Urteil des LG Düsseldorf vom 22.02.2007

LG Düsseldorf: stand der technik, download, eigenes verschulden, patentverletzung, gerät, internet adresse, speicher, verfügung, daten, herunterladen

Landgericht Düsseldorf, 4b O 220/06
Datum:
22.02.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 220/06
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I - 2 U 23/07
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € er-satzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Mo-naten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren zu
unterlassen,
a)
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Abnehmern Handy-spiele
zur Anwendung eines Verfahrens zum Laden von elek-tronischen
Spielen auf ein der Sprachkommunikation fähiges mobiles
Kommunikationsendgerät eines Mobilkommunikations-netzes
anzubieten, wenn das Verfahren die folgenden Merkma-le aufweist:
- das Kommunikationsendgerät weist zumindest eine Ein-
gabeeinrichtung, eine Ausgabeeinrichtung, eine Spei-cher- und
Steuereinheit, und Mittel zur Durchführung der Spiele auf;
- es ist ein Auswahlmittel vorhanden, mit dessen Hilfe die Betriebsart
des Kommunikationsendgeräts auf die Durch-führung von
elektronischen Spielen im Kommunikations-endgerät eingestellt werden
kann;
- über einen durch die Eingabeeinrichtung des Kommuni-
kationsendgeräts gesteuerten Dialog mit einer Steuerein-richtung wird
zumindest ein Spiel ausgewählt;
- das zumindest eine elektronische Spiel wird zum Kom-
munikationsendgerät drahtlos übertragen und dort ge-speichert;
es sei denn, das Angebot erfolgt an Personen, die das Verfah-ren zu
gewerbsmäßigen Zwecken nutzen;
b)
im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Abnehmern Handy-spiele zu
liefern, die zur Anwendung eines Verfahrens zum La-den von
elektronischen Spielen auf ein der Sprachkommunika-tion fähiges
mobiles Kommunikationsendgerät eines Mobil-kommunikationsnetzes
geeignet sind,
wenn das Verfahren die folgenden Merkmale aufweist:
- das Kommunikationsendgerät weist zumindest eine Ein-
gabeeinrichtung, eine Ausgabeeinrichtung, eine Spei-cher- und
Steuereinheit, und Mittel zur Durchführung der Spiele auf;
- es ist ein Auswahlmittel vorhanden, mit dessen Hilfe die Betriebsart
des Kommunikationsendgeräts auf die Durch-führung von
elektronischen Spielen im Kommunikations-endgerät eingestellt werden
kann;
- über einen durch die Eingabeeinrichtung des Kommuni-
kationsendgeräts gesteuerten Dialog mit einer Steuerein-richtung wird
zumindest ein Spiel ausgewählt;
- das zumindest eine elektronische Spiel wird zum Kom-
munikationsendgerät drahtlos übertragen und dort ge-speichert;
und wenn die Übertragung des Spiels drahtlos auf ein zur
Sprachkommunikation fähiges Kommunikationsendgerät er-folgt,
es sei denn, die Lieferung erfolgt an Personen, die das Verfah-ren zu
gewerbsmäßigen Zwecken nutzen;
2.
der Klägerin Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang sie die
unter Ziff. I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 13.5.2000 begangen
hat, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen gelieferten Handyspiele, aufgeschlüsselt nach
Liefermengen, -zeiten und –preisen,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Ange-botsmengen, -
zeiten und –preisen,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüssel-ten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den
Abzug von Fixkosten und variablen Ge-meinkostengemindert ist, es sei
denn, diese könnten den unter 1. bezeichneten Handyspielen
unmittelbar zuge-ordnet werden.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Kläge-rin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1 bezeichneten, seit
dem 13.5.2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch
entstehen wird.
III.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 15 % und die
Beklagte zu 85 %.
V.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
650.000 € und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vor-läufig vollstreckbar.
VI.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 750.000 € festge-setzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 19.3.1996 angemeldeten deutschen
2
Patents X (Klagepatent, Anl. K 2 a), welches am 25.9.1997 offengelegt und dessen
Erteilung am 13.4.2000 veröffentlicht wurde.
Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat
folgenden Wortlaut:
3
"Verfahren zum Laden von elektronischen Spielen auf ein mobiles
Kommunikationsendgerät (MS) eines Mobil-Kommunikationsnetzes,
4
wobei das Kommunikationsendgerät (MS)
5
- zumindest eine Eingabeeinrichtung (EM), eine Ausgabeeinrichtung
(AM), eine Speicher- und Steuereinheit (SSM), und Mittel (SM) zu
Durchführung der Spiele aufweist, und
6
mit Hilfe eines Auswahlmittels
7
- die Betriebsart des Kommunikationsendgerätes (MS) auf die
Durchführung von elektronischen Spielen im Kommunikationsendgerät
(MS) eingestellt werden kann,
8
mit den folgenden Schritten:
9
- über einen durch die Eingabeeinrichtung (EM) des
Kommunikationsendgerätes (MS) gesteuerten Dialog mit einer
Steuereinrichtung (SE) wird zumindest ein Spiel ausgewählt, und
10
- das zumindest eine elektronische Spiel wird zum
Kommunikationsendgerät (MS) übertragen und dort gespeichert."
11
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 des Klagepatents zeigt ein Mobil-
Kommunikationsnetz mit zwei miteinander verbundenen Vermittlungseinrichtungen
(MSC), einen Netzübergang zum Festnetz (PSTN) sowie eine mit einer
Vermittlungseinrichtung verbundene Steuereinheit und eine Basisstation:
12
Die Beklagte hat gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht
Nichtigkeitsklage erhoben, deren Entscheidung noch aussteht.
