Urteil des LG Düsseldorf vom 23.01.2007

LG Düsseldorf: stand der technik, eigenes verschulden, angemessene entschädigung, begriff, einbau, dach, rechnungslegung, montage, patentanspruch, geschäftsführer

Landgericht Düsseldorf, 4a O 34/06
Datum:
23.01.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 34/06
Tenor:
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im
Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die
Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) an ihrem jeweiligen
Geschäftsführer zu vollziehen ist,
zu unterlassen
im deutschen territorialen Geltungsbereich des europäischen Patents X
a) Dachflächenfenster mit an dessen Blendrahmen-Seitenstücken
festzulegenden Montagewinkeln, die jeweils einen ersten Schenkel,
einen zu diesem rechtwinklig verlaufenden zweiten Schenkel und in
beiden Schenkeln angeordnete Halterungslöcher zur Aufnahme von in
das Blendrahmen-Seitenstück bzw. in tragende Dachteile
einzutreibenden Halterungselementen aufweisen,
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen jeder Montagewinkel zum Vorfixieren am Blendrahmen an der
vom zwei-ten Schenkel abgewandten Stegfläche des ersten Schenkels
mindestens zwei in einer zum zweiten Schenkel parallelen Ebene
rechtwinklig auswärts vorspringende Flachdorne trägt und in die
äußeren Seitenflächen jedes Blendrahmen-Seitenstücks mehrere in
dessen Längsrichtung verlaufende Halterungsnuten für die Flachdorne
mit höchstens deren Materialstärke entsprechender Nutbreite eingetieft
sind;
b) Dachflächenfenster mit einem über Montagewinkel an der
Dachkonstruktion festlegbaren Blendrahmen
anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
bei denen in die äußeren Seitenflächen jedes Blendrahmen-
Seitenstücks mehrere in vorbestimmten Abständen in dessen
Längsrichtung verlaufende Halterungsnuten mit höchstens der
Materialstärke von an den Montagewinkeln angebrachten Flachdornen
entsprechender Nutbreite eingetieft sind.
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die
unter Ziffer I. 1 a) und b) bezeichneten Handlungen seit dem 16.02.1998
begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der
Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer
Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -
zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der
Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagen-höhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den
Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei
denn, diese könnten den unter I. 1. bezeichneten Gegenständen
unmittelbar zugeordnet werden,
3.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem
Eigentum befindli-chen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu
vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden
Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten –
Kosten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet
sind, der Klä-gerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter
Ziff. I. 1. bezeichneten und seit dem 16.02.1998 begangenen
Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 €
vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte,
unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der
Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder
Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin, ein in Dänemark ansässiges Unternehmen, nimmt die Beklagte wegen
Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents X (Klagepatent) auf
Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz in Anspruch. Die
Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme einer
deutschen Priorität vom 12.12.1986 am 04.12.1987 angemeldet wurde und dessen
Erteilung am 07.11.1990 veröffentlicht wurde. Das Patent steht in Kraft. Das Klagepatent
bezieht sich auf ein Dachflächenfenster, an dessen Blendrahmen-Seitenstücken näher
beschriebene Montagewinkel festzulegen sind. Die von der Klägerin geltend gemachten
Patentansprüche 1 und 14 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist,
lauten wie folgt: Patentanspruch 1 Dachflächenfenster (1) mit an dessen Blendrahmen-
Seitenstücken festzulegenden Montagewinkeln (10), die jeweils einen ersten Schenkel
(11), einen zu diesem rechtwinklig verlaufenden zweiten Schenkel (12) und in beiden
Schenkeln angeordnete Halterungslöcher (15, 16, 17) zur Aufnahme von in das
Blendrahmen-Seitenstück bzw. in tragende Dachteile einzutreibenden
Halterungselementen aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass a) jeder
Montagewinkel (10) zum Vorfixieren am Blendrahmen (2) an der vom zweiten Schenkel
(12) abgewandten Stegfläche des ersten Schenkels (11) mindestens zwei in einer zum
zweiten Schenkel (12) parallelen Ebene rechtwinklig auswärts vorspringende
Flachdorne (14) trägt und b) in die äußeren Seitenflächen jedes Blendrahmen-
Seitenstücks (3) mindestens eine in dessen Längsrichtung verlaufende Halterungsnut
(5) für die Flachdorne (14) mit höchstens deren Materialstärke entsprechender Nutbreite
eingetieft sind.
