und
Sonntag statt. Die Entfernung zwischen der Baustelle und dem Hotelzimmer des
Klägers sowie dem Schwimmbecken betrug Luftlinie ca. 25m.
Diesem substanziierten Sachvortrag des Klägers ist die Beklagte trotz Hinweises
des Berufungsgerichts ihrerseits jedenfalls nicht in substanziierter Weise
entgegengetreten. Danach ist von dem klägerischen Vortrag auszugehen.
Dieser Reisemangel in Form von unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen war auch
ganz erheblich. Zwar ist zutreffend, dass der Lärm von einem öffentlichen Platz
ausgegangen ist, jedoch schließt dies einen Minderungsanspruch nicht aus.
Vielmehr ist der Minderungsanspruch verschuldensunabhängig.
Der Kläger und seine Lebensgefährtin waren dem Lärm auch massiv ausgesetzt.
Die Lärmquelle befand sich gerade einmal ca. 25m Luftlinie vom Zimmer und auch
dem Schwimmbecken entfernt. Maßgeblich zu berücksichtigen war, dass danach
zwei Hauptaufenthaltsorte und Rückzugsgebiete während des Urlaubs ganz
erheblich von dem Lärm betroffen waren. Es ist auch offensichtlich, dass ein
Urlaub durch eine solche massive Lärmbeeinträchtigung außerordentlich
beeinträchtigt wird. Selbst wenn die Unterkunft im Übrigen mangelfrei ist, wird
dieser Umstand durch die ständige Lärmbeeinträchtigung nicht unwesentlich
entwertet.
Nach all dem ist von einem ganz massiven Reisemangel in Form einer
Lärmbeeinträchtigung auszugehen. Das Berufungsgericht hält insoweit eine
Minderungsquote von 50% für angemessen und ausreichend.
Bei einem relevanten Gesamtreisepreis von 3.202,– Euro ergibt sich bei einer
21tägigen Reise ein Tagesreisepreis von 152,48 Euro. Da die Beeinträchtigung 7
Tage andauerte ergibt sich insoweit ein minderungsrelevanter Betrag von 1.067,36
Euro (= 7 x 152,48 Euro). Ausgehend von dem Betrag von 1.067,36 Euro ergibt
sich bei einer Minderungsquote von 50% ein Minderungsbetrag von 533,68 Euro.
b.
Ein Minderungsanspruch ist vorliegend auch nicht gem. § 651d II BGB wegen einer
fehlenden Mängelrüge ausgeschlossen.
Zwar hat der Kläger die Lärmbeeinträchtigungen gegenüber dem Reiseleiter Herr
S. ausweislich der Gesprächsnotiz vom 13.05.2006 erst an diesem Tag angezeigt.
Jedoch ist vorliegend nach den Gesamtumständen, und insbesondere unter
Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme, davon auszugehen, dass
vorliegend eine frühere Mängelrüge des Klägers mangels Erreichbarkeit des
Reiseleiters nicht möglich gewesen ist.
Hinsichtlich der Mängelrüge gem. § 651d II BGB gilt nach der ständigen
Rechtsprechung der Kammer Folgendes:
Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer trägt der Reiseveranstalter für
den Einwendungstatbestand des § 651d II BGB, also eine unterlassene
Mängelrüge, grundsätzlich die Beweislast. Die Kammer vertritt die Ansicht, dass in
diesem Zusammenhang eine abgestufte Prüfung vorzunehmen ist.
Im Ausgangspunkt hat im Bestreitensfall der Reiseveranstalter nachzuweisen,
dass eine rechtzeitige Mängelanzeige am Urlaubsort unterblieben ist. Die Kammer
ist der Ansicht, dass die Frage der Beweislast bei § 651d II BGB einer
differenzierten Lösung bedarf, die insbesondere der Tatsache Rechnung trägt,
dass der dem Reiseveranstalter obliegende Beweis ein Negativbeweis ist, der
bekanntermaßen mit Schwierigkeiten verbunden ist. Unter diesen Umständen wird
der Reiseveranstalter sich zunächst damit begnügen können, dass er sich auf den
Ausnahmetatbestand des § 651d II BGB beruft, wenn er gleichzeitig vorträgt, dass
eine Person vorhanden war, die für die Entgegennahme der Mängelanzeige
zuständig war, und dass bei dieser Person eine Mängelanzeige entweder
überhaupt nicht oder erst zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt
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überhaupt nicht oder erst zu einem bestimmten (späteren) Zeitpunkt
eingegangen ist. Es liegt dann im Rahmen der Darlegungslast des Reisenden,
vorzutragen, dass, wann durch wen und wem gegenüber er früher die Mängelrüge
abgegeben hat. Ein bei der Beweisaufnahme sich ergebendes non-liquet muss
aber dann zum Nachteil des Reiseveranstalters ausschlagen. Auch für die
Tatsache der Erreichbarkeit der Reiseleitung ist der Reiseveranstalter im Ergebnis
beweisbelastet (vgl. Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am
Main vom 26.06.2008, Az. 2-24 S 86/07). Allerdings trägt der Reisende die
Beweislast dafür, dass er ohne Verschulden an der rechtzeitigen Abgabe der
Mängelanzeige gehindert war; außerdem muss er nach allgemeinen
Beweislastgrundsätzen die Beweislast für die Tatsachen tragen, aus denen sich
ganz ausnahmsweise eine Entbehrlichkeit der Mängelanzeige herleiten lässt (vgl.
zum Ganzen Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom
31.08.2006, RRa 2007, 69, 71; Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 17.03.1986, NJW-RR 1986, 540 ff.; ebenso LG Kleve, RRa
1997, 72-74; Seyderhelm, Reiserecht, 1997, § 651 d BGB, Rn. 124).
