Urteil des LG Düsseldorf vom 18.06.2009

LG Düsseldorf: auflösende bedingung, ex nunc, produkt, verein, verbraucher, werbung, lebensmittel, geschäftsführer, verordnung, gesetzesänderung

Landgericht Düsseldorf, 37 O 91/08
Datum:
18.06.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
37 O 91/08
Tenor:
Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Produkte
der Firma „O" wie folgt zu werben:
1.
für das Produkt "F - Kapseln":
„Ich hab die T und, also T, und auch die Augenkapseln … und einen
Supererfolg damit gehabt. Ich hab meine alte Brille aufsetzen können
wieder durch die Augen; hat keiner verstanden.",
2.
für das Produkt „S-Kapseln“:
„Goldhirse hat noch mal ganz viel Kieselsäure. Und Kieselsäure
wiederum, das wissen natürlich ganz viele, sorgt unter anderem für
festes Gewebe. Also da geht’s dann wirklich um den Anti – Aging –
Aspekt, der ja immer wieder besprochen wird. Und man kann wirklich
viel machen. Man muss natürlich nur; Currywurst, Pommes wird
schwierig sein, sag ich’s mal so. Man muss die richtigen Substanzen
nehmen!".
Der Beklagten werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese
gerichtliche Verbote als Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu
6 Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Zu verhängende Ordnungshaft wird gegen organschaftliche Vertreter
vollstreckt.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.
4.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 40.000,00
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger ist ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Zielen es gehört, die Einhaltung
der Regeln des unlauteren Wettbewerbs zu überwachen. Er ist als Wettbewerbsverband
im Sinne von § 13 Abs. 5 Nr. 2 des Unterlassungsklagegesetzes (UKlaG) anerkannt.
2
Die Beklagte, die ihren Sitz in den Niederlanden hat, vertreibt in Deutschland eine
Vielzahl von Produkten als Nahrungsergänzungsmittel. Ihre Produkte veräußert sie an
den TV – Shopping – Sender R Deutschland, der sie im Wege des Teleshopping
absetzt.
3
Gegenstand des Rechtsstreits sind Unterlassungsbegehren des Klägers, die sie auf
Aussagen stützt, die in der am 21. Februar 2008 in der Zeit von 18.00 bis 20.00 Uhr
ausgestrahlten R - Dauerwerbesendung "T T" fielen. Die im Urteilstenor 2. genannten
Äußerungen wurden von einer "live" in das Studio durchgestellten Anruferin zu dem
Produkt "F Kapseln" der Beklagten abgegeben. Außer dem Moderator war an der
Sendung im Studio auch der geschäftsführende Alleingesellschafter der Beklagten
beteiligt. Die Dauerwerbesendungen, in denen die Produkte der Beklagten beworben
werden, sind so konzipiert, dass anrufende Zuschauer in der Sendung "live" zu Wort
kommen, ihre Meinung äußern und über ihre Erfahrungen mit den beworbenen
Produkten berichten können. Die im Tenor zu 2. genannten Äußerungen wurden in der
in Rede stehenden Sendung von dem Geschäftsführer der Beklagten abgegeben.
4
Zu den Einzelheiten des Dialogs, in dem die im Tenor zu 1. dieses Urteils
wiedergegebenen Aussagen fielen, wird auf den Inhalt des in der Klageschrift (S. 5 und
6) wiedergegeben Wortprotokolls verwiesen, dessen Inhalt als solcher unstreitig ist.
5
Auf die vorprozessuale Abmahnung der Klägerin hat die Beklagte sich vorprozessual
zur Unterlassung der streitgegenständlichen Aussagen verpflichtet, wegen der
Einzelheiten wird auf den in Kopie als Anlage K5 überreichten Anwaltsschriftsatz vom
23. Mai 2008 verwiesen, in dem es unter anderem heißt:
6
"2. Die vorstehenden Erklärungen erfolgen unter der auflösenden Bedingung, dass
diese ex nunc unwirksam und von meiner Mandantin entsprechend widerrufen
werden können, sofern sich die derzeitige Rechtslage durch Gesetzesänderung
oder höchstrichterliche Rechtsprechung ändern sollte. Das gleich gilt für den Fall,
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dass Ihr Verein als nicht mehr klagebefugt i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG angesehen
werden oder sich herausstellen sollte, dass das gesamte Vorgehen Ihres Vereins
gegen meine Mandantin als rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG
anzusehen ist."