2
Patentanspruch 14 Dachflächenfenster (1) mit einem über Montagewinkel (10) an der
Dachkonstruktion festlegbaren Blendrahmen (2), dadurch gekennzeichnet, dass in die
äußeren Seitenflächen jedes Blendrahmen-Seitenstücks (3) eine oder mehrere in
vorbestimmten Abständen in dessen Längsrichtung verlaufende Halterungsnuten (5) mit
höchstens der Materialstärke von an den Montagewinkeln (10) angebrachten
Flachdornen (14) entsprechender Nutbreite eingetieft sind.
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Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter
Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Figur 1
zeigt eine perspektivische Ansicht eines Montagewinkels. Figur 2 zeigt eine
schematische perspektivische Ansicht des Dachflächenfensters beim Einbau auf dem
Dach. Figur 3 zeigt eine schematische Darstellung der verschiedenen
Befestigungsstellungen des Montagewinkels am Blendrahmen.
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Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreibt von der X in
5
Polen hergestellte Dachfenster und zugehörige Befestigungsbügel. Auf der
deutschsprachigen Internet-Seite der Beklagten zu 1) beschreibt die Beklagte zu 1)
Fenster zum Einbau in eine Dachstruktur und die zugehörigen Winkelstücke. Im
Folgenden wird auszugsweise Seite 5 der dort zu findenden Einbauanleitung
wiedergegeben, wobei sich diese Anleitung auf einen Einbau der Dachfenster auf den
Dachsparren bezieht:
Der Einbau der Dachfenster auf den Dachlatten ist auf den Seiten 8 und 9 des Internet-
Auszugs (Anlage K 12) beschrieben. Der von der Beklagten zu 1) genannte
Metallwinkel hat die im Folgenden abgebildete Form:
6
Die Klägerin ist der Ansicht, das von der Beklagten zu 1) beworbene
Dachflächenfenster und die zugehörigen Montagewinkel verwirklichten wortsinngemäß
sämtliche Merkmale des Hauptanspruchs 1 des Klagepatents und der rückbezogenen
Unteransprüche 2, 3, 5 und 9 sowie sämtliche Merkmale des Nebenanspruchs 14 sowie
des darauf rückbezogenen Unteranspruchs 15. Die Klägerin hat zunächst angekündigt
zu beantragen, wie erkannt, mit der Maßgabe, dass Rechnungslegung und
Schadensersatz bereits ab dem 07.12.1990 verlangt wurde und dass darüber hinaus
beantragt wurde, festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für
die unter Ziffer I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 07.01.1989 bis zum 07.12.1990
begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2007 hat die Klägerin den Antrag auf
Rechnungslegung und Schadensersatz auf die Zeit seit dem 16.02.1998 beschränkt
und den Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen
Entschädigung zurückgenommen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen;
hilfsweise, den Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden.
8
Die Beklagten meinen, das Klagepatent schütze nur Dachflächenfenster, die mittels
Montagewinkeln auf den Dachsparren, also auf den geneigten Trägern des Daches,
nicht aber auf den parallel zum Boden verlaufenden Dachlatten angebracht würden.
Eine solche Montage auf den Dachsparren sei zwar in der Montageanleitung erwähnt,
allerdings werde diese Montage in der Anleitung anders als im Klagepatent
beschrieben: so werde nicht vorgegeben, dass die im Klagepatent als "X"
beschriebenen vorspringenden Stücke in die im Blendrahmen vorgesehene Nut
gesteckt werden sollen (vgl. Seite 5 der Anlage K 12). Auf den Dachsparren könnten die
Montagewinkel unter Einsatz der Flachdorne auch gar nicht eingebaut werden, da die
Einbauhöhe des Dachflächenfensters dann nicht mit der Dachabdeckung abgestimmt
werden könne. Soweit die Einbauanleitung eine Verwendung der Montagewinkel zur
Befestigung des Dachflächenfensters auf den Dachlatten beschreibe, sei dies nicht vom
Klagepatent geschützt, da die Montagewinkel in diesem Fall nicht an den Blendrahmen-
Seitenstücken, sondern an den Blendrahmen-Querstücken befestigt werden müssten.
