Urteil des LG Bonn vom 01.04.2009

LG Bonn: dispositives recht, fristlose kündigung, beendigung, vermieter, wohnung, kaution, agb, werktag, rate, anwaltskosten

Landgericht Bonn, 6 T 25/09
Datum:
01.04.2009
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 25/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 111 C 310/08
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 21.01.2009 gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 06.01.2009 –111 C 310/08-,
durch den den Antragstellern die nachgesuchte Prozesskostenhilfe
versagt worden ist, wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
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Die Parteien schlossen unter dem 17.10.2008 einen Wohnraummietvertrag mit
Mietbeginn 20.10.2008. Der Vertrag enthält in § 7 Ziff. 1 eine Klausel, wonach der
Vermieter (Antragsgegner) berechtigt ist, die Übergabe der Wohnung von der Zahlung
der ersten Kautionsrate abhängig zu machen. In § 3f enthält der Vertrag die Klausel,
dass die Miete für den ersten Monat bei Vertragsschluss, in jedem Falle jedoch vor
Übergabe der Miete zu zahlen sei.
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Ferner ist auf einem vorgedruckten Blatt § 29 des Vertrages um besondere
Vereinbarungen/Nachträge ergänzt. Darin heißt es, es handele sich um individuell
ausgehandelte Punkte, die Einfluss auf die ausgehandelte Kaltmiete gehabt hätten, die
deshalb gegenüber der ursprünglich geplanten Kaltmiete um 12,- € gesenkt sei. In den
nachfolgenden, gleichfalls vorgedruckten Regelungen heißt es u.a., die Übergabe der
Mieträume finde erst statt, wenn die Voraussetzungen gemäß § 3 Punkt f) erfüllt seien
bzw. vorlägen.
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Daneben schlossen die Parteien einen Stellplatzmietvertrag, auf den Bezug genommen
wird.
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Die erste Miete wurde nicht gezahlt, die Mieträume wurden nicht übergeben. Mit
Anwaltsschreiben vom 08.11.2008 kündigten die Antragsteller das
Wohnraummietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28.02.2009, weil die
Schlüssel zum Objekt nicht übergeben wurden. Der Antragsgegner antwortete mit
Schreiben vom 11.11.2008, in dem er auf Vertragserfüllung bestand. Mit weiterem
Anwaltsschreiben vom 18.11.2008 kündigten die Antragsteller das
Wohnraummietverhältnis erneut fristlos, weil die Schlüssel zum Mietobjekt nicht
übergeben worden sind. Mit Schreiben vom 21.11.2008 wies der Antragsgegner die
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übergeben worden sind. Mit Schreiben vom 21.11.2008 wies der Antragsgegner die
Kündigung wegen Fehlens der Originalvollmacht zurück, wobei sich aus dem Schreiben
selbst nicht ergibt, welche der beiden Kündigungen gemeint ist.
Mit der beabsichtigten Klage begehren die Antragsteller die Feststellung, dass das
Wohnraummietverhältnis durch die Kündigung vom 08.11.2008 beendet sei. Ferner
begehren sie die Feststellung, dass das Mietverhältnis hinsichtlich der Parkplätze durch
die Kündigung des Hauptmietverhältnisses ebenfalls beendet worden sei. Schließlich
begehren sie Freistellung von Anwaltskosten.
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Das Amtsgericht hat die nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt. Es hat die
Kündigung des Wohnraummietverhältnisses als unwirksam angesehen, darauf
abgestellt, dass die Stellplatzmiete nicht vom Wohnraummietverhältnis abhänge und
Anwaltskosten nicht geschuldet seien, weil die Kündigung nicht berechtigt gewesen sei.
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Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihr
Begehren weiterhin verfolgen. Da die Antragsteller zur Vorleistung der ersten Miete
nicht verpflichtet gewesen seien, seien die ausgesprochenen Kündigungen wirksam.
Hilfsweise werde die Feststellung der Beendigung zum 18.11.2008, äußerst hilfsweise
zum 28.02.2009 begehrt.
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Die an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Die fristlosen Kündigungen vom 08. und/oder 18.11.2008 haben das
Wohnraummietverhältnis
vorlag.
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Der Antragsgegner war zur Übergabe des Mietobjekts mangels Zahlung der ersten
Miete nicht verpflichtet.
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Entgegen der Formulierung in dem Zusatzblatt zu § 29 des Mietvertrages ist davon
auszugehen, dass es sich nicht um eine individualvertragliche Regelung, sondern um
eine AGB-Klausel handelt. Dafür spricht schon der erste Anschein, weil der Text
vorgedruckt ist. Auch der Text, die Regelungen seien ausgehandelt, ist vorgedruckt. Der
Vortrag des Antragsgegners, bei Vertragsschluss sei auf die Regelung in § 3 f) des
Mietvertrages hingewiesen worden, ist für ein Aushandeln nicht schlüssig. Zum
Aushandeln gehört, dass die Regelung zur Disposition steht, der Vertragspartner des
Verwenders also auch "nein" zu einer Regelung sagen kann und stattdessen dann
etwas anderes vereinbart wird. Dazu ist nichts vorgetragen.
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Die Regelung in § 3 f) des Mietvertrages in Verbindung mit der Regelung im Zusatzblatt
zu § 29 des Mietvertrages, wonach die Wohnungsübergabe nur erfolgt, wenn die erste
Miete gezahlt ist, ist jedoch auch als AGB-Klausel wirksam, auch in Verbindung mit der
Vereinbarung über die erste Rate der Kaution. Die Vorschrift des § 556b Abs. 1 BGB,
wonach die Miete zu Beginn des jeweiligen Zeitabschnitts, spätestens am 3. Werktag,
fällig ist, ist dispositives Recht, andere Vereinbarungen sind möglich (vgl. BT-
Drucksache 14/4553 Seite 52). Insbesondere enthält die Vorschrift nicht, wie sonst an
vielen Stellen des Wohnungsmietrechts, die Bestimmung, dass zum Nachteil des
Mieters abweichende Vereinbarungen unwirksam seien. Die Fälligkeitsregelung ändert
allerdings nichts an der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Vermieters, der das
Mietobjekt schon am ersten Tage zur Verfügung zu stellen hat, auch wenn er die Miete
erst am dritten Werktag bekommt. Ob eine von § 556b Abs. 1 BGB abweichende
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Vereinbarung auch durch eine AGB-Klausel getroffen werden kann, richtet sich nach §
307 BGB. Danach ist die Klausel dann unwirksam, wenn der Mieter unangemessen
benachteiligt wird. Eine wesentliche Abweichung vom gesetzlichen Grundgedanken der
Vorleistungspflicht des Vermieters liegt nicht vor. Letztlich geht es schlicht um die Frage,
ob der Vermieter verlangen kann, die Erstmiete nicht erst am dritten Werktag des ersten
Zeitabschnitts des Mietverhältnisses zu erhalten, sondern schon am ersten Tag, ehe er
die Wohnung übergibt. Die in diesen zwei Tagen liegende Beeinträchtigung des Mieters
ist unerheblich angesichts des Umstandes, dass der Vermieter ein erhebliches Interesse
daran hat, nur einem Mieter die Wohnung zu übergeben, der leistungsfähig und –bereit
ist. Zahlt der Mieter die Erstmiete nämlich nicht, kann der Vermieter nicht sofort
kündigen, schon gar nicht erhält er in der Regel die übergebene Wohnung sofort wieder
geräumt zurück. Demgegenüber trägt der Mieter ein etwaiges Insolvenzrisiko allenfalls
für Sekunden, kann er den Vertrag doch so ausführen, dass er mit der einen Hand das
Geld gibt und mit der anderen den –vorgezeigten und zur Übergabe bereitgehaltenen-
Schlüssel vom Vermieter erhält; Geldübergabe und sofort anschließende
Schlüsselübergabe können zudem in den Mieträumen stehend vollzogen werden, so
dass der Mieter sofort nach Schlüsselerhalt Besitz ergreifen kann.
Zu einem gegenteiligen Ergebnis führt auch nicht das Zusammenwirken mit der
Kautionsregelung. Mit der ersten Rate der Kaution und der ersten Miete zusammen ist
der Vermieter nicht übersichert. Die erste Rate der Kaution dient nicht nur dem Zweck,
sogleich für die erste Miete in Anspruch genommen zu werden, sind doch dann alle
sonst mit der Übergabe für den Vermieter verbundenen Risiken gar nicht gesichert.
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Soweit in der Beschwerdebegründung nunmehr hilfsweise Feststellung der Beendigung
zum 18.11.2008 begehrt wird, gilt dafür nichts Anderes. Auch die fristlose Kündigung
vom 18.11.2008 ist unwirksam.
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Soweit schließlich jetzt äußerst hilfsweise Feststellung der Beendigung zum 28.02.2009
begehrt wird, kann auch das nach Aktenlage nicht zum Erfolg führen.
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Zwar dürfte die in dem Kündigungsschreiben vom 08.11.2008 enthaltene hilfsweise
fristgerechte Kündigung zum 28.02.2009 wirksam sein, weil es dafür eines
Kündigungsgrundes nicht bedurfte. Die Kündigung ist auch nicht wirksam wegen
Fehlens einer Originalvollmacht zurückgewiesen worden. Soweit der Antragsgegner
vorträgt, er habe die Zurückweisung mit Schreiben vom 21.11.2008 erklärt, spricht dafür
nach Aktenlage nichts. In dem Schreiben vom 21.11.2008 ist keine bestimmte
Kündigung angesprochen, ihm ging zudem die weitere Kündigung vom 18.11.2008
voraus. Zudem hat der Antragsgegner auf die Kündigung vom 08.11.2008 bereits mit
Schreiben vom 11.11.2008 reagiert, ohne darin die Kündigung wegen Fehlens der
Vollmacht zurückzuweisen. Eine spätere Zurückweisung aus diesem Grunde erst mit
Schreiben vom 21.11.2008 ist dann jedenfalls nicht mehr unverzüglich im Sinne von §
174 BGB.
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Es besteht jedoch an einer Feststellung der Beendigung zum 28.02.2009 durch die
Kündigung vom 08.11.2008 nach Aktenlage kein Feststellungsinteresse. Es ist nichts
dafür vorgetragen, dass sich der Antragsgegner für die Zeit ab dem 01.03.2009 irgend
welcher Ansprüche aus dem Mietverhältnis berühme.
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Ohne Erfolgsaussicht ist auch das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Beendigung
des
Mietverhältnisses über die Parkplätze
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Hauptmietverhältnisses eine Beendigung des Mietverhältnisses über die Parkplätze zur
Folge haben soll, erschließt sich nicht. In dem Stellplatz-Mietvertrag ist ausdrücklich
vereinbart, dass die beiden Mietverträge rechtlich selbständig sind und getrennt
voneinander gekündigt werden können. Die Kündigung des Hauptmietverhältnisses hat
dementsprechend auf den Bestand des Stellplatz-Mietvertrages keinen Einfluss. Ob der
Stellplatzmietvertrag im Schriftsatz vom 04.12.2008 wirksam gekündigt worden ist, oder
ob er, wie die Antragsteller meinen, mangels hinreichender Bestimmtheit des
Mietobjektes unwirksam ist, ist für die Prozesskostenhilfeentscheidung ohne Belang.
Der Klageantrag, für den insoweit Prozesskostenhilfe begehrt ist, ist auf Feststellung der
Beendigung des Mietverhältnisses über die Parkplätze "durch die Kündigung des
Hauptmietverhältnisses" gerichtet, wovon indessen, wie dargelegt, keine Rede sein
kann. Ob die Antragsteller ein eigenständiges Interesse an der Anmietung der
Stellplätze haben, ist unerheblich; sie behaupten selbst nicht, der Abschluss des
Wohnungsmietvertrages wäre von dem Abschluss des Mietvertrages über die
Stellplätze abhängig gemacht worden –oder umgekehrt-.
Hinsichtlich der begehrten Freistellung von
Anwaltskosten
schon unschlüssig. Es ist vorgetragen:
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"Am 11.02.2008 wurden die Prozessbevollmächtigten mit der Abwehr der
klägerischen Forderungen und der Geltendmachung eigener Ansprüche
beauftragt. Insofern besteht als materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch
..."
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Daraus ergibt sich nicht, warum der Beklagte für eine nicht einmal konkret beschriebene
Anwaltstätigkeit die Kosten sollte zu tragen haben.
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Eine Kostenentscheidung war entbehrlich (§ 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1812 KV-GKG).
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO
nicht erfüllt sind.
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