Urteil des LG Dortmund vom 15.09.2005

LG Dortmund: einstweilige verfügung, fristlose kündigung, treu und glauben, unwirksamkeit der kündigung, geschäftsbeziehung, gleichbehandlung im unrecht, pflicht zur duldung, rabatt, werbung

Landgericht Dortmund, 13 O 155/04
Datum:
15.09.2005
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
II. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 155/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
1
2
Die Beklagte ist Herstellerin von Möbeln, die sie unter den Marken "I", "now! by I"
und "I design collection" vertreibt. Die 1997/1998 gegründete Klägerin gehört zur G -
Gruppe, die zur Beklagten seit über 30 Jahren Geschäftsbeziehungen unterhält.
3
Die Klägerin betreibt in G2 ein Vollsortiment-Möbelhaus mit einer Verkaufsfläche von
ca. 20.000 qm auf vier Etagen. Sie bezog bis Ende 2004 von der Beklagten
Kastenmöbel für die Sortimentsbereiche Wohn-, Esszimmer- und Schlafmöbel,
Matratzenstudio, Junges Wohnen, Jugendzimmer und Büromöbel. Die Parteien
tätigten in den Jahren 1999 bis 2003 Einkaufsumsätze in Höhe von 7.762.067,00 €
netto und in den Monaten Januar bis August 2004 in Höhe von 1.222.397,00 € netto.
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Im Mai 2004 führte die Klägerin eine 10tägige Verkaufsveranstaltung von "Marken-
und Qualitätsmöbel" durch mit einer Postwurfsendung, in der auch Möbel der
Beklagten der Marken "now! by I" und "I" aufgeführt waren. In der Postwurfsendung
hieß es u. a.:
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"Sie profitieren von sensationellen Hersteller-Rabatten, die wir voll an Sie
weitergeben!"und,
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"nur 10 Tage!" Ab Freitag sparen Sie bis zu 40 % auf ausgewählte Qualitäts- und
Markenmöbel."
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Die Beklagte, die der Klägerin anlässlich des im Jahr 2004 begangenen 75jährigen
Firmenjubiläums der G -Gruppe bei drei mehrtätigen Verkaufsaktionen 5 % Sonderrabatt
auf Möbel der Marke "I" gewährt hatte, mahnte mit Anwaltsschreiben vom 10.05.2004
die Werbung ab als irreführend und unlauter sowie als unzulässige
Sonderveranstaltung. Die Klägerin lehnte mit Anwaltsschreiben vom 11.05.2005
Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ab mit der Begründung, eine
unzulässige Sonderveranstaltung liege nicht vor. Die beanstandete Werbeaussage sei
zutreffend, weil im Vergleich zu den üblicherweise von der Beklagten gewährten
Rabatten der dreimal zusätzlich im Jahr gewährte Rabatt von 5 % eine sensationelle
Erhöhung von ca. 41 % darstelle und die Beträge der entsprechenden Gutschriften
aufgeteilt auf ausgewählte Möbelstücke, an die Verbraucher weitergegeben würden. Die
Klägerin wies den von der Beklagten erhobenen Vorwurf, die Geschäftsbeziehung der
Beklagten zu ihrem bundesweiten Vertriebsnetz nachhaltig schädigen zu wollen, zurück
und argwöhnte ihrerseits, dass sie durch die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher
Unterlassungsansprüche in kartellrechtlich unzulässiger Weise bei der Preisgestaltung
beeinflusst und diszipliniert werden solle.
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Die Beklagte erwirkte im Verfahren 2-06 O 191/04 Landgericht Frankfurt am Main
einstweilige Verfügung vom 14.05.2004, mit der der Klägerin die Werbeaussage "Sie
profitieren von sensationellen Hersteller-Rabatten, die wir voll an Sie weitergeben!"
verboten wurde. Die Beschlussverfügung wurde durch Urteil des Landgerichts Frankfurt
vom 07.07.2004 bestätigt. Die Klägerin legte hiergegen Berufung ein unter dem
06.10.2004 mit der Begründung, der zusätzliche Rabatt von 5 % sei kumuliert auf zwei
konkrete Angebote verteilt worden. In der Berufungsverhandlung am 27.01.2005 nahm
sie die Berufung zurück und gab eine Abschlusserklärung ab.
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Die Beklagte wies mit Schreiben vom 02.06.2004 die Geschäftsleitung der G- -Gruppe
in C darauf hin, dass sie nicht hinnehmen werde, dass I -Marken zum Vorspann für
wettbewerbswidrige Praktiken benutzt würden. Sie kündigte an, im Fall künftiger
vergleichbarer Aktivitäten der G-Unternehmensgruppe ohne weitere Verwarnung die
bestehende Geschäftsbeziehung zu beenden. Die Geschäftsleitung der G -Gruppe
verwahrte sich hiergegen mit Anwaltsschreiben vom 15.06.2004.
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Am 19.08.2004 eröffnete die von der Beklagten ebenfalls belieferte Firma T ein großes
Möbelhaus in E Sie warb hierfür ab Ende Juli 2004, auch in G2 und in unmittelbarer
räumlicher Nähe zum Möbelhaus der Klägerin. Diese warb am 18. und 26.08.2004 in
der C2 mit einer Werbeanzeige, die u. a. die Aussage enthielt "auf alle Markenmöbel 30
% Rabatt". Die Werbung wurde wiederholt am 02. und 07.09.2004, diesmal mit einem
Sternchen-Hinweis, dass die Artikel der Beklagten ausgenommen seien. Bei einem von
der Beklagten veranlassten Testkauf lehnte die Klägerin es ab, auf einen Artikel des
Sortiments "now! by I " einen Rabatt zu gewähren. Die Beklagte stellte zudem fest, dass
das I -Vertriebsprogramm keine Preisauszeichnung aufwies. Sie mahnte die Klägerin
ab, jeweils mit Anwaltsschreiben vom 10.09.2004, und erklärte mit weiterem
Anwaltsschreiben vom 10.09.2004 die fristlose Kündigung der Lieferbeziehungen in
Bezug auf die Vertriebsschienen "I ", "now! by I " und "I design collection". Die Klägerin
erklärte mit Anwaltsschreiben vom 13.10.2004 die Rabattwerbung ohne Sternchen-
Hinweis als anzeigentechnisches Versehen, gab aber insoweit eine strafbewährte
Unterlassungserklärung ab. Sie verweigerte eine solche hinsichtlich der unterbliebenen
Preisauszeichnung mit der Begründung, Möbel aller Hersteller seien wegen einer
umfassenden Preisänderungsaktion vorübergehend nicht mit Endpreisen
ausgezeichnet gewesen.
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Die Klägerin begehrte mit am 20.09.2004 bei der Kammer als Kartellgericht im
Verfahren 13 O 152/04 Kart. Landgericht Dortmund eingegangenen Antrag den Erlass
einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Verbot der Belieferungsverweigerung für
bestimmte bereits bestellte Artikel und Feststellung einer Belieferungsverpflichtung der
Beklagten bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Die Beklagte hinterlegte bei der
Kammer unter dem 21.09.2004 Schutzschrift vom 20.09.2004. Es wurde Termin zur
mündlichen Verhandlung vor der Vorsitzenden bestimmt auf den 05.10.2004.
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Zuvor erwirkte die Beklagte einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 20.09.2004 im Verfahren 2-06 O 364/04, mit der der Klägerin verboten wurde,
Endverbrauchern Möbel der Marken "I" und "now! by I" anzubieten, ohne Endpreise
anzugeben. Die einstweilige Verfügung wurde am 24.09.2004 zugestellt. Auf den
Widerspruch der Klägerin vom 25.10.2004 wurde sie mit Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 24.11.2004 bestätigt. Die Klägerin ließ mit Anwaltsschreiben
vom 14.01.2005 die Anerkennung der einstweiligen Verfügung als endgültige Regelung
erklären.
13
Die Klägerin reichte unter dem 23.09.2004 in diesem Verfahren eine auf Feststellung
einer Belieferungspflicht gerichtete Hauptsacheklage ein. Sie erweiterte im
Verfügungsverfahren 13 O 152/04 Kart. Landgericht Dortmund den Unterlassungsantrag
unter dem 27.09.2004 auf weitere 37 Bestellungen.
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Die Beklagte beanstandete mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2004, dass die Klägerin
neben der Rabattanzeige in der C2 auf Plakaten in und vor ihren Geschäftsräumen mit
der Aussage "bis zu 40 % Rabatt" warb. Die Klägerin lehnte mit Anwaltsschreiben vom
01.10.2004 Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ab. Die Beklagte erwirkte
einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.10.2004 im
Verfahren 2-06 O 402/04, die am 22.10.2004 zugestellt wurde. Die Werbung wurde am
26.10.2004 entfernt. Auf Widerspruch der Klägerin vom 29.10.2004 wurde die
einstweilige Verfügung mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.11.2004
bestätigt. Die Berufung der Klägerin hiergegen wurde am 14.04.2005 zurückgenommen.
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Mit Urteil vom 05.10.2004 wurde der Beklagten im Verfahren 13 O 152/04 Kart.
Landgericht Dortmund unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, die
Verweigerung der Belieferung mit 52 näher bezeichneten Artikeln aus ihrer Fertigung zu
unterlassen. Unter Abweisung der weitergehenden Klage wurde zudem festgestellt,
dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin bis zum 15.03.2005 zu beliefern. Die
Beklagte legte gegen das Urteil, zu dessen Inhalt auf Blatt 400 bis 415 der Beiakte 13 O
152/04 Kart. Landgericht Dortmund verwiesen wird, Berufung ein, belieferte die Klägerin
in der Folge jedoch.
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Sie beanstandete mit Anwaltsschreiben vom 07.10.2004 die Behinderung von
Testkäufen und Testbesuchen. Ein von der Beklagten beauftragter Testkäufer,
Vertriebsleiter der M Brauerei, hatte am 16.09.2004 in den Geschäftsräumen der
Klägerin einen Kaufvertrag unterzeichnet. Der Geschäftsführer der Klägerin sprach am
30.09.2004 auf die Mailbox des Testkäufers folgende Nachricht:
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"Ja, G G2, guten Tag Herr C3. Sie haben speziell unser Haus fotografiert und der
Firma I die Fotos zur Verfügung gestellt und dann auch noch einen fingierten Auftrag
geschrieben. Sie können ja gerne mal zurückrufen, bevor ich mich persönlich an
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Herrn C4 wende, ob speziell die M Brauerei speziell damit einverstanden ist, dass
sie für irgendwelche Hersteller irgendwas machen speziell hiermit um andere
Häuser zu deformieren."
Er wiederholte diese Mitteilung am selben Tag telefonisch. Mit Faxschreiben vom
07.10.2004 wies er den Vorwurf der Einschüchterung zurück und lehnte
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Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung ab. Er kontaktierte in der Folge den
Arbeitgeber des Testkäufers, dem er mit Schreiben vom 22.10.2004 wegen falscher
Behauptung bzw. falscher eidesstattlicher Versicherung Hausverbot erteilte und gegen
den er unter dem 26.10.2004 Strafanzeige wegen falscher eidesstattlicher Versicherung
erstattete.
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Am 28.10.2004 besuchte ein Praktikant der Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten
in deren Auftrag die Geschäftsräume der Klägerin. Er fertigte nach dem Verlassen der
Geschäftsräume der Klägerin vom Gehweg aus Fotoaufnahmen von klägerischen
Werbetafeln. Es soll dabei zu einem Vorfall gekommen sein, bei dem der Testkäufer als
"Schwein" oder "Schweinehunde" bezeichnet und ihm eine Tüte mit
Verkaufsprospekten aus der Hand gerissen worden sein soll.
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Die Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben vom 28.10.2004 erneut die fristlose
Kündigung und mahnte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2004 wegen
Behinderung von Testpersonen ab. Die Klägerin lehnte mit Schreiben vom 04.11.2004
Abgabe der begehrten Unterlassungserklärung ab und erteilte dem weiteren Testkäufer
Hausverbot. Sie stellte Erstattung einer Strafanzeige wegen Verleumdung in Aussicht
und widersprach der erneuten fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 18.11.2004. Die
Beklagte erwirkte im Verfahren 2-06 O 459/04 Landgericht Frankfurt am Main
einstweilige Verfügung vom 19.11.2004, mit der der Klägerin untersagt wurde, legale
Testmaßnahmen zu unterbinden oder zu behindern. Die Klägerin ließ mit
Anwaltsschreiben vom 23.11.2004 das Bundeskartellamt um Aufnahme von
Ermittlungen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Verbot missbräuchlicher
Ausnutzung einer relativ marktstarken Stellung gemäß §§ 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB und
des Missbrauchs der Freistellung von § 22 Abs. 1 GWB gemäß § 23 GWB bitten. Sie
teilte mit Schreiben vom 25.11.2004 mit, dass die erteilten Hausverbote bis zum
Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen bestehen bleiben. Sie legte unter dem
02.12.2004 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 19.11.2004 ein, die mit
Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 26.01.2005 bestätigt wurde. Die Berufung der
Klägerin hiergegen wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
02.06.2005 zurückgewiesen.
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Auf Bestrafungsantrag der Beklagten vom 03.11.2004 wurde gegen die Klägerin wegen
Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung vom 18.10.2004 im Verfahren 2-06 O
402/04 Landgericht Frankfurt am Main ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000,00 €
verhängt. Der sofortigen Beschwerde der Klägerin wurde nicht abgeholfen mit
Beschluss vom 18.08.2005. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes liegt noch
nicht vor.
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Mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22.12.2004 wurde das Urteil vom
05.10.2004 im Verfahren 13 O 152/04 Kart. Landgericht Dortmund aufgehoben und der
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, ebenso die auf
Feststellung einer bis zur Entscheidung der Hauptsache bestehenden
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Belieferungspflicht gerichtete Anschlussberufung der Klägerin. Zum Inhalt der
Entscheidung wird auf Blatt 587 bis 600 der Akten Bezug genommen. Die Beklagte
beliefert seitdem die Klägerin nicht mehr. Die Klägerin begehrt deswegen im Wege der
Klageerweiterung zusätzlich Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen
Belieferungsverweigerung.
Die Klägerin hält beide Feststellungsanträge für zulässig, da Leistungsklage nicht
erhoben werden könne. Die Klageerweiterung ist nach ihrer Auffassung keine
Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, da beide Feststellungsanträge auf ein und
demselben Lebenssachverhalt beruhten und Geltendmachung eines aus der
Unwirksamkeit der Kündigung resultierenden vertraglichen und gesetzlichen
Schadensersatzanspruches seien.
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Nach ihrer Auffassung besteht zwischen ihr als mittelständischem
Möbeleinzelhandelunternehmen und der Beklagten als marktstarkem
Markenmöbelhersteller ein sortimentsbedingtes Abhängigkeitsverhältnis. Sie hält die
Beklagte für marktbeherrschend auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt
hochpreisiger Qualitätsmarkenkastenmöbel im Großraum G2. Durch die Kündigung der
Geschäftsbeziehung und die daraus resultierende Liefersperre werde sie unmittelbar
unbillig behindert und gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich
gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt. Die erste Kündigung sei schon
deswegen unbillig, weil ein etwaig bestehendes Kündigungsrecht durch Abmahnung
verbraucht sei. Der Zweck der Abmahnung, den Abgemahnten zu einer Änderung
seines Verhaltens in der Zukunft anzuhalten, werde verfehlt, wenn das Rechtsverhältnis
aus dem der Abmahnung zugrundeliegenden Grunde gekündigt werde. Die Kündigung
sei zudem rechtsmissbräuchlich, weil als Grund ein Verhalten herangezogen werde,
was möglicherweise formal wettbewerbswidrig gewesen sei, aber genau dem
entsprochen habe, was die Beklagte mit kartellrechtswidriger Preisbindung habe
erreichen wollen. So habe die Produktschiene "now! by I" nach dem ausdrücklich
erklärten Willen der Beklagten von Händlern nur zu Listenpreisen, zweckdienlich als
"unverbindliche Preisempfehlung" bezeichnet, verkauft werden dürfen, woran sie, die
Klägerin, sich in der Vergangenheit auch gehalten habe. Obwohl der Anzeigenauftrag
bei der C2 von Anfang an mit entsprechenden Einschränkungen erteilt worden sei, sei
die Anzeige aus ihr unerfindlichen Gründen ohne einen solchen Hinweis erschienen.
Auch ihre sofortige telefonische Beanstandung sei nicht beachtet worden. Sie habe den
Außendienstmitarbeiter der Beklagten am 26.08.2004 auf die fehlende Einschränkung
in der Werbeaussage aufmerksam gemacht. Dieser habe geäußert, dass solches mal
passieren könne. Es sei vereinbart worden, den Preisvorgaben der Beklagten Vorzug
von der Werbeerklärung zu geben und den ausgelobten Rabatt auf Artikel der
Produktschiene "now! by I" nicht einzuräumen. Dass die Beklagte nun gerade dies zum
Anlass einer fristlosen Kündigung genommen habe, sei schlichtweg nicht
nachvollziehbar.
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Auch seien die Sortimente der Beklagten keineswegs systematisch aus der
Preisauszeichnung herausgenommen worden. Die Preisänderungsaktion im September
2004 habe nicht länger als 30 Minuten gedauert. Allein die sogenannte Planungsware
sei auf Dauer nicht ausgepreist gewesen, was den Außendienstmitarbeitern der
Beklagten aber seit Jahren bekannt gewesen sei und was die Beklagte nicht nur billige,
sondern sogar bei allen Fachhändlern fördere.
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Die Postwurfsendung von Mai 2004 sei nicht zu beanstanden, weil die ihr von der
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Beklagten gewährten Rabattgutschriften es ermöglichten, auf jeweils ein Angebot aus
den Produktschienen "I" und "now! by I" einen Rabatt von 40 % zu gewähren.
Ihre Werbung an der Außenfassade entspräche der üblichen Rabatttierungspraxis und
sei auch nicht wettbewerbswidrig. Sie gewähre auf alle in ihrem Sortiment geführten
Warengruppen Rabatte von mindestens 5 %, höchstens 40 %, wobei der Höchstsatz
nicht nur bei einem unbedeutenden, im Rahmen des Gesamtangebots nicht ins Gewicht
fallenden Teil der Waren erreicht werde. Bei der Warengruppe "Küche" werde, weil von
den angesprochenen Verbrauchern am Meisten nachgefragt, der angekündigte
Höchstsatz am häufigsten erreicht. Außerdem seien im gesamten Möbelhaus ständig
mindestens ca. 25 Artikel gesondert mit einem 40 %igen Rabatt gekennzeichnet. In
einer ca. 2000 qm großen als "G4" gekennzeichneten Sonderverkaufsfläche stünden ca.
50 um 40 % reduzierte Artikel. Im Rahmen der getätigten Verkäufe sei auf Normalpreise
bei einem Anteil von insgesamt 26,67 % der Höchstrabattsatz von 40 % gewährt
worden. Die Rabattwerbung sei der Beklagten zudem seit langer Zeit bekannt gewesen
und könne deswegen nicht ohne Vorwarnung als Grund für den Abbruch einer
jahrzehntelangen Geschäftsbeziehung herangezogen werden. Sie habe gegen das
gerichtliche Verbot der Rabattwerbung auch nicht verstoßen. Sofort nach Zustellung der
einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.10.2004 habe sie
eine Fachfirma beauftragt, die Plakatwerbung zu ändern. Dies sei wegen des
notwendigen Einsatzes von Hebebühnen nicht vor dem 26.10.2004 möglich gewesen.
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Legale Testmaßnahmen seien durch sie oder ihren Geschäftsführer nicht unterbunden
oder behindert worden. Der Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme mit dem
Testkäufer sei berechtigt gewesen, weil sie zu dem Zeitpunkt intensive Verhandlungen
über die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen zu dessen Arbeitgeber geführt habe und
es mehr als fragwürdig erscheine, wenn der Gebietsleiter ihres potentiellen
Vertragspartners in einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung mit der
Beklagten für diese tätig werde. Angesichts dessen sei in der Mailbox-Nachricht auch
keine irgendwie geartete Drohung zu ersehen. Der Arbeitgeber des Testkäufers habe
sich für diesen auch ausdrücklich entschuldigt. Das Hausverbot sei berechtigt, weil die
eidesstattliche Versicherung des Testkäufers in wesentlichen Punkten falsch gewesen
sei. An dem Vorfall mit dem anderen Testkäufer habe sie nicht mitgewirkt. Eine
Einzelbefragung sämtlicher ihrer Mitarbeiter habe ergeben, dass zum fraglichen
Zeitpunkt niemand das Betriebsgelände verlassen und irgendwen bedroht oder
beleidigt habe.
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Insgesamt rechtfertigten die Ereignisse bei Abwägung der widerstreitenden Interessen
unter Berücksichtigung der Dauer der Geschäftsbeziehung, der Branchenüblichkeit und
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weder eine fristlose Kündigung des zwischen den
Parteien zumindest faktisch zustande gekommenen Succezivlieferungsvertrages noch
eine Ungleichbehandlung i.S.v. § 20 Abs. 1 GWB. Ginge es der Beklagten tatsächlich
um den Schutz ihrer Marke, müsse sie auch gegen andere Abnehmer einschreiten und
die Geschäftsbeziehung zu diesen aufkündigen. Dass sie dieses unterlässt, rechtfertige
die Annahme, dass es ihr in Wirklichkeit darum ginge, am Beispiel der Klägerin ein
Exempel zu statuieren, um auf diese Weise auf die Werbungs- und
Preisgestaltungsfreiheit ihrer Abnehmer in kartellrechtlich unzulässiger Weise Einfluss
zu nehmen.
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Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
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1). sie mit Möbeln aus ihrer Fertigung in handelsüblichen Mengen zu den
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zwischen der Beklagten und der Firma G5 Gesellschaft für Einrichtun-
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gen in L vereinbarten Preiskonditionen zu beliefern
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2) ihr den gesamten Schaden zu ersetzen, welcher ihr dadurch entsteht,
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die Beklagte ihre Belieferung mit den aus ihrer Fertigung stammenden
39
Waren der Marken "I" "now! by I" und "I desing collection"
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seit dem 29.12.2004 verweigert.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält den Feststellungsantrag zu 1) für zu unbestimmt und den
nachgeschobenen Feststellungsklageantrag zu 2) für eine nicht sachdienliche
Klageänderung durch nachträgliche objektive Klagehäufung. Der bisherige Prozessstoff
bleibe für den neuen Streitgegenstand nicht ausreichend, da außer einer Klärung ihres
Verschuldens auch die Feststellung einer Schadenswahrscheinlichkeit erfolgen müsse.
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Die Klägerin habe zudem weder einen vertraglich noch kartellrechtlichen Anspruch auf
Belieferung, da die Parteien nicht Normadressaten des Diskriminierungsverbotes des §
20 GWB seien und die Verweigerung der Weiterbelieferung sachlich gerecht
gerechtfertigt sei. Als Mitglied der G-gruppe sei die Klägerin kein kleines und mittleres
Unternehmen und daher nicht Begünstigte des Diskriminierungsverbotes des § 20 Abs.
2 GWB. Auch sei sie selbst weder marktbeherrschend noch relativ marktstark i.S.d.
vorgenannten Vorschrift. Die Marktabgrenzung der Klägerin sei, da rein prozesstaktisch
motiviert, viel zu eng und realitätsfremd. Ihr Marktanteil im deutschen Möbelmarkt liege
bei 1,12 %, ihr Distributionsgrad mit 3,8 % nur unwesentlich höher. Der erreichte
Bekanntheitsgrad ihrer Marke sei für die Frage der Marktbeherrschung ohne Belang. Die
von ihr hergestellten Kastenmöbel seien mit einer Reihe von Produkten anderer, dem
Verbraucher bekannter und von ihm nachgefragter Hersteller austauschbar. Angesichts
eines vergleichsweise gering ausgeprägten Markenbewusstseins in der Möbelbranche
und des nur geringen Distributionsgrades von unter 5 % fehle es auch an der für eine
sortimentsbedingte Abhängigkeit zu fordernden besonderen Stellung ihrer Waren. Auch
eine Spitzengruppenabhängigkeit liege nicht vor, da die Klägerin bereits über ein
ausreichendes Sortiment anerkannter Marken verfüge oder sich dieses unter
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zumutbaren Bedingungen beschaffen könne.
Es liege auch ein sachlich gerechtfertigter Grund für eine Lieferungsverweigerung vor.
Die beiden fristlosen Kündigungen seien gerechtfertigt, da ihr eine Fortsetzung der
Geschäftsbeziehung mit der Klägerin unzumutbar geworden sei. Die Klägerin habe
nachhaltig und zum Teil in eklatanter Weise gegen Wettbewerbsregeln verstoßen und
das vertragliche Verhältnis der Parteien damit schwer belastet. Als Markenhersteller
habe sie kein Interesse daran, dass ihre Produkte mit Einzelhändlern in Verbindung
gebracht werden, die mit unlauteren Wettbewerbsmethoden arbeiten und nachhaltig
gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen. Ihre eindringliche Aufforderung,
wettbewerbswidrige Praktiken einzustellen, habe die Klägerin aber nur mit
fadenscheinigen Ausflüchten und Erklärungen abgetan. Trotz mehrfacher
Abmahnungen und gerichtlicher Unterlassungstitel habe die Klägerin stets die
Rechtmäßigkeit ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens behauptet und weitere
wettbewerbswidrige Aktionen folgen lassen. Die Wettbewerbsverstöße der Klägerin
seien auch weder Einzelfälle noch Bagatelleangelegenheiten, sondern beharrliche
Verstöße gegen wichtige wettbewerbsrechtliche Verbraucherschutzvorschriften. Die
unzulässigen Geschäftspraktiken der Klägerin hätten sich zwischenzeitlich
herumgesprochen und würden durch die offensive Einbeziehung der Marke "I" auch
ihren Ruf erheblich beeinträchtigen. Das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien
sei wegen der fehlenden Einsichtigkeit und der beharrlichen Weigerung der Klägerin,
auf berechtigte Interessen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, grundlegend
zerstört, außerdem durch das völlig inakzeptable Verhalten der Klägerin ihr, ihren
Mitarbeitern, Beauftragten und Prozessbevollmächtigten gegenüber. Die Klägerin
verteidige ihre unlauteren Geschäftspraktiken mit öfters wechselnden Behauptungen
und habe in den verschiedenen Gerichtsverfahren sämtliche Zeugen der Beklagtenseite
als Lügner diffamiert und persönlich angegriffen, wobei sie sich nicht nur in Ton
vergreife, sondern auch sachlichen Argumenten letztlich nicht mehr zugänglich sei.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt
der beigezogenen Akte 13 O 152/04 Kart. LG Dortmund verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Beide Klageanträge sind zulässig.
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Der Feststellungsantrag zu 1) ist bestimmt i.S.v. § 253 ZPO. Die Formulierung "in
handelsüblichen Mengen und zu den Konditionen..." genügt dem auch an einen
Feststellungsantrag zu stellenden Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Zif. 2 ZPO.
Auch das Feststellungsinteresse ist gegeben. Der Klägerin ist die Erhebung einer
Leistungsklage nicht möglich. Angesichts der kategorischen Lieferverweigerung der
Beklagten ist der Klägerin nicht zuzumuten, Kaufverträge mit Endkunden abzuschließen
und die Beklagte für jeden Einzelfall auf Lieferung in Anspruch zu nehmen.
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Der Feststellungsantrag zu 2) ist eine zulässige, da sachdienliche Klageänderung gem.
§ 263 ZPO. Sachdienlichkeit ist gegeben, weil der Antrag auf demselben
Lebenssachverhalt beruht wie der Feststellungsantrag zu 1) und die Sache auch
insoweit entscheidungsreif ist. Das Rechtschutzinteresse ist zu bejahen, da eine
Leistungsklage mangels abgeschlossener Schadensentwicklung noch nicht erhoben
werden kann.
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Beide Feststellungsanträge sind aber unbegründet, da die Belieferungsverweigerung
der Beklagten ab dem 29.12.2004 berechtigt war und noch heute berechtigt ist. Die
Beklagte war und ist weder vertraglich noch kartellrechtlich zur Belieferung der Klägerin
verpflichtet.
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Das zumindest konkludent vereinbarte Dauerschuldverhältnis der Parteien ist durch
fristlose Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden. Es kann dahinstehen, ob
schon die im Kündigungsschreiben vom 10.09.2004 herangezogenen Gründe die
Beklagte zu sofortigen Kündigung der langjährigen Geschäftsbeziehung der Parteien
berechtigten. Die Wettbewerbswidrigkeit des von der Beklagten beanstandeten
Verhaltens der Klägerin steht zwar nunmehr fest. Der Beklagten kann aber nach Treu
und Glauben verwehrt sein, sich hierauf zu berufen, da die von der Klägerin
behaupteten Umstände den Schluss auf ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten
zulassen. Sie müssen aber nicht geklärt werden, da auf jeden Fall die fristlose
Kündigung der Beklagten vom 28.10.2004 berechtigt war.
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Das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin gegenüber dem Testkäufer C5 der
Beklagten und die wettbewerbswidrige Fassadenwerbung der Klägerin rechtfertigen
den Vorwurf einer gravierenden schuldhaften Vertragsverletzung.
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Die Nachricht des Geschäftsführers der Klägerin auf der Mailbox des Testkäufers war
aus der Sicht des Empfängers als Drohung und Einschüchterungsversuch zu verstehen.
Sie ist nicht nur ein wettbewerbswidriger Versuch, zulässige Testsmaßnahmen zu
unterbinden, sondern auch ein gröblicher Vertragverstoß, da die Pflicht zur Duldung
zulässiger Kontrollmaßnahmen vertragliche Nebenpflicht ist.
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Die Kontrollmaßnahme war auch zulässig. Weder ihre Anordnung noch die
Durchführung des Testkaufs durch den Testkäufer sind zu beanstanden.
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Die Beklagte hat sich mit der Anordnung des Testkaufs nicht rechtsmissbräuchlich
verhalten. Da die vorausgegangene Rabattwerbung der Klägerin wettbewerbswidrig
war, durfte die Beklagte sich durch Testkäufe von der Einhaltung wettbewerbsrechtlicher
Vorschriften überzeugen. Ob die Beklagte in der Vergangenheit mit
wettbewerbswidrigem Verhalten der Klägerin einverstanden war, ist dabei ohne Belang.