Weiter "trage" die Stegfläche des ersten Schenkels der Montagewinkel bei der
angegriffenen Ausführungsform keine Flachdorne, wie es vom Klagepatent
vorausgesetzt werde. Die Flachdorne befänden sich auch nicht in einer zum zweiten
Schenkel parallelen Ebene. Der Fachmann verstehe hierunter nämlich, dass sich die
Flachdorne in wesentlich voneinander beabstandeten Ebenen befinden müssten und
nicht - wie bei der angegriffenen Ausführungsform – in ein- und derselben Ebene lägen.
Schließlich wenden die Beklagten ein, die Beklagte zu 1) habe ihre Geschäftstätigkeit
erst zum 16.02.1998 aufgenommen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zu den Akten gelangten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie auf
tatsächliche Feststellungen in den Entscheidungsgründen verwiesen.
10
Entscheidungsgründe:
11
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin kann von den Beklagten
Unterlassung, Vernichtung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung aus Art.
64 Abs. 1 EPÜ; §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1, 140b Abs. 1 PatG; §§ 242, 259 BGB
verlangen. Die angegriffene Ausführungsform macht von den Ansprüchen 1 und 14 des
Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, ohne dass die Beklagten dazu berechtigt sind
(§ 9 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 PatG). I. Das Klagepatent schützt in den Patentansprüchen
1 und 14 ein Dachflächenfenster und dessen Befestigung auf tragenden Dachteilen
durch Montagewinkel. In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass es
beim Einbau von Dachflächenfenstern wichtig sei, die Einbaustellung des
Dachflächenfensters an die Dacheindeckung anzupassen, damit die Dichtigkeit
zwischen Blendrahmen und Dach gewährleistet sei. Im Stand der Technik sei bekannt,
dass Dachflächenfenster durch Montagewinkel und darin einzuschlagende
Einschlagsschrauben an den unter der Dacheindeckung liegenden Dachsparren
befestigt würden. Da allerdings die Abstände und Abmessungen der Dachsparren und –
latten sehr unterschiedlich seien, sei es für die einbauende Person mühsam und
zeitraubend, durch Ausmessen am Dach die Punkte zu ermitteln, an denen die
Montagewinkel anzubringen seien. Aus der X sei ein Montagewinkel bekannt, der aus
einer abgewinkelten Platte mit Löchern zur Aufnahme von Nägeln bestehe, und der
einen nahe dem Ende der Platte ausgestanzten und herausgebogenen Fixierungsdorn
aufweise. Aus der X sei ein Montagewinkel bekannt, der an einer Endkante mehrere
auswärts umgebogene Spitzen aufweise, die in die tragenden Holzleisten eingetrieben
würden. Der zweite federnd ausgebildete Schenkel des Befestigungswinkels weise ein
Loch mit seitlichem Spiel auf, durch das die zu halternde Wandverkleidungsplatte mit
einem Gewindebolzen befestigt werde. Beide Montagewinkel eigneten sich jedoch nicht
zur gleichmäßig ausgerichteten Anbringung von Dachflächenfenstern. Denn es werde
jeweils nur die Fixierung am Blendrahmen erleichtert, es würden aber keine Hilfsmittel
geschaffen, die eine gleichmäßige Anbringung der Fenster ohne großen Mess- und
Berechnungsaufwand ermöglichten. Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das
Problem zu Grunde, ein Dachflächenfenster und zugehörige Montagewinkel zu
schaffen, die mit einfachen Mitteln einen rascheren und zuverlässig ausgerichteten
Einbau durch nur eine Person ermöglichen. Dies soll durch die Patentansprüche 1 und
14 erreicht werden: 1. Dachflächenfenster (1) mit an dessen Blendrahmen-
Seitenstücken festzulegenden Montagewinkeln (10). 2. Die Montagewinkel (10) weisen
auf a. einen ersten Schenkel (11) b. einen zu diesem rechtwinklig verlaufenden zweiten
Schenkel (12) c. in beiden Schenkeln (11, 12) angeordnete Halterungslöcher (15, 16,
17) zur Aufnahme von in das Blendrahmen-Seitenstück bzw. in tragende Dachteile
einzutreibenden Halterungselementen d. mindestens zwei Flachdorne (14). 3. Die
Flachdorne a. dienen zum Vorfixieren am Blendrahmen (2) b. werden von jedem
Montagewinkel (10) an der vom zweiten Schenkel (12) abgewandten Stegfläche des
ersten Schenkels (11) getragen c. springen auswärts rechtwinklig vor d. liegen in einer
zum zweiten Schenkel (12) parallelen Ebene. 4. In die äußeren Seitenflächen jedes
Blendrahmen-Seitenstücks (3) sind eingetieft a. mindestens eine in dessen
Längsrichtung verlaufende Halterungsnut (5) für die Flachdorne b. mit höchstens deren
Materialstärke entsprechender Nutbreite. Anspruch 1 1. Dachflächenfenster (1) mit
12
einem über Montagewinkel (10) an der Dachkonstruktion festlegbaren Blendrahmen (2)
2. In die äußere Seitenfläche jedes Blendrahmen-Seitenstücks (3) sind eingetieft a. eine
oder mehrere in vorbestimmten Abständen in dessen Längsrichtung verlaufende
Halterungsnuten (5) b. mit einer höchstens der Materialstärke von an den
Montagewinkeln (10) angebrachten Flachdornen (14) entsprechenden Nutbreite.
Anspruch 14
13
II. In Bezug auf den Patentanspruch 1 ist zwischen den Parteien die Verwirklichung der
Merkmale 1, 2. c., 3. b., 3. d. streitig. 1. Merkmal 1 Die Beklagten meinen, das Merkmal 1
sei nicht verwirklicht. Zwar könnten die von der Beklagten zu 1) angebotenen
Montagewinkel in der im Patent beschriebenen Art mit den Flachdornen in
Halterungsnuten befestigt werden. Die Montagewinkel könnten in dieser Weise aber nur
zur Befestigung der Blendrahmen-Querstücke an den Dachlatten zum Einsatz kommen,
nicht aber – wie es das Klagepatent verlange - zur Befestigung der Blendrahmen-
Seitenstücke an den Dachsparren. Die Dachsparren sind die geneigten Hölzer des
Dachstuhls, während die Dachlatten parallel zum Boden angebracht werden. Der Begriff
"Blendrahmen-Seitenstücke" werde im tatsächlichen Sprachgebrauch sowie vom
Fachmann im Stand der Technik dahingehend verstanden, dass damit lediglich die
Längsseiten des Blendrahmens gemeint seien und nicht etwa auch die Querstücke des
Blendrahmens. Die Blendrahmen-Seitenstücke seien immer an den quer verlaufenden
Dachsparren zu befestigen. In der Einbauanleitung der Beklagten werde aber nur
beschrieben, wie die Montagewinkel unter Einsatz der Flachdorne an den
Blendrahmen-Querstücken und den Dachlatten befestigt würden (Seite 9 der
Einbauanleitung). Dagegen sei der Einsatz der Montagewinkel an den Blendrahmen-
Seitenstücken bzw. Dachsparren so beschrieben, dass hierbei die Flachdorne gar nicht
– wie vom Klagepatent beschrieben - in die Nuten der Blendrahmen-Seitenstücke
eingeführt würden (Seite 5 der Einbauanleitung). In der mündlichen Verhandlung hat der
Beklagtenvertreter ausgeführt, für eine solche Verwendung seien die Montagewinkel der
Beklagten auch gar nicht geeignet, da die Einbautiefe des Dachfensters dann nicht
genau an die Dicke der Dachlatten angepasst werden könnte. Eine solche Anpassung
sei aber erforderlich, weil sonst die vorgefertigte Dachabdeckung, die die Dichtigkeit
zwischen Blendrahmen und Dach sicherstellen solle, nicht in der richtigen Länge auf
dem Dach zu liegen komme. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist jedoch das
Merkmals 1 verwirklicht. Dabei kann dahinstehen, ob der Fachmann den Begriff
"Blendrahmen-Seitenstück" tatsächlich dahingehend versteht, dass damit nur die
Längsseiten eines Blendrahmens bezeichnet werden, so dass sich das Klagepatent nur
auf eine Montage auf den Dachsparren, die regelmäßig mit diesen Längsseiten der
Blendrahmen verbunden werden, beziehen würde.
14
Denn das Merkmal 1 ist auch dann erfüllt, wenn der Fachmann unter den Begriff
"Blendrahmen-Seitenstücke" tatsächlich lediglich die Längsseiten des Blendrahmens
fasst. Denn vorliegend können bei der angegriffenen Ausführungsform die
Montagewinkel durchaus auch an den Längsseiten angebracht werden, und zwar auch
in der Weise, dass die Flachdorne in eine der entsprechenden Halterungsnuten
gesteckt werden. Weil diese Möglichkeit besteht, ist Merkmal 1 erfüllt, auch wenn die
Beklagten ihren Kunden diese Art des Einsatzes der Montagewinkel nicht ausdrücklich
empfiehlt. Denn für die wortsinngemäße Verwirklichung eines Vorrichtungsanspruchs
reicht es aus, dass die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die
patentgemäßen Eigenschaften zu erreichen. Die Patentverletzung entfällt selbst dann
nicht, wenn der Hersteller ausdrücklich eine andere Verwendung seiner Vorrichtung
15
empfiehlt, solange die Nutzung der patentgemäßen Lehre möglich bleibt (BGH GRUR
2006, 399, 401 - Rangierkatze). Es kommt nicht darauf an, ob die die Patentfähigkeit
begründenden überragenden Eigenschaften auch tatsächlich genutzt werden (BGH
GRUR 1991, 436, 441 – Befestigungsvorrichtung II; Benkard/Scharen, PatG, 10. Aufl.
2006, § 14 Rn. 41). Unstreitig ist vorliegend, dass die Flachdorne – entgegen der
Einbauanleitung auf Seite 5 – auch bei der Befestigung an den Längsseiten in die
Halterungsnuten gesteckt werden können. Die Beklagte bestreitet lediglich, dass die
Flachdorne bei dieser Art der Verwendung zugleich die Funktion einer
Positionierungshilfe erfüllen, um die Einbauhöhe der Dachabdeckung anzupassen.
Darauf kommt es aber nicht an. Denn jedenfalls erreicht der Fachmann dann, wenn er
die Flachdorne in die Halterungsnuten steckt, eine rundum gleichmäßige Montage des
Dachflächenfensters. Mehr als eine solche gleichmäßige Positionierung des
Dachflächenfensters ermöglicht aber das Klagepatent und auch die darin gezeigte
bevorzugte Ausführungsform nicht. Die gleichmäßige Positionierung wird dadurch
erreicht, dass die Flachdorne an den verschiedenen Montagewinkeln jeweils in
dieselbe Halterungsnut gesteckt werden. Eine solche gleichmäßige und "zuverlässig
ausgerichtete" Positionierung zu ermöglichen, macht sich das Klagepatent zur Aufgabe,
und auch nur diese Aufgabe löst das Klagepatent. Dagegen ist nicht Voraussetzung des
Patentanspruchs, dass mit Hilfe der Flachdorne eine Positionierung in einer ganz
bestimmten, und zwar einer der Dicke der Dachlatten entsprechenden Einbautiefe
ermöglicht werden kann. Eine Vermaßung mit Hilfe einer an dem Montagewinkel
aufgebrachten Messskala ist in dem Klagepatent nicht vorgesehen. Dem Fachmann ist
bei der Lektüre des Klagepatents klar, dass mit der darin beschriebenen Lehre nicht
gewährleistet ist, dass die Dacheindeckung passt. Das Klagepatent macht nämlich
keinerlei Aussage dazu, in welche der verschiedenen Nuten die Flachdorne gesteckt
werden sollen. Sollte die Dacheindeckung nicht passen, kann der Fachmann daher
dazu übergehen, diese Eindeckung vor Ort zuzuschneiden. Diese Möglichkeit hat der
Fachmann auch, wenn er die Winkelstücke der Beklagten auf den Dachsparren in der
Weise einsetzt, dass die Flachdorne in eine der Halterungsnuten des Blendrahmen
greifen. Das Merkmal 1 ist damit erfüllt.
