Urteil des LG Bonn vom 09.03.2004

LG Bonn: squeeze out, anfechtungsklage, auflösung der gesellschaft, hauptaktionär, firma, handelsregister, konstitutive wirkung, mehrheitsbeteiligung, mitteilungspflicht, einberufung

Landgericht Bonn, 11 O 35/03
Datum:
09.03.2004
Gericht:
Landgericht Bonn
Spruchkörper:
1. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 35/03
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
Die noch vom Kläger zu 2. betriebene Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten werden dem Kläger zu 2. zu 3/4, und der Klägerin zu
1. zu 1/4 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits
werden den Klägern zu 1. und 2. zu je 1/2 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die
Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung von 120% des ihnen gegenüber aus dem Urteil
vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger zu 2. ist Minderheitsaktionär der Beklagten mit einer Beteiligung von, so
behauptet er, 25 Aktien. Die Hauptaktionärin der Beklagten, die Firma B & Co., hält über
ihre beiden Töchter eine Beteiligung von 97,98 %. Die 100 %ige G AG ist mit 77,23 %
und die 99,9 %ige I AG mit 20,75 % an der Beklagten beteiligt.
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Am 25. Februar 2003 beschloss die Hauptversammlung der Beklagten die Übertragung
der Aktien aller Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung auf die
Hauptaktionärin. Diesem Beschluss widersprach der Kläger zu 2. zur Niederschrift des
Notars.
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Der Kläger zu 2. ist der Ansicht, die Hauptaktionärin habe in der Hauptverhandlung ihr
Stimmrecht nicht ausüben dürfen, da sie ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 20 AktG
nicht/nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei. Er ist ferner der Ansicht, die
Hauptversammlung sei nicht ordnungsgemäß einberufen worden, da die Einberufung im
elektronischen Bundesanzeiger und nicht wie gemäß § 3 der Satzung der Beklagte
vorgeschrieben im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden sei. Das habe die
Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge. Es habe keine ordnungsgemäße Prüfung der
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Barabfindung stattgefunden. Der Kläger zu 2. rügt die Verletzung seines Auskunfts- und
Fragerechts, beanstandet eine Leerformelhaftigkeit des Übertragungsberichts und
bezweifelt, daß Herr B als Zeichnungsberechtigter den Bericht unterschrieben habe. Er
hält die §§ 327a ff. AktG für verfassungswidrig.
Die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage des Klägers zu 2. ist mit der Anfechtungsklage
der Klägerin zu 1. zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden
worden. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 1. ihre Klage
zurückgenommen.
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Der Kläger zu 2. beantragt,
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a. Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 25. Februar 2003
gefaßte Beschluß über die Übertragung der Aktien aller Minderheitsaktionäre der
Beklagten gegen Gewährung einer Barabfindung mit nachfolgendem Inhalt:
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"1. Auf Verlangen des mit mehr als 95 % am Grundkapital der
Gesellschaft B & Co., mit Sitz in der Schweiz, eingetragen im
Handelsregister des Kantons X , Hauptregister, unter Firmennummer CH-
....., werden die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre),
soweit sie nicht dem Hauptaktionär gemäß § 327 Abs. 2 in Verbindung
mit § 16 Abs. 2 und Abs. 4 AktG zuzurechnen sind, gemäß § 327 a Abs. 2
AktG gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung auf den
Hauptaktionär übertragen. Diese Übertragung wird mit Eintragung des
Beschlusses in das Handelsregister wirksam.
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2. Als Gegenleistung zahlt der Hauptaktionär den Minderheitsaktionären
für ihre Aktie kosten-, provisions- und spesenfrei eine Barabfindung in
Höhe von EUR 154,00 je auf den Inhaber lautende Aktie im Nennbetrag
von DM 200,00 (entspricht gerundet EUR 102,26) der I
Aktiengesellschaft. Diese Barabfindung ist mit der Eintragung des
Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister der I
Aktiengesellschaft zur Auszahlung fällig und ist von der
Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das
Handelsregister an mit jährlich zwei vom Hundert über dem jeweiligen
Basiszinssatz gemäß § 247 BGB zu verzinsen."
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wird für nichtig erklärt.
11
Hilfsweise:
12
Es wird festgestellt, dass der vorgenannte Beschluß nichtig ist.
13
Äußerst hilfsweise:
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Es wird festgestellt, dass der vorgenannte Beschluß unwirksam ist.
15
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Sie hält die Klage für offensichtlich unbegründet. Sie tritt den Einwänden des Klägers zu
2. entgegen. Die Hauptaktionärin sei ihrer Mitteilungspflicht ordnungsgemäß
nachgekommen und die Hautpversammlung gesetzmäßig einberufen worden.
17
Im Rahmen der verbundenen Klagen hat die Beklagte zur Überwindung der
Registersperre, die ohne eine Negativerklärung (keine Klage gegen die Wirksamkeit
des Hauptversammlungsbeschlusses erhoben) eintritt, die Feststellung begehrt, dass
die erhobene Klage einer Eintragung des Übertragungsbeschlusses nicht
entgegenstehe. Diesen Anträgen hat die Kammer mit Beschlüssen vom 10.06.2003
entsprochen. Die dagegen erhobenen sofortigen Beschwerden der Kläger sind mit
Beschlüssen des OLG Köln vom 06.10.2003 - 18 W 35 und 36/03 - zurückgewiesen
worden.
18
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze einschließlich deren Anlagen Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe:
20
Die Nichtigkeits- und Anfechtungsklage des Klägers zu 2. ist auch hinsichtlich der
Hilfsanträge zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
21
Der Sach- und Streitstand hat sich gegenüber dem Stand der
Beschwerdeentscheidungen des OLG Köln vom 06.10.2003 nicht geändert.
22
Die Kammer schließt sich der überzeugenden Begründung der Beschlüsse des OLG
Köln vom 06.10.2003 - 18 W 35 und 36/03 - in vollem Umfang an. In den nachfolgenden
auszugsweisen Wiedergaben der im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen
Entscheidungen sind die Parteirollen den nach erfolgter Verbindung für das
Klageverfahren maßgeblichen Bezeichnungen angepasst.
23
Im Beschluss vom 10.06.2003, der das vom Kläger zu 2. eingeleitete
Ausgangsverfahren 11 O 55/03 betrifft, hatte die Kammer ausgeführt:
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"Die Anfechtungsklage ist offensichtlich unbegründet.
25
Die Hauptaktionärin, die Firma B & Co., ist ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 20 AktG
ordnungsgemäß nachgekommen und war somit nicht gehindert, in der
Hauptversammlung vom 25. Februar 2003 von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen.
26
Aus den vorgelegten Handelsregisterauszügen ergibt sich, daß die Firma I & Co.,
Handelsgesellschaft, Inhaber Dr. B am 09. November 1979 in das Handelsregister
eingetragen worden ist, daß im Dezember 1992 sämtliche Aktiven und Passiven auf die
I & Co. Handelsgesellschaft, Inhaber B & Co. übertragen worden sind und diese
Gesellschaft im Januar 1994 ihre Firma geändert hat in B & Co.
27
Unbestritten wird der Mehrheitsbesitz an der Beklagten durch die beiden Töchter der B
& Co., G AG und I AG gehalten.
28
Die G AG hat ihren Mehrheitsbesitz am Aktienkapital der Beklagten bereits am 12. April
1989 mitgeteilt. Die Firma B & Co. hat am 30. Januar 2003 einerseits mitgeteilt, seit dem
20. April 1989 keine unmittelbare Beteiligung mehr zu halten und damit die
gleichlautende Mitteilung ihrer Rechtsvorgängerin, der I & Co. Handelsgesellschaft,
Inhaber Dr. B vom 20. April 1989 wiederholt. Andererseits hat sie mitgeteilt, nunmehr
kraft Zurechnung gemäß § 16 Abs.4 AktG mehrheitlich am Grundkapital der Beklagten
beteiligt zu sein.
29
Diese Mitteilung war ausreichend. Besondere Vorschriften zum Inhalt der Mitteilung gibt
es nicht. Der Inhalt der Mitteilungspflicht besteht in der Bekanntgabe des jeweiligen
mitteilungspflichtigen Schwellenzustands, siehe Geßler, a.a.O., § 22 Rz.17b.
30
Gemäß § 20 Abs.4 AktG hat das Unternehmen, dem eine Mehrheitsbeteiligung gemäß §
16 Abs.1 AktG gehört, dies der Gesellschaft mitzuteilen. Eine Mehrheitsbeteiligung hat
die B & Co. mitgeteilt und unter Hinweis auf § 16 Abs.4 AktG auch, daß diese
Beteiligung ihr kraft Zurechnung der Anteile der von ihr abhängigen Unternehmen
zusteht. Die Angabe der genauen Höhe der Mehrheitsbeteiligung sowie der
Zusammensetzung der Beteiligung ist nicht erforderlich, wenn gleich wünschenswert.
Desgleichen ist nicht erforderlich, mitzuteilen, um welche Art von Mehrheitsbeteiligung
gemäß § 16 Abs.4 AktG es sich handelt, vgl. Bayer, Münchner Kommentar zum
Aktiengesetz, 2.Aufl., 2000, § 20, Rz.31.
31
In Bezug auf die von der G AG gehaltenen Aktien liegt eine doppelte Mitteilung vor
(unmittelbare Beteiligung = G AG und mittelbare Beteiligung kraft Zurechnung = B &
Co.), wie sie der Bundesgerichtshof, ZIP 2000, 1723 in einem Mehrstufigkeitsverhältnis
auch für erforderlich hält.
32
Wie dieser Entscheidung weiter zu entnehmen ist, hat die Firma B & Co. auch
hinreichend zur Höhe der Beteiligung mitgeteilt, die "in der Form eines Hinweises auf §
20 Abs.4 AktG" erfolgt ist, was der Bundesgerichtshof offenkundig als ausreichend
angesehen hat.
33
Die I AG mit einer Beteiligung von 20,75 % traf keine Mitteilungspflicht. § 20 Abs.1 AktG
fordert "mehr als der vierte Teil der Aktien", § 16 Abs.1 AktG spricht von "die Mehrheit
der Anteile eines Unternehmens".
34
Die Inhaber der Firma B & Co. selbst traf keine Mitteilungspflicht. Das
mitteilungspflichtige "Unternehmen" im Sinn von § 20 Abs.1 AktG ist die Firma B & Co..
Sie hält nicht nur die Aktien, sondern ist selbst unternehmerisch tätig, betätigt sich
wirtschaftlich planend und entscheidend. Insofern ist diese Personengesellschaft anders
zu qualifizieren als die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die der Bundesgerichtshof in
ZIP 1991, 719 ff, 721 zu bewerten hatte, deren Zweck auf das bloße anteilige Halten der
Aktien beschränkt war.
35
Die Einberufung der Hauptversammlung ist ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.
Es handelt sich bei § 121 Abs.3 AktG um eine sogenannte "Pflichtbekanntmachung".
Für diese gilt § 25 AktG, der seit dem 01. Januar 2003 bestimmt, daß die
Bekanntmachung "in den elektronischen Bundesanzeiger einzurücken" ist. § 3 der
Satzung der Beklagte betrifft danach nur noch die sogenannten freiwilligen
Bekanntmachungen und ist hier nicht einschlägig.
36
Auch die weiteren Rügen des Klägers zu 2. hält die Kammer für offensichtlich
unbegründet. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Prüfung der
Barabfindung durch den vom Gericht bestellten Prüfer nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.
Auch eine Verletzung des Auskunftsrechts der Aktionäre kann nicht festgestellt werden.
Die Frage nach dem Buchwert der Gesellschaft bei dem Hauptaktionär stellt keine
"Angelegenheit der Gesellschaft" im Sinn von § 131 Abs.1 AktG dar, auf die sich das
Auskunftsverlangen richten kann. Die Jahresabschlüsse der Hauptaktionärin sind nach
der gesetzlichen Regelung nicht auszulegen.
37
Die Beanstandung, der Übertragungsbericht sei leerformelhaft abgefaßt worden, ist
schon mangels konkreter Substanz des Vortrags nicht überprüfbar.
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Schließlich bestehen keine Bedenken, daß die Unterschriften unter dem
Übertragungsbericht von den hierfür Zeichnungsberechtigten stammen. Daß der
Vorname des Unterzeichners B im Handelsregister mit Francois bezeichnet ist,
begründet keine Zweifel an der Identität des Vertretungsberechtigten. Daß X
vertretungsberechtigt ist, ist dem Handelsregister zu entnehmen."
39
Im Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 29.07.2003 zur sofortigen Beschwerde des
Klägers zu 2. gegen diesen Beschluss heißt es unter anderem:
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"Es kann dahinstehen, ob die Anfechtungsklage auch auf bewertungsbezogene
Informationsdefizite gestützt werden kann (bejahend Hüffer, AktG, 5. A., § 327f Rdn. 2;
verneinend Hasselbach in Kölner Kommentar zum WpÜG, § 327f AktG Rdn. 3, 4).
Denn der Kläger zu 2. hat einen Verstoß der Beklagten gegen § 131 Abs. 1 AktG nicht
dargetan. Mit welchem Buchwert nach Abschreibungen die Beteiligung an der
Beklagten bei den Anteilseignern G und I AG bilanziert ist, hat für die wirtschaftliche
Lage der Beklagten keine Bedeutung. Die Behauptung, "der Buchwert erlaube eine
erste Verprobung der angefochtenen Barabfindung", lässt außer Betracht, dass
Buchwerte bei anderen Gesellschaften auf bei diesen gegebenen
Bilanzierungsgesichtspunkten beruhen. Die insoweit verlangte Auskunft war demnach
nicht erforderlich zur sachgerechten Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung
der Hauptversammlung (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG). Die Frage nach dem letzten
Jahresabschluss der B & Co. betraf nicht Angelegenheiten der Gesellschaft, also der
Beklagten (s. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG). Dass der Kläger zu 2. an der Solvenz der
genannten Firma ein Interesse haben mag, rechtfertigt es nicht, den Umfang der
Auskunftspflichten auf gesellschaftsfremde Angelegenheiten zu erweitern.
41
Taugliche Anfechtungsgründe sind auch dem weiteren Vortrag des Klägers zu 2. nicht
zu entnehmen."
42
Zu diesen Beschlüssen der Kammer hat der zuständige Fachsenat des OLG Köln im
Beschluss vom 06.10.2003 - 18 W 36/03 - folgendes ausgeführt:
43
"Das Landgericht Bonn hat zu Recht festgestellt, dass die gegen den
Hauptversammlungsbeschluss vom 25.02.2003 erhobene Nichtigkeits- und
Anfechtungsklage seiner Eintragung in das Handelsregister nicht entgegensteht.
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Darüber hinaus sind auch die materiellen Voraussetzungen der §§ 327 e Abs. 2, 319
Abs. 6 Satz 2 AktG gegeben.
45
Jedenfalls liegt der Fall einer offensichtlich unbegründeten Nichtigkeits- und
Anfechtungsklage vor.
46
Die Frage, wann von einer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen werden
kann, wird unterschiedlich beantwortet. Eine Meinung hält dieses Merkmal für gegeben,
wenn sich die Unbegründetheit bereits ohne weiteres bei kursorischer Prüfung ergibt
(OLG Stuttgart AG 1997, 138, 139; LG Freiburg AG 1998, 536, 537). Dies soll danach
schon dann gelten, wenn eine zu beantwortende Rechtsfrage in Literatur und
Rechtsprechung kontrovers diskutiert wird (LG Hamburg, ZIP 2003, 951 f) . Dem ist
jedoch entgegenzuhalten, dass für eine kursorische Rechtsprüfung auch in einem
summarischen Verfahren kein Raum ist. Daher ist mit der Gegenmeinung eine
vollständige Durchdringung des Streitstoffes in rechtlicher Hinsicht zu verlangen; erst
wenn sich auf dieser Basis eindeutig die Erfolglosigkeit der erhobenen Nichtigkeits- und
Anfechtungsklage ergibt, kann von ihrer offensichtlichen Unbegründetheit ausgegangen
werden(OLG Hamburg AG 2003, 441, 444; OLG Frankfurt aM AG 1998, 428, 429; OLG
Stuttgart AG 2003, 456; OLG Düsseldorf ZIP 2001, 1717, 1718; Hüffer, aaO § 319 Rn.
18).
47
Gemessen an diesem Maßstab erweisen sich die von dem Kläger zu 2. im Rahmen der
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gegen den Hauptversammlungsbeschluss vom
25.02.2003 erhobenen Einwände als offensichtlich unbegründet.
48
Der Kläger zu 2. hält die Squeeze-out-Bestimmungen für verfassungswidrig und beruft
sich im übrigen auf Vorbereitungs- und Durchführungsmängel, die zum einen auf dem
Verstoß gegen die Mitteilungspflichten gem. § 20 AktG, zum anderen auf eine
fehlerhafte Bekanntmachung der Hauptversammlung vom 25.02.2003, auf die
sachwidrige Einsetzung des Abschlussprüfers gem. § 327 c Abs. 2 S. 3 AktG, einen
formal und inhaltlich zu beanstanden Übertragungsbericht gem. § 327 c Abs. 2 S. 1
AktG sowie Verstöße gegen die Auskunftspflicht des Vorstandes gem. § 131 AktG
beruhen sollen. Keiner dieser Einwände ist jedoch begründet.
49
a)
50
Dies gilt namentlich für den Einwand, die Regelungen des sog. Squeeze-out-Verfahrens
gem. §§ 327a ff AktG seien mit den Grundsätzen der Verfassung nicht in Einklang zu
bringen.
51
Richtig ist, dass sowohl die mitgliedschaftliche Stellung als auch die
vermögensrechtliche Position des Minderheitsaktionärs dem Schutzbereich des Art. 14
GG unterliegt. Dieser Schutz besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr stehen
sich die Eigentumspositionen von Haupt- und Minderheitsaktionär gegenüber, die es
gegeneinander abzuwägen gilt.
52
Auf der Basis dieser Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht bereits in der
sog. Feldmühle-Entscheidung (E 14, 263 ff) den Ausschluss der Minderheitsaktionäre
aus einer Aktiengesellschaft nach den §§ 9 und 15 UmwG 1956 als verfassungsgemäß
bezeichnet. In diesem Sinne wurde auch in Bezug auf das in § 320 AktG vorgesehene
Verfahren zur Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss entschieden (BVerGE 100, 303),
dessen verfassungsmäßige Unbedenklichkeit offenbar auch von dem Kläger zu 2. nicht
in Abrede gestellt wird. Trotz der bestehenden Unterschiede zu dem Verfahren nach §§
53
327 a ff AktG, insbesondere in Bezug auf die Regelungen zur Abfindung, rechtfertigen
diese im Ergebnis keine andere Einschätzung.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die Funktion des Minderheitsaktionärs de facto
auf die eines reinen Finanzanlegers reduziert. In einer Aktiengesellschaft, die von einem
Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von mindestens 95 % beherrscht wird, können die
Minderheitsaktionäre weder ihre eigenen unternehmerischen Ziele verfolgen, noch sind
sie in der Lage, auf die Verwaltung Einfluss zu nehmen. Selbst wenn sie in einer
Hauptversammlung geschlossen aufträten, könnten sie die spezifischen
aktienrechtlichen Minderheitsrechte (etwa die Einberufung einer Hauptversammlung
gem. § 122 Abs. 1 AktG oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. § 147
Abs. 1 AktG), in der Praxis nicht mehr wahrnehmen, da sie das erforderliche Quorum
nicht erreichen. Schließlich ist der Minderheitsaktionär aufgrund der gem. § 262 Abs. 1
Nr. 2 AktG - vorbehaltlich einer anderweitigen satzungsmäßigen Regelung -
bestehenden Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft mittels einer 75 %-Mehrheit
ohnehin nicht vor dem Verlust seiner Mitgliedschaftsrechte geschützt.
54
Unter Berücksichtigung dieser Situation bestehen jedenfalls dann keine
verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Position des Minderheitsaktionärs als
Kapitalanleger hinreichend geschützt ist. Insofern ist die Situation mit dem durch das
Bundesverfassungsgericht in der sog. MotoMeter-Entscheidung (AG 2001, 42 ff) zu
entscheidenden - und von diesem nicht beanstandeten - Fall der sog. übertragenden
Auflösung (§ 179a AktG) zu vergleichen (ebenso: Vetter DB 2001, 743, 746; Kossmann
NZG 1999, 1198, 1199). Die von dem Kläger zu 2. angeführte Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (NZG 2003, 31 f) steht nicht entgegen, denn diese
beschränkt sich auf die Erörterung der Subsidiarität der Verfassungsklage als
Zugangsvoraussetzung.
55
Gemessen an den Maßstäben der "MotoMeter-Entscheidung" ist das Verfahren des sog.
Squeeze-out gem. §§ 327 a ff AktG nicht zu beanstanden.
56
Die wirtschaftliche Position der Minderheitsaktionäre wird durch die Regelungen zur
Barabfindung, der Nachprüfung durch einen vom Gericht zu bestellenden
Sachverständigen (§ 327 c Abs. 2 S. 2,3 AktG) sowie der gerichtlichen Nachprüfbarkeit
gem. § 327 f AktG hinreichend geschützt. (ebenso: LG Berlin DB 2003, 707, 708; LG
Osnabrück AG 2002, 527 f; OLG Oldenburg NZG 2003, 691; OLG Hamburg AG 2003,
442, 443). Hinzukommt die zu stellende Bankgarantie gem. § 327 b Abs. 2 AktG und die
Verzinsungspflicht gem. § 327 b Abs. 2 AktG. Soweit der Kläger zu 2. mit Hanau (NZG
2002, 1040 ff) einwendet, der Rechtsschutz der Minderheitsaktionäre sei angesichts der
oft überlangen Dauer der Spruchstellenverfahren nur unzureichend gegeben, so mag
dies im Einzelfall aufgrund der praktischen Anwendung des Verfahrens und der
eingeschränkten Ressourcen der Justiz der Fall sein, kann aber nicht der gesetzlichen
Regelung als solcher zugeschrieben werden. Was die Tatsache anbelangt, dass eine
Verzinsung der Barabfindung erst ab der Bekanntgabe der Eintragung des
Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister erfolgt (§ 327 b Abs. 2 1. Hs. AktG), so
knüpft diese Regelung an die konstitutive Wirkung der Eintragung an; im übrigen sieht §
327 b Abs. 2 2. Hs. AktG die Geltendmachung auch eines weitergehenden Schadens
ausdrücklich vor. Der Senat verkennt nicht, dass sich die gem. § 327 b Abs. 1 AktG zu
stellende Bankgarantie allein auf die beschlossene Barabfindung bezieht und daher
hinter dem in einem möglichen Spruchstellenverfahren ermittelten Betrag zurückbleiben
kann. Hieraus resultiert die Möglichkeit eines finanziellen Risikos für den
57
Minderheitsaktionär im Falle zwischenzeitlicher Insolvenz des Hauptaktionärs.
Allerdings ist dieses, sich allein auf einen möglichen Mehrbetrag beziehende
Differenzrisiko aufgrund der sonstigen Sicherungen des Verfahrens in Form der
Wertbestimmung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen sowie der
umfassenden Dokumentationspflicht gem. § 327 c Abs. 2 und Abs. 3 AktG so gering,
dass hierdurch die verfassungsmäßigen Rechte der Minderheitsaktionäre nur
unwesentlich tangiert werden. Soweit der Kläger zu 2. schließlich auf die
Beeinträchtigung künftiger Gewinne abstellt, so unterliegen derartige Erwerbschancen
ohnehin nicht dem grundgesetzlichen Schutz des Art. 14 GG (BVerfG AG 2001, 42, 43).
Ein Verstoß gegen EG-Recht kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der im
Oktober 2002 von der EU-Kommission vorgelegte Vorschlag einer EU-
Übernahmeregelung (ZIP 2002, 1863 ff) bislang nicht umgesetzt wurde.
58
b)
59
Soweit es um den Inhalt der erforderlichen Mitteilungen durch den Hauptaktionär gem. §
20 Abs. 1 und 4 AktG geht, kann ebenso wie für die Frage der Ordnungsmäßigkeit des
Übertragungsberichts gem. § 327 c Abs. 2 S. 1 AktG einschließlich seiner
Unterzeichnung durch hierzu zeichnungsberechtigte Vertreter des Hauptaktionärs in
vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in seinem
Beschluss vom 10.06.2003 Bezug genommen werden.
60
Ohne Erfolg bleibt insbesondere der Einwand des Klägers zu 2., den gem. § 20 AktG
gebotenen Mitteilungspflichten sei nur unzureichend nachgekommen worden.
61
Eine zusätzliche Mitteilungspflicht gem. § 20 AktG der hinter der Fa. B & Co stehenden
Einzelpersonen ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich (MüKo-
Bayer, AktG, 2. Auflage, § 16 Rn. 49 f). Dies könnte nur dann anders sein, wenn sich -
wie etwa im Falle der Treuhandschaft - das Interesse des Unternehmens allein auf das
Halten der Aktien beschränkte. (BGH ZIP 1991, 719, 721). Das Vorliegen eines solchen
Ausnahmefalles ist vorliegend jedoch nicht erkennbar. Inhaltlich genügt überdies die
allgemeine Mitteilung über die Art der Beteiligungsform gem. § 20 Abs. 1 oder Abs. 4,
ohne dass hierzu genauere Angaben zur Höhe der Beteiligung, deren
Zusammensetzung oder die Art der Mehrheitsbeteiligung erforderlich wären (Hüffer, aaO
§ 20 Rn. 6; MüKo, aaO § 20 Rn. 31). Der Gesetzgeber legt insoweit nur Wert auf die
Mitteilung der Mehrheitsbeteiligung als solcher, nicht dagegen auf die Angabe, welcher
Art diese Mehrheitsbeteiligung ist (MüKo, aaO, Rn. 24).
62
c)
63
Auch auf den Umstand, dass die Mitteilung des Hauptaktionärs vom 30.01.2003 erst
nach dem schriftlichen Beschlussverlangen an den Vorstand der Beklagte vom
22.11.2002 und nach dem Antrag auf Bestellung eines Abschlussprüfers gem. § 327 c II
3 AktG, welcher bereits durch Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2002 bestimmt
wurde (Bl. 12 und 13 des Übertragungsberichtes vom 16.01.2003), erfolgte, kann eine
Anfechtungsklage nicht mit Erfolg gestützt werden.
64
Diese Einwände sind zu berücksichtigen, auch wenn sie erst in der
Beschwerdebegründung ausdrücklich angesprochen sind. Es genügt, wenn die Gründe,
auf welche die Anfechtung eins Hauptversammlungsbeschlusses gestützt wird,
65
innerhalb der Ausschlussfrist des § 246 AktG in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern
in den Rechtsstreit eingeführt werden (BGHZ 32, 318, 323; BGH NJW 1966, 2055; 1993,
400, 404; MüKo-Hüffer, 2. Auflage, § 246 Rn. 41; Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 246 Rn. 26).
Dies ist hier der Fall. Bereits in der Klageschrift wurde die Erfüllung der Mitteilungspflicht
sowie der daraus abzuleitenden Folgen unter Angabe sämtlichen relevