Urteil des LG Essen vom 25.01.2008

LG Essen: ausfuhr, irak, zollamt, sicherheitsrat der vereinten nationen, waffen und munition, depot, awv, falsche auskunft, firma, abstraktes gefährdungsdelikt

Landgericht Essen, 56 KLs 31/07
Datum:
25.01.2008
Gericht:
Landgericht Essen
Spruchkörper:
XXI. große Strafkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
56 KLs 31/07
Normen:
§ 34 (1) AWG i. d. F. v. 11.12.1996, § 5 (1) AWV i. d. F. v. 25.05.2004
Sachgebiet:
Strafrecht
Tenor:
hat die XXI. große Strafkammer des Landgerichts Essen
in der Sitzung vom 25.01.2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht T.
als Vorsitzender,
Richter am Landgericht Dr. I.
als beisitzender Richter,
Beamtin C. T., Gelsenkirchen,
Beamter E. C., Essen
als Schöffen,
Staatsanwältin T.
als Beamtin der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt X. aus Essen
als Verteidiger,
Justizbeschäftigte A.
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für R e c h t erkannt:
Der Angeklagte ist schuldig der vorsätzlichen Ausfuhr von in Teil I
Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur
Außenwirtschaftsverordnung) genannten Waren ohne die erforderliche
Genehmigung in zwei Fällen.
Er wird deswegen kostenpflichtig unter Einbeziehung der in dem
Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 21.03.2007 (37 Cs 303 Js
86/07 – 46/07) verhängten Ein-zelstrafen und unter Auflösung der
dortigen Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtgeld-strafe von 200
Tagessätzen à 17,50 € verurteilt.
Der Angeklagte darf die Geldstrafe in monatlichen Raten von 100,00 €,
fällig jeweils am 10. eines jeden Monats, beginnend mit der Rechtskraft
des Urteils, erbringen. Die Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte
mit einer Rate ganz oder teilweise für mehr als 14 Tage in Verzug gerät.
Angewendete Vorschriften: § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG i. d. F. vom
11.12.1996 i. V. m. § 5 Abs. 1 AWV i. d. F. vom 25.05.2004, §§ 2, 17, 42,
49, 53, 54, 55 StGB.
Gründe:
1
I.
2
Der Angeklagte wurde am 25.10.1960 in Kersnjerg im Irak geboren. Er gehörte zur
kurdischen Volksgruppe. Nach seiner Schulzeit studierte er Maschinenbau in Bagdad.
Im Jahr 1982 verurteilte ihn ein irakisches Gericht zum Tode, weil er den Kriegsdienst
verweigert hatte. Ihm gelang jedoch die Flucht in den Iran. Im Jahr 1986 kam er nach
Deutschland. Hier nahm er ebenfalls ein Maschinenbau-Studium auf, das er als Diplom-
Ingenieur abschloss. Im Anschluss an das Studium arbeitete er eine Zeitlang bei der
Firma . Später machte er sich als Taxiunternehmer selbständig. Im Jahr 1999 gab er
sein Taxiunternehmen auf und gründete ein Import-Export-Unternehmen, das er in
Essen als Einzelkaufmann führte. Bis zum Jahr 2004 trieb er Handel vorwiegend mit
Geschäftspartnern in der Türkei und in Pakistan. Von 2004 bis 2006 exportierte er auch
Waren in den Irak, insbesondere Baumaschinen, Generatoren, Waschanlagen und
Druckmaschinen. Ferner vertrat er deutsche und niederländische Firmen im Irak. Dort
erwarb er auch ein Grundstück, wo er ein Warenlager einrichtete. Das Grundstück ist
inzwischen wieder verkauft.
3
Aufgrund der Exportgeschäfts, das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, verlor
der Angeklagte viel Geld. Sein Import-Export-Unternehmen stellte er ein. Er verfasste
ein Buch, das im Irak mit 5.000 Exemplaren aufgelegt wurde. Zwischenzeitlich erzielte
4
er Einkünfte von 1.000,00 – 1.800,00 € netto monatlich durch den Verkauf
ausgemusterter Kompressoren. Derzeit hat er kein eigenes Einkommen und lebt
hauptsächlich von der Unterstützung durch Freunde und Verwandte.
Der Angeklagte hat die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Er ist verheiratet und
hat zwei Kinder im Alter von 4 ½ und 3 Jahren. Seine Ehefrau erhält staatliche
Unterstützung, um den Lebensunterhalt zu finanzieren.
5
Der Angeklagte ist durch Strafbefehl des Amtsgerichts Essen vom 21.03.2007 wegen
Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je
30,00 € verurteilt worden. In dem Strafbefehl heißt es:
6
"Sie sind Einzelunternehmer und handeln mit Maschinen aller Art. Die am 04.01.2006
durchgeführte Umsatzsteuernachschau des Finanzamts Essen-Nord ergab, dass Sie in
dem Jahr 2005 Umsätze getätigt haben, für die Sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen
eingereicht haben. Sie sind somit Unternehmer und als solcher verpflichtet, zu den
jeweiligen gesetzlichen Abgabeterminen Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen.
Dieser Verpflichtung sind Sie pflichtwidrig nicht nachgekommen. Folgende Umsätze
wurden laut Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung nicht erklärt:
7
Zeitraum
Nettoumsätze in
Euro
darauf entfallende 16%ige
Umsatzsteuer in Euro
Januar 2005
25.862
4.137
Februar 2005
6.034
965
März 2005
14.400
2.304
Mai 2005
8.793
1.406
Juni 2005
12.716
2034
August 2005
7.759
1.241
September 2005
24.000
3.840
Oktober 2005
2.500
400
Strafbefangene Umsatzsteuer
gesamt:
16.327
8
Strafmildernd ist zu berücksichtigen, dass Sie bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung
getreten sind. Strafmildernd ist ebenfalls, dass der durch die Steuerverkürzung
entstandene Schaden sich durch die Vorsteuerbeträge 2005 i. H. v. 2028,76 € mindert.
Strafverschärfende Gründe liegen soweit ersichtlich nicht vor.
9
Vergehen nach §§ 370 Abs. 1 Nr. 2, 149, 150, 369 AO, 18 UStG, 53 und 25 StGB.
10
(...)
11
Auf Antrag des Finanzamtes wird gegen Sie eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen
zu je 30 EUR festgesetzt.
12
Die Gesamtgeldstrafe setzt sich wie folgt zusammen:
13
Einsatzstrafe: Umsatzsteuervoranmeldung Januar 2005
4.137 € 30 Tagessätze
Einzelstrafe:
Umsatzsteuervoranmeldung Februar 2005
965 €
8 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung März 2005
2.304 € 20 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung Mai 2005
1.406 € 10 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung Juni 2005
2.034 € 15 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung August 2005
1.241 € 10 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung September 2005
3.840 € 30 Tagessätze
Umsatzsteuervoranmeldung Oktober 2005
400 €
5 Tagessätze
14
Zugleich werden Ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Ihre eigenen Auslagen
haben Sie selbst zu tragen."
15
Der Strafbefehl ist seit dem 11.04.2007 rechtskräftig. Die Strafe ist noch nicht vollständig
gezahlt.
16
II.
17
1. Vorgeschichte
18
Im Rahmen seines Import-Export-Unternehmens vereinbarte der Angeklagte mit der
Firma B. International Ltd., ansässig in F. im Irak, Stromerzeugungsaggregate zur
Versorgung von Dörfern mit Strom in das Kurdengebiet im Nordirak zu liefern.
