Urteil des LG Duisburg vom 09.02.2005

LG Duisburg: unterkunftskosten, wohnraum, fahrtkosten, wohnkosten, körperpflege, kultur, hausrat, nebenkosten, grundsteuer, mietzins

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 7 T 321/04
09.02.2005
Landgericht Duisburg
7. Zivilkammer
Beschluss
7 T 321/04
Amtsgericht Wesel, 24 M 2019/04
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wesel vom 05. November
2004 – 24 M 2109/04 – dahin abgeändert, dass dem Schuldner bis zum
31. 12. 2004 nach § 850 d ZPO monatlich ein pfandfreier Betrag von
825,10 € zu verbleiben hat. Für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 wird der
pfandfrei zu belassende Betrag auf 831,60 € festgesetzt.Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden dem Gläubiger zu 80 %, dem Schuldner
zu 20 % auferlegt. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird
festgesetzt auf 3030,96 € (Jahresbetrag der Differenz zwischen
beantragtem und festgesetztem Pfändungsfreibetrag § 3 ZPO).
G r ü n d e :
I.
Der Gläubiger vollstreckt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid des
Amtsgerichts Hagen, Aktenzeichen 04-2126598-0-6 wegen eines Unterhaltsrückstandes in
Höhe von 1.776, 26 €, der dadurch entstanden ist, dass der Schuldner trotz
Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zahlte. Wegen dieser Forderung erwirkte der Gläubiger
am 05. November 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den
Ansprüche des Schuldners auf Arbeitseinkommen gegen die Drittschuldnerin gepfändet
wurden. Das dem Schuldner pfandfrei zu belassende Einkommen wurde auf 852,50 €
festgesetzt.
Mit Beschluss vom gleichen Tag wies das Amtsgericht den weitergehenden Antrag des
Gläubigers, dass pfandfrei zu belassende Einkommen auf nur 599,92 € festzusetzen,
zurück.
Hiergegen wendet sich der Gläubiger mit seiner als sofortigen Beschwerde auszulegenden
Erinnerung vom 25. November 2004, mit der er die Festsetzung des pfandfreien Betrages
auf den beantragten Betrag von 599,92 € weiter verfolgt.
Mit Beschluss vom 27. Dezember 2004 hat das Amtsgericht die Akten dem Landgericht
Duisburg zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt.
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II.
Die gemäß § 793 ZPO als sofortige Beschwerde statthafte und deshalb so auszulegende
Erinnerung der Gläubigerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg. Sie
führt zur Abänderung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dahin, dass der dem
Schuldner nach § 850 d ZPO zu belassende pfandfreie Betrag für die Zeit bis zum
31.12.2004 festgesetzt wird auf 825,10 € und ab dem 01.01. 2005 auf 831,60 €. Im
Einzelnen gilt Folgendes:
1. Der nach § 850 d ZPO zuzubilligende pfandfreie Betrag ist nach bisheriger ständiger
Rechtsprechung der Kammer für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2004 in Einklang mit
der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechend dem notwendigen Lebensunterhalt
im Sinne der Abschnitte 2 und 4 des Bundessozialhilfegesetzes festzusetzen (vgl. hierzu
grundlegend BGH NJW 2003, 2918 f. mit weiteren Nachweisen). Dies führt zu folgender
Berechnung:
(1) Dem Schuldner ist zunächst der einfache ortsübliche Regelsatz gemäß § 22 BSHG zu
belassen, der für einen Haushaltsvorstand mit 296,- € anzusetzen ist.
(2) Dieser Regelsatz ist nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer um einen
Zuschlag von 25 % für einmalige Beihilfen gemäß § 21 BSHG, d.h um einen Betrag von
74,- € zu erhöhen.
(3) Weiterhin sind dem Schuldner angemessene und von ihm nachgewiesene
Unterkunftskosten einschließlich Heizkosten zuzubilligen, § 3 RSVO i.V.m. § 22 BSHG.
Sofern der Schuldner die Unterkunftskosten nicht nachweist, sind diese nach ständiger
Rechtssprechung der Kammer fiktiv anhand der Tabelle zu § 8 WoGG zu ermitteln, wobei
hierbei die Wohnkosten der Spalte 4 (Wohnraum bis Baujahr 1991) zuzüglich eines 20 %-
igen Zuschlages für Heizkosten zugrunde zu legen sind (vgl. Kammer, Beschluss vom
06.10.2004, 7 T 255/04).
Unter Berücksichtigung der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung ergibt sich
danach unter Zugrundelegung der Stufe III ein für einen Ein-Personen-Haushalt als
angemessen anzusehender Betrag von 245,- € . Dieser Betrag ist um einen 20 %-igen
Zuschlag, d.h. 49,- € monatlich als pauschalen Heizkostenbetrag zu erhöhen, so dass sich
angemessene Unterkunftskosten in Höhe von 294,- € ergeben.
(4) Weiterhin ist als Arbeitsanreiz für den erwerbstätigen Schuldner ein Betrag von 25 %
des Regelsatzes, entsprechend 74,- € zu belassen.
(f) Schließlich sind dem Schuldner berufsbedingte Mehraufwendungen zu belassen, die die
Kammer in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die Düsseldorfer Tabelle mit 50,- €
monatlich berücksichtigt. Da vorliegend aber im Hinblick auf die große Entfernung zur
Arbeitsstätte des Schuldners offensichtlich erhöhte Fahrtkosten anfallen, erscheint es im
vorliegenden Fall angemessen, den vom Amtsgericht anhand der Fahrtkosten für
öffentliche Verkehrsmittel geschätzten Betrag von 87, 10 € dem Schuldner pfandfrei zu
belassen.