Der Kläger hat diese bedingt abgegebene Unterlassungserklärung nicht akzeptiert.
8
Er hält die im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Aussagen für
wettbewerbswidrig, weil sie krankheitsbezogen bzw. irreführend seien.
9
Der Kläger beantragt,
10
wie erkannt.
11
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte rügt die Unzulässigkeit der Klage. Sie meint, dem Kläger fehle das
Rechtsschutzinteresse, weil die von ihr, der Beklagten, vorprozessual abgegebene
Unterlassungserklärung ausreichend gewesen sei, um die Gefahr der Wiederholung der
angegriffenen Aussagen zu beseitigen.
14
Im Übrigen hält sie die Klage für unbegründet, weil die in Rede stehende
Zuschaueräußerung ihr nicht zuzurechen sei. Zu der insoweit beanstandeten Aussage
sei es infolge der den Zuschauern eröffneten Möglichkeit gekommen, sich in der
Sendung zu äußern. Die Anrufer würden darauf hingewiesen, dass sie sich krankheits-
und gesundheitsbezogener Äußerung zu enthalten hätten. Sowohl ihr Geschäftsführer
als auch der Moderator der Sendung hätten sich in der gebotenen höflichen Art und
Weise ausreichend von der Zuschaueraussage betreffend die "F Kapseln" distanziert.
Die Aussage ihres Geschäftsführers zu dem Produkt "S-Kapseln" hält sie für inhaltlich
nicht beanstandenswert.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
17
I.
18
Der Klage kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden. Insbesondere
steht die für die Beklagte vorprozessual abgegebene Unterlassungserklärung der
Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.
19
Die Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin genügt schon wegen der
Formulierung der in ihr enthaltenen auflösenden Bedingung nicht den inhaltlich an sie
zu stellenden Anforderungen.
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Der Unterlassungsschuldner muss sich durch eine eindeutige, unmissverständliche und
grundsätzlich vorbehaltlose Erklärung zur Unterlassung verpflichten. Ihr Inhalt darf
keinen Zweifel an ihrer Rechtsverbindlichkeit aufkommen lassen. Auf Erklärungen mit
Einschränkungen und Zusätzen braucht sich der Unterlassungsgläubiger grundsätzlich
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nicht einzulassen (vgl. Ahrens - Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 7, RN 2
ff.). Bedingte Unterwerfungserklärungen sind nur in engen Grenzen zulässig, wenn dem
Unterlassungsschuldner ein berechtigtes Interesse hieran zuzubilligen ist und durch die
Einschränkungen letztlich nur eine Anpassung an künftig eintretende Veränderungen
der materiell – rechtliche Verhältnisse erreicht werden soll.
Die von der Beklagten vorprozessual abgegeben Unterlassungserklärung genügt
diesen Anforderungen nicht, weil die Ereignisse, an die die auflösende Bedingung
anknüpft ("Änderung der derzeitigen Rechtslage durch Gesetzesänderung oder
höchstrichterliche Rechtsprechung" und "für den Fall, dass Ihr Verein nicht mehr als
klagebefugt ... angesehen werden oder sich herausstellen sollte, dass das gesamte
Vorgehen Ihres Vereins gegen meine Mandantin als rechtsmissbräuchlich ... anzusehen
ist.") nicht hinreichend bestimmt beschrieben sind, so dass unklar bleibt, unter welchen
Voraussetzungen der Bedingungseintritt anzunehmen ist.
22
II.
23
1.
24
Der Klageantrag zu I. 1. ist gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1, 14 HCVO und in Verbindung mit § 12 LFBG begründet.
25
Die HCVO ist am 1. Juli 2007 in Kraft getreten; sie gilt seitdem in jedem Mitgliedsstaat
der EU als unmittelbar anzuwendendes Recht (Art. 249 Abs. 2 EG – Vertrag). Bei den
Regelungen der HCVO handelt es sich um das Marktverhalten im Interesse der
Marktteilnehmer regelnde Vorschriften (§ 4 Nr. 11 UWG). Diese lebensmittelrechtlichen
Bestimmungen sind wettbewerbsbezogene Marktverhaltensregelungen mit
lauterkeitsrechtlicher Schutzfunktion, die unter § 4 Nr. 11 UWG fallen (vgl.
