Urteil des LG Essen vom 13.11.2007

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Landgericht Essen, 1 O 270/06
Datum:
13.11.2007
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 270/06
Normen:
§§ 126, 127 BGB, § 12 ALB
Sachgebiet:
Bürgerliches Recht
Tenor:
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen
auf die mündliche Verhandlung vom 22.11.2006
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht T.und die Richter am
Landgericht P. und H.
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Am 15.12.1977 schloss der am 03.07.2005 verstorbene Ehemann der Klägerin, Herr G.,
mit der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag ab. Der Vertrag lief bis zum
01.12.2006. Der verstorbene Versicherungsnehmer, Herr G., hatte bereits mehrfach die
Bezugsberechtigung geändert.
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Am 06.06.2003 Jahr gab der Verstorbene persönlich bei der Beklagten ein von ihm
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nicht vollständig ausgefülltes Änderungsformular für die Bezugsberechtigung aus der
Lebensversicherung ab. Zu diesem Zeitpunkt waren von dem Verstorbenen seine drei
Kinder M., I. und J. G.als Bezugsberechtigte eingesetzt. Bei diesem Formular handelt es
sich um einen Vordruck, welchen die Beklagte zur Verfügung gestellt hatte. In das zur
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Angabe von Name und Anschrift des Versicherungsnehmers vorgesehene Feld setzte
der Ehemann der Klägerin handschriftlich und in Druckbuchstaben seinen Namen und
seine Anschrift ein. Auf der zur Unterschrift gedachten Linie erfolgte jedoch keine
weitere handschriftliche Eintragung durch den Verstorbenen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten in Bezug auf das Änderungsformular wird auf
Blatt 5 d. A. verwiesen.
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Dem Lebensversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen
für die Lebensversicherungen zu Grunde.
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§ 12 Abs. 3 ALV lautet : "Willenserklärungen und Anzeichen gegenüber dem Verein
bedürfen der Schriftform."
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Mit Schreiben vom 10.06.2003 wies die Beklagte den Ehemann der Klägerin darauf hin,
dass eine Unterschrift erforderlich sei.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihr verstorbener Ehemann habe die Bezugsberechtigung
der Lebensversicherung wirksam zu ihren Gunsten geändert. Die der Beklagten am
06.06.2003 zugegangene Änderungsanzeige sei formwirksam. Entscheidend hierfür sei
allein der Umstand, dass ihr verstorbener Ehemann seinen Namen handschriftlich und
eigenhändig zeichnete. Auf der Änderungsanzeige befinde sich deshalb ein
individueller Schriftzug, der die Identität des Unterschreibenden ausreichend
kennzeichne.
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Sie behauptet, ihr verstorbener Ehemann habe auch nach dem 06.06.2003 mehrfach
gegenüber Dritten erklärt, dass sie aus dem Versicherungsvertrag begünstigt sei.
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Mit Schreiben vom 22.09.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auszahlung der
Versicherungssumme bis spätestens Ende September 2005 auf.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 27.802,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über den Basiszins seit dem 01.10.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Auszahlung der
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Lebensversicherungssumme nicht zu. Der verstorbene Versicherungsnehmer habe die
Änderung der Bezugsberechtigung nicht wirksam vorgenommen. Zwar sei vom
Ehemann der Klägerin ein Änderungsformular entgegengenommen und am 06.06.2003
mit einem Eingangsstempel versehen worden, jedoch sei die nach den
Versicherungsbedingungen einzuhaltende Schriftform nicht erfüllt. Das genannte
Formular sei vom Versicherungsnehmer nicht unterschrieben worden. Zur Wahrung der
Schriftform sei erforderlich, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch
Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet
werde. Erforderlich sei eine Unterschrift, um die Identität des Ausstellers erkennbar zu
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machen, die Echtheit der Urkunde zu gewährleisten und dem Empfänger die Prüfung zu
er-möglichen, wer die Erklärung abgegeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung der
Lebensversicherungssumme aus der bei der Beklagten von ihrem verstorbenen
Ehemann abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag.
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Sie ist nicht Bezugsberechtigte.
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Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat das Bezugsrecht nicht wirksam geändert.
Das Bezugsrecht hängt allein von den dafür im Versicherungsvertrag vereinbarten
Bedingungen ab (BGH, NJW 1995, 1082). Die vereinbarten Versicherungsbedingungen
sehen im vorliegenden Fall vor, dass Willenserklärungen und Anzeigen gegenüber der
Beklagten der Schriftform bedürfen, § 12 Abs. 3 ALV. Die in den allgemeinen Ver-
sicherungsbedingungen für die Lebensversicherungen vereinbarte Schriftform meint
dabei eine eigenhändige Unterschrift im Sinne der §§ 127, 126 BGB (Prölls/Martin,
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§ 12 ALB 86 RN 1). Bei Formmangel ist eine entsprechende Willenserklärung im
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Zweifel unwirksam, § 125 S. 2 BGB.
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Im vorliegenden Fall hat der verstorbene Ehemann der Klägerin die vereinbarte
Schriftform nicht eingehalten. Er hat die Änderungsanzeige nicht im Sinne von § 126
BGB unterschrieben.
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Der vom verstorbenen ausgefüllte Vordruck ist überschrieben mit "Änderung der
Bezugsberechtigung". Sodann enthält das Formular vorgedruckte Felder zur Angabe
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der Versicherungsscheinnummer und dem Namen und Vornamen der versicherten
Person, die der Versicherungsnehmer handschriftlich auszufüllen. Danach folgt die
Erklärung, die Bezugsberechtigung für den Erlebensfall und/oder Todesfall zu ändern,
wobei durch Ankreuzen vorgegebene Alternativen gewählt werden können. Der
Verstorbene kreuzte hierbei auch die Alternative "Todesfall" an und schrieb auf eine zur
näheren Bestimmung vorgesehenen Linie " ............. in München". Darunter sieht das
Formular in der linken Ecke ein dreizeiliges Feld vor, in welchem der Name und die
Anschrift des Versicherungsnehmers einzufüllen ist, rechts daneben befindet sich eine
weitere Linie, auf welcher eine Unterschrift des Ver-sicherungsnehmers erfolgen und
das Datum der Unterschrift angegeben werden soll.
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Der verstorbene Versicherungsnehmer hat lediglich in der Rubrik "Name und Anschrift
des Versicherungsnehmers" seine Anschrift , die aus seinem Namen und seiner
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Adresse besteht, in Druckbuchstaben angegeben. Diese Eintragung wird den von der
Rechtsprechung an eine Unterschrift gestellten Voraussetzungen nicht gerecht.
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Die Unterschrift hat im Rahmen der Klarstellungs- und Beweisfunktion den Zweck, die
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Identität des Ausstellers erkennbar zu machen, die Echtheit der Urkunde zu
gewährleisten und dem Empfänger die Prüfung zu ermöglichen, wer die Erklärung
abgegeben hat. Die Unterschrift muss die Erklärung räumlich abschließen (BGHZ NJW
1991, 487). Sie soll die Person des Ausstellers erkennbar machen. Insoweit reicht sogar
die ver-sehentliche Unterzeichnung mit einem fremden Namen aus, wenn sich die
Identität des Unterzeichnenden einwandfrei aus der Urkunde ergibt (BayObLG NJW
1956, 24). Erforderlich, aber auch genügend ist hierfür, ein die Identität des
Unterschreibenden ausreichender kennzeichnender individueller Schriftzug, der
einmalig ist, entsprechend charakteristische Merkmale aufweist und sich als
Wiedergabe eines Namens darstellt. Ob ein Schriftzeichen eine Unterschrift [oder
lediglich eine Abkürzung (Handzeichen, Paraphe)] darstellt, ist nach dem äußeren
Erscheinungsbild zu beurteilen (BGH NJW 1994, 55).
Der Eintrag seines Namens in der Rubrik "Name und Anschrift des
Versicherungsnehmers" diente nicht dazu, eine Erklärung dahingehend abzugeben, die
Änderungsanzeige stamme von ihm, was im übrigen auch zwischen den Parteien
unstreitig ist.
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Nach dem äußeren Erscheinungsbild war der Namenszug an dieser Stelle erkennbar
nicht als Unterschrift gemeint, sondern als Bestandteil der Anschrift. Insoweit fehlt es
also schon an der abschließenden Funktion der Unterschrift. Dem Verstorbenen war
dies insoweit auch erkennbar. Indem er ein vorgedrucktes Formular der Beklagten
verwendete, welches neben einem Adressfeld auch ein besonderes Feld für eine
gesonderte Unterschrift vorsah, musste er auch davon ausgehen, dass die Versicherung
alleine die Ausfüllung des Adressfeldes nicht als Unterschrift anerkennt. Erforderlich war
daher eine besondere Unterschrift, die erkennen lässt, dass die vom Ver-
sicherungsnehmer abgegebene Erklärung von diesem "bestätigt" wird. Dies bedeutet
aber zwingend, dass diese Unterschrift nicht schon Bestandteil der zu bestätigenden
Erklärung ist.
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Zum anderen kann nach dem objektiven Erscheinungsbild des Namenszuges auch
nicht von einer Unterschrift im Sinne der Rechtsprechung ausgegangen werden. Sie
enthält offensichtlich keine individuellen, charakteristischen Merkmale, die aus der
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Urkunde selbst abzulesen wären, wie auch ein Vergleich mit den dem Gericht vor-
liegenden Schreiben vom 08.07.1985 und 25.11.2997, die jeweils eine Unterschrift
enthalten, ergibt. Insoweit ist es unerheblich, ob – wie unstreitig –diese handschriftliche
Eintragung von dem Verstorbenen stammt und das Änderungsformular der Beklagten
auch tatsächlich zugegangen ist und ob der Verstorbene Dritten gegenüber geäußert
hat, die Klägerin sei nun aus der Lebensversicherung berechtigt. Denn der Wille des
Unterzeichnenden ist nur insoweit von Bedeutung als er in dem Schriftzug seinen
Ausdruck gefunden hat (BGH NJW 1994, 55).
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Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus einer Schutzpflichtverletzung aus dem
Versicherungsvertrag zu. Zwar hat eine Mitarbeiterin der Beklagten das Schriftstück des
verstorbenen Ehemannes der Klägerin entgegengenommen und mit einem
Eingangsstempel versehen, ohne diesen unmittelbar auf das Fehlen der Unterschrift
hinzu-weisen. Eine Pflichtverletzung liegt aber nicht vor, da die Beklagte unbestritten
den verstorbenen Ehemann der Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2003 darauf hinge-
wiesen hat und ein Hinweis von der die Urkunde entgegennehmenden Person nicht zu
erwarten war und auch nicht geschuldet wurde.
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Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht auf Grund §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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