13
Die Beklagte entwickelt, vermarktet und vermittelt digitale Inhalte und Dienste u.a.
für Handys der neuen Generation, die den Standards GPRS, MMS und UMTS
entsprechen. Nach den eigenen Angaben der Beklagten zählen hierzu Information,
Entertainment, Shopping, Downloads, Bilder, Klingeltöne usw. Sie wirbt damit, dass
sie mit ihrem Angebot das Handy je nach Bedarf zum mobilen Büro, zur
Spielekonsole und zur Kommunikations-Drehscheibe macht. Die Kunden der
Beklagten können entweder über das Internet oder mit geeigneten Handys über das
Mobilkommunikationsnetzinterne "Wap"- Netz von der Homepage der Beklagten zu
Portalen gelangen, von denen aus ein Herunterladen von handy- und
computerfähigen Spielen möglich ist. Die konkreten Ausgestaltungen der von der
Klägerin mit der vorliegenden Klage angegriffenen vier Möglichkeiten zum sog.
"Download" von Spielen werden an entsprechender Stelle in den
Entscheidungsgründen im einzelnen dargestellt.
14
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit dem angegriffenen Spiele-
Download-Angebot für Handys das Klagepatent mittelbar. Es handele sich bei den
Spielen um wesentliche Elemente der Erfindung, die erst durch das Angebot der
Beklagten den Handybenutzer in die Lage versetzten, das geschützte Verfahren
anzuwenden, weswegen die Beklagte zur Unterlassung, Rechnungslegung sowie
zum Schadenersatz verpflichtet sei.
15
16
Sie beantragt daher,
17
im wesentlichen wie erkannt.
18
Im Interesse einer näheren Konkretisierung der angegriffenen Ausführungsformen
hat die Klägerin Hilfsanträge formuliert, wegen deren Wortlaut auf Bl. 136 - 137 d.A.
verwiesen wird.
19
20
Die Beklagte beantragt,
21
die Klage abzuweisen.
22
Darüber hinaus beantragt sie hilfsweise,
23
das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die
Nichtigkeitsklage gegen das geltend gemachte Patent DE X (Az. X)
auszusetzen.
24
Sie macht geltend, dass es für die in Rede stehende mittelbare Patentverletzung
bereits an dem Erfordernis der Körperlichkeit des "Mittels" im Sinne des § 10 PatG
fehle, da es vorliegend alleine um digitale Software gehe, die heruntergeladen
werde. Zudem erfolge bei drei der vier angegriffenen Ausführungsformen eine
Auswahl der Spiele zunächst über einen Computer und gerade nicht über ein
mobiles Kommunikationsendgerät. Bei den Spielen nach der zuletzt angegriffenen
Ausführungsform handele es sich ausschließlich um solche, die nicht mit Handys
genutzt werden könnten.
25
Schließlich fehle es dem Verfahren nach dem Klagepatent an der für die
Patentfähigkeit erforderlichen Neuheit und an der Erfindungshöhe im Hinblick auf
den im angestrengten Nichtigkeitsverfahren eingeführten Stand der Technik,
weswegen davon auszugehen sei, dass das Klagepatent keinen Bestand haben
werde.
26
Die Klägerin tritt auch dem Vortrag zur Nichtigkeit des Klagepatents entgegen und
beantragt insoweit,
27
den Aussetzungsantrag der Beklagten zurückzuweisen.
28
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt
29
der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten
gereichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
30
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Beklagte macht mit den von ihr
angebotenen Handyspielen nach den angegriffenen Ausführungsformen 1, 2 und 3
von der technischen Lehre des Klagepatents mittelbaren Gebrauch, so dass sie der
Klägerin insoweit zur Unterlassung, zu Auskunft und Rechnungslegung sowie zum
Schadenersatz verpflichtet ist. Eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatents
durch die angegriffene Ausführungsform 4 konnte hingegen nicht festgestellt
werden.
31
I.
32
Das Klagepatent hat ein Verfahren zum Laden von elektronischen Spielen auf ein
mobiles Kommunikationsendgerät eines Mobil-Kommunikationsnetzes zum
Gegenstand.
33
Aus dem in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik sind Mobil-
Kommunikationsnetze bekannt, wie beispielsweise das GSM Mobilfunknetz (Global
System for Mobile Communication), bei denen die Mobilität der Teilnehmer dadurch
erreicht wird, dass mobile Kommunikationsendgeräte mit Basisstationen über eine
Funkverbindung verbindbar sind. Diese Basisstationen sind üblicherweise
drahtgebunden mit Vermittlungseinrichtungen verbunden, die ihrerseits miteinander
vernetzt sind oder einen Netzübergang zu einem Festnetz ermöglichen. Zur
Übertragung von Sprache und Daten zwischen den Kommunikationsendgeräten
und den Basisstationen stehen dabei über die Luftschnittstelle der Funkverbindung
verschiedene Kanäle bereit, wie etwa Sprachkanäle und Steuerkanäle, wobei
letztere der Übertragung von Signalisierungs- und sonstigen Informationen dienen
(Anl. K 2a, Sp. 1 Z. 6 –23).
34
Als Beispiel eines Kommunikationsendgerätes benennt das Klagepatent ein
"schnurloses Telefon X" der Klägerin, dessen konkrete Ausgestaltung sich aus der
Anlage K 3 ergibt. Bei diesem Telefon handelt es sich um ein Funktelefon, das nach
entsprechender Anmeldung an einer Basisstation, die an die übliche Festnetz-
Telefon-Steckdose des Festnetzbetreibers angeschlossen wird, über eine
Funkverbindung mit der Basisstation Daten austauscht, die es dem Nutzer
ermöglicht, sich innerhalb der Reichweite der Funksignale ortsungebunden
während eines Telefonats zu bewegen. Als weiteres Beispiel für ein
Kommunikationsendgerät benennt das Klagepatent das "X" der Klägerin, bei dem
es sich um ein "Handy" handelt. Dieses Gerät verfügt über eine Vielzahl von Mitteln
zur Übertragung von Sprach- und Signalisierungsinformationen sowie Daten (Anl. K
2a, Sp. 1 Z. 24 – 37).
35
Weiterhin war im Stand der Technik ein aus der Offenlegungsschrift X (Anl. K 4)
vorbekanntes tragbares, programmgesteuertes Gerät der Unterhaltungselektronik
und / oder der Telekommunikationstechnik mit Spielfunktion bekannt. Solche Geräte
wiesen einen Betriebsarten-Wählschalter auf, mit dem der Nutzer das Gerät in den
Betriebsmodus "Spiel" bringen kann. Die von dem Benutzer durch Tastenbetätigung
eingebbaren Signale werden mittels Programm- und Arbeitsspeicher sowie einer
36
Anzeigevorrichtung in ein vom Benutzer gesteuertes elektronisches Spiel
umgesetzt. Nach dieser Offenlegungsschrift ist es vorgesehen, zur Änderung des
Spielprogramms den entsprechenden Teil des Programmspeichers auswechselbar
zu machen. Der Austausch von Teilen des Programmspeichers erfordert jedoch
mechanische Eingriffe des Nutzers, was das Klagepatent als störend bezeichnet.
Weiterhin bewertet es das Klagepatent als nachteilig, dass der Nutzer die jeweiligen
Datenspeicher zur Hand haben muss, wenn er ein anderes Spiel benutzen möchte
(Anl. K 2a, Sp. 1 Z. 38 – 54).
Vor diesem Hintergrund stellt das Klagepatent sich die Aufgabe, das Laden von
elektronischen Spielen auf ein mobiles Telekommunikationsendgerät zu
vereinfachen.
37
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination der
folgenden Merkmale vor:
38
1. Verfahren zum Laden von elektronischen Spielen auf ein mobiles
Kommunikationsendgerät eines Mobil-Kommunikationsnetzes.
39
40
2. Das Kommunikationsendgerät weist zumindest auf:
41
42
(a) eine Eingabeeinrichtung
43
(b) eine Ausgabeeinrichtung
44
(c) eine Speicher- und Steuereinheit
45
(d) Mittel zur Durchführung der Spiele.
46
3. Es ist ein Auswahlmittel vorhanden, mit dem die Betriebsart des
Kommunikationsendgerätes auf die Durchführung von elektronischen Spielen im
Kommunikationsendgerät eingestellt werden kann.
47
48
4. Das Verfahren hat folgende Schritte:
49
50
(a) über einen Dialog mit einer Steuereinrichtung wird zumindest ein
Spiel ausgewählt;
51
(b) der Dialog wird durch die Eingabeeinrichtung des
Kommunikationsendgerätes gesteuert;
52
(c) das zumindest eine (ausgewählte) elektronische Spiel wird zum
Kommunikationsendgerät übertragen und dort gespeichert.
53
54
II.
55
Die Beklagte verletzt mit den angegriffenen Ausführungsformen 1-3 die technische
Lehre des Klagepatents mittelbar, § 10 PatG. Für die angegriffene Ausführungsform
4 kann eine Verwirklichung der unter I. dargestellten Merkmalskombination nicht
festgestellt werden.
56
1.
57
Bevor auf die von der Klägerin angegriffenen Ausführungsformen im Einzelnen
eingegangen wird, sollen zunächst die für alle Ausführungsformen gleichermaßen
entscheidungserheblichen Fragen erörtert werden.
58
Nach § 10 des PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des
Patentinhabers im Geltungsbereich des Gesetzes anderen als zur Benutzung der
patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches
Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu
liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass
diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung
verwendet zu werden.
59
a)
60
Nach der bisherigen Rspr. des BGH handelt es sich bei Mitteln im Sinne dieser
Vorschrift um einen körperlichen, jedoch nicht unbedingt festen, sondern auch
flüssigen oder gasförmigen Gegenstand (vgl. zuletzt BGH, GRUR 2001, 228, 231 –
Luftheizgerät).
61
Eine Begründung dafür, wieso es sich bei den "Mitteln" im Sinne des § 10 PatG um
körperliche Gegenstände handeln soll, hat der BGH in der vorstehend zitierten
Entscheidung nicht gegeben. Hierzu bestand in dieser Entscheidung jedoch auch
kein Anlass, da die Revision in dem dortigen Verfahren dies nicht angegriffen hatte.
In den früheren Entscheidungen, in denen diese Voraussetzung für die Bejahung
einer mittelbaren Verletzung aufgestellt wurde, diente dies jeweils –soweit
erkennbar lediglich– dazu, die für eine mittelbare Patentverletzung in Frage
kommenden Mittel von den "geistigen Mitteln", wie etwa die Belehrung über die
Herstellung eines Erzeugnisses oder über die Anwendung oder Ausführung eines
62
Verfahrens, abzugrenzen. Letztere sollten erklärtermaßen nicht zu einer
Verurteilung wegen einer mittelbaren Patentverletzung führen. Eine weiterreichende
Bedeutung für die Forderung nach der Körperlichkeit des Gegenstandes ist –ohne
nähere Erläuterung– auch nicht erkennbar, da der gesetzlich verwendete Begriff des
"Mittels" ebenfalls nicht zu dieser Forderung zwingt. Im Gegenteil ist der
Rechtsprechung des BGH zu entnehmen (vgl. nur BGH, Mitt. 2004, 358 -
Flügelradzähler), dass in Patentverletzugnsverfahren ganz maßgeblich auf die
jeweiligen Merkmale der Patentansprüche abzustellen ist. Im vorliegenden Fall ist
das "elektronische Spiel" ein Element der mit Anspruch 1 des Klagepatents unter
Schutz gestellten technischen Lehre. Bei diesen elektronischen Spielen handelt es
sich ebenfalls nicht um körperliche Gegenstände sondern um digitale
Computerdateien. Können solche nicht körperlichen Gegenstände aber wesentliche
Elemente einer Erfindung sein, so müssen sie auch Mittel sein können, die von dem
mittelbaren Verletzer zur Verfügung gestellt werden. Gegen diese Bewertung spricht
auch nicht, dass Computerprogramme nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG nicht patentfähig
sind. Denn eine fehlende Patentfähigkeit steht einer Tauglichkeit, als Mittel für eine
mittelbare Patentverletzung zu dienen, nicht im Wege. Auch solche Mittel, die aus
dem einschlägigen Stand der Technik vorbekannt waren und deswegen nicht
patentfähig sind, können ohne Weiteres Mittel im Sinne des § 10 PatG sein.