Ursprünglich war an 240 Stromaggregate gedacht. Für den Ankauf erhielt der
Angeklagte von der Fa. B. 150.000,00 €.
19
Ein Geschäftspartner des Angeklagten, ein Herr.I., vermittelte dem Angeklagten den
Kontakt zu dem Zeugen L., der in Meinersen ein Handelsunternehmen betrieb. L.
veräußerte an den Angeklagten mit schriftlichem Vertrag vom 09.11.2004 insgesamt 100
Stromaggregate zum Kaufpreis von 980,00 € netto pro Stück. Der Kaufpreis enthielt eine
Provision von jeweils 30,00 € pro Stück für I.. L. wies den Angeklagten bei
Vertragsabschluss nicht darauf hin, dass er verpflichtet sei, die Aggregate zu zerlegen,
weil es sich um militärische Güter handele.
20
Die Stromaggregate stammten aus Beständen der Bundeswehr und waren in den
sechziger Jahren in ihrem Auftrag speziell für militärische Zwecke konstruiert und
gebaut worden. Sie waren nicht auf dem zivilen Markt erhältlich und hatten den Zweck,
mobile Abschussrampen des Flugabwehrraketensystems HAWK der Bundeswehr mit
Strom zu versorgen. Jedes Stromaggregat bestand aus einem Generator und einem ihn
antreibenden Motor. Der Generator erzeugte Wechselstrom mit einer Frequenz von 400
Hertz. Mit dieser Frequenz arbeiten vorwiegend militärische Anlagen, insbesondere
Abschusseinrichtungen und Radarstationen. Nur vereinzelt ist die 400-Hertz-Technik im
zivilen Bereich anzutreffen; dort vor allem in der Luftfahrt. Eine Nutzung des Generators
für zivile Zwecke setzt daher aufwändige technische Umstellungen auf 50 Hertz oder
21
für zivile Zwecke setzt daher aufwändige technische Umstellungen auf 50 Hertz oder
den Einsatz von Konvertern voraus. Der Motor des Herstellers Deutz, Baureihe
F6L714A, war als Vielstoffmotor für den Betrieb mit verschiedenen Brennstoffen zur
besonderen militärischen Nutzung ausgelegt. Seine konstante Drehzahl war speziell auf
den Betrieb des 400-Hertz-Generators abgestimmt. Für Kampfeinsätze im Gebirge war
der Motor höhentauglich; außerdem ließ er sich auch bei extrem niedrigen
Temperaturen starten. Um im Hinblick auf die beabsichtigte militärische Nutzung
problemlos zu ihren Einsatzorten transportiert zu werden, waren die Stromaggregate
besonders kompakt gebaut. Die Gehäuse der meisten Aggregate hatten einen Anstrich
in Tarnfarben. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befanden sich 22 Generatoren im
Bundeswehr-Depot H., weitere 82 im Bundeswehr-Depot N. .
Der Zeuge L. hatte die insgesamt 104 Stromaggregate, von denen er drei oder vier
selbst behalten wollte, seinerseits von der O-GmbH erworben. Die O-GmbH hatte die
Aggregate im Auftrag des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung von
Schadstoffen zu befreien (zu "delaborieren"), unbrauchbar zu machen und letztlich zu
verschrotten, da die Bundeswehr das Waffensystem HAWK aufgab und sie nicht mehr
benötigte.
22
2. Tat Nr. 1: Ausfuhr von 22 Stromaggregate aus dem Depot H.
23
Der Angeklagte besichtigte am 10.11.2004 im Beisein von Angehörigen der
Bundeswehr und eines irakischen Beamten die 22 erworbenen Stromaggregate im
Bundeswehrdepot H. Zwei oder drei zu Testzwecken eingeschaltete Aggregate
funktionierten zu diesem Zeitpunkt einwandfrei.
24
Am 15.11.2004 delaborierten Mitarbeiter der O- GmbH, nämlich der Zeuge D. und die
weiteren Mitarbeiter N. und T., die Stromaggregate. Sie entfernten bei jedem Aggregat
die radioaktiv belasteten Anzeigegeräte und die Asbest-Ummantelung der
Abgasanlage. Außerdem durchtrennten sie die Kabelbäume. Ein Elektriker oder
Elektroingenieur hätte die Aggregate jedoch wieder funktionsfähig machen können.
Dazu wäre es erforderlich gewesen, die durchtrennten Kabelbäume vollständig zu
ersetzen. Dies wäre auch ohne Schaltplan möglich gewesen. Die Arbeiten der
Mitarbeiter der O-GmbH waren dem Angeklagten nicht bekannt. Vielmehr ging er davon
aus, dass sämtliche 22 Aggregate voll funktionsfähig seien.
25
Der Angeklagte ließ die 22 Stromaggregate aus dem Depot H. am 15. oder 16.11.2004
auf dem Gelände der Bundeswehr auf drei LKW verladen und sodann in den Irak
bringen. Die LKW gehörten dem türkischen Transportunternehmen Z.. Der Angeklagte
hatte es durch Einschaltung der in Hof ansässigen Firma H., die Rückfrachten für
türkische Transportunternehmer organisierte, mit dem Transport beauftragt. Am
16.11.2004 fertigte das Zollamt Koblenz-Rheinhafen als Ausfuhrzollstelle die
Stromaggregate auf eine Ausfuhranmeldung des Angeklagten hin ab. Der Angeklagte
sprach nicht persönlich beim Zollamt vor, hatte jedoch die Ausfuhranmeldungsformulare
entweder selbst ausgefüllt oder von einer Mitarbeiterin seiner Firma gemäß seiner
Anweisung ausfüllen lassen. In den Formularen waren die Stromaggregate als
"gebrauchte Generatoren" bezeichnet. Als Bestimmungsland war der Irak angegeben.
Eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hatte
der Angeklagte nicht eingeholt; sie wäre auch nicht erteilt worden.
26
Für einen LKW mit sieben Stromaggregaten wurde auf Veranlassung der Firma Z. am
16.11.2004 beim Zollamt Dettelbach als Abgangszollstelle ein Carnet-TIR-Verfahren
27
eröffnet. Bestimmungszollstelle war das Zollamt I. (Türkei) an der türkisch-irakischen
Grenze. Der LKW verließ das Gebiet der Europäischen Union über den Grenzübergang
Gruskovje (Slowenien) und brachte die Aggregate schließlich in den Irak.
Für zwei weitere LKW mit sieben bzw. acht Stromaggregaten wurden am 17. bzw.
19.11.2004 beim Zollamt Suben als Abgangszollstelle Carnet-TIR-Verfahren eröffnet.
Bestimmungszollstelle, über welche die LKW in den Irak weiterfuhren, war auch hier I.
Die LKW verließen das Gebiet der Europäischen Union über die Grenzübergänge
Gruskovje bzw. Nagylak.
28
Der Angeklagten war zum Zeitpunkt der Verladung der Stromaggregate und der
Abfertigung in Koblenz-Rheinhafen bekannt, dass sie aus Beständen der Bundeswehr
stammten, über einen Vielstoffmotor verfügten und teilweise Tarnfarbe hatten. Er wusste
ferner, dass sie Wechselstrom der Frequenz 400 Hertz für militärische Zwecke
erzeugten und daher für die Versorgung von Dörfern mit Elektrizität ungeeignet waren.