Spätestens mit der Abmahnung vom 10.09.2004 hat sie eine durch Zustimmung oder
bloße Duldung zustande gekommene vertragliche Vereinbarung der Parteien mit
sofortiger Wirkung beendet. Die Anordnung des Testkaufs ist auch nicht
rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte gegen vergleichbares wettbewerbswidriges
Verhalten von Mitbewerbern der Klägerin nicht eingeschritten ist. Die Beklagte war
weder allgemein noch aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Klägerin verpflichtet,
das Wettbewerbsverhalten ihrer mit der Klägerin konkurrierenden Fachhändler zu
überwachen und zu kontrollieren. Da es auch im Rahmen vertraglicher Beziehungen
kein Recht zur Gleichbehandlung im Unrecht gibt, steht es der Beklagten frei, ob und
gegebenenfalls in welcher Weise sie gegen wettbewerbswidriges und vertragswidriges
Verhalten von Vertragspartnern einschreiten will. Anders ist dies
der Schikane i.S.v. § 226 BGB erreicht ist oder die Ausübung des Rechts als Vorwand
für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke erfolgt. Beides ist hier nicht
anzunehmen. Ein Verstoß gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB setzt voraus, dass
nach Lage der gesamten Umstände ein anderer Zweck als Schadenszufügung objektiv
ausgeschlossen ist. Davon kann angesichts der unstreitigen Wettbewerbswidrigkeit des
vorangegangenen Verhaltens der Klägerin nicht die Rede sein. Es ist auch nicht
anzunehmen, dass die Beklagte ihr wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen die
Klägerin als Vorwand zur Erreichung kartellrechtswidriger Zwecke einsetzte. Die
Behauptung
von ihr gezogenen Schluss nicht rechtfertigen. Selbst wenn die Beklagte, wie von der
Klägerin behauptet, von der Beklagten aber vehement in Abrede gestellt, ihren
Fachhändlern eine nach § 14 GWB a.F. unzulässige Preisbindung auferlegt hat, erfolgte
das wettbewerbsrechtliche Vorgehen der Beklagten gegen die Klägerin nicht nur zur
Durchsetzung dieses kartellrechtswidrigen Zwecks. Die Preiswerbung der Klägerin
beeinträchtigte das legitime Interesse der Beklagten als Herstellerin von Markenmöbel
gehobener Qualität an der Wahrung des Ansehens ihrer Markenwaren und gab ihr das
Recht, im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten hiergegen vorzugehen. Die Beklagte hat
dieses Recht auch dann nicht verloren, wenn sie sich an kartellrechtswidrigen
Absprachen bzw. Praktiken beteiligt hat.
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Der Testkauf selbst ist in rechtlich zulässiger Weise erfolgt. Das Verhalten des
Testkäufers beim Testkauf wird von der Klägerin nicht beanstandet. Dass der Testkäufer
Angestellter eines potenziellen Vertragspartners der Klägerin war, ist für die Beurteilung
der Zulässigkeit seines Einsatzes als Testkäufer der Beklagten nur von Relevanz, wenn
arbeitsrechtliche Verpflichtungen verletzt wurden. Dies hat die Klägerin nicht
substantiiert dargetan. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber des Testklägers sich
für diesen bei der Klägerin entschuldigt hat, ist dafür nicht ausreichend. Ob der
Testkäufer nach dem Testkauf eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat,
ist ebenfalls ohne Belang. Hierdurch wird der in zulässiger Weise durchgeführte
Testkauf nicht rückwirkend unzulässig.
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Eine etwaig falsche eidesstattliche Versicherung des Testkäufers können das nötigende
Verhaltens des Geschäftsführers der Klägerin weder rechtfertigen noch entschuldigen.
Nach eigenem Vorbringen der Klägerin datiert die eidesstattliche Versicherung erst vom
08.10.2004 und kann deswegen nicht zur Erklärung der schon einer Woche vorher
erfolgten Mailboxnachricht herangezogen werden. Ob sie eine Grundlage für das erteilte
Hausverbot sein kann, kann dahinstehen, ebenso die Frage, ob die Klägerin in
vorwerfbarer Weise am Vorfall betreffend den Testkäufer M2 beteiligt war. Der Drohanruf
erreicht den Bereich strafrechtlichen Verhaltens, da auch die Androhung mit einem
rechtmäßigen empfindlichen Übel eine Nötigung i.S.v. § 240 StGB sein kann. Auch im
Rahmen erbittert geführter vertragsrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher
Auseinandersetzungen ist ein solches Verhalten nicht hinnehmbar und gibt dem Gegner
der Auseinandersetzung das Recht zum sofortigen Abbruch auch langjähriger
Geschäftsbeziehung.
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Der Beklagten war darüber hinaus eine Fortführung der Geschäftsbeziehung zur
Klägerin nicht zuzumuten, weil diese mit der Fassadenwerbung sich wiederholt
wettbewerbswidrig verhalten und dadurch die ihr obliegenden Nebenpflicht, alles zu
unterlassen, was dem Ruf der Marken der Beklagten schadet, verletzt hat. Die
Fassadenwerbung der Klägerin mit den Angaben "bis zu 40 % auf alles" ist irreführend
i.S.v. §§ 3, 5 UWG, weil das Angebot von nur 75 ausdrücklich mit einem Preisnachlass
von 40 % versehenen Artikeln der mit der Werbung geweckten Verbrauchererwartung,
der Spitzensatz von 40 % werde bei einem nennenswerten Teil der Waren erreicht, nicht
genügte. Unbeachtlich ist auch, welche Rabatte bei Verkäufen tatsächlich gewährt
wurden. Auch die Klägerin scheint dies nach den deutlichen Hinweisen in der
Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt im April diesen Jahres
nunmehr einzusehen. Der Wettbewerbsverstoß der Klägerin kann von der Beklagten
auch als Kündigungsgrund herangezogen werden. Seit wann die
Außendienstmitarbeiter der Beklagten Kenntnis von der klägerischen
Fassadenwerbung hatten, ist dafür ohne Belang. Wie die Klägerin selbst herausstellt, ist
der Wettbewerbsverstoß nur gegeben, wenn im Geschäftslokal eine ausreichende
Anzahl entsprechend gekennzeichneter reduzierter Artikel nicht vorhanden ist. Kenntnis
der Mitarbeiter der Beklagten auch insoweit ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Ob der Wettbewerbsverstoß der Klägerin für sich genommen eine fristlose Kündigung
rechtfertigte, kann dahinstehen. Offenbleiben kann auch, ob die Klägerin gegen den
insoweit ergangenen Verbotstitel weiter verstoßen hat. Zur Annahme der
Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung ist ausreichend, dass die
Klägerin in kurzer Zeit wiederholt Wettbewerbsverstöße begangen hat und dabei das
Markeninteresse der Beklagten verletzt hat. Dies ist der Fall. Die Fassadenwerbung ist
nicht der erste Fall unzulässiger Rabattwerbung der Klägerin. Die Werbung mit
sensationellen Herstellerrabatten von Mai 2004 ist, da irreführend, wettbewerbswidrig.
Die Klägerin hat keine Herstellerrabatte von bis zu 40 % an die Kunden weitergegeben,
sondern einen aufgrund von Gutschriften, Sonderrabatten und allgemeinen
Handelsspannen kalkulierten eigenen Rabatt. Die zur Rechtfertigung der
Werbeaussage noch immer vorgetragenen Begründungen und Berechnungen
vermögen nicht zu überzeugen, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die Klägerin
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die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 07.07.2004 in der
Berufungsverhandlung zurückgenommen und eine entsprechende Abschlusserklärung
abgegeben hat.
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Durch die vorgenannten Wettbewerbsverstöße hat die Klägerin in erheblichem Maße
gegen berechtigte Interessen der Beklagten verstoßen. Bei dem den strafrechtlichen
Bereich tangierenden Einschüchterungsversuch gegenüber dem Testkäufer der
Beklagten liegt dies auf der Hand. Bei den Rabattwerbeaktionen waren die Marken der
Beklagten in die Werbung einbezogen und wurden in ihrem Ansehen durch die
fehlende Seriosität der Werbeaktionen der Klägerin beeinträchtigt. Der Beklagten ist es
auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diese Ansehensgefährdung zu
berufen. Die von der Klägerin zur Darlegung der Branchenüblichkeit bei
Markenrabattaktionen vorgelegten Werbeprospekte von Konkurrenten, insbesondere
der Firma T, können den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens nicht stützen. Wie bereits
ausgeführt, ist die Beklagte nicht verpflichtet, das Wettbewerbsverhalten der mit ihr
verbundenen Fachhandelsunternehmen zu überwachen und im Falle der
Wettbewerbswidrigkeit zu sanktionieren. Es ist ihr freigestellt, zu entscheiden, ob und
wie im Falle einer Rechtsverletzung eingeschritten werden soll, solange nicht die
Grenzen der Schikane und des Rechtsmissbrauchs erreicht werden. Dies ist aus den
oben bereits ausgeführten Gründen nicht der Fall.
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Die Beklagte ist auch nicht aus kartellrechtlichen Gründen zur Belieferung der Klägerin
verpflichtet. Es kann dabei dahinstehen, ob Normadressateneigenschaft der Parteien
gem. § 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB anzunehmen ist auf einem sachlichen und räumlichen
Markt, dessen Abgrenzung zwischen den Parteien höchst umstritten ist. Die Beklagte ist
jedenfalls aus kartellrechtlicher Sicht zur Belieferungsverweigerung berechtigt, da die
Fortsetzung der Geschäftsbeziehung ihr wegen schuldhaften vertrags- und
wettbewerbswidrigen Verhaltens der Klägerin nicht zuzumuten ist. Die zur fristlosen
Kündigung berechtigenden Gründe sind Gründe zur sachlichen Rechtfertigung. Auf die
vorhergehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
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Die Beklagte hat auch noch zum jetzigen Zeitpunkt einen sachlich gerechtfertigten
Grund zur Belieferungsverweigerung. Das zur fristlosen Kündigung berechtigende
Fehlverhalten der Klägerin war so erheblich, dass die Beklagte eine Zusammenarbeit
mit der Klägerin weiterhin verweigern kann. Ob dies auf Dauer so sein wird, kann
dahinstehen. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ist die Beteuerung der Klägerin, sich
vertrags- und wettbewerbsgemäß verhalten zu wollen, nicht ausreichend, die Frage der
Zumutbarkeit anders als für den Zeitpunkt der Kündigung und der
Belieferungseinstellung zu beurteilen.
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Die Beklagte war aus den vorigen Erwägungen zur Belieferungsverweigerung ab dem
29.12.2004 berechtigt. Angesichts dessen ist eine Schadensersatzverpflichtung schon
dem Grunde nach nicht gegeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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