Aufgrund dessen handelt es sich bei dem von der Beklagten angebotenen
"Programm" zum Download von Handyspielen auch um Mittel im Sinne des § 10
PatG.
b)
63
Bei dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Handyspielen handelt es sich
um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Die
Erfindung nach dem Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Laden von
elektronischen Spielen auf ein mobiles Kommunikationsendgerät. Nach der Rspr.
des BGH in seiner Entscheidung "Flügelradzähler" (BGH, GRUR 2004, 758, 761)
bezieht sich ein Mittel auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit
einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens
funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig
bereits dann, wenn es Bestandteil des Patentanspruchs ist. Im vorliegenden Fall
bietet die Beklagte selber die Spiele direkt an, die Gegenstand des unter Schutz
gestellten Patentanspruchs sind und sich bereits von daher auf ein wesentliches
Element beziehen.
64
Das in Rede stehende Mittel ist das Anbieten zum Herunterladen eines
Computerspiels, so dass es nicht darauf ankommt, ob es sich bei den Servern, über
die dieser Datentransfer stattfindet, um Einrichtungen der Beklagten handelt oder ob
diese von Dritten bereitgestellt werden.
65
c)
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Die Kunden der Beklagten sind auch nicht per se durch den Erwerb des
Mobiltelefons befugt, die Erfindung nach dem Klagepatent anzuwenden. Eine
Erschöpfung des Verfahrens nach dem Klagepatent ist nicht eingetreten. Die
Erwerber von Handys, die diese nur zu privaten Zwecken nutzen, können eine
Berechtigung zur Nutzung des mit dem Klagepatent geschützten Verfahrens aus §
11 Nr. 1 PatG ableiten. Nach der Bestimmung des § 10 Abs. 3 PatG hat diese
67
Berechtigung der privaten Abnehmer für die Frage der mittelbaren Verletzug eines
Patents jedoch außer Betracht zu bleiben, da diese Berechtigung keine solche im
Sinne des § 10 Abs. 1 PatG darstellt. Dass die Klägerin Lizenzen vergeben hat, die
zur Benutzung des Verfahrens nach dem Klagepatent berechtigen, ist von der
Beklagten nicht hinreichend vorgetragen. Es fehlt an jeglichen Darlegungen dazu,
um welche Art von Nutzungseinräumung zu welchen Konditionen es sich handeln
soll, so dass auch hieraus keine Berechtigungen der Anwender des Verfahrens
festgestellt werden können. Hinzu tritt, dass aufgrund der von Gesetzes wegen
existierenden Nutzungsberechtigung privater Abnehmer (§ 11 Nr. 1 PatG) auch gar
keine Veranlassung für die Klägerin besteht oder bestand, diesen Abnehmern eine
Lizenz einzuräumen. Für die gewerblichen Nutzer der Handys hat die Klägerin die
Klage insoweit zurückgenommen, als sie diese mit dem zuletzt gestellten Antrag
ausdrücklich ausgenommen hat. Insoweit kann die Frage einer Erschöpfung für
diese Nutzer dahingestellt bleiben.
d)
68
Das von der Beklagten angebotene Mittel ist von dieser aufgrund der konkreten
Ausgestaltung des Programms und der Menüführung auch zur Benutzung der
Erfindung bestimmt. Schließlich ist es aufgrund der Umstände auch offensichtlich,
dass die Abnehmer subjektiv dazu bestimmt werden, das Mittel patentverletzend zu
verwenden. Die Beklagte leitet die Abnehmer ja gerade Schritt für Schritt dazu an,
die Spiele patentgemäß herunterzuladen.
69
70
3.
71
Zu der ersten angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin das Anlagenkonvolut
K 9 zur Akte gereicht, mit dem die einzelnen Schritte des Auswählens und
Herunterladens eines Spieles mit einem Handy fotografisch dokumentiert sind.
Ausweislich der genannten Unterlagen, auf die an dieser Stelle Bezug genommen
wird, wird ein WAP-fähiges Handy verwendet, mit dem nach Eingabe der Adresse
http://wap.jamba.de unmittelbar eine Verbindung zu der WAP-Seite der Beklagten
hergestellt werden kann. Der Benutzer erhält dort die Möglichkeit, verschiedene
Icons mit den Bezeichnungen "Klingeltöne", "Logos", "Spiele" usw. anzuklicken. Auf
der "Spiele"-Seite werden verschiedene Kategorien angeboten wie etwa "Top",
"Neuheiten", "Tipps" etc.. Von hier aus gelangt der Benutzer zu verschiedenen in
einzelnen Ordnern abgelegten Spielen. Durch Betätigen der Handytastatur kann er
eines der dort gezeigten Spiele auswählen. Nach der Auswahl hat er die
Möglichkeit sich entweder "Screenshots" des Spieles anzusehen oder direkt "Zum
Download" zu gelangen. Nachdem er auf die Kosten für ein Herunterladen des
Spieles hingewiesen wurde, kann er den "Download bestätigen". Er erhält sodann
Informationen darüber, welche Version des Spieles übertragen wird und welche
Größe die Datei hat. Nachdem die Datei übertragen wurde, kann der Nutzer mit dem
entsprechend ausgelegten Handy den Speicherbereich seines Mobiltelefons
auswählen und dort die zuvor heruntergeladene Spieledatei auswählen. Danach
beginnt das Spiel.