Insoweit beabsichtigte er, sie im Irak umbauen zu lassen, nachdem sich ein von ihm
zunächst erwogener Umbau in der Bundesrepublik Deutschland nicht realisieren ließ.
Ihm war bekannt, dass die Ausfuhr bestimmter Güter nach dem Außenwirtschaftsgesetz
genehmigungspflichtig ist. Jedoch hielt er eine Ausfuhrgenehmigung für diese
Stromaggregate nicht für erforderlich.
29
3. Tat Nr. 2: Ausfuhr von 56 Stromaggregate aus dem Depot N.
30
Die weiteren Stromaggregate im Depot N. wurden von den genannten Mitarbeitern der
O-GmbH in der Zeit vom 16. bis 18.11.2004 in gleicher Weise wie die Aggregate aus H.
behandelt. Bei einer Besichtigung vor dem Transport in den Irak, deren genauen
Zeitpunkt die Kammer nicht feststellen konnte, bemerkte der Angeklagte, dass diese
Aggregate nicht funktionsfähig waren. Da der Transport bereits bestellt war und der
Angeklagte hoffte, man könne zumindest die Gehäuse oder einen Teil der Motoren
verwerten, entschloss er sich, die Ausfuhr wie geplant durchzuführen.
31
Die Stromaggregate aus dem Depot N. ließ der Angeklagte in der Zeit vom 16. bis zum
18.11.2004 ebenfalls auf LKW türkischer Transportunternehmer laden und in den Irak
bringen. Eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle hatte der Angeklagte auch in diesem Fall nicht eingeholt; sie wäre
auch nicht erteilt worden. Er sandte zunächst eine Ausfuhranmeldung per Telefax an
das Zollamt Euskirchen, erfuhr dann jedoch, das dieses Zollamt nicht mehr in Betrieb
war. Daraufhin sprach der Angeklagte am 17.11.2004 persönlich beim Zollamt Düren
vor, um 48 Stromaggregate auf sechs LKW zur Ausfuhr anzumelden. Die Zeugin A.,
Zollbeamtin beim Zollamt Düren, verweigerte jedoch die Abfertigung und verlangte,
dass die Aggregate auf dem Gelände des Zollamts gestellt werden müssten. Der
Angeklagte beorderte daher die sechs LKW telefonisch zum Zollamt Düren, wo sie am
späten Nachmittag des 17.11.2004 eintrafen. Eine Abfertigung konnte gleichwohl an
diesem Tag nicht mehr erfolgen, weil das Zollamt inzwischen Dienstschluss hatte.
32
Am nächsten Tag – der Angeklagte war inzwischen nicht mehr vor Ort – versuchten die
türkischen Fahrer der LKW und ein deutschsprachiger Mitarbeiter des Angeklagten, die
Zollabfertigung in Düren zu erreichen. Sie legten Ausfuhranmeldungsformulare vor, die
entweder der Angeklagte selbst ausgefüllt hatte oder von einer Mitarbeiterin seiner
Firma gemäß seiner Weisung hatte ausfüllen lassen. Auch in diesen Formularen waren
die Stromaggregate als "gebrauchte Generatoren" bezeichnet. Als Bestimmungsland
33
war der Irak angegeben. Die Zeugin A. verweigerte zunächst eine Abfertigung, da die in
den Ausfuhranmeldung angegebene Warennummer für die Außenhandelsstatistik nicht
zutraf. Sie teilte dies dem Angeklagten telefonisch mit. Anhand einer Liste mit
Warennummern, welche die Zeugin A. zur Verfügung stellte, gelang es dem
deutschsprachigen Mitarbeiter, die zutreffende Warennummer zu ermitteln. Er korrigierte
die Formulare entsprechend.
Die Zeugin A. besichtigte daraufhin die Ladung der LKW. Aufgrund der Tarnfarbe der
Stromaggregate erschien ihr die Ausfuhrfähigkeit fraglich. Sie rief daher den Beamten I.
vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) an, der ihr erklärte, die
Ausfuhr der Aggregate sei genehmigungspflichtig. Dies teilte die Zeugin A. dem
Angeklagten telefonisch mit und forderte ihn auf, mit dem BAFA Kontakt aufzunehmen.
Möglicherweise telefonierte der Angeklagte daraufhin am 18. oder 19.11.2004 mit einem
Mitarbeiter des BAFA. Das tatsächliche Zustandekommen und den Inhalt des etwaigen
Gesprächs konnte die Kammer nicht rekonstruieren. Keinesfalls teilte der Mitarbeiter des
BAFA dem Angeklagten mit, eine nachträgliche Genehmigung des Exports durch das
BAFA sei auch nach erfolgter Ausfuhr möglich.
34
Der Angeklagte, der vermutete, die Zeugin A. wolle ihn als "kleinen" Exporteur "ärgern",
beorderte die sechs gestellten LKW, sowie einen weiteren LKW, der ebenfalls acht
Stromaggregate geladen hatte, zum Zollamt Essen, mit dem er bereits des öfteren
beruflich zu tun gehabt hatte. Er erhoffte sich dort eine problemlose Abfertigung.
Tatsächlich fertigte das Zollamt Essen die dort gestellten insgesamt 56 Stromaggregate
noch am selben Tag (18.11.2004) ohne Beanstandungen ab. Ob ein Zollbeamter des
Zollamts Essen die Ladung der LKW vor Abfertigung besichtigte oder eine Beschau der
Ladung unterblieb, konnte die Kammer nicht aufklären.
35
Für mindestens 24 der 56 Aggregate wurden am 19.11.2004 beim Hauptzollamt
Regensburg ein Carnet-TIR-Verfahren eröffnet. Bestimmungszollstelle war I.. Im
Übrigen konnte die Kammer den Transportweg der Aggregate aus N. in den Irak nicht im
Einzelnen nachvollziehen. Letztlich verließen aber alle 56 Aggregate entsprechend der
Weisung und dem Willen des Angeklagten noch vor dem 25.11.2004 das Hoheitsgebiet
der Bundesrepublik Deutschland und gelangten schließlich in den Irak.
36
Der Angeklagte kannte die technischen Eigenschaften der 56 Stromaggregate in
gleicher Weise wie diejenigen der Aggregate aus N.. Bei der Zollabfertigung am
18.11.2004 in Essen rechnete er aufgrund des Hinweises der Zeugin A. zumindest mit
der Möglichkeit, dass eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich sei.
37
4. Weiteres Geschehen
38
Im Irak ließ der Angeklagte sowohl die 22 Aggregate aus H. als auch die 56 aus N. auf
seinem Firmengelände abladen und lagern.
39
Am 19.11.2004 stellte der Angeklagte beim BAFA eine Telefaxanfrage zur Ausfuhr der
Stromaggregate in den Irak. Es ließ sich nicht aufklären, ob er dabei lediglich seine der
Firma B. gestellte Rechnung über acht gebrauchte Generatoren vom 16.11.2004
übersandte, in der als Verkaufsgegenstand benannt ist "8 pieces used generators 56
KVA, construction year 1991" oder ob er zusätzlich ein Anschreiben mit näheren
technischen Informationen beifügte. Das BAFA antwortete durch ein Schreiben des
Zeugen I., datiert auf den 25.11.2004, in dem es hieß, die vom Angeklagten
40
beschriebenen Güter seien nicht gemäß § 5 AWV genehmigungspflichtig.