2. Merkmal 2. c. Nach Ansicht der Beklagten ist dieses Merkmal nicht erfüllt, weil die von
den Beklagten vertriebenen Montagewinkel keine Halterungslöcher zur Aufnahme von
in "tragende Dachteile" einzutreibenden Halterungselementen aufweisen würden. Die
Dachlatten, an denen die Montagewinkel nach der Einbauanleitung befestigt würden,
stellten nämlich keine "tragenden Dachteile" dar. Dieser Ansicht kann aber nicht gefolgt
werden. Denn mit dem Begriff der tragenden Dachteile bezeichnet das Klagepatent
jeweils diejenigen Dachteile, an denen das zu befestigende Dachfenster angebracht
wird. Dies ergibt sich aus einer funktionsorientierten Auslegung der Patentschrift. Denn
Gegenstand des Klagepatents ist es, ein Dachfenster und dessen Befestigung auf dem
Dach zu beschreiben. Mit tragenden Dachteilen sind daher im Zusammenhang der
Patentansprüche jeweils diejenigen Teile gemeint, auf denen das zu befestigende
Dachfenster angebracht wird. Dafür, dass das Klagepatent – wie die Beklagten meinen
– mit dem Begriff des "tragenden Dachteils" darauf abstellen will, dass das bezeichnete
Bauteil des Daches für die gesamte Dachkonstruktion tragend im Sinne der Statik sein
muss, findet sich in der Patentschrift kein Hinweis. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch
den Sprachgebrauch in der Beschreibung des Klagepatents, der allein für die Definition
auslegungsbedürftiger Begriffe maßgebend ist (BGH GRUR 1999, 909 –
Spannschraube). In Spalte 3, Zeile 38 spricht das Klagepatent von "Dachsparren oder
sonstigen tragenden Dachteilen". Daraus wird deutlich, dass eben auch andere
Dachteile wie etwa Dachlatten "tragende Dachteile" im Sinne des Klagepatents
16
darstellen können.
3. Merkmal 3. b. Die Beklagten meinen, nach dem Klagepatent müssten die Flachdorne
an der vom zweiten Schenkel abgewandten Stegfläche des ersten Schenkels des
Montagewinkels "getragen" werden. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform
aber nicht der Fall. Dort seien die Flachdorne Teil des zweiten Schenkels und wiesen
keine Berührungspunkte mit dem ersten Schenkel auf, würden also nicht von diesem
getragen. Dieser Ansicht folgt die Kammer nicht. Merkmal 3. b. ist erfüllt. Der Wortlaut
des Klagepatents erfordert lediglich, dass die Flachdorne von dem Montagewinkel
getragen werden (und nicht von der Stegfläche des ersten Schenkels), und zwar an der
vom zweiten Schenkel abgewandten Stegfläche des ersten Schenkels. Das Merkmal
"an der Stegfläche des ersten Schenkels getragen werden" ist so zu deuten, wie es der
angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter
Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung versteht
(Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. 2003, § 14 Rn. 66). Maßgeblicher Fachmann ist,
wer üblicherweise mit einschlägigen Entwicklungsarbeiten betraut ist
(Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. 2003, § 14 Rn. 126). Vorliegend ist dies ein
Bauingenieur (FH) oder Dachdeckermeister, der mit den im Stand der Technik
vorhandenen Befestigungssystemen für Dachfenster vertraut ist. Der Fachmann kann
der Patentschrift entnehmen, dass sich die Flachdorne derart an den Montagewinkeln
befinden müssen, dass sich die Winkel durch einfaches Eindrücken in die passende
Halterungsnut des Blendrahmen-Seitenstücks vorfixieren lassen. Die Flachdorne sollen
also so von der Stegfläche des ersten Schenkels abstehen, dass sie in die
Halterungsnuten gesteckt werden können. Das Klagepatent stellt klar, dass der konkrete
Aufbau der Montagewinkel in verschiedener Weise abgewandelt werden kann, solange
nur die Flachdorne in einer Ebene symmetrisch beabstandet angeordnet bleiben (Sp. 4,
Zeile 14ff). In der gesamten Beschreibung findet sich keine Ausführung dazu, dass die
Flachdorne in einer ganz besonderen Weise von dem Montagewinkel gestützt - also
"getragen" im umgangssprachlichen Sinne - werden müssten, um ihre Funktion erfüllen
zu können. In Spalte 4, Zeile 4 bis 6 heißt es lediglich, die Flachdorne sollten
ausgestanzt und einstückig umgebogen werden, das heißt die Flachdorne sollten zur
vereinfachten Herstellung aus demjenigen Teil des Metallstücks herausgetrennt
werden, der im rechten Winkel zu den Flachdornen steht (erster Schenkel). Daraus
ergibt sich, dass dem im Klagepatent verwendeten Begriff des "Tragens" keine
Bedeutung beizumessen ist, die über ein bloßes "Vorhandensein" oder "Aufweisen"
hinausgeht. Das Merkmal 3. b. ist daher dadurch erfüllt, dass der Montagewinkel der
angegriffenen Ausführungsform zwei Flachdorne aufweist.
17
4. Merkmal 3. d. Auch dieses Merkmal ist wortsinngemäß erfüllt. Die an der
angegriffenen Ausführungsform vorhandenen Flachdorne liegen in einer zum zweiten
Schenkel parallelen Ebene. Der Einwand der Beklagten, wonach ein praktisch
orientierter Durchschnittsfachmann sich an dem naheliegenden Verständnis orientieren
werde, dass die Flachdorne und der zweite Schenkel in verschiedenen Ebenen liegen
müssten, greift nicht durch. Denn der Fachmann kann dem Klagepatent entnehmen,
dass es entscheidend darauf ankommt, die Flachdorne in Richtung des zweiten
Schenkels vom ersten Schenkel weg anzuordnen, damit der erste Schenkel an dem
Blendrahmen-Seitenstück anliegen kann und zugleich die Flachdorne in die
Halterungsnut gesteckt werden können. In der gesamten Beschreibung des
Klagepatents finden sich keine Ausführungen, die es für den Fachmann nahe legen
würden, einen bestimmten Abstand zwischen den Flachdornen und der Ebene des
zweiten Schenkels für erforderlich zu halten. Mit dem Begriff der Parallelität wird
18
vielmehr lediglich klargestellt, dass die Flachdorne derart gebogen werden sollen, dass
sie sich zum einen jenseits der von dem zweiten Schenkel abweisenden Stegfläche des
ersten Schenkel befinden sollen und dass sie zum anderen dieselbe Ausrichtung haben
sollen wie der zweite Schenkel. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
5. Die übrigen Merkmale sind ebenfalls erfüllt. Dies ist zwischen den Parteien zu Recht
unstreitig, so dass sich dazu weitere Ausführungen erübrigen.
19
6. In Bezug auf den selbstständigen Patentanspruch 14 ist lediglich das Merkmal 2
(Blendrahmen-Seitenstück) zwischen den Parteien streitig. Dieses Merkmal ist jedoch
nach der zutreffenden Ansicht der Klägerin erfüllt. Denn wie bereits unter Ziffer II. 1.
ausgeführt, kann die von den Beklagten angebotene Ausführungsform in der Weise
verwendet werden, dass die Montagewinkel an den Längsseiten der
Dachflächenfenster, die nach Ansicht der Beklagten die Blendrahmen-Seitenstücke
darstellen, angebracht werden.
20
III. Aus der Verwirklichung sämtlicher Merkmale der Ansprüche 1 und 14 ergeben sich
die tenorierten Rechtsfolgen. Da die Beklagten widerrechtlich von der technischen
Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, sind sie der Kläger zur Unterlassung
verpflichtet (Art. 64 EPÜ; § 139 Abs. 1 PatG). Gemäß § 140a PatG sind die Beklagten
zur Vernichtung der patentverletzenden Gegenstände verpflichtet. Die Beklagten haben
der Klägerin außerdem Schadensersatz zu leisten (Art. 64 EPÜ; § 139 Abs. 2 PatG).
Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1), vertreten durch ihren
Geschäftsführer, den Beklagten zu 2), die Patentverletzung durch die angegriffene
Ausführungsform bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt
erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Die Beklagten haften nach § 840 Abs. 1
BGB als Gesamtschuldner. Die Schadensersatzpflicht beginnt jedenfalls ab dem
16.02.1998, als die Beklagte zu 1) ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen hat. Die
genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da jedoch hinreichend
wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der
Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin lediglich noch nicht
beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den
Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse
der Klägerin an einer Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach
anzuerkennen, § 256 Abs. 1 ZPO. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr
zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten
Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die
zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht
verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht
unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg
der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140b PatG, und die
Verletzungsform – im zuerkannten Umfang – zu vernichten, § 140a PatG.
21
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 269 Abs. 3 S. 2, 92 Abs. 2 Nr.
1, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
22
Streitwert: 200.000,00 Euro
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