72
73
Bei den handelsüblichen WAP-fähigen Handys, die das vorstehend beschriebene
Verfahren ausführen können, handelt es sich um Kommunikationsendgeräte, die
eine Eingabeeinrichtung (Tastatur), eine Ausgabeeinrichtung (Display), eine
Speicher- und Steuereinheit (SIM-Karte) und Mittel zur Durchführung der Spiele
aufweisen (Tastatur). Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
74
Die in Rede stehenden handelsüblichen Handys verfügen –was gerichtsbekannt ist-
auch über Auswahlmittel, mit deren Hilfe die Betriebsart des
Kommunikationsendgerätes auf die Durchführung von elektronischen Spielen im
Kommunikationsendgerät eingestellt werden kann. Dies ist bei den heutzutage
käuflichen und Spiele-fähigen Handys ohne Weiteres anhand der Tastatur und des
in dem Handy abgelegten Menüs zu bewerkstelligen. Dass es sich bei dem
geforderten Auswahlmittel um einen Schalter handeln soll, der "umgelegt" werden
kann auf einen Spielebetrieb, verlangt das Klagepatent nicht.
75
Dass das von der Beklagten geführte Verfahren zum Download eines Spieles auf
das Handy eines Kunden -wie oben dargestellt-, über einen Dialog mit einer
Steuereinrichtung erfolgt und hierbei zumindest ein Spiel ausgewählt wird, wobei
der Dialog vermittels der Tastatur des Handys gesteuert wird und das ausgewählte
Spiel dann auf dem Handy geladen wird, wie es die Merkmalsgruppe 4 fordert, lässt
sich nicht bestreiten und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
76
4.
77
Zu der zweiten angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin Lichtbilder
überreicht, die die jeweiligen Programmabläufe anhand von Abbildungen der
Bildschirmmasken bzw. der Displayanzeigen der Handys zeigen (Anlagenkonvolute
K 10 und K 11). Ausweislich der besagten Unterlagen wird dem Nutzer die
Möglichkeit eingeräumt, zunächst mittels eines PC´s auf die Internetseite der
Beklagten zu gelangen, um eines der dort angebotenen Spiele auszuwählen.
Nachdem auf das Handy eine Mitteilung erfolgt ist, dass die Auswahl erfolgreich
getroffen wurde und der Download-Vorgang durchgeführt werden kann, hat der
Benutzer die Möglichkeit, mit Hilfe der Übertragung eines ihm von der Beklagten
übermittelten Downloadlinks von seinem Handy aus die Speicherung des Spiels in
dem Speicher des Mobiltelefons zu veranlassen. Hierzu verwendet der
Endabnehmer zunächst die Internet-Adresse der Beklagten www.jamba.de und
gelangt hierüber auf die Homepage, die eine Gesamtübersicht über die Angebote
der Beklagten liefert. Unter der Rubrik "Spiele" findet sich ein Ordner mit der
Überschrift "Handy-Spiele". Wählt man diesen aus, so gelangt man zu einer Seite,
die die verschiedenen zur Verfügung stehenden Spiele aufzeigt. Entscheidet man
sich durch "Anklicken" für eines dieser Spiele, so erhält man die Option, dieses
"jetzt zu holen". Nach der Eingabe seiner Handy-Rufnummer und eines
gegebenenfalls bereits existierenden Passwortes, kann man das ausgewählte Spiel
"Jetzt aufs Handy" senden. Das Computerprogramm der Beklagten veranlasst
daraufhin die Übersendung einer "SMS" auf das bestimmte Handy. Inhalt dieser
"SMS" ist neben weiteren allgemeinen Informationen eine "PIN"-Nummer. Diese
gibt man mit dem Computer in dem dafür vorgesehenen Feld ein und veranlasst
hierdurch die Übersendung eines "Download"-Links auf das Handy, der ebenfalls
über "SMS"- zugesandt wird. Stellt der Abnehmer sodann eine Verbindung seines
Handys mit dem "wap"-Netz her, so kann er unter "Auswahl" der Option "Manueller
Download" auf der diesbezüglichen Seite der Beklagten den Datentransfer des
78
Spielprogramms auf das Handy starten. Auch hierbei wird das Spiel-Programm
nach erfolgreichem Datentransfer in dem Speicher des Handys abgelegt und kann
von dort aufgerufen und sodann mit dem Handy gespielt werden.
Auch dieses Verfahren stellt eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar. Unter
Bezugnahme auf die vorstehenden Ausführungen sind an dieser Stelle nur noch
Ausführungen zu Merkmal 3 erforderlich, dessen Verwirklichung von der Beklagten
mit der Begründung verneint wird, dass eine Spielauswahl bereits am PC erfolgt
und nicht, wie von dem Klagepatent gefordert, mit dem Kommunikationsendgerät.