Am 23.11.2004 meldete sich der Zeuge T., Beamter des Zollkriminalamtes, telefonisch
beim Angeklagten. Die Zeugin A. hatte ihn zwischenzeitlich von der versuchten Ausfuhr
unterrichtet. Er wies den Angeklagten darauf hin, dass die Ausfuhr der Stromaggregate
strafbar sei. Der Angeklagte erklärte, er wolle versuchen, die Transporte noch
aufzuhalten. Ob der Angeklagte tatsächlich Versuche unternahm, die LKW
zurückzurufen, war nicht aufzuklären.
41
Hinsichtlich der übrigen Stromaggregate aus dem Depot N. ist das Verfahren gemäß §
154 Abs. 2 StPO eingestellt worden, so dass die Ausfuhr dieser Aggregate nicht mehr
Verfahrensgegenstand ist.
42
III.
43
1. Die Feststellungen zum Lebenslauf und den persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen des Angeklagten ergeben sich aus seinen Angaben, an denen zu
zweifeln kein Anlass besteht. Die Kammer hat keine Hinweise darauf, dass die
gegenwärtige Einkommenssituation des Angeklagten besser ist, als von ihm
geschildert. Zur Feststellung der früheren Verurteilung ist der Strafbefehl des
Amtsgerichts Essen vom 21.03.2007 verlesen worden. Der Angeklagte hat die
Verurteilung bestätigt und ergänzend dargestellt, dass lediglich ein Teil der Geldstrafe
bezahlt ist.
44
2. Die Feststellungen zum objektiven Verhalten des Angeklagten und zu seinen
subjektiven Vorstellungen beruhen weitgehend auf seiner Einlassung. Der Angeklagte
hat den Ablauf des Erwerbs, der Verladung, der Zollabfertigung und des Transports der
Stromaggregate in den Irak und seine diesbezügliche Vorstellung im wesentlichen
glaubhaft so geschildert, wie in den Feststellungen niedergelegt:
45
a) Insbesondere ist die Einlassung des Angeklagten glaubhaft, dass die Generatoren für
zivile Zwecke genutzt werden sollten. Er hat nachvollziehbar erläutert, dass er seine
geschäftlichen Interessen mit dem humanitären Ziel verbinden wollte, in seiner früheren
Heimat im kurdischen Nordirak die Bevölkerung mit Strom zu versorgen. Seine
Ausführungen, wie er die 400-Hertz-Stromaggregate für zivile Zwecke nutzbar machen
wollte, nämlich durch einen Umbau im Irak, nachdem eine Umrüstung in Deutschland
sich als zu teuer erwies, sind plausibel, zumal er als Ingenieur die technischen
Erfordernisse einschätzen konnte. Die Beweisaufnahme hat keinerlei Hinweise darauf
ergeben, dass der Angeklagte irgendwelche Kontakte zu militärischen Stellen im Irak
gehabt haben könnte. Aus den verlesenen Prüfungsfeststellungen des Finanzamtes
Essen-Nord vom 26.05.2006 aus einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei dem
Angeklagten ergibt sich auch nicht, dass er im Übrigen mit militärischen Gütern
gehandelt hätte. Vielmehr ist dort – entsprechend seinen eigenen Angaben – im Jahr
2004 der Verkauf eines Kompressors und einer Portalwaschanlage in den Irak
verzeichnet.
46
b) Weiterhin ist die Einlassung des Angeklagten glaubhaft, bei der Ausfuhr der 22
Stromaggregate aus dem Depot H. davon ausgegangen zu sein, eine
Ausfuhrgenehmigung sei nicht erforderlich:
47
Die Kammer folgt ihm zunächst insoweit, als er angegeben hat, vom Zeugen L. bei
48
Abschluss des Kaufvertrages nicht darauf hingewiesen worden zu sein, er müsse die
Aggregate zerlegen, da es sich um militärische Güter handele. Die gegenteilige
Aussage des L. ist unglaubhaft. Denn wenn L. dieser Hinweis derart wichtig gewesen
wäre, wie er in seiner Vernehmung darstellte, ist nicht erklärlich, warum er keinen
Eingang in den schriftlichen Kaufvertrag über die oben genannten Aggregate zwischen
dem Angeklagten und L. vom 09.11.2004 gefunden hat. Darüber hinaus hatte L. nach
eigener Aussage die Aggregate von der O- GmbH (ebenfalls am 09.11.2004) ohne
Vorgaben für ihre Verwendung oder Behandlung erworben. Dann bestand für ihn aber
auch kein Grund, seinerseits dem Angeklagten Vorgaben zu machen.
Für die fehlende Kenntnis des Angeklagten von der Genehmigungspflicht spricht
weiterhin, dass er keinen Versuch unternahm, den wahren Sachverhalt zu verschleiern:
Er ließ die Stromaggregate von LKW mit türkischen Kennzeichen ohne jede
Heimlichkeit aus dem Bundeswehrdepot in H. abholen, wo er sie zuvor im Beisein eines
irakischen Beamten besichtigt hatte. Ferner hat er bei der Ausfuhr die dem Zollamt
Koblenz vorgelegten Anmeldungsformulare zutreffend ausgefüllt oder ausfüllen lassen.
Wenngleich er die militärische Herkunft nicht ausdrücklich vermerkte, waren sowohl die
Warenbezeichnung ("gebrauchte Generatoren") als auch das Bestimmungsland Irak
korrekt angegeben.
49
3. Als nicht glaubhaft bewertet die Kammer hingegen die Einlassung des Angeklagten,
er sei auch bei der Ausfuhr der Stromaggregate aus N. noch davon ausgegangen, keine
Genehmigung zu benötigen.
50
a) Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, die Zeugin A. habe ihm am
18.11.2004 lediglich mitgeteilt, die Ausfuhr der Stromaggregate sei möglicherweise
genehmigungspflichtig. Dies ist jedoch widerlegt durch die Aussage der Zeugin, nach
der sie die Genehmigungspflicht als Tatsache unmissverständlich mitgeteilt habe. Für
die Richtigkeit der Angaben der Zeugin spricht der Umstand, dass sie die Abfertigung
der Stromaggregate verweigerte, die umliegenden Zollämter warnte und noch am
18.11.2004 das Zollkriminalamt von dem Ausfuhrversuch informierte. Letzteres hat der
Zeuge T. bestätigt. Für diese Aktivitäten hätte sie keinen Grund gehabt, wenn man nach
ihrer Vorstellung die Frage der Genehmigungspflicht unterschiedlich hätte beurteilen
können. In dem Fall hätte es für sie vielmehr nahegelegen, weitere Recherchen
anzustellen.
51
b) Der Angeklagte hat sich weiter eingelassen, er habe nach der Information durch die
Zeugin A. das BAFA angerufen, um sich über die Genehmigungspflicht zu informieren.
Hierbei sei ihm seitens des BAFA mitgeteilt worden, eine etwaige Genehmigung könne
auch nach erfolgter Ausfuhr eingeholt werden. An den Namen des angeblichen
Gesprächspartners könne er sich nicht mehr erinnern.
52
Die Kammer hält es zwar für möglich, dass der Angeklagte nach dem Gespräch mit A.
beim BAFA anrief. Sie wertet den geschilderten Gesprächsinhalt jedoch als
Schutzbehauptung.
53
Die als Zeugen vernommenen Beamten I., L., II. und K., die aufgrund ihrer Zuständigkeit
als Gesprächspartner beim BAFA in Frage gekommen wären, hatten an ein
Telefongespräch mit dem Angeklagten keine konkrete Erinnerung. Angesichts des
Umstandes, dass der Vorgang zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung über drei Jahre
zurücklag, was zu Erinnerungslücken geführt haben kann, will die Kammer nicht
54
generell ausschließen, dass der Angeklagte das BAFA telefonisch kontaktierte.
Die Angaben des Angeklagten zum Inhalt des Gesprächs, namentlich zur Möglichkeit
der nachträglichen Genehmigungseinholung, sind jedoch unglaubhaft. Das geltende
Recht sieht eine nachträgliche Ausfuhrgenehmigung nicht vor (vgl. § 5 AWV). Die
Zeugen I. und II. als Beamte des BAFA haben übereinstimmend ausgesagt, eine vom
Gesetz abweichende Verwaltungspraxis bestehe dort nicht. Ausfuhrgenehmigungen
würden generell nicht nachträglich erteilt. Dies überzeugt die Kammer, da nach erfolgter
Ausfuhr eine Kontrolle und erforderlichenfalls ein Zurückhalten von Waren nicht mehr
möglich sind, ein nachträgliches Genehmigungsverfahren hier also – im Gegensatz zu
anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung – sinnlos ist. Dass dem Angeklagten in
einer derartigen Kernfrage des Außenwirtschaftsrechts mündlich ein falsche Auskunft
erteilt wurde, hält die Kammer für ausgeschlossen.
55
4. Zur Einlassung des Angeklagten, nach dem Anruf des Zeugen T. noch versucht zu
haben, die LKW zurückzurufen, konnte die Kammer keine sicheren Feststellungen
treffen. Denn die Angaben des Angeklagten waren in diesem Punkt sehr pauschal. Er
hat weder im Einzelnen mitgeteilt, zu welchem Zeitpunkt und gegenüber wem er den
Rückruf versucht hat, noch welche Reaktion es darauf gab. Seine Angaben sind auch in
sich nicht widerspruchsfrei: Ursprünglich hatte er sich dahin eingelassen, er habe
jedenfalls keinen Versuch unternommen, die von der Fa. H. organisierten Fahrer zu
erreichen, da aus seiner Sicht allein diese für die Einhaltung der Zollbestimmungen
zuständig gewesen seien. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung erklärte er
hingegen, er habe bei der Fa. H. angerufen, um die Lkw noch zu stoppen. Zu
widerlegen war die Einlassung zu diesem Punkt jedoch nicht.
56
5. Zur Feststellung der Transportwege der Stromaggregate ab der Ausfuhrzollstelle
Zollamt Koblenz-Rheinhafen bzw. Essen stützt sich die Kammer auf die glaubhafte
Aussage des Zeugen W., der als Beamter des Zollfahndungsamtes hierzu bei den
einzelnen Zollämtern nähere Ermittlungen durchgeführt hat. Ob ein Zollbeamter in
Essen anlässlich der Abfertigung die Stromaggregate besichtigte, war nicht zu klären.
Der Angeklagte hat die Besichtigung detailliert geschildert. Seine Angaben sind letztlich
nicht zu widerlegen, zumal nicht mehr festgestellt werden konnte, welcher Beamte die
Abfertigung durchführte. Die Bemühungen der Kammer, über die Dienstsiegelnummer
auf den Zollpapieren den Dienstsiegelführer zu ermitteln, blieben erfolglos.
57
6. Die Feststellungen zur Erwerbsgeschichte der Stromaggregate von der Bundeswehr
über die O-GmbH bis zum Zeugen L. stützen sich auf die glaubhaften Angaben der
Zeugin L., Beamtin beim Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung und des Zeugen
V., im Tatzeitraum Prokurist, heute Geschäftsführer der Firma O., sowie auf die insoweit
glaubhafte Aussage des Zeugen L.. Die Feststellungen zu den technischen
Eigenschaften der Stromaggregate, ihrer Konstruktions- und Herstellungsgeschichte
und zur Möglichkeit einer Instandsetzung nach der Delaborierung beruhen auf den
überzeugenden Angaben des Sachverständigen S. sowie auf seiner verlesenen
gutachtlichen Stellungnahme vom 16.01.2008 und auf den überzeugenden Angaben
des insoweit als Sachverständigen vernommenen Beamten I..
58
Die Feststellungen zur Delaborierung und Unbrauchbarmachung der Stromaggregate
beruhen auf den Angaben des Zeugen D.. Seine Angaben sind ebenfalls glaubhaft. Der
Zeuge D. war selbst in H. und N. anwesend und hat die Delaborierung überwacht.
Anhand von vorgehaltenen Fotos der Aggregate konnte er detailliert schildern, welche
59
Arbeiten er und seine Mitarbeiter vornahmen. Anhaltspunkte dafür, dass die O-GmbH
die Delaborierung nicht in der vorgeschriebenen Weise durchführte, hat die
Beweisaufnahme nicht ergeben.
IV.
60
Der Angeklagte ist damit schuldig der vorsätzlichen Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der
Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannten Waren ohne die
erforderliche Genehmigung in zwei Fällen (§§ 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 i.
V. m. § 5 Abs. 1 AWV i. d. F. vom 25.05.2004).
61
1. Die vom Angeklagten in den Irak gelieferten Stromaggregate sind in Teil I Abschnitt A
der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannte Waren. Unter
Teil I Abschnitt A Ziff. 0017 k) umfasst die Ausfuhrliste mobile
Stromerzeugungsaggregate, besonders konstruiert für militärische Zwecke.
62
a) Die oben beschriebenen Stromaggregate sind als mobile Stromerzeugungsaggregate
einzustufen. Daran ändert die Tatsache nichts, dass sie aufgrund der Delaborierung,
insbesondere wegen des Durchtrennens der Kabelbäume, im Zeitpunkt der Lieferung
nicht funktionsfähig waren. Dem Wortlaut nach unterscheidet die Ausfuhrliste nämlich
nicht, ob Waren funktionsfähig sind oder nicht. Auch nach dem Zweck der
Ausfuhrvorschriften kann die Frage der Funktionsfähigkeit keine Auswirkung auf die
rechtliche Einordnung haben. In Abschnitt A der Ausfuhrliste sind Waren aufgeführt,
deren Ausfuhr grundsätzlich nicht genehmigt werden soll, damit sie im
Bestimmungsland nicht militärisch genutzt werden. Daher spielt es keine Rolle, ob eine
Ware bei Ausfuhr funktionsfähig ist, wenn sie nur wieder funktionsfähig gemacht werden
kann. So liegt es hier, da es nach den Feststellungen möglich war, die Stromaggregate
wieder instand zu setzen.
63
b) Die Stromaggregate sind auch besonders konstruiert für militärische Zwecke.
Maßgeblich ist der Zweck, dem die Anlage nach den Vorstellungen ihres Erbauers
dienen soll (vgl. BGH NJW 1996, S. 1355 ff.). Die Aggregate als solche waren im
Auftrag der Bundeswehr speziell und ausschließlich für die Nutzung im Rahmen des
Waffensystems HAWK entworfen und gebaut worden.
64
Die Bauelemente der Aggregate sind für sich genommen ebenfalls besonders
konstruiert für militärische Zwecke: Der Generator erzeugt Wechselstrom mit einer
Frequenz von 400 Hertz, der für zivile Zwecke nur im Ausnahmefall geeignet ist. Der
Motor ist auf den Generator abgestimmt, da er eine konstante Drehzahl hält, die gerade
für die Erzeugung von 400-Hertz-Strom erforderlich ist. Die weiteren technischen
Eigenschaften des Motors (Vielstoffbetrieb, Höhentauglichkeit, Tauglichkeit bei sehr
niedrigen Temperaturen) resultieren gerade aus seiner Bestimmung für militärische
Kampfeinsätze. Die Konstruktion von Motor und Generator ist besonders platzsparend in
das Gehäuse eingepasst, um durch dessen kompakte Form die notwendige Mobilität auf
Lkw zu gewährleisten.
65
Die Delaborierung ändert an der besonderen Konstruktion für militärische Zwecke
nichts. Denn es war möglich, die Stromaggregate wieder funktionsfähig zu machen.
66
2. Die Stromaggregate sind ausgeführt worden. Ausfuhr ist nach der gesetzlichen
Definition des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AWG i. d. F. vom 10.11.2001 das Verbringen von Sachen
67
und Elektrizität aus dem Wirtschaftsgebiet in ein fremdes Wirtschaftsgebiet. Mit dem
tatsächlichen Vorgang des Transports der Stromaggregate aus dem Hoheitsgebiet der
der Bundesrepublik Deutschland in den Irak ist die Ausfuhr bewirkt.
3. Der Angeklagte ist als Ausführer der Stromaggregate anzusehen. Ausführer ist
gemäß § 4c Nr. 3 AWV i. d. F. vom 13.09.2000 jede natürliche Person, die zum
Zeitpunkt der Ausfuhr Vertragspartner des Empfängers in einem Drittland ist und über
die Versendung der Güter bestimmt. Wenn kein Ausfuhrvertrag geschlossen wurde, ist
ausschlaggebend, wer die Versendung der Güter maßgeblich bestimmt (§ 4c Nr. 3 S. 2
AWV i. d. F. vom 13.09.2000).
68
Der Angeklagte hatte mit der Fa. B. im Irak die Lieferung der Stromaggregate vertraglich
vereinbart. Er steuerte die Versendung der Güter und damit den rechtlich relevanten
Vorgang, indem er sie in Deutschland im Rahmen seines Import-Export-Unternehmens
auf den Weg brachte und sie im Irak wieder in Empfang nahm, um sie anschließend auf
seinem Gelände zu lagern.
69
4. Die nach § 5 Abs. 1 AWV i. d. F. vom 10.11.2001 erforderliche Ausfuhrgenehmigung
lag bei beiden Taten nicht vor.
70
5. Der Angeklagte handelte jeweils vorsätzlich. Er kannte alle tatsächlichen Umstände,
die eine Ausfuhr und seine Eigenschaft als Ausführer begründeten. Auch die
technischen Merkmale der Stromaggregate und ihre militärische Zweckbestimmung
waren ihm bekannt; ebenso die Tatsache, dass keine Ausfuhrgenehmigung vorlag. Es
kam ihm gerade darauf an, die Stromaggregate in den Irak zu exportieren.
71
Seinen Vorsatz hinsichtlich der ersten Tat (Ausfuhr der 22 Generatoren aus Gemmerich)
berührt nicht, dass er eine Ausfuhrgenehmigung in diesem Fall nicht für erforderlich
hielt. Denn § 34 Abs. 1 AWG i. V. m. Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste statuiert ein
repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Die Ausfuhr von Waren, die in diesem
Abschnitt der Ausfuhrliste erfasst sind, ist ein grundsätzlich wertwidriges Verhalten, das
nur im Einzelfall aufgrund einer Genehmigung erlaubt wird. Denn bei den Waren, die in
den in Bezug genommenen Abschnitten der Ausfuhrliste aufgeführt sind, handelt es sich
in erster Linie um Waffen und sonstige militärische Güter sowie um Explosivstoffe. Sie
sind potentiell so gefährlich, dass der Handel mit ihnen nicht als normales
sozialadäquates Verhalten eingestuft werden kann. Diese Wertung bildet der
Gesetzgeber im Tatbestand des § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 dadurch ab,
dass er ihn als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet hat, bei dem es für die
Strafbarkeit als solche auf Umstände des Einzelfalls (z. B. die konkrete
Verwendungsabsicht bei der Ausfuhr) nicht ankommt. Der Irrtum über das Bestehen des
Erfordernisses einer Genehmigung ist im Fall eines repressiven Verbots mit
Erlaubnisvorbehalt jedoch nicht als Tatbestands- sondern als Verbotsirrtum einzustufen
(vgl. BGH NStZ 1993, S. 594; NStZ-RR 2003, S. 55), denn dem Angeklagten waren
sämtliche tatsächlichen Umstände seines Handelns bekannt. Er irrte lediglich über die
rechtliche Konsequenz – nämlich das Verbotensein – seines Tuns.
72
6. Der Irrtum über die rechtliche Tragweite seines Handelns hindert die Schuld des
Angeklagten nicht (§ 17 S. 1 StGB). Denn er konnte den Irrtum über die
Genehmigungspflicht vermeiden (§ 17 S. 2 StGB). Sein Vorhaben hätte ihm Anlass
geben müssen, sich näher (etwa beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle)
zu erkundigen: Als jemand, der regelmäßig gewerblich Waren exportierte, wusste er,
73
das Ausfuhren aus der Bundesrepublik Deutschland nicht generell ohne Genehmigung
zulässig sind. Aufgrund seiner Herkunft wusste er auch, dass für den Irak lange Zeit (seit
1990 bis zur Resolution des Sicherheitsrates 1483 vom 22.05.2003) ein strenges
Embargo galt, dessentwegen er mit dem Irak keinerlei Handel getrieben hatte. Dem
Angeklagten war ferner bekannt, dass die Stromaggregate aus Militärbeständen
stammten und aufgrund der 400-Hertz-Technik nicht ohne weiteres für zivile Zwecke
verwendet werden konnten. Schließlich wusste er, dass der Irak zum Zeitpunkt der
Ausfuhr ein Krisengebiet war. Daher musste sich der Gedanke geradezu aufdrängen,
die Ausfuhr der Stromaggregate könne außenwirtschaftsrechtlich problematisch sein
und Strafvorschriften verletzen.
Auch die anstandslose Abfertigung durch das Zollamt Koblenz-Rheinhafen führt zu
keiner anderen Beurteilung. Beamte der Zollbehörden fertigen täglich eine Vielzahl
verschiedenster Waren ab. Eine eingehende technische Überprüfung dieser Waren und
die zutreffende rechtliche Einordnung während des Abfertigungsvorgangs ist nicht
sicher gewährleistet, da eine Beschau der Ware nur fakultativ stattfindet. Aus der
Abfertigung konnte der Angeklagte daher nicht schließen, es sei alles Ordnung, zumal
er in der Ausfuhranmeldung nichts zur militärischen Herkunft der Stromaggregate
angegeben hatte.
74
7. Die Ausfuhr der Stromaggregate aus dem Depot H. über das Zollamt Koblenz-
Rheinhafen einerseits und aus dem Depot N. über das Zollamt Essen andererseits
beruht auf zwei zeitlich verschiedenen Willensbetätigungen des Angeklagten, so dass
zwei Handlungen im Rechtssinne vorliegen. Dies führt zur Tatmehrheit im Sinne des §
53 StGB.
75
8. Der Angeklagte ist nicht strafbar gemäß § 34 Abs. 4 AWG i. d. F. vom 11.12.1996.
Diese Vorschrift setzt eine Zuwiderhandlung voraus gegen eine Vorschrift, die der
Durchführung einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der UN-
Charta beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient. Das ist bei dem
Verstoß gegen § 5 AWV nicht der Fall. Denn erforderlich ist ein strikter Regelungsbezug
zwischen der vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionsmaßnahme und der
Verbotsvorschrift (BGH NStZ-RR 2003, S. 55). Die Verbotsvorschrift muss gerade
aufgrund der Sanktionsmaßnahme geschaffen worden sein. Dies trifft auf § 5 AWV nicht
zu. Es handelt sich um eine Vorschrift zur Umsetzung der allgemeinen Beschränkung
des Außenwirtschaftsverkehrs gemäß § 7 AWG.
76
V.
77
Die Einzelstrafen für beide Taten bestimmen sich nach § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom
11.12.1996 als dem Gesetz, das zur Zeit der Tat galt (§ 2 Abs. 1 StGB). Zwar ist das
Gesetz vor der Entscheidung durch die Kammer geändert worden. Jedoch ist zwischen
§ 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 und § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 26.06.2006
kein Unterschied im Mildegrad festzustellen, so dass die erstgenannte Vorschrift als
Tatzeitgesetz maßgeblich ist (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 2 Rz. 10).
78
1. Gemäß § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 ist für jede der beiden Taten
zunächst ein Strafrahmen zugrunde zu legen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu
fünf Jahren vorsieht.
79
a) Einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 6 Nr. 2 AWG i. d. F. vom
80
11.12.1996 hat der Angeklagte nicht verwirklicht. Insbesondere hat er nicht
gewerbsmäßig gehandelt. Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn die Absicht
besteht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende
Einnahmequelle zu verschaffen. Daher reicht es nicht aus, dass der Angeklagte die
Stromaggregate im Rahmen seines Import-Export-Geschäfts ausführte;
Gewerbsmäßigkeit ist nicht mit Gewerblichkeit gleichzusetzen (Fischer, StGB, 55. Aufl.
2008, vor § 52 Rz. 62). Für eine Absicht des Angeklagten, wiederholt Stromaggregate
gerade aus Bundeswehrbeständen oder andere Waren unter Verstoß gegen das
Außenwirtschaftsgesetz in den Irak zu liefern, gibt es keine ausreichenden
Anhaltspunkte. Dagegen spricht vor allem, dass ihm die militärische Herkunft der
Stromaggregate gleichgültig war. Nur durch die eher zufällige Vermittlung des
Geschäftspartners Humbold kam es überhaupt zum Erwerb und zur Ausfuhr der
fraglichen Aggregate aus Bundeswehrbeständen.
b) Trotz Änderung der Strafvorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes bleibt es bei der
Anwendung von § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996. Denn bei einem Vergleich
der konkreten Strafzumessung erweisen sich die Gesetze als gleich milde: Nach dem
Außenwirtschaftsgesetz i. d. F. vom 26.06.2006 hätte sich der Angeklagten wie unter
Ziffer III. dargestellt gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG strafbar gemacht. Der Tatbestand des
§ 34 Abs. 4 AWG i. d. F. vom 26.06.2006 wäre nicht erfüllt, da der Angeklagte weder
einer der in Nr. 1 genannten Rechtsverordnungen noch einem der in Nr. 2 genannten
Rechtsakte zuwider gehandelt hat. Ebenso läge kein Verstoß gegen § 34 Abs. 6 AWG i.
d. F. vom 26.06.2006 vor. Die dortigen Tatbestandsvarianten Nr. 1, 3 und 4 sind
ersichtlich nicht erfüllt. Eine Gewerbsmäßigkeit (Nr. 2) scheidet aus den oben
genannten Gründen aus. Danach würde auch nach § 34 Abs. 1 AWG i. d. F. vom
26.06.2006 die Strafe aus einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu
5 Jahren zu ermitteln sein.
81
c) Bei der ersten Tat handelte der Angeklagte in einem vermeidbaren Verbotsirrtum (s.
o.). Die Kammer hat daher eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1
StGB vorgenommen. Das vermeidbare Fehlen der Unrechtseinsicht mindert die Schuld
erheblich, so dass die Milderung geboten ist Der konkrete Strafrahmen für die erste Tat
umfasst daher eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren und 9 Monaten oder Geldstrafe.
82
2. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne ist für beide Taten zugunsten des
Angeklagten zu berücksichtigen, dass er zum Zeitpunkt der Taten nicht vorbestraft war.
Der Verurteilung durch den Strafbefehl vom 21.03.2007 erfolgte nachträglich. Für ihn
spricht außerdem, dass er den objektiven Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat.
83
Darüber hinaus sind bei beiden Taten bestimmte Tatumstände strafmildernd zu werten,
und zwar mit Blick auf die von § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996
geschützten Rechtsgüter, also die Sicherheit der auswärtigen Beziehungen der
Bundesrepublik Deutschland und das friedliche Zusammenleben der Völker (vgl. Müller-
Gugenberger/ Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. 2006, § 62 Rz. 1). Die von der
Ausfuhrliste genannten Waren, soweit § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 auf
sie verweist, sind nämlich als unterschiedlich gefährlich einzustufen. Die Gefährlichkeit
der vom Angeklagten ausgeführten Stromaggregate liegt eher im unteren Bereich. Im
Gegensatz zu Waffen und Munition sind Stromerzeugungsaggregate als sonstiges
Rüstungsmaterial einzustufen und für sich genommen als Kampfmittel nicht geeignet.
Ihre Gefährlichkeit kommt erst dann zum Tragen, wenn dem Besitzer Waffensysteme zur
Verfügung stehen, die er mit ihnen betreiben kann. Außerdem ist zu bedenken, dass die
84
ausgeführten Aggregate wegen der Delaborierung nicht funktionstüchtig waren. Die
Delaborierung rückgängig zu machen, hätte erheblichen zeitlichen und finanziellen
Aufwand gekostet. Überdies handelte es sich um veraltete Technik aus den sechziger
Jahren. Identische, aber voll funktionsfähige Gebrauchtgeräte sind zudem, wie der
Sachverständige I. bestätigte, im Internet problemlos für 2.500 Euro erhältlich. Die
Kammer nimmt daher an, dass die Stromaggregate zur Kriegführung oder für
terroristische Zwecke praktisch nicht zu nutzen waren.
Hinzu kommt, dass die Stromaggregate gemäß der Vorstellung des Angeklagten und
seiner Vereinbarung mit seinem Abnehmer im Irak nach einem Umbau tatsächlich für
zivile Zwecke vorgesehen waren. Eine konkrete Gefahr für die von § 34 Abs. 1 Nr. 1
AWG i. d. F. vom 11.12.1996 geschützten Rechtsgüter ist daher nicht eingetreten.
85
Strafmildernd wirken sich bei beiden Taten weiter folgende Umstände aus: Die
ungenehmigte Ausfuhr ist durch die unzulängliche Kontrolle der Zollämter Koblenz-
Rheinhafen und Essen begünstigt worden. Nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den
Angeklagten" berücksichtigt die Kammer dabei dessen Einlassung, die Beamten des
Zollamtes Essen hätten die Stromaggregate vor Abfertigung besichtigt. Auch wären bei
rechtmäßigem Verhalten der Verantwortlichen der O-GmbH die Stromaggregate nicht in
den Verkehr gekommen. Denn sie gaben ihre vertragliche Pflicht gegenüber dem
Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung zur Verschrottung der Aggregate nicht an
ihren Abnehmer, den Zeugen L., weiter.
86
Bezüglich beider Taten ist nach dem Zweifelssatz ferner zugunsten des Angeklagten
seine unwiderlegliche Einlassung zu werten, er habe nach der Kontaktaufnahme des
Zeugen T. noch vergeblich versucht, die Transporte zu stoppen.
87
Darüber hinaus fällt jeweils zugunsten des Angeklagten ins Gewicht, dass er das
Geschäft mit den Stromaggregaten mit erheblichen finanziellen Verlusten abschloss, da
er wegen deren Unbrauchbarkeit den erhofften Kaufpreis nicht erzielen konnte.
88
Bei der zweiten Tat (56 Stromaggregate aus N.) ist ferner strafmildernd zu
berücksichtigen, dass der Angeklagte zumindest bemüht war, rechtskonform zu
handeln. Dabei nimmt die Kammer nach dem Zweifelssatz an, dass der Angeklagte auf
den Hinweis der Zeugin A. zuvor mit dem BAFA telefonischen Kontakt aufnahm, um
sich über die Genehmigungspflicht zu informieren. Er hat sich dann auch am 19.11.2004
schriftlich an das BAFA gewandt, jedoch dessen Stellungnahme aufgrund der ihm
täglich entstehenden Speditionskosten nicht abgewartet und den Export unvermittelt
weiterbetrieben.
89
3. Strafschärfend ist hingegen bei beiden Taten zu berücksichtigen, dass die Anzahl der
ausgeführten Stromaggregate erheblich ist: Bei der ersten Tat waren es 22, bei der
zweiten sogar 56 Geräte. Weiter fällt strafschärfend ins Gewicht, dass der Angeklagte
nicht nur formal gegen die Genehmigungspflicht verstoßen hat. Vielmehr wäre die
Ausfuhr in beiden Fällen nicht genehmigungsfähig gewesen, weil das Waffenembargo
gegen den Irak zum Tatzeitpunkt fortbestand.
90
4. Unter Abwägung der jeweiligen Gesichtspunkte der Strafzumessung ist für die erste
Tat (geringerer Strafrahmen) eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen angemessen, für die
zweite Tat eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen. Die Tagessatzhöhe hat die Kammer
bei beiden Einzelstrafen mit 10,00 Euro bemessen. Nach seiner unwiderlegten
91
Einlassung verfügt der Angeklagte derzeit über keinerlei Einkünfte. Er hätte jedoch als
deutscher Staatsangehöriger die Möglichkeit, Arbeitslosengeld II zu beantragen, so
dass er mindestens eine öffentliche Unterstützung von 345 Euro zzgl.
Mietkostenzuschuss beziehen könnte. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, ihn bei
den Einzelstrafen zumindest so wie einen Empfänger von Arbeitslosengeld II zu
behandeln.
5. Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist die Gesamtgeldstrafe aus dem Strafbefehl des
Amtsgerichts Essen vom 21.03.2007 (37 Cs 303 Js 86/07 – 46/07) aufzulösen, die
Einzelstrafen sind gemäß §§ 55 Abs. 1, 53 Abs. 1 StGB einzubeziehen. Die acht
Einzelstrafen betragen 30, 8, 20, 10, 15, 10, 30 und 5 Tagessätze.
92
Folgende Erwägungen legt die Kammer der Gesamtstrafenbildung zugrunde: Die
beiden Taten des hiesigen Verfahrens stehen in einem engen sachlichen und zeitlichen
Zusammenhang. Dass der Angeklagte nicht eine, sondern zwei Taten begangen hat,
beruht nur darauf, dass die Stromaggregate zufällig in zwei örtlich getrennten
Bundeswehrdepots gelagert waren und deshalb zu unterschiedlichen Zeiten verladen
und an unterschiedlichen Zollämtern abgefertigt wurden. Daher ist es gerechtfertigt, die
Einsatzstrafe von 120 Tagessätzen mit Blick auf die zweite Tat zunächst nur maßvoll zu
erhöhen.
93
Die Straftaten hingegen, die dem Strafbefehl zugrunde liegen, haben sachlich mit den
Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz nur am Rande zu tun. Der Angeklagte hat
sie im Rahmen seines Import-Export-Unternehmens begangen. Ansonsten handelt es
sich um ein völlig anderes Tatgeschehen, nämlich um Steuerhinterziehungen, und
damit um andere verletzte Rechtsgüter. Auch ein zeitlicher Zusammenhang besteht
nicht.
94
Die Kammer hat daher die Einsatzstrafe von 120 Tagessätzen im Ergebnis doch
merklich auf insgesamt 200 Tagessätze erhöht.
95
6. Die Höhe eines Tagessatzes lag bei den hier ausgeurteilten beiden Einzelstrafen in
Anwendung von § 40 Abs. 2 StGB bei 10,00 €. Bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe
für die Gesamtgeldstrafe war zusätzlich zu berücksichtigen, dass bei den einbezogenen
Einzelstrafen die Höhe eines Tagessatzes auf 30,00 € festgesetzt war.
96
Die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse muss sich nach § 40 Abs. 2 StGB in
der Tagessatzhöhe widerspiegeln. Gleichzeitig gilt nach § 54 Abs. 1 S. 2 StGB, dass bei
der Bildung der Gesamtgeldstrafe die verwirkte höchste Strafe auch der zu zahlenden
Gesamtsumme nach überschritten werden muss. Schließlich muss vermieden werden,
dass der Angeklagte aufgrund der nachträglichen Gesamtstrafenbildung insgesamt
einen geringeren Betrag zu zahlen hätte, als wenn es bei der früheren Verurteilung sein
Bewenden gehabt hätte.
97
Den Ausgleich zwischen diesen drei Anforderungen hat die Kammer folgendermaßen
vorgenommen: Sie hat zunächst rein rechnerisch für die hier zu Aburteilung
gekommenen Einzeltaten eine "fiktive" Gesamtstrafe von 130 Tagessätzen zu je 10,00 €
gebildet und so einen hypothetischen Zahlbetrag von 1.300,00 € errechnet. Die
aufgelöste Gesamtstrafe aus der früheren Verurteilung von 80 Tagessätzen zu je 30,00
€ ergibt einen Zahlbetrag von 2.400,00 €. Im Hinblick auf die verschlechterten
Einkommensverhältnisse hat die Kammer die Summe von 3.700,00 € (1.300,00 € +
98
2.400,00 €) maßvoll im Hinblick auf die vorgenommene Gesamtgeldstrafenbildung auf
3.500,00 € rechnerisch reduziert. Dividiert durch die Zahl der verhängten
Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen ergibt sich so die verhängte Tagessatzhöhe
von 17,50 €.
7. Da dem Angeklagten nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
nicht zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen, ist ihm gestattet, die Strafe in
Teilbeträgen zu zahlen (§ 42 StGB).
99
VI.
100
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.
101