Danach ergibt sich bis zum 31. Dezember 2004 folgender Pfändungsfreibetrag:
Regelsatz 296,00 €
Aufschlag für Mehrbedarf 74,00 €
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fiktive Warmmiete 294,00 €
Arbeitsanreiz 74,00 €
Mehraufwendungen 87,10 €
pfandfrei zu belassendes Einkommen 825,10 €.
2. Durch die Überführung des BSHG in des SGB XII zum 1. Januar 2005 errechnet sich
aufgrund der eingetretenen Änderungen des Regelsatzes ein abweichendes pfandfreies
Einkommen. Der Festsetzung des pfandfreien Betrages sind aufgrund der eingetretenen
Rechtsänderung nunmehr einheitlich, unabhängig von der Lebenssituation des
Schuldners, die Vorschriften der §§ 27-40 SGB XII zugrunde zu legen.
Dem steht nicht entgegen, dass sich die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem
SGB II richtet und dass für die Grundsicherung im Ater und bei Erwerbsminderung die
gesonderten Regelungen der §§ 41 – 46 SGB XII eingreifen. Die Bemessung des nach §
850 d ZPO pfandfrei zu belassenden Betrages hat entsprechend der bisherigen Praxis der
Kammer anhand dessen zu erfolgen, was zur Existenzsicherung des Schuldners genügt.
Die weitergehenden Leistungen nach dem SGB II bzw. den §§ 41 bis 46 SGB XII gewähren
Hilfen, die über die bloße Existenzsicherung hinausgehen und dem Schuldner im
Vollstreckungsverfahren mehr belassen würden, als er noch der bisherigen Regelung
erhalten hat. Sinn und Zweck der privilegierten Vollstreckung nach § 850 d ZPO ist jedoch
gerade, dass der Schuldner gegenüber den Unterhaltsforderungen des Gläubigers
lediglich sein eigenes Existenzminimum sicherstellen kann und die übrigen Mittel vorrangig
zur Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche und etwaiger nach § 850 d ZPO
privilegierter Unterhaltsrückstände einzusetzen hat. Dem entsprechend hat auch der BGH
(vgl. hierzu grundlegend BGH NJW 2003, 2918 f. mit weiteren Nachweisen) abgelehnt, die
Festsetzung des pfandfreien Betrages an dem in der Düsseldorfer Tabelle festgesetzten
Selbstbehalt zu orientieren, weil auch dieser dem Schuldner mehr belässt, als er zur
bloßen Existenzsicherung benötigt.
Die Neuregelungen des SGB XII sehen nunmehr folgende Leistungen vor:
(1) Der Regelsatz zur Sicherung des Lebensunterhaltes beträgt gemäß § 28 SGB XII i.V.m.
der RegelsatzVO NW für den Haushaltsvorstand 345,- €.
Davon ist der gesamte Lebensbedarf gedeckt, insbesondere Ernährung, Körperpflege,
Haushaltsführungskosten, Haushaltsenergie, Hausrat, Kleidung, Möbel, Verkehr, Kultur-
und Freizeitaktivitäten.
(2) Der bisher nach § 21 BSHG festgesetzte Zuschlag für Mehrbedarf entfällt nunmehr im
Hinblick darauf, dass in dem Eckregelsatz ein Betrag von 48,- € für einmaligen Bedarf
enthalten ist, der den Mehrbedarf grundsätzlich voll abdeckt.
(3) Die Voraussetzungen eines etwaigen Mehrbedarfs nach § 30 SGB XII sind nicht
ersichtlich.
(4) Darüber hinaus sind wie bisher die angemessenen Kosten der Unterkunft anzurechnen,
§ 29 Abs. 1 SGB XII. Hierzu gelten die bisherigen Grundsätze unverändert fort.
Dabei sind wie bisher wohnungsbezogene Nebenkosten (z. B. auf die Miete umgelegte
Grundsteuer, Allgemeinstrom, Hausmeisterkosten, etc.) im Rahmen des angemessenen als
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Wohnkosten zu berücksichtigen, während die allgemeinen Energiekosten für Wasser,
Strom, etc. vom Regelsatz abgedeckt werden.
Unter Zugrundelegung der seit dem 01.01.2005 gültigen Tabelle zu § 8 WoGG ist eine
Kaltmiete von 245,- € als angemessen anzusehen. Dies entspricht Wohnraum für
Gemeinden, die der Stufe III zuzuordnen sind, für Wohnungen, die vor 1991 fertiggestellt
wurden (jetzt Spalte 3 der Tabelle).
Dieser Mietzins ist um einen Zuschlag von 20 % für Heizkosten zu erhöhen, so dass sich
eine fiktiv zu berücksichtigende Warmmiete von 294,- € ergibt.
(4) Darüber hinaus ist dem Schuldner nach § 82 Abs. 3 SGB XII ein Betrag von 30 % des
Regelsatzes als Arbeitsanreiz zu belassen. Dies ergibt einen Betrag von 103,50 €.
(5) Berufsbedingte Mehraufwendungen sind nach § 82 Abs. 2 SGB XII dem Schuldner in
der bisherigen Höhe, hier also wie ausgeführt mit 87,10 € zu belassen.
Danach errechnet sich für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 das pfandfrei zu belassende
Einkommen wie folgt:
Regelsatz 345,00 €
fiktive Warmmiete 296,00 €
Arbeitsanreiz 103,50 €
Mehraufwendungen 87,10 €
insgesamt 831,60 €.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.