Dem kann jedoch so nicht gefolgt werden. Das Merkmal selber verlangt von seinem
Wortlaut her, dass über die Eingabeeinrichtung des Kommunikationsendgerätes ein
Dialog mit einer Steuereinrichtung gesteuert wird, über den zumindest ein Spiel
ausgewählt wird. Nach dem oben dargestellten Verfahrensablauf erfolgt die
Auswahl tatsächlich zunächst am Computer. Es ist jedoch von der Klägerin
unbestritten vorgetragen worden, dass es möglich ist, zunächst am Computer
mehrere Spiele auszuwählen und sich sodann entsprechend von der Beklagten
mehrere "Download-Links" zusenden zu lassen. Ist dies erfolgt, so hat der
Abnehmer mit seinem Handy die Möglichkeit, eines der zuvor am Computer (vor-
)ausgewählten Spiele endgültig auszuwählen und auf sein Handy herunterzuladen.
Ein Download aller Spiele, für die ein Download-Link zugesandt wurde, findet nicht
statt und ist auch nicht erforderlich. Dann aber findet die eigentliche Spieleauswahl,
der die Übertragung der elektronischen Daten des Spiels folgt, erst über das Handy
und damit aufgrund eines Dialogs statt, der durch die Eingabeeinrichtung des
Handys gesteuert wird. Somit ist die Verwirklichung des Merkmals 4 a) gegeben und
mithin die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Patentanspruchs 1 festzustellen.
79
5.
80
Mit einer dritten angegriffenen Ausführungsform wird dem Abnehmer der Beklagten
wiederum zunächst an einem Computer über das Internet die Möglichkeit gegeben,
von der Homepage der Beklagten aus in die Rubrik "Handy-Spiel" zu gelangen und
sich dort ein Spiel auszusuchen. In Abweichung zu der vorstehend beschriebenen
Vorgehensweise wird nunmehr eine Telefonnummer mitgeteilt und ein Buchstaben-
und Zifferncode, verbunden mit der Aufforderung, diesen als "SMS" mit dem Handy
des Kunden an die Telefonnummer zu senden. Wird diese Anweisung befolgt, so
übersendet die Beklagte an das Mobiltelefon des Abnehmers mit einer "SMS" einen
Download-Link. Wird dieser angeklickt und eine Verbindung mit dem "wap"-Netz
hergestellt, erfolgt der Download des Spiels wie bei der zuvor beschriebenen
angegriffenen Ausführungsform 2. Auch hier hat der Abnehmer wiederum die
Möglichkeit, mit dem Computer eine "Vorauswahl" verschiedener Handyspiele zu
treffen, für die er dann jeweils einen Download-Link erhält, wenn er zuvor
seinerseits die "SMS" absendet. Anhand dieser Download-Links ist er sodann in die
Lage versetzt -wie vorstehend unter II.4. ausgeführt- zumindest eines dieser Spiele
mit seinem Handy auszuwählen und dieses Spiel sodann auf sein Handy
herunterzuladen.
81
Auch mit der angegriffenen Ausführungsform 3 werden mithin sämtliche Merkmale
des Verfahrens nach dem Klagepatent von dem Abnehmer verwirklicht, wozu die
Beklagte mit ihrem Spiele-Angebot ein wesentliches Element bereitstellt.
82
83
6.
84
Hingegen kann eine mittelbare Verletzung der technischen Lehre des Klagepatents
für die vierte angegriffene Ausführungsform nicht festgestellt werden. Bei ihr geht der
Abnehmer zunächst wie bei den beiden vorherigen Ausführungsformen 2 und 3 vor,
indem er mit einem Computer die Internet-Seite der Beklagten aufruft. Öffnet er von
der Homepage aus den Ordner für "Computerspiel", so erhält er ebenfalls eine
Auswahl an für einen Download zur Verfügung stehenden Spielen. Nachdem er
sich für ein solches Spiel durch Anklicken entschieden hat, wird wiederum eine
SMS auf ein Handy gesandt, die ein Passwort enthält. In der mündlichen
Verhandlung hat der Beklagtenvertreter geltend gemacht, dass es sich bei diesem
Passwort lediglich um eine Voraussetzung für die Teilnahme des Abnehmers an
dem von der Beklagten angebotenen Abonnement-System handelt. Die Spiele in
dieser Rubrik selber seien nicht geeignet, auf ein Handy heruntergeladen zu werden
oder dort abgespielt zu werden. Diesen Behauptungen hat die Klägerin nichts
entgegenzusetzen vermocht, weswegen der Vortrag der Beklagten als unstreitig zu
gelten hat. Er hat zur Folge, dass es an der Verwirklichung des Merkmals 4 c) fehlt,
wonach das zumindest eine (ausgewählte) elektronische Spiel zum
Kommunikationsendgerät übertragen und dort gespeichert wird.
85
III.
86
Soweit die Beklagte mit den angegriffenen Ausführungsformen 1-3 die technische
Lehre mittelbar verletzt, ist sie der Klägerin gegenüber zur Unterlassung verpflichtet,
§§ 139 Abs. 1, 10 PatG. Bei der Fassung des Urteilstenors hat die Kammer
berücksichtigt, dass die von der Beklagten bereitgehaltenen Spiele –je nach
Übertragungsweg– patentfrei oder patentgemäß verwendet werden können, und
dass als Abnehmer Private in Frage stehen, denen gegenüber die üblichen
eingeschränkten Verurteilungen (Warnhinweis, Vertragsstrafenvereinbarung)
regelmäßig versagen. Das ausgesprochene Lieferverbot knüpft deshalb daran an,
dass die Übertragung des Spiels auf ein Handy –und nicht zum Beispiel auf einen
PC– erfolgt, womit der Beklagten die patentfreie "Benutzung" verbleibt und nur
Vorsorge gegen eine patentgemäße "Benutzung" getroffen ist. Gleiches gilt für das
Verbot des Anbietens, welches der Beklagten nur dann untersagt ist, wenn es "zur
Anwendung" des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt. Was die Umschreibung
der Verletzungsformen betrifft, genügt es nach der ständigen Praxis der Kammer
auch in Fällen wortsinngemäßer Benutzung, die vorliegend gegeben sind, den
Anspruchswortlaut im Tenor zu wiederholen (Kühnen, GRUR 2006, 180-184).