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 25. Aufl., § 4 RN 11.118, 11.129). Der Begriff "im
Interesse der Marktteilnehmer" umfasst gemäß der Legaldefinition in § 2 Nr. 2 UWG
auch die Verbraucher und Erwägungsgrund (1) der HCVO nennt als Ziel der
Verordnung, für den Verbraucher ein hohes Schutzniveau zu gewähren.
26
Unbestritten handelt es sich bei den in Rede stehenden Aussagen um
krankheitsbezogene Aussagen, die zur Werbung für Lebensmittel gemäß Art. 14 HCVO
bzw. § 12 LFBG grundsätzlich nicht eingesetzt werden dürfen.
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Die Beklagte muss sich die in der Werbesendung gemachten Aussagen der
Zuschauerinnen zurechnen lassen. Sie setzt diese Anrufe bewusst als Mittel der
Werbung für ihre Produkte ein. Von derartigen Berichten angeblich Betroffener geht eine
besonders hohe Werbewirkung aus, weil sie authentischer und glaubhafter wirken als
Werbeanpreisungen des Herstellers oder Verkäufers. Liest man den von dem Kläger als
Wortprotokoll wiedergegebenen Dialog mit der Anruferin lässt sich eine Distanzierung
von deren, nicht allgemein wissenschaftlich belegten Aussagen nicht erkennen.
28
2.
29
Der Klageantrag zu I. 2. ist gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 13 Abs. 1 lit. a), 28 Abs. 5 HCVO begründet.
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Bei den Äußerungen, auf die sich der Klageantrag zu I. 1. bezieht, handelt es sich – wie
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die Beklagte einräumt – um solche im Sinne des Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO, die die
Bedeutung eines Nährstoffs für die Körperfunktion beschreiben. Sie sind grundsätzlich
unzulässig. Derartige Aussagen sind gemäß Art. 28 Abs. 5 HCVO bis zur
Verabschiedung der in Art. 13 Abs. 3 HCVO genannten Liste nur dann zulässig, wenn
sie "dieser Verordnung" und dem einschlägigen nationalen Recht entsprechen. Der
HCVO entsprechen sie aber nur dann, wenn u. a. die Voraussetzungen der Art 5 Abs. 1
HCVO erfüllt sind (vgl. Meisterernst / Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition
Claims, Stand 4 / 2008, RN 22 zu Art 28 HCVO). Die Beklagte trägt aber nicht vor, dass
ihr Produkt bzw. die in ihm enthaltenen Wirkstoffe, die in Art. 5 Abs. 1 der HCVO
formulierten Bedingungen erfüllen. Denn danach müsste anhand allgemein anerkannter
wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen sein, dass das Vorhandensein der
Wirkstoffe, auf die sich die Angaben bezogen, in dem von ihr vertrieben Lebensmittel
eine positive physiologische Wirkung hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a) HCVO). Ferner hätte die
Beklagte darlegen und unter Beweis stellen müssen, dass die Stoffe, auf die sich die
Angaben bezogen im Produkt in einer Menge vorhanden ist, die nach allgemein
anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behauptete
ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 lit.
b) i) HCVO). Sie ferner darlegen müssen, dass die angesprochenen Wirkstoffe in ihrem
Produkt in einer Form vorliegen, die für den Körper verfügbar ist (Art. 5 Abs. 1 lit. c)
HCVO). Zudem müsste die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise
erwartet werden kann, eine signifikante Menge der Wirkstoffe enthalten, die nach
allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behauptete
physiologische Wirkung zu erzielen (Art. 5 Abs. 1 lit. d) HCVO). Allgemein anerkannt
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Angaben sich auf allgemein anerkannte
wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sind. Das beutet
zwar nicht, dass die Aussagen in der Wissenschaft völlig unstrittig sein müssen. Es
dürfen jedoch keine gewichtigen Gegenmeinungen zu ihrem Aussagegehalt bestehen
(vgl. Meisterernst / Haber, a.a.O., RN 5 zu Art. 5 HCVO). Zu alledem trägt die Beklagte
nichts Konkretes vor.
3. Die Begründetheit des Klageantrags zu II. ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Der
Höhe nach ist die Beklagte dem gemäß § 287 ZPO auf € 166,60 zu schätzenden Betrag
nicht entgegen getreten. Er ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
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III.
33
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
34
IV.
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Streitwert: € 20.166,60
36