Urteil des LG Düsseldorf vom 11.04.2006

LG Düsseldorf: auflage, auskunftserteilung, sicherheitsleistung, broschüre, gesundheitswesen, beweislast, schadenersatz, kennzeichnungskraft, rechnungslegung, verwechslungsgefahr

Landgericht Düsseldorf, 4b O 356/05
Datum:
11.04.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b Zivilkammer
Entscheidungsart:
Schlussurteil
Aktenzeichen:
4b O 356/05
Tenor:
I.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
13.113,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Ba-
siszinssatz seit dem 04.08.2005 zu zahlen.
II.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 73 % und die
Beklagten zu 27 %.
IV.
Das Urteil ist für die Klägerin wegen eines Betrages von 6.700,00 €
ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen ist das Urteil
für die Klägerin nur gegen Sicherheitsleistung von 7.500,00 € und für die
Beklagte nur gegen Sicherheitsleistung von 2.000,00 € vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin nimmt die Beklagten im Höheprozess auf Schadenersatz wegen
Markenrechtsverletzung in Anspruch.
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Die Klägerin ist auf dem Markt für individuelle Gesundheitsleistungen, die von den
gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig nicht erstattet werden, tätig. Sie ist
eingetragene Inhaberin der am 24.09.1999 angemeldeten und am 28.02.2001
eingetragenen Gemeinschaftswortmarke X (Nr. X), die Schutz u.a. für "Präparate für die
Gesundheitspflege, Diagnostika für medizinische Zwecke" und "Gesundheits- und
Schönheitspflege, Consulting im Bereich Medizin und Gesundheit" gewährt. Die
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Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2) und 3) sind, hat unter der
Bezeichnung "X" u.a. Geräte zur Beseitigung von Pigmentstörungen, zur
Bindegewebebehandlung und zur Magnetfeldtherapie vertrieben.
In dem vorausgegangenen Verfahren 4b O 327/03 hat die Kammer die Beklagten
verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik
Deutschland a) für medizinische Dienstleistungen sowie Therapiesysteme im
Gesundheitswesen die Bezeichnung "X" zu verwenden und/oder so gekennzeichnete
Waren/Dienstleistungen anzubieten, zu veräußern und/oder zu bewerben, sowie b) im
Zusammenhang mit den vorgenannten Waren/Dienstleistungen die Domaine
"www.X.de" und "www.X.com." zu nutzen. Außerdem sind die Beklagten zur
Auskunftserteilung verurteilt und ist die Schadenersatzhaftung der Beklagten festgestellt
worden. Das Urteil ist seit dem 23.12.2004 rechtskräftig.
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Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 28.01.2005 haben die Beklagten der Klägerin zum
Zwecke der Auskunftserteilung mitgeteilt, unter der Bezeichnung "X" zwei Geräte,
nämlich ein Magnetfeldtherapiegerät sowie eine Massagebank vertrieben zu haben.
Den Umsatz für das Magnetfeld-Produkt gaben die Beklagten für die Jahre 2003 und
2004 (zweites Quartal 2003 bis zweites Quartal 2004) mit insgesamt 151.548,00 € an.
Den Gesamtumsatz, der mit den Massagebänken in der Zeit vom zweiten bis vierten
Quartal des Jahres 2004 erzielt worden ist, bezifferten die Beklagten mit insgesamt
648.107,00 € . Die Beklagten wiesen allerdings darauf hin, dass der letztgenannte
Umsatzbetrag auch Verkäufe einer einfachen, nicht zu Therapiezwecken, sondern
ausschließlich im Wellnessbereich einsetzbaren Massagebank umfasse, deren genauer
Anteil in der Kürze der Zeit nicht habe ermittelt werden könne. In ihrer Klageerwiderung
haben die Beklagten ausgeführt, dass insgesamt 12 Massagebänke nicht für
therapeutische Zwecke geeignet gewesen sind, weswegen ein Umsatzbetrag von
144.000,00 € in Abzug zu bringen sei.
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Ausgehend von den mit Schreiben vom 28.01.2005 angegebenen Umsatzzahlen der
Beklagten (151.548,00 € zuzüglich 648.107,00 € = 799.655,00 € ) beziffert die Klägerin
vorliegend ihren Schadenersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie.
Sie ist der Auffassung, dass ein auf den erzielten Umsatz anzuwendender Lizenzsatz
von 5 % angemessen sei, woraus sich eine Lizenzsumme von 39.982,75 € ergebe. Zur
Rechtfertigung des in Ansatz gebrachten Lizenzsatzes verweist die Klägerin auf eine
umfangreiche Benutzung der Klagemarke sowie darauf, dass die Beklagten die
schutzrechtsverletzenden Handlungen noch nach Rechtskraft des Verbotsurteils
hartnäckig fortgesetzt hätten.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 39.982,75 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten haben die Klageforderung in Höhe eines Betrages von 6.550,00 €
anerkannt, was einem Lizenzsatz von 1 % auf die um 144.000,00 € berichtigten
Umsätze gemäß dem Schreiben vom 28.01.2005 entspricht.