87
Die Beklagte hat der Klägerin darüber hinaus Schadenersatz gemäß § 139 Abs. 2
PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei
Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen
können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin
durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden
ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der
rechtsverletzenden Handlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt.
Voraussetzung für die Entstehung eines Schadenersatzanspruches bei mittelbarer
Patentverletzung ist, dass es unter Verwendung des gelieferten Mittels zu einer
unmittelbaren Patentverletzung kommt. Der mittelbare Verletzer, die Beklagte, hat
denjenigen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber, der Klägerin, durch die
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unmittelbare Patentverletzung entsteht. Ausreichend für eine schlüssige Darlegung
eines Schadenersatzanspruches ist es, wenn nach der Lebenserfahrung eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit einer unter Verwendung des Mittels begangenen
Verletzungshandlug besteht (vgl. BGH, GRUR 2006, 839 - Deckenheizung). Im
vorliegenden Fall sprechen das Angebot und die -gerichtsbekannten–
Werbeauftritte bereits dafür, dass es unter Verwendung des von der Beklagten zur
Verfügung gestellten Spiele-Download-Angebotes zu tatsächlichen von den Handys
der Benutzer gesteuerten Downloadvorgängen von solchen Spielen kommt. Ein
rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der
Schadenersatzverpflichtung ist demnach anzuerkennen, § 256 ZPO.
Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern kann, ist
die Beklagte ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB.
Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne
eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangten
Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
89
IV.
90
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 148 ZPO ist vorliegend nicht geboten.
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Sie kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn ein Einspruchsverfahren oder
eine Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent anhängig ist und das
Verletzungsgericht bei summarischer Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass
das Klageschutzrecht in der erteilten Fassung keinen Rechtsbestand haben wird.
Dies kann im vorliegenden Fall aber nicht festgestellt werden.
92
1.
93
Wie oben unter I. ausgeführt, ist Gegenstand des Klagepatents ein Verfahren zum
Laden von elektronischen Spielen auf ein mobiles Kommunikationsendgerät eines
Mobil-Kommunikationsnetzes. Zwischen den Parteien steht in Streit, welches
Verständnis das Klagepatent für die erfindungsgemäßen Kommunikationsendgeräte
und für das Mobil-Kommunikationsnetz zugrunde legt. Der Fachmann entnimmt
zunächst einmal dem in der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik, dass
es sich bei dem Mobil-Kommunikationsnetz um ein solches handelt, bei dem durch
eine Funkverbindung ein Datenaustausch zwischen einem
Kommunikationsendgerät und einer Basisstation ermöglicht wird, die es dem
Anwender ermöglicht, sich losgelöst von irgend welchen Drahtverbindungen mit
dem Endgerät frei zu bewegen. Als nächstes entnimmt er dem Klagepatent, dass
mobile Kommunikationsendgeräte eines Mobilkommunikationsnetzes
programmgesteuerte Geräte sind, die über Eingabe- und Ausgabeeinrichtungen und
über zumindest eine Speicher- und Steuereinheit verfügen. Beispielhaft benennt
das Klagepatent Telefone als Endgeräte, die diesen Anforderungen entsprechen
(Sp. 1 Z. 24 - 34). Hierdurch wird dem Fachmann bereits offenbart, dass es sich bei
den Kommunikationsendgeräten, die für die technische Lehre des Klagepatents
taugen um solche handelt, die geeignet sind eine Sprachkommunikation
durchzuführen. Zwar wird im Stand der Technik auch ein
Telekommunikationsendgerät bezeichnet, welches nicht über diese Möglichkeit der
Sprachkommunikation verfügt (Sp. 1 Z. 38-54), der Fachmann erkennt aber im
Zusammenhang mit dem nächsten Absatz der Patentschrift, in der die
94
Aufgabenstellung bezeichnet wird, dass die Beschreibung des vorstehenden
Endgerätes aus der Offenlegungsschrift X (Anl. K 4) alleine der Darstellung des als
nachteilig kritisierten Speichervorgangs für die Spiele dient. In diesem Verständnis
wird der Fachmann bestätigt, wenn er in Sp. 2 Z. 1-8 liest, dass das mobile
Kommunikationsendgerät bereits über einen Funkteil verfügt und damit eine
Funkverbindung zur Übertragung von Informationen aufbauen kann, weswegen ein
zusätzlicher schaltungstechnischer Aufwand nicht erforderlich ist. Da mit dem
Endgerät ein Dialog zwischen diesem und der Steuereinrichtung gesteuert werden
muss, bedingt dies, dass die Kommunikation von dem Endgerät aus initialisiert
werden muss. Dies ist bei dem Telekommunikationsendgerät nach der
Offenlegungsschrift der Anl. K 4 gar nicht möglich. Der Fachmann wird daher, wie
dies von der Klägerin geltend gemacht wird, das Endgerät selbstverständlich als ein
solches ansehen, welches zur Sprachübermittlung fähig ist.
2.
95
Bei der Entgegenhaltung X et al: Ease of use is relative (Anl. B 7) handelt es sich
um einen vorveröffentlichten Aufsatz, der sich mit kleinen Handformat-Computern,
sog. Personal Digital Assistants (PDA), befasst und der Möglichkeit, auf den
eingebauten Speichern dieser Geräte Software (auch Spiele) aus einem Netz
herunterzuladen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese Entgegenhaltung sämtliche
Merkmale des Klagepatents offenbart. Der vorstehenden Auslegung folgend,
handelt es sich bei den PDA´s schon nicht um Telekommunikationsendgeräte im
Sinne des Klagepatents, da sie -was unstreitig ist- nicht über die Möglichkeit
verfügen, Sprache zu übertragen. Des weiteren fehlt es diesen an einer Möglichkeit,
"mobil" im Sinne des Klagepatents eine Verbindung zu einer Steuereinheit
aufzubauen, denn aus Seite 92 der Anl. B 7 folgt, dass für den Internetzugang ein
Modem erforderlich ist ("of course, to get on-line you´ll need a modem.") Dass der
Fachmann im Prioritätszeitpunkt wusste, dass es Funkmodems zur Übertragung der
Daten gab, ist von der Beklagten nicht dargetan. Dies kann aber -wegen des
Fehlens einer Sprachübertragungsmöglichkeit- vorliegend sogar dahingestellt
bleiben.
96
3.
97
Die weitere Entgegenhaltung X (Anl. B 8) offenbart, wie die Klägerin zu recht
geltend macht, ein monodirektionales Datenübertragungssystem, das am ehesten
mit der Radiotechnik zu vergleichen ist. Insbesondere handelt es sich bei den
Endgeräten nicht um solche, die in der Lage sind, einen Dialog mit der
Steuereinrichtung durchzuführen (Merkmal 3). Dass diese Endgeräte über
Auswahlmittel verfügen, die auf die Durchführung von elektronischen Spielen
eingestellt werden können, ist gleichfalls nicht ersichtlich. Somit fehlt es auch dieser
Entgegenhaltung an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme sämtlicher Merkmale
des Klagepatents.
98
4.
99
Die Entgegenhaltung X (Anl. B 9) befasst sich mit einem interaktiven
Kommunikationssystem für die Kommunikation von Videospiel- und
Karaokesoftware von einem Host-System an Kommunikationsterminals. In diesem
System können die "Spieler" über eine als "Communicator (1)" bezeichnete
100
Eingabevorrichtung Lieder und Spiele aus Datenbanken auswählen. Diese
Eingabevorrichtungen sind über Leitungen (in Form von Koaxialkabeln) mit dem
"Host" verbunden, so dass es sich hier schon nicht um ein mobiles
Kommunikationsendgerät im Sinne des Klagepatents handelt, das -wie oben
ausgeführt- durch eine Funkverbindung mit der Basisstation verbunden sein muss,
um die geforderte Mobilität zu erreichen, und gerade nicht über ein ortsbindendes
Kabel.
5.
101
Dass es sich bei der japanischen Entgegenhaltung X (Anl. B 10) um eine
gattungsgemäße Schrift handelt, ist nicht erkennbar. Es ist vielmehr -soweit der Text
in der überreichten englischen Maschinenübersetzung überhaupt verständlich ist-
so, dass die dort offenbarten Geräte weder über eine Möglichkeit verfügen Spiele
auszuführen noch ein Herunterladen von Programmen erfolgt.
102
6.
103
Schließlich beruft die Beklagte sich auf die Präsentation eines "X-Communicators",
der bei der Cebit 1996 ausgestellt worden sein soll. Hierzu hat sie eine
entsprechende Presseinformation, datierend auf den 14.3.1996 (Anl. B 22), und eine
Bedienungsanleitung (Anl. B 21) zur Akte gereicht, auf die verwiesen wird. Bei
diesem Gerät handelt es sich um ein mobiles Telekommunikationsgerät, welches
auch bereits über die Funkübertragung die Möglichkeit eröffnet, Internet-Inhalte
aufzurufen und u.a. auf diesem Wege auch den Download von Software erlaubt. Es
mag sein, dass der Fachmann in Kenntnis des Communicators durch naheliegende
Überlegungen zu der Lehre des Klagepatents hätte gelangen können. Die
diesbezüglichen Überlegungen der Beklagten bleiben jedenfalls deshalb ohne
erfolg, weil sich nicht feststellen lässt, dass es sich bei der Entgegenhaltung
tatsächlich um zu berücksichtigenden Stand der Technik handelt. Wie die Klägerin
in der mündlichen Verhandlung zutreffend geltend gemacht hat, ist aus der
Presseerklärung nach Anl. B 22 nicht ersichtlich, welche technischen Merkmale der
X Communicator tatsächlich haben soll. Es ist auch nicht ersichtlich, dass den
Besuchern der Messe Gelegenheit gegeben war, dieses Gerät bereits zu
verwenden. Die Presseerklärung selber spricht davon, dass das Gerät
voraussichtlich im August des Jahres 1996 -also etwa 5 Monate nach der Messe
und dem Prioritätszeitpunkt (19.3.1996) für das Klagepatent- auf dem Markt
erscheinen solle. Es ist von daher nicht ersichtlich, dass tatsächlich bereits im März
1996 das Gerät vollständig entwickelt und produktionsreif war. Eine
Absichtserklärung, künftig Technologien verwenden zu wollen, offenbart aber
gerade nicht diese Technologien. Dass die Bedienungsanleitung (Anl. B 21) bereits
im März 1996 existierte und Hinweise auf die mit dem Klagepatent offenbarte Lehre
enthielt, ist nicht ersichtlich. Unwidersprochen handelt es sich bei der Anleitung, die
keinen Druckvermerk enthält, um die 3. Auflage. Ist das Gerät aber tatsächlich erst
frühestens im August 1996 auf den Markt gekommen, spricht nichts dafür, dass die
dritte Auflage bereits zuvor erhältlich war.
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105
Dass der Fachmann Anlass gehabt hätte, die vorstehend angeführten
Entgegenhaltungen -sofern sie vor dem Prioritätszeitraum veröffentlicht wurden- in
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irgend einer Weise miteinander zu kombinieren, um zum Gegenstand der
technischen Lehre des Klagepatents zu gelangen, ist von der Beklagten nicht
nachvollziehbar dargetan und auch nicht aus sich heraus verständlich.
V.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 108, 709 ZPO.
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