Urteil des LG Düsseldorf vom 26.05.2008

LG Düsseldorf: vernehmung von zeugen, firma, vermittler, darlehensvertrag, provision, notiz, urkunde, täuschung, zwangsvollstreckung, augenschein

Landgericht Düsseldorf, 14d O 54/06
Datum:
26.05.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
14d Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14d O 54/06
Tenor:
1. Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der
Urkunde des Notars Gebele in E vom 23.04.1997, Ur-Nr. 730/1997 wird
für unzulässig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags.
Tatbestand
1
Die Beklagte betreibt gegen den Kläger die Zwangsvollstreckung aus der
vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde des Notars Gebele in E vom 23.04.1997, Ur-
Nr. 730/1997 (Anl. K 1). Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2
Die Firma H GmbH vertrieb in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts
vornehmlich ältere Immobilien, unter anderem Eigentumswohnungen im aus 31
Wohneinheiten bestehenden Mehrfamilienhaus Merowinger P-P-Straße/E
(wiederaufgebaut nach Zerstörung ca. #####/####). In den Vertrieb eingeschaltet war
die Firma H2.W.F., welche den vollfinanzierten Erwerb der Immobilien als
"Steuersparmodell" anbot. Im Rahmen solcher Geschäfte war als kreditgebende Bank
zumindest auch die Beklagte tätig. Für die Firma H2.W.F. trat u.a. der Zeuge C als
Handelsvertreter auf. Dieser bot dem Kläger und seiner Ehefrau Anfang 1997 als
Steuersparmöglichkeit eine im o.H2. Anwesen gelegene Eigentumswohnung an. Diese
erwarben daraufhin von der Firma H die angebotene Eigentumswohnung (Größe: 22 m²,
Kaufpreis von 105.177,60 DM (Urkunde des Notars Imhof vom 10.04.1993, Anl. K 5).
Kaufpreis und Erwerbskosten wurden von der Beklagten finanziert. Mit Verträgen vom
16., 23.04.1997 (Anl. K 6 und 6a) nahmen der Kläger und seine Ehefrau bei der
Beklagten zur Finanzierung des Kaufpreises nebst Erwerbkosten Darlehen in einer
Höhe von (nominal) 56.000 DM und 65.800 DM auf. In der eingangs zitierten Urkunde
bestellten die Eheleute der Beklagten zur Absicherung der Rückzahlungsverpflichtung
(X2 der Einzelheiten der Sicherungsabrede wird auf Ziff. 4 der Darlehensverträge
verwiesen) eine Grundschuld in Höhe von 121.800 DM (nebst Zinsen). Ferner
3
unterwarfen sie sich X2 des Grundschuldkapitals der Zwangsvollstreckung in ihr
Vermögen .
Der Kläger trägt vor:
4
Es sei die Beklagte und der Wohnungsverkäufer H gewesen, die über ihren
Darlehensvermittler C von der Vertriebsfirma H2.W.F. die Initiative ergriffen hätten und
dem Kläger, der sonst nicht im Traum an den Erwerb einer vollfinanzierten Wohnung
gedacht habe, habe aufsuchen lassen, um ihm ihre in allen Details bereits feststehende
Wohnungsvollfinanzierungen im vorab ausgehandelten und fix und fertig feststehenden
Paket mit der Wohnung anzudienen. Die Vermittler der Fa. H2.W.F. seien angewiesen
gewesen, ausschließlich die Finanzierungen der Beklagten im Paket mit den
Wohnungen zu vermitteln. Die Beklagte habe die Fa. H2.W.F. beauftragt, bzw. es ihr
überlassen
5
- die Bonitätsdaten sämtlicher für sie - die Beklagte -zu werbenden Darlehensnehmer zu
beschaffen,
6
- die Identitätsprüfung sämtlicher für sie - die Beklagte -zu werbenden Darlehensnehmer
durchzuführen,
7
- die Darlehensvertragsberatung, insbesondere die Beratung betreffend die
Darlehenskosten betreffend sämtliche für sie - die Beklagte - zu werbende
Darlehensnehmer durchzuführen, und
8
- die Unterschrift unter den Darlehensvertrag herbeizuführen.
9
Zudem habe die Beklagte der Fa. H2.W.F. zugesichert gehabt, eine Provision in Höhe
von 1% der jeweils vermittelten Darlehenssumme zu zahlen. So sei es natürlich, dass
die Vermittler ausschließlich die Finanzierungen der Beklagten vermittelt hätten. Zu
diesem Zweck habe die Beklagte ihre fertig ausgefüllten Darlehensvertragsformulare
der Fa. H2.W.F., dort dem für die Finanzierungen zuständigen Herrn Y, überlassen.
10
Nachdem sich der Zeuge C die Telefonnummer des Klägers habe geben lassen, habe
er sich Mitte März 1997 telefonisch bei dem Kläger gemeldet. Er habe sich als
Finanzberater der Firma H2.W.F. vorgestellt und den Kläger um einen Beratungstermin
gebeten. Inhalt der Beratung sollten, so der Zeuge C, die Darstellung von sich selbst
bezahlenden Kapitalanlagemöglichkeiten sein. Obwohl der Kläger kein Interesse an
irgendwelchen Anlagen gehabt habe, habe sich der Zeuge C nicht abschütteln lassen.
Die Versuche des Klägers, den Zeugen C loszuwerden und das Gespräch endlich zu
beenden, seien vergeblich geblieben. Schließlich sei es dem Zeugen C gelungen, sich
für einen Hausbesuch bei dem Kläger aufzudrängen. Am 14.03.1997 sei der Zeuge C
erstmals bei dem Kläger in der Wohnung erschienen. Nachdem er sich und die Firma
H2.W.F. vorgestellt habe, habe der Zeuge C sogleich mit dem Abspulen des von den
Ausbildern der H2.W.F. ihm auswendig beigebrachten "Drückerprogramms" losgelegt.
Er habe dem Kläger sinngemäß erklärt , um dem Staat nicht unnötig Steuern zu zahlen,
solle er sich lieber für ein Steuersparmodell entscheiden und den eingesparten Betrag
anderweitig verwenden. Da er - der Kläger - doch Vater von zwei Kindern sei, könne er
es sich sicherlich nicht leisten, dem Staat unnötige Geschenke zu machen. Da habe er
genau das Richtige für ihn. Anhand eines Prospekts habe er dem Kläger erklärt, dass
das Beste für ihn in seiner Situation ein besonders werthaltiges und neu saniertes
11
Objekt in E sei. Die Finanzierung dafür liefere er gleich mit, so dass sich der Kläger
praktisch um nichts kümmern müsse. Da es sich um eine Vollfinanzierung handele und
eine Bank eine Vollfinanzierung nur bei absolut sicheren Finanzierungen bereitstelle,
könne der Kläger sich schon deshalb betreffend die Werthaltigkeit der Wohnung absolut
sicher sein. Das sei wie eine Bankgarantie. Die allein noch in Rede stehenden
Finanzierungskosten (die Finanzierung sei ja an die T2 des Kaufpreises getreten), so
habe der Zeuge C weiter erläutert, würden sich quasi von selbst aus Mieteinnahmen
und Steuervorteilen bezahlen. Genaueres würde er dem Kläger allerdings in wenigen
Tagen mitteilen können, er benötige nur noch seine Bonitätsdaten (Einkommen). Der
Kläger habe ihm diese in der Erwartung mitgeteilt, dass ein solches Projekt im Hinblick
auf seine vergleichsweise schwache Bonität X2 seiner zwei Kinder ohnehin nicht
durchführbar sein würde und habe darauf gehofft, anschließend in Ruhe gelassen zu
werden. Dann sei der Zeuge C zunächst wieder verschwunden. Etwa zwei Wochen
später sei der Zeuge C erneut bei dem Kläger in der Wohnung erschienen und habe ein
extra für ihn erstelltes sogenanntes "persönlichen Berechnungsbeispiel" mitgebracht.
Anhand dieser sich angeblich im Berechnungsbeispiel widerspiegelnden
"Finanzanalyse" habe er sein schon bekanntes Programm noch einmal abgespult,
dieses mal mit konkreten Zahlen. Er habe den Kläger gefragt, ob er nicht P2 jeden
Eigenaufwand Steuern sparen und gleichzeitig seine Altersrente aufbessern wolle, wie
dies mit der vollfinanzierten Wohnung in E P2 weiteres möglich sei. Das ganze sei
bombensicher, zumal ja die Finanzierung bereits stehe. Bei dem von ihm bereits im
vorangegangenen Gespräch kurz - wenngleich P2 konkrete Zahlen - vorgestellten, für
den Kläger maßgeschneiderten Objekt handele es sich um eine neusanierte Wohnung
in E in der Merowinger T4. Stetig steigende Mieteinnahmen seien garantiert, weil
zunächst eine Mietgarantie mitverkauft werde und danach durch die bekannt hohe O in
E ohnehin sehr starke Mietsteigerungen zu erwarten seien. Er - Herr C - würde alles für
den Kläger regeln, auch seine Steuererklärungen kostenlos für ihn erstellen, da ja die
Firma H2.W.F. Fachmann sei. Stets würde er ihm beratend zur Seite stehen. Es könne
doch nun wirklich nichts schief gehen angesichts des Umstandes, dass sogar die
NordLB eine Vollfinanzierung zur Verfügung T2. Im übrigen könne der Kläger die
Wohnung - falls er sie doch nicht als zusätzliche Altersvorsorge behalten wolle -
innerhalb von zwei Jahren problemlos mit Gewinn wiederverkaufen und zwar sogar mit
Gewinn nach Rückführung der Finanzierung. Anhand des Berechnungsbeispiels habe
der Zeuge C dem Kläger dann zugesichert,
- dass der Zinssatz für die Vollfinanzierung 5,95% p.a. betrage (in Wahrheit betrug
dieser schlussendlich 7,72% für das Darlehen über DM 56.000,-- und 7,63% für das
Darlehen über DM 65.800,--
12
- dass die Zinskosten DM 7.243,13 p.a. betragen würden (in Wahrheit betrugen sie
schließlich DM 9.343,74)
13
- dass diese (ohnehin falsch angegebenen Zinskosten) sich bis auf DM 162,18
monatlich "von selbst" aus Mieteinnahmen und Steuervorteilen bezahlen würden,
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- dass der Kläger sich um nichts kümmern müsse, weil er - C - alles aufgrund einer
einzigen Unterschrift beim Notar für ihn regeln würde,
15
- dass nur noch wenige Wohnungen nebst Vollfinanzierung vorhanden seien, alle
anderen seien X2 der großen O schon weg (in Wahrheit gehörte auch dies zu den
auswendig zu lernenden Verkaufssprüchen).
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Völlig verwundert über dieses, aber auch beeindruckt von diesem kaum fassbaren
Angebot sei der Kläger den unzutreffenden Angaben des Zeugen C auf den Leim
gegangen und habe ein in den ihm angebotenen vollfinanzierten Wohnungserwerb
eingewilligt. Dies insbesondere auch deshalb, weil nach den Zusicherungen des
Zeugen C die Beklagte, eine renommierte deutsche Bank, hinter der ganzen Sache
gestanden und die Werthaltigkeit "bankgeprüft" habe. Daraufhin habe Zeuge C, um ein
Abspringen des Klägers in letzter Minute zu verhindern, schnell auf die nächste Stufe
seiner Schulung umgeschaltet und habe die Eilbedürftigkeit dieses einmaligen
Angebots betont. Es müsse jetzt wirklich schnell gehandelt werden, fast alle
Wohnungen nebst Vollfinanzierungen der Nord/LB seien X2 der hohen O schon weg. Er
habe in Absprache mit der H2.W.F für den Kläger gerade noch einen Notartermin für
den 10.04.1997 reservieren können, den er unbedingt wahrnehmen müsse. Gerne
könne er ihn mit zum Notar begleiten, um die Sache unter Dach und Fach zu bringen.
Wenige Tage später, am 10.04.1997, sei der Zeuge C bei dem Kläger erschienen und
habe ihn zum Notar Imhof begleitet. Bei dem Notar Imhof habe es sich um einen
sogenannten "Mitternachtsnotar" gehandelt, der den Vertrieben rund um die Uhr zur
Verfügung gestanden habe. Um ein Abspringen und das Scheitern des Vorhabens zu
vermeiden, habe der Notar Imhof in den Geschäftsräumen der H2.W.F. zur Beurkundung
des genannten Vertrages bereitgehalten. Noch am Abend des 10.04.1997, außerhalb
der normalen Notarzeiten, sei das in der Anlage K 5 genannte Vertragswerk in den
Geschäftsräumen der H2.W.F. innerhalb von zehn Minuten "heruntergerattert" worden.
Nachdem das Angebot auf Abschluss des Kaufvertrages unterzeichnet gewesen sei,
habe der Zeuge C sicher sein können, seine Provision verdient zu haben. Ein Ausstieg
aus dem Geschäft sei zu diesem Zeitpunkt - genau so habe es die H2.W.F. geplant
gehabt - faktisch nicht mehr möglich gewesen. Die H2.W.F. habe nun auf der Basis der
mit der Beklagten bestehenden Rahmenvereinbarung in aller Ruhe den Abschluss des
Darlehensvertrages vorbereiten können. Wenige Tage später habe der Zeuge C den
Kläger erneut in seiner Wohnung besucht und habe ihm die fix und fertig ausgefüllten
und von der Beklagten bereits am 16.04.1997 unterzeichneten Darlehensverträge
(Anlage K 6 und 6a) zur Unterzeichnung vorgelegt. Dabei habe er zur Eile gedrängt, der
Kläger solle den Vertrag sofort unterzeichnen, es handele sich doch nur noch um eine
Formsache, schließlich müsse die Wohnung ja bezahlt werden. Überrascht davon, dass
er überhaupt noch etwas unternehmen müsse und P2 den Vertrag vernünftig überprüfen
zu können haber er ihn unterschrieben.
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Alle dem Kläger bekannten Miteigentümer in der Wohnungseigentümergemeinschaft in
der Merowinger T2 in E seien auf die gleiche Art und Weise von den Vermittlern der Fa.
H2.W.F. mit Wohnungen des H und der Finanzierungen der Beklagten bedacht worden.
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Der Kläger habe feststellen müssen, dass es sich bei dem Haus Merowinger T4. in E
nicht um ein neu saniertes Objekt, sondern um ein Haus handele, das 1950 letztmals
renoviert worden sei.
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Die Beklagte habe noch einen verdeckten Zins in Form eines Disagios von ihm kassiert.
Das habe er aber aufgrund der Finanzierungsberatung durch den Zeugen C gemäß
dem Berechnungsbeispiel (Anlage K 16) nicht erkennen können. Dies habe er
insbesondere auch nicht erkennen können, als ihm der Vermittler C am 23.04.1997
zwischen Tür und Angel völlig überraschend den bereits fertig ausgefüllten
Darlehensvertrag der Beklagten vorgelegt habe und mit dem Hinweis darauf, dass es
sich doch nur noch um eine reine Formalie handele, zur schnellen Unterzeichnung
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gedrängt habe. Dieser verdeckte Zins, das sogenannte Disagio, belaufe sich auf einen
Betrag in Höhe von insgesamt DM 12.180,--. Nicht mit einer Silbe sei der Kläger
dementsprechend über die besonderen Kosten dieses allein für die Beklagte
vorteilhaften Disagios aufgeklärt worden. Es hätten den Kläger nämlich unter
Berücksichtigung des für das Darlehen einkalkulierten Disagios eine jährliche
Zinsbelastung von effektiv 7,72% für das Darlehen in Höhe von DM 56.000,-- (Anlage K
6) und 7,63 % für das Darlehen über die Summe von 65.800,--, Anlage K 6a (nicht wie
für das Gesamtdarlehen gemäß Berechnungsbeispiel zugesichert 5,95%) DM 9.343,74,-
- bezogen auf die Gesamtdarlehenssumme (nicht wie im Berechnungsbeispiel
zugesichert DM 7.243,13) ergeben. Völlig unabhängig von der Werthaltigkeit des
Objekts bedeute dies bezogen auf die fehlerhafte Zusicherung im persönlichen
Berechnungsbeispiel allein auf die erste Zinsfestschreibungsperiode von 10 Jahren
eine Zinskostenmehrbelastung in Höhe von DM 20.532,05.
Im Kaufpreis versteckt sei noch eine Maklerprovision in Höhe von 18,4% (DM
22.411,20,--bezogen auf den vollfinanzierten angeblichen Gesamtkaufpreis in Höhe von
DM 121.800,--) gewesen, die zwar der Beklagten bekannt gewesen sei, die der Kläger
allerdings nicht habe erkennen können. Im Rahmen des Berechnungsbeispiels sei dem
Kläger ausdrücklich zugesichert worden, dass keinerlei Vermittlercourtage gezahlt
werden müsse. Diese eigentlich ja gar nicht existierende Provision habe die Beklagte
verdeckt mitfinanziert, wohlwissend, dass der Kläger hierüber getäuscht worden sei. Der
Zeuge H habe der als Zeugin benannten Frau L ausdrücklich während ihrer Tätigkeit für
den H2.W.F.-Vertrieb erklärt, dass er mehr als 18% "versteckte Innenprovision" in seine
Kaufpreise einkalkuliere und dies der jeweils finanzierenden Bank bekannt sei.
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Entgegen den mit Hilfe des Berechnungsbeispiels vom Zeugen C gegebenen
Zusicherungen sei die von der Beklagten vollfinanzierte Wohnung weit weniger als die
Hälfte des Kaufpreises wert. Die Beklagte habe selbstverständlich von dieser
sittenwidrigen Überteuerung gewusst, bzw. hätte sie dies X müssen. Denn die Beklagte
hatte gem. § 18 KWG eine entsprechende Einwertung vornehmen müssen, wozu
entsprechend einem Schreiben des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das
Kreditwesen auch eine Objektbesichtigung gehörte.
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Nach Darstellung des Vermittlers habe der Kläger für Zinsen aus Eigenmitteln monatlich
maximal DM 630,53,-- aufwenden müssen. Nirgends sei erläutert worden, dass die
Tilgung über eine Lebensversicherung erfolgen sollte. Zur Tilgung des größeren
Darlehens über DM 65.800,-- habe der Kläger seine seit 1979 bestehende
Kapitallebensversicherung, die seine einzige Altersvorsorge darstelle und die bereits
seitens der Beklagten verwertet worden sei, abtreten müssen.
23
Darauf, dass bei diesem Finanzierungsmodell die effektive Belastung des
Darlehensnehmers wesentlich höher sei als bei einer annuitätischen Tilgung, weil
24
- während der gesamten Darlehenslaufzeit auf die volle Darlehenssumme Zinsen zu
zahlen seien,
25
- ein Wechsel der finanzierenden Bank kaum möglich sei, wenn das Darlehen nicht
getilgt werde, weil die Mieteinnahmen keine ausreichende Sicherheit bieten können und
auch nicht sichergestellt sei, ob am Ende der Lebensversicherungslaufzeit die
Ausschüttungen ausreichend hoch seien, um den Darlehensbetrag zu tilgen,
26
- eine vorzeitige Darlehenstilgung durch die Lebensversicherungen z.B. bei einem
Verkauf der Wohnung nicht möglich bzw. mit erheblichen finanziellen Nachteilen
verbunden seien, weil die Rückkaufswerte der Lebensversicherungen in der Regel
erheblich geringer seien als die geleisteten Einzahlungen
27
sei der Kläger weder von dem Zeugen C noch von der Beklagten hingewiesen worden.
28
Die Aufwendungen für ein Darlehen P2 Lebensversicherungstilgung seien wenigstens
30% geringer als für ein Darlehen mit endfälliger Tilgung über Lebensversicherung.
29
Die Zusicherung des Zeugen C, dass es sich bei diesem vollfinanzierten
Wohnungserwerb um eine perfekte Altersvorsorgemöglichkeit handele, sei ebenfalls
falsch gewesen.
30
Der Kläger beantragt,
31
die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde des Notars
Gebele in E vom 23.04.1997, Ur-Nr. 730/1997 für unzulässig zu erklären.
32
Die Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Hilfsweise beantragt sie,
35
den Kläger widerklagend zu verurteilen, an sie 94.821,30 €
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zzgl. 7,#### % Zins auf 25.769,11 € seit dem 1.11.06 sowie
37
zzgl. 7,####2 % Zins auf 30.278,71 € seit dem 1.11.06 zu zahlen.
38
Der Kläger beantragt,
39
die Hilfswiderklage abzuweisen.
40
Die Beklagte trägt vor:
41
Die Engagements der Beklagten erklärten sich nicht zuletzt damit, dass die H2.W.F.
ihren Sitz in P gehabt habe und die Beklagte im Harz bzw. Harzvorland mit Filialen
vertreten sei. Vermittler der H2.W.F. hätten somit auch gegenüber der Beklagten für
verschiedene Immobilien Kreditanfragen gestellt.
42
Nicht die Beklagte habe das Geschäft initiiert. Der Kläger sei mittels des Vermittlers an
die Beklagte herangetreten. Der Kläger habe um ein Darlehn nachgesucht, um einen
von ihm gewünschten Kaufvertrag finanzieren zu können. Nicht das "gesamte Objekt" in
E sei finanziert worden. Tatsächlich seien in namhafter Zahl auch von anderen Banken
Wohnungskäufe finanziert worden. Mit der H2.W.F. habe es keinen "Rahmenvertrag"
gegeben. Die Beklagte stehe nicht in ständiger Geschäftsbeziehung mit der H2.W.F.
und oder der Fa. H, ebenso wenig gebe es Rahmenvereinbarungen. Sie habe
niemanden von der H2.W.F. beauftragt, Darlehen zu vermitteln. Die Beklagte wisse
nichts von dem Inhalt der Gespräche des Herrn C mit dem Kläger. Über die Einzelheiten
43
der Vertragsanbahnung sei der Beklagten nichts bekannt. Die Beklagte habe die
H2.W.F. insbesondere nicht beauftragt, Bonitätsdaten zu beschaffen,
Identitätsprüfungen vorzunehmen oder eine Darlehensberatung vorzunehmen. Es sei
zutreffend, dass für den Fall erfolgreicher Vermittlung eines Darlehens eine bankübliche
Provision bezahlt worden. Der Zeuge C habe den von der Beklagten unterschriebenen
Darlehensvertrag nicht im Original erhalten und dem Kläger ausgehändigt. Nach der im
Hause der Beklagten praktizierten Verfahrensweise werde die Korrespondenz mit dem
Darlehensnehmer direkt geführt.
Von einer angeblichen Überteuerung der Immobilie habe sie nichts gewusst und auch
keine Kenntnis davon haben müssen. Die von der H2.W.F. bzw. der H GmbH
vertriebenen Objekte seien in C auf Alter, Größe, Bautenstand und M3 ähnlich gewesen
(20-30 Wohnungen, zentrale Innenstadtlage, Bj. 50er bzw. 60er Jahre, grundsaniert).
Von vornherein sei angesichts der Vielzahl der Objekte und dem Umstand, dass diese
auch teilweise vermietet gewesen seien, nicht in Betracht gekommen, alle Wohnung in
Augenschein zu nehmen. Es seien stichprobenartig Wohnungen in Augenschein
genommen. Alle Objekte seien durchsaniert gewesen und hätten nach Einschätzung
der Zeugen M2 und S2 eine gute Bausubstanz aufgewiesen. Die Besichtigung sei in
erster Linie erfolgt, um ausschließen zu können, dass bedingt durch Reparaturstau an
den Gebäuden o.a. ein größerer Abschlag auf den Beleihungswert hätte vorgenommen
werden müssen.
44
Eine Erinnerung an die Besichtigung des Objektes Merowinger P-Straße sei bei den
zuständigen Mitarbeitern der Beklagten nicht mehr vorhanden. Diese könnten sich noch
erinnern, fünf bis sechs Objekte in E gesehen zu haben. Es existiere eine Notiz über
eine Besichtigung der Merowinger P-Straße. Besagte Notiz sei aber von einem
ehemaligen Sachbearbeiter gefertigt, der selbst nicht bei den Besichtigungen zugegen
gewesen sei. Die Notiz könne mithin unzutreffend seien.
45
Angesichts der Vielzahl der zu finanzierenden Immobilien und der Vergleichbarkeit der
Lagen, Baujahre etc. hätten sich die Mitarbeiter der Beklagten dazu entschieden, die
Werthaltigkeit nach einem Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Hierzu hätten sich die
Zeugen M2 und S2 verschiedener Quellen bedient:
46
- So sei von den Mitarbeitern der VDM-Preisspiegel als Vergleichsbasis herangezogen.
Ausweislich dessen sei bei Wohnungen von 60-90 m2 ein Verkaufswert von 2.200,00
DM - 4.800,00 DM für einfache bis normale Lagen anzunehmen gewesen.
47
- Die Beklagte habe ein Baukundenbüro für Großfinanzierungen in E unterhalten. Dort
hätten beide Herren O nach den Marktwerten für vergleichbare Objekte gehalten. Das
Baukundenbüro in E habe eine Objekteinschätzung gefertigt. Hiernach seien
Quadratmeterpreise von 3.900,00 DM - 4.600,00 DM als realistisch eingestuft worden.
Das damalig erstellte Exemplar liege nicht mehr vor. Indes verfüge die Beklagte noch
über eine Markt- und Objekteinschätzung aus dem Jahr 2000 betreffend eines wenige
hundert Meter von der N-P-Straße gelegenen Grundstücks. Die Verkehrswerte
bestätigten die damalige Einschätzung. Der Aufbau und die Darstellung der vorgelegten
Objekt- und Markteinschätzung entsprächen dem damalig eingeholten Bericht.
48
- Diese Angaben seien nochmals durch eine telefonische Anfrage bei einer örtlichen
Sparkasse überprüft.
49
- Um die Angaben des Verkäufers zu der M3 einer weiteren Plausibilitätsprüfung zu
unterziehen, habe die Beklagte Auskünfte zu den Mieten eingeholt. Die damalige
Verwalterin des Objektes N-P-Straße habe auf Anforderung einer Mieterliste mit dem
Stand 1997 übersandt. Die Bruttomieten seien nach Einschätzung der Beklagten auch
bei großzügiger Schätzung um 35% zu berichtigen. Damit hätten sich im Objekt
gezahlte Mieten von rd. 16,00 DM/m2 netto ergeben.
50
- Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Kaufpreises hätten die Mitarbeiter der
Beklagten noch aus dem Gesamtkaufpreis die Erwerbsnebenkosten (6% des
eigentlichen Kaufpreises) abschlägig in Abzug gebracht.
51
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung (Bl.68 d.A.).
52
Für den Fall, dass ein Widerrufsrecht des Klägers bestehen sollte oder aber das Gericht
einen Schadenersatzanspruch des Klägers aus einer unterbliebenen Aufklärung seitens
der Bank bejahen sollte, gleichzeitig aber ein Anspruch auf Rückzahlung der
Darlehensvaluta und des marktüblichen Zinses der Beklagten nicht durch den
Sicherungszweck der Grundschuld erfasst sei, erhebt die Beklagte Widerklage. Denn
dann sei das Kreditengagement insgesamt rückabzuwickeln. Der Kläger wäre so zu
stellen, als wenn er das Darlehen nicht empfangen hätte. Er müsse auch die
Leistungen, die er aufgrund des Darlehensvertrages gewährt bekommen habe,
zurückgeben. Denn es sei nicht zu erkennen, aus welchem Grund dem Kläger die
Darlehensvaluta einschließlich der daraus folgenden Nutzungen verbleiben sollte. In
jedem Falle sei eine Position, die selbst bei Zusprechen eines
Schadenersatzanspruches rückabzuwickeln sei, die Hergabe der Darlehensvaluta
einschließlich der marktüblichen Verzinsung. Die Darlehen seien am 30.4.1997
ausgekehrt worden. P2 Berücksichtigung des Disagios seien gezahlt worden 25.769,11
EUR bzw. 30.278,71 EUR. Die marktübliche Verzinsung nehme die Beklagte unter
Berücksichtigung eines 100%igen Auszahlungskurses und einer vereinbarten Laufzeit
bis zum 30.03.2007 mit 7,#### % betreffend den Betrag von 25.769,11 EUR bzw.
7,####2% betreffend den Betrag von 30.278,71 EUR an. Dies gelte bezogen auf die
damalige Verabredung des Darlehens. Bezogen auf den 31.10.2006 ergebe sich eine
Forderung der Beklagten auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich des
marktüblichen Zinses in Höhe von 94.821,30 EUR. Nach dem 01.11.2006 sei die
Darlehensvaluta nach wie vor marktüblich zu verzinsen. Die Beklagte berücksichtige bei
der Berechnung der Hilfswiderklageforderung nicht etwaig zu saldierende Gegenrechte
des Klägers. Dies beruhe darauf, dass die Beklagte diese Ansprüche nicht
abschließend zu beziffern in der M3 sei. Die von dem Kläger gezahlten Zins-und
Tilgungsleistungen können nur saldiert werden, soweit und sofern nicht
Steuerersparnisse und Mietzinserträge anzurechnen seien. Deren Höhe seien von dem
Kläger aber bisher noch nicht in Fälligkeit begründender Weise substanziiert dargetan
worden, so dass auch eine wechselseitige Saldierung etwaiger Ansprüche der Parteien
der Beklagten nicht möglich sei. Fällig und somit auch saldierungsfahig können die
Ansprüche des Klägers aber nur sein, wenn sie von ihm abschließend und
nachvollziehbar beziffert seien. Dazu gehörten auch die von dem Kläger aus dem
Geschäft erzielten Vorteile und Ersparnisse.
53
X2 des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten
Anlagen verwiesen.
54
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens und Vernehmung
55
von Zeugen. X2 des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Becker
vom 15.06.2007 sowie die Sitzungsprotokolle vom 07.03.2008 und 16.05.2008
verwiesen.
Entscheidungsgründe
56
Die Klage ist begründet, die Hilfswiderklage dagegen nicht.
57
1.
58
Dem Kläger steht eine Einwendung im Sinne des § 767 Abs.1 ZPO zu. Er hat Anspruch
aus Verschulden bei Vertragsschluss, welcher die Beklagte verpflichtet, den Kläger
nach dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 S. 1 BGB) so zu stellen, wie er P2 die
schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung gestanden hätte. In diesem Fall hätte er den
Darlehensvertrag nicht abgeschlossen, mithin sich nicht der Vollstreckung in sein
Vermögen unterworfen.
59
Nach ständiger – den Parteien hinlänglich bekannter - Rechtsprechung des BGH ist
eine kreditgebende Bank bei steuersparenden Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung
über das finanzierte Geschäft unter ganz besonderen Umständen verpflichtet. So muss
die Bank den kreditsuchenden Kunden auf eine von ihr erkannte Sittenwidrigkeit der
Kaufpreisvereinbarung hinweisen. Von einem besonders groben Missverhältnis, das
eine Vermutung für die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit begründet,
kann ausgegangen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie
der Wert der Gegenleistung. Kreditinstitute haben den Wert der ihnen gestellten
Sicherheiten aber grundsätzlich nur im eigenen Interesse sowie im Interesse der
Sicherheit des Bankensystems, nicht dagegen im Kundeninteresse prüfen.
Dementsprechend kann sich grundsätzlich aus der lediglich zu bankinternen Zwecken
erfolgten Ermittlung eines Beleihungswerts keine Pflichtverletzung gegenüber dem
Kreditnehmer ergeben.
60
Die Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet,
wenn Verkäufer, die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in
institutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auch die Finanzierung der
Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler, sei es auch nur über einen von ihm
benannten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wurde und die Unrichtigkeit
der Angaben des Verkäufers oder der für sie tätigen Vermittler bzw. des
Verkaufsprospekts nach den Umständen des Falles evident ist, so dass es sich
aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen Täuschung geradezu
verschlossen.
61
Im Falle einer Aufklärungspflichtverletzung im dargelegten T3 X2 eines
aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs hat die Bank den Geschädigten nach dem
Grundsatz der Naturalrestitution (§ 249 S. 1 BGB) so zu stellen, wie er P2 die
schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung gestanden hätte (BGH, Urteil vom 26. 6. 2007 -
XI ZR 277/05, BGH, Urteil vom 16. 5. 2006 - XI ZR 6/04, Urteil vom 20. 1. 2004 - XI ZR
460/02, jeweils m.w.N.).
62
a.
63
"Institutionalisiertes Zusammenwirken" im vorgenannten Sinne hat der Kläger
64
"Institutionalisiertes Zusammenwirken" im vorgenannten Sinne hat der Kläger
bewiesen. Es ist unstreitig, jedenfalls bewiesen, dass die Finanzierung der
Kapitalanlage vom Vermittler angeboten wurde. Insoweit kann auf die Aussage des
Zeugen C genommen werden, an deren Richtigkeit angesichts der nachfolgend zu
erörternden Umstände kein Zweifel besteht. Es ist ferner unstreitig, dass "F" unter
Vermittlung der H2.W.F. über einen längeren Zeitraum mit einer gewissen
Regelmäßigkeit und Häufigkeit durch die Beklagte finanziert wurden. Die Beklagte hat
selbst dargelegt, dass u.a. angesichts der Vielzahl der Objekte nicht alle Wohnung
hätten in Augenschein genommen werden können. Der Zeuge S2 führte hierzu aus:
"Die Geschäftsbeziehung zwischen der Nord LB und der H2.W.F. gestalteten sich in der
Weise, dass über mehrere Jahre Finanzierungsfragen eingingen, mehr oder weniger
regelmäßig." Wie der Aussage des Zeugen Y entnehmen ist, sollte die Beklagte als eine
von mehreren "Finanzierern" in das Vertriebsmodell eingebunden sein. Der Zeuge C
hat ausgeführt, der Kunde habe sich nicht um die Finanzierung kümmern sollen, es sei
Teil des Gesamtkonzeptes gewesen, dass die Firma H2.W.F. Banken anspreche, die
bereit seien, Finanzierungen zu übernehmen. Auch der weitere Ablauf des vom Zeugen
C veranlassten Geschäfts belegt, dass nach einem Schema verfahren wurde, das sich
durch ständige Wiederholung herausgebildet hatte. Es besteht kein Anlass, an der
Richtigkeit dieser Aussagen zu zweifeln, da das Vertriebsmodell nicht für den Einzelfall,
sondern als Massengeschäft entwickelt worden war. Das Gericht bezweifelt
insbesondere nicht die Richtigkeit der Aussage des Zeugen C, wonach er dem Kläger
den Darlehensvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat. Dies passt zu der Zielsetzung der
H2.W.F., wonach der Kunde sich nicht um die Finanzierung kümmern sollte; die
Annahme, dass dies der Beklagten als Geschäftsbank verborgen geblieben war,
erscheint nach der Lebenserfahrung lebensfremd, dies umso mehr, als die H2.W.F. von
der Beklagten für jeden vermittelten Darlehensvertrag eine Provision erhalten hatte,
somit die Tätigkeiten der H2.W.F. zwar nicht formal in ihrem Auftrag erfolgten, aber
durch Geldzuwendungen gefördert wurden. Nahtlos fügt sich die Aussage des Zeugen
Y ein, wonach dieser eine "Vorauswahl" der Kunden vorgenommen hatte; dass er dies,
wie er weiter bekundete, "in Absprache mit Herrn M machte, ist angesichts des
Interesses der H2.W.F. an einem reibungslosen Ablauf des Vertriebssystems mehr als
nahe liegend (nicht im Widerspruch dazu steht die Bekundung des Zeugen M2, wonach
er keine "Bonitätsraster" weitergegeben habe: Aufgrund der Vielzahl der Fälle dürfte
auch P2 eine solche Vorgabe klar gewesen sein, welcher Kunde den Anforderungen
der Beklagten entsprach und welcher nicht). Ins Bild passt schließlich der von den
Zeugen S2, M2 und Y geschilderte "Ortstermin", in dessen Verlauf die Immobilien, die in
den Vertrieb gelangen sollten, gemeinsam in Augenschein genommen wurden. Diese
Verfahrensweise belegt, dass die Geschäftsbeziehung nicht nur "von Fall zu Fall"
bestand, sondern darauf angelegt war, bei einer Vielzahl von Verkäufen einen möglichst
reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Die Gesamtschau dieser Indizien lässt keinen
ernsthaften Zweifel daran aufkommen, dass die Beklagte in das auf Dauer angelegte
Vertriebsmodell (vom Zeugen C wohlklingend als ""inflationsgeschütztes Sparen"
bezeichnet) fest eingebunden war und in einer im Wesentlichen gleichbleibenden
Verfahrensweise Kredite an die von der H2.W.F. vermittelten Kunden vergab. Dem steht
weder entgegen, das die Beklagte nicht die einzige Bank war, die sich an solchen
Geschäften beteiligte; es genügt, dass sich im vorgenannten T3 eine ständige Übung
herausgebildet hatte. Belanglos ist schließlich, dass die Beweisaufnahme keine
Hinweise auf ausdrückliche Absprachen ergab. Denn es reicht, dass durch ständige
Übung und die von den Zeugen geschilderten Hausbesichtigungen eine
stillschweigende Übereinkunft hergestellt wurde, dass die Beklagte in dem von der
H2.W.F. praktizierten Vertriebssystem die Rolle des "Finanzierers" einnehmen sollte.
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Die Unrichtigkeit der Verkäuferangaben zum Wert der Immobilie sind auch im Sinne der
o.H2. Rechtsprechung "evident". Nach dem Gutachten des Sachverständigen Becker
vom 15.06.2007 ist davon auszugehen, dass die Immobilie im Erwerbszeitpunkt weniger
als die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises wert war, mithin nach der eingangs zitierten
Rechtsprechung von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den
Verkäufer auszugehen ist. Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens bestehen nicht. Es
entspricht dem Ergebnis des Gutachtens der Sachverständigen Mosdzien vom
16.11.2005, welches sich mit einer anderen Eigentumswohnung aus dem Anwesen mit
vergleichbarer Größe (18 m²) befasst und das den Verkehrswert mit (nur) 21.000 €
schätzt (Anl K 19). Dies korrespondiert ferner mit der Aussage des Zeugen S2, der - von
der Beklagten damals mit der Immobilienbewertung betraut gewesen - nach
Besichtigung des Objekts ausführte, dass er es als Beleihungsobjekt nicht empfohlen
hätte. Berücksichtigt man ferner, dass unstreitig Immobilienbesichtigungen in E
stattgefunden haben, an denen die Zeugen S2 und M2 teilgenommen haben und auch
das streitgegenständliche Objekt besichtigt werden sollte, so drängt es sich nach der
allgemeinen Lebenserfahrung auf, dass die Beklagte sich der Kenntnis der arglistigen
Täuschung geradezu verschlossen hat.
65
b.
66
Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung hat der Nachweis eines institutionalisierten
Zusammenwirkens zur Folge, dass die Kenntnis der Beklagten von der arglistigen
Täuschung durch die H2.W.F./H Immobilien widerleglich vermutet wird. Der Beklagten
ist der ihr hiernach obliegende Entlastungsbeweis nicht gelungen. Es ist nicht zur
Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass die Beklagte keine Kenntnis von der
Überteuerung der Wohnung hatte.
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Aus der Aussage aller vernommenen Zeugen ergibt sich zwar, dass die Beklagte keine
Kenntnis von möglicherweise unseriösen Vertriebspraktiken hatte und aus damaliger
Sicht keine Zweifel an der Seriosität des Vertriebsmodells des "inflationsgeschützten
Sparens" an sich, oder der Firma H GmbH bestanden. Die Beklagte war daher nicht
gehalten, im Umgang mit H2.W.F./H Immobilien eine Vorsicht walten zu lassen, die über
das bankübliche Maß hinausging. Ihre Rolle war auf die eines Finanzierers beschränkt;
sie war weder an der Entwicklung des Vertriebsmodells beteiligt, noch hat auf die
Beratung der Kunden oder deren Auswahl Einfluss genommen. Nach Aussage des
Zeugen Y war das Vertriebsmodell damals schon seit längerem im Markt eingeführt. Es
handelte sich – so der Zeuge C – nur um eine von vielen Möglichkeiten von
"Finanzoptimierungen", welche Interessenten angeboten wurden. Überzeugend hat der
Zeuge Y ausgeführt, dass es aus damaliger Sicht auch keinen Grund gab, die Seriosität
der Firma H GmbH infrage zu stellen, da der weitaus überwiegende Teil der Geschäfte
mit "F" zur Zufriedenheit der Kunden abgewickelt worden sei; Mängelrügen seien bis zu
einem gewissen Zeitpunkt auch auf dem Kulanzwege abgeholfen worden. Er selbst sei
an zufriedenen Kunden und Bänkern interessiert gewesen; nicht zuletzt deswegen habe
er Darlehensanfragen, welche der Vertrieb eingereicht habe, nicht ungeprüft an Banken
weitergereicht, sondern eine Vorentscheidung getroffen, ob der Interessent für das
konkrete Geschäft überhaupt geeignet war. Wenn es selbst aus Sicht eines leitenden
Mitarbeiters der Firma H2.W.F. keinen Grund zur besonderer Vorsicht gab, so gilt dies
erst recht für die Beklagte, die keine Veranlassung hatte, einen tieferen Einblick in die
Geschäftspraxis der H2.W.F. zu erlangen, als dies für die Darlehensgewährung
erforderlich war. Hinzukommt, dass die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts
ergeben hat, dass es der damaligen Geschäftspraxis der Beklagten entsprach, nicht
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dem Exposé des Verkäufers blind zu vertrauen, sondern die darin enthaltenen Angaben
mittels stichprobenhafter Besichtigungen durch einen autorisierten Mitarbeiter (Zeuge S,
Einsichtnahme in den Mietspiegel, Einholung von Einschätzungen des örtlichen
Baukundenbüros und der ortsansässigen Sparkassen auf Plausibilität zu prüfen. Das
Gericht hat auch im Fall "Merowinger P-P-Straße" keine ernsthaften Zweifel daran, dass
– wie vom Zeugen S2 ausgeführt – jedenfalls Auskünfte beim Baukundenbüro und der
Sparkasse eingeholt wurden. Das Gericht bezweifelt ebenfalls nicht, dass - wie vom
Zeugen S2 weiter geschildert – die eingeholten Informationen der Geschäftsleitung
(Frau T vorgelegt worden sind und diese daraufhin die Bestellung von
Grundpfandrechen aus dem Objekt Merowinger P-Straße erlaubt hat. Da – wie eingangs
ausgeführt – die Bank derartige Prüfungen nur im eigenen und nicht im
Kundeninteresse vorzunehmen braucht, ist an dieser Verfahrensweise nichts zu
beanstanden. Schon gar nicht lässt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte keine
intensiveren Untersuchungen – etwa durch externe Sachverständige - vorgenommen
hat, herleiten, sie habe im o.H2. Sinne vorsätzlich gehandelt (vgl. die oben zitierte BGH-
Rechtsprechung) .
Dennoch bleibt es zweifelhaft, ob sich die Mitarbeiter der Beklagten der Kenntnisnahme
von der Überteuerung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung "geradezu
verschlossen" haben; diese Zweifel gehen aufgrund der oben erörterten widerleglichen
Vermutung zu Lasten der Beklagten:
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Nach Durchführung der Beweisaufnahme sind gravierende Ungereimtheiten
festzustellen. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Zeugen M2 und S2 keine
Erinnerung an die Besichtigung des Objektes Merowinger P-Straße mehr hätten, sich
aber noch daran erinnern zu könnten, fünf bis sechs Objekte in E gesehen zu haben.
Dies entsprach der Aussage des Zeugen M2. Auch nach eingehender Befragung hatte
er keine zuverlässige Erinnerung an die Besichtigung dieses Objekts, was im Einklang
mit aussagepsychologischen Gesetzmäßigkeiten steht, da der Sachverhalt mehr als 10
Jahre zurückliegt und der Zeuge M2 nicht ortskundig ist. Ebenso überzeugend war die
Aussage des Zeugen S2, der bekundete, sich nach der Vernehmung des Zeugen M2
(07.03.08) eine Wohnung im Haus Merowinger angeschaut zu haben und sich nunmehr
sicher zu sein, das Haus vorher nie betreten zu haben. Dies erläuterte er
nachvollziehbar sinngemäß damit, dass sich der Hausflur und die besichtigte Wohnung
in einem derart desolaten Zustand befunden hätten, dass er, hätte er damals eine
Besichtigung vorgenommen, nicht nur von einer Beleihung des Objekts abgeraten hätte,
sondern sich auch heute noch an dieses Ereignis erinnern würde. Wenn der Zeuge S2
damals das hier in Rede stehende Anwesen nicht von innen gesehen hat, so gilt das
gleichermaßen für den Zeugen M2, der bei der Besichtigung der Düsseldorfer "F"
ebenfalls zugegen war. Im Widerspruch dazu hat die Beklagte vorgetragen, dass eine
Notiz über eine Besichtigung der Merowinger P-Straße existiere von einem ehemaligen
Sachbearbeiter, der selbst nicht bei den Besichtigungen zugegen gewesen sei. Diese
Notiz hatte sicherlich keine negative Bewertung enthalten, was aus dem Umstand folgt,
dass die Geschäftsleitung (Frau T - wie ausgeführt - das P-P-Straße zur Bestellung von
Grundpfandrechten freigegeben hat. Wie der unbekannte Mitarbeiter ein solches Attest
hat ausstellen können, obwohl eine Besichtigung durch die Zeugen M2 und S2 nicht
stattgefunden hat, blieb ungeklärt. Geht man davon aus, dass die Zeugen M2 und S2 die
Wahrheit gesagt haben (woran das Gericht keinen Zweifel hat) verbleiben denklogisch
mehrere Möglichkeiten. So könnte ein anderer Mitarbeiter die Wohnung besichtigt
haben. In diesem Fall wäre Vorsatz im vorgenannten Sinne sicher gegeben, denn
diesem hätte sich der desolate Zustand des Hauses ebenso aufgedrängt wie dem
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Zeugen S2. Möglich ist auch, dass der Verfasser den Vermerk "ins Blaue hinein"
aufgesetzt hat, also im X, dass eine Besichtigung nie stattgefunden hat. Auch dann wäre
Vorsatz zu bejahen, weil ihm denknotwendig klar war, dass seine Angabe -
Besichtigung - sachlich unzutreffend (gelogen) war und die positive Bewertung reine
Spekulation war, weil sie auf keiner Tatsachengrundlage (Inaugenscheinnahme)
beruhte. Schließlich ist auch denkbar, dass der Verfasser eine mündliche Mitteilung
fehlinterpretiert hat; dann läge sicherlich nur Fahrlässigkeit vor. Für eine derartige
Annahme hat indes die Einvernahme der Zeugen M2 und S2 nichts ergeben. Beredt ist
schließlich der Umstand, dass nach Angaben des Zeugen S2 im Hause der Beklagten
keine Unterlagen betreffend die Einwertung des Objekts Merowinger P-Straße zu finden
sind, obwohl es bei der Beklagten üblich ist, hierüber schriftliche Unterlagen anzulegen
und aufzuheben. Es ist sicherlich möglich, dass diese in den Jahren verloren gegangen
sind. Es ist aber ebenso denkbar, dass diese nie existiert haben, was wiederum die
Annahme stützt, dass vorliegend "ins Blaue hinein" verfahren wurde. Die Ungewissheit,
welche der vielen Möglichkeiten zutrifft, geht zu Lasten der darlegungs- und
beweispflichtigen Beklagten.
c.
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Der Verjährungseinwand hat keinen Erfolg. Für den hier einschlägigen Anspruch aus
c.i.c. gilt nach altem Recht (§ 195 BGB a.F.) die dreißigjährige Verjährung (Art. 229 , § 6
EGBGB).
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2.
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Die Hilfswiderklage hat keinen Erfolg. Für eine Rückforderung der Darlehensvaluta gibt
es keine Anspruchsgrundlage. Der Darlehensvertrag ist wirksam. Es mag sein, dass der
Kaufvertrag mit der Firma F aufgrund des sittenwidrig überhöhten Kaufpreises
unwirksam ist. Das berührt aber nicht die Wirksamkeit des Darlehensvertrags. Ob der
Beklagte gemäß § 255 BGB die Abtretung der Ansprüche gegen den Verkäufer
verlangen kann, braucht hier nicht erörtert werden, da ein solcher Anspruch nicht
geltend gemacht worden ist.
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3.
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Nebenentscheidungen: §§ 91, 709 ZPO.
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4.
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Streitwert: 94.821,30 € (Streitwert der Hilfs-Widerklage). Klage und Hilfs-Widerklage
betreffen bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise den selben Gegenstand
(§ 19 Abs.1 GKG).
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