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Im Übrigen beantragen die Beklagten,
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die Klage abzuweisen.
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Sie halten einen Lizenzsatz von lediglich 1 % für angemessen und sind der Auffassung,
dass der Schadensberechnung lediglich der um die nicht medizinischen Geräte
verminderte Umsatz zugrunde gelegt werden dürfe.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 13.113,10 € nebst Zinsen gerechtfertigt, wobei
die Beklagten wegen eines Betrages von 6.550,00 € bereits aufgrund ihres
Anerkenntnisses zu verurteilen sind. Im Übrigen erweist sich das Klagebegehren als
nicht gerechtfertigt.
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I.
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Aufgrund des in dem Vorprozess 4b O 327/03 ergangenen Urteils steht zwischen den
Parteien rechtskräftig fest, dass die Beklagten der Klägerin denjenigen Schaden zu
ersetzen haben, der ihr durch die Verwendung der streitbefangenen Bezeichnung "X"
für medizinische Dienstleistungen sowie Therapiesysteme im Gesundheitswesen
entstanden ist. Die Klägerin kann ihren Schaden dabei grundsätzlich wahlweise
entweder in der Form des eigenen entgangenen Gewinns geltend machen, nach den
Regeln des Verletzergewinns liquidieren oder zur Schadensberechnung auf die Regeln
der Lizenzanalogie zurückgreifen.
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Bei der von der Klägerin zulässigerweise gewählten Methode der Lizenzanalogie
entspricht es - worüber auch die Parteien nicht streiten - der Üblichkeit, dass als Lizenz
ein bestimmter Prozentsatz vom Bruttoerlös (Umsatz) vereinbart worden wäre
(Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage, vor §§ 14 - 19, Rdnr. 116; Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 7. Auflage, § 14, Rdnr. 312; Fetzer, Markenrecht, 3. Auflage, § 14, Rdnr.
522). Die Klägerin hat der Berechnung ihrer Klageforderung deshalb zu Recht den von
den Beklagten unter der markenverletzenden Kennzeichnung "X" erzielten Umsatz
zugrunde gelegt. Der von den Beklagten vorgerichtlich mitgeteilte Verkaufserlös ist
allerdings lediglich insoweit von Belang, als er Waren oder Dienstleistungen im
medizinischen Bereich betrifft. Nach der Einlassung der Beklagten ist diese Eignung
und Zweckbestimmung für insgesamt zwölf Massagebänke, die ausschließlich im
Wellnessbereich eingesetzt werden können, nicht gegeben. Dies rechtfertigt es, von
dem Gesamtumsatzbetrag in Höhe von 799.655,00 € den entsprechenden Teilbetrag
von 144.000,00 € abzuziehen. Die Klägerin hat nämlich nichts dafür vorgetragen, dass
die zwölf Massagebänke - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - medizinischen
Zwecken gedient haben und damit schadenersatzpflichtig sind. Die Darlegungs- und
Beweislast liegt insofern bei der Klägerin, und nicht bei der Beklagten. Zwar hat die von
einem Schutzrechtsverletzer erteilte Rechnungslegung über den Umfang seiner
Verletzungshandlungen grundsätzlich die Vermutung der Richtigkeit für sich, soweit der
Verletzte sich die erteilte Rechnung zur Ermittlung seines Schadenersatzanspruchs zu
eigen macht, weswegen der Schutzrechtsverletzer im Höheprozess die Beweislast dafür
trägt, dass die von ihm erteilte Rechnung zu seinem Nachteil unrichtig ist (BGH, GRUR
1993, 897 - Mogul-Anlage). Vorliegend sind diese Grundsätze jedoch schon deshalb
nicht einschlägig, weil die Beklagten im Rahmen ihrer vorgerichtlichen
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Auskunftserteilung mit Schreiben vom 28.01.2005 ausdrücklich darauf hingewiesen
haben, dass der für die Massagebänke mitgeteilte Umsatzbetrag von 648.107,00 € nicht
schadenersatzpflichtige Verkaufsgeschäfte umfasst, weil ein (nicht näher bezifferter) Teil
der Massagebänke nicht therapeutischen Zwecken dient.