Der Kläger hat zunächst substanziiert vorgetragen, dass eine frühere persönliche
bzw. telefonische Mängelrüge mangels Erreichbarkeit des Reiseleiters nicht
möglich gewesen ist. Die Beklagte hat dagegen eine ständige Erreichbarkeit des
Reiseleiters behauptet. Darüber hat das Gericht Beweis erhoben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die beweisbelastete Beklagte
jedenfalls nicht bewiesen, dass die Reiseleitung vor dem 13.05.2006 erreichbar
gewesen ist.
Insoweit ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rückblickend der wiederholte
Vortrag der Beklagten, dass alle Sprechstunden eingehalten und keine ausgefallen
seien, in höchstem Maße bedenklich. Der von der Beklagten als Zeuge benannte
Reiseleiter der Beklagten, Herr S., hat den eigenen Vortrag der Beklagten klar und
eindeutig widerlegt, in dem er explizit ausgesagt hat, dass die hier in Rede
stehende Sprechstunde vom 09.05.2006 ausgefallen ist. Insoweit drängt sich der
Eindruck auf, als ob die Beklagte ohne Nachfrage bei ihrem eigenen Reiseleiter ins
Blaue hinein vorträgt. Eine Erklärung für diese Diskrepanz hat die Beklagte
jedenfalls nicht geliefert.
Zwar hat der Zeuge S. ausgesagt, dass im Übrigen eine Erreichbarkeit per Telefon
gewährleistet gewesen sei. Dies hat auch die Zeugin R., Mitarbeiterin der
Beklagten, bestätigt. Die Aussage der Zeugin R. ist schon unglaubwürdig. Insoweit
hat diese Zeugin ausgesagt, dass der Reiseleiter S. die Sprechstunde am
09.05.2006 abgehalten habe. Dies ist ausweislich der Aussage des Zeugen S.,
wonach diese Sprechstunde ausgefallen ist, falsch. Aufgrund dieser Umstände
vermag das Berufungsgericht der Aussage der Zeugin R. insgesamt keinen
Glauben zu schenken.
Dagegen hat die Zeugin S., Lebensgefährtin des Klägers und Mitreisende,
glaubhaft und nachvollziehbar im Detail geschildert, dass die Reiseleitung bis zum
13.05.2006 weder persönlich noch telefonisch erreichbar war. Insbesondere hat die
Zeugin S. überzeugend geschildert, was der Kläger und sie für Versuche
unternommen haben, um die Reiseleitung zu erreichen, was jedoch erfolglos
geblieben. Der Umstand, dass die Zeugin S. die Lebensgefährtin des Klägers ist,
steht ihrer Glaubwürdigkeit nicht entgegen.
Nach all dem lässt sich jedenfalls nicht annehmen, dass die beweisbelastete
Beklagte die Erreichbarkeit der Reiseleitung bewiesen hat.
Danach kommt ein Ausschluss des Minderungsanspruchs nach § 651d II BGB nicht
in Betracht.
Nach all dem hat der Kläger einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte wegen
einer eingetreten Minderung in Höhe von 533,68 Euro.
2.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und
abgetretenem Recht auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener
Urlaubsfreude gem. § 651f II BGB in Höhe von insgesamt 533,68 Euro.
Die Reise des Klägers und seiner Lebensgefährtin war im Sinne von § 651f II BGB
erheblich beeinträchtigt.
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Nach der Rechtsprechung der Kammer und der wohl noch herrschenden Meinung
liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vor, wenn Reisemängel in dem
Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50 %
gerechtfertigt ist.
Dies ist hier wie oben dargelegt der Fall.
Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter
Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f II BGB auf den
Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu
stehen hat (vgl. z.B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).
Vorliegend war die Reise in der ersten Woche (07.05. - 13.05.2006) erheblich
beeinträchtigt, wobei wie oben ausgeführt eine Minderungsquote von 50%
gerechtfertigt war. Insoweit ergab sich ein Minderungsbetrag von 533,68 Euro.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist dieser Betrag insgesamt auch als
Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude für den Kläger und seine
Lebensgefährtin gerechtfertigt, also 2 x 266,84 Euro = 533,68 Euro.
Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau S., hat ihren Entschädigungsanspruch an
den Kläger abgetreten (Bl. 10 d.A.).
Nach all dem ist ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 533,68 Euro
gerechtfertigt.
3.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 I 2, 247 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht
vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.