Auf den somit allein berücksichtigungsfähigen Umsatzbetrag von 655.655,00 €
(799.655,00 € abzüglich 144.000,00 € ) ist ein Lizenzsatz von 2 % anzuwenden. Denn
es ist davon auszugehen, dass vernünftige Vertragsparteien bei Berücksichtigung aller
Umstände - d.h. des Bekanntheitsgrades und des guten Rufs der geschützten Marke
sowie des Ausmaßes der Verwechslungsgefahr einschließlich der Warennähe
(Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 115; Ströbele/Hacker, a.a.O., Fetzer, a.a.O.) - einen
solchen vom Hundertsatz als Entgelt für eine Benutzungsberechtigung an der
Bezeichnung "X" vereinbart hätten. Insofern ist auf die Erfahrung zurückzugreifen, dass
im Bereich der Kennzeichenrechte die Lizenzsätze üblicherweise zwischen 1 % und 5
% betragen, wobei höhere Lizenzsätze nur bei besonders bekannten Marken mit
überragender Bedeutung für die Absatzchancen in Betracht kommen (Ingerl/Rohnke,
a.a.O., Rdnr. 116; Ströbele/Hacker, a.a.O.). Bei der Beurteilung des Streitfalles ist -
ausgehend hiervon - maßgeblich, dass der Klagemarke "X" nach den Feststellungen im
rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 19.08.2004 (4b O 327/03) von Hause aus eine
lediglich normale Kennzeichnungskraft zukommt und sowohl die verletzende
Bezeichnung "X" als auch die von den Beklagten mit ihr versehenen Dienstleistungen
und Waren lediglich ähnlich, jedoch nicht identisch sind. Das Vorbringen der Klägerin
läßt zwar die Annahme einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft zu,
von einer bekannten Marke kann jedoch keine Rede sein. Insoweit sind folgende
Erwägungen maßgeblich: Soweit sich die Klägerin darauf beruft, für ihre Internetseite
www.X.de seien für das Jahr 2005 174.000 Visits und 401.000 Seitenaufrufe zu
verzeichnen gewesen, ist dieses Vorbringen - wie im Verhandlungstermin vom
14.03.2006 erörtert - schon in zeitlicher Hinsicht unerheblich, weil vorliegend
Schadenersatz für den Zeitraum von 2003 - 2004 begehrt wird. Das gleiche gilt für die
als Anlage K 17 vorgelegten Werbeanzeigen, die ebenfalls das Jahr 2005 (Oktober bis
Dezember) betreffen. Soweit sich die Klägerin auf die als Anlage K 15 überreichten
Werbemittel bezieht, ergeben sich Auflagezahlen aus der Anlage K 14 lediglich für den
gesamten Zeitraum von 2003 bis 2005. Selbst wenn angenommen wird, dass in dieser
Zeit die Werbemittel gleichmäßig verteilt worden sind, ist deswegen festzustellen, dass
sich die Auflagenhöhe für die Jahre 2003 und 2004 auf ca. 900.000 Stück reduziert. In
den besagten Werbemitteln ist die Bezeichnung "X" überdies zwar deutlich sichtbar,
jedoch nicht in einer solchen Weise plaziert, dass sie dem Betrachter sofort und
unübersehbar ins Auge springt. Insgesamt ist damit eine zwar durchaus beachtliche
Benutzung der Klagemarke festzustellen, die jedoch zu einer bereits in den Jahren 2003
und 2004 eingetretenen Bekanntheit keinesfalls ausgereicht haben kann. Die weiteren
Benutzungsnachweise, die von der Klägerin präsentiert werden, sind, wenn überhaupt,
von allenfalls untergeordneter Bedeutung. Dies gilt zunächst für die Broschüre gemäß
Anlage K 19, die den Begriff "X" in einem über 70seitigen mehr oder weniger
geschlossenen Text lediglich an einer Stelle (Seite 13) völlig unauffällig im Fließtext
erwähnt. Die zu dem "Optimed-Tarif" der DKV überreichten Unterlagen (Anlagen K 20 -
K 26) sind gleichfalls ohne Relevanz. Soweit sie überhaupt die Bezeichnung "X" in
Erscheinung treten lassen, geschieht dies ebenfalls nur untergeordnet.
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Für einen besonders hohen Lizenzsatz kann die Klägerin schließlich auch nicht mit
Erfolg auf die Zuwiderhandlungen der Beklagten gegen das Unterlassungsgebot
verweisen. Insoweit ist zwar unstreitig, dass die Bezeichnung "X" bis 24.03.2005 unter
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dem (bereits geänderten) Internetauftritt der Beklagten www.medyjet.de gebraucht
worden ist. Ferner kann zu Gunsten der Klägerin angenommen werden, dass in einem
Inlett zur Broschüre nach Anlage K 5 im Rahmen der Kontaktadresse, der Email-
Adresse und der Internetadresse die Bezeichnung "X" verwendet worden ist und die
Bezeichnung "X" im Job-Angebote-Portal www.X.de benutzt wurde. Bei den genannten
Vorgängen handelt es sich letztlich um Einzelfälle, die keinen Rückschluß darauf
zulassen, dass die verletzende Bezeichnung als derart wertvoll angesehen wird, dass
ein gerichtliches Benutzungsverbot systematisch und nachhaltig mißachtet wird. Ein
derartiger Sachverhalt läge nur vor, wenn die Beklagten über einen erheblichen
Zeitraum hinweg überhaupt keine Veranstaltungen zur Einstellung der untersagten
Benutzung getroffen, sondern die rechtswidrige Verwendung der Marke generell
fortgesetzt hätten. Davon kann vorliegend keine Rede sein.
Nach Abwägung aller Umstände hält die Kammer vorliegend einen Lizenzsatz von 2 %
für angemessen, was einen Schadenersatzbetrag von 13.113,10 € ergibt.
21
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB.
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II.
23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 1, 709,
108 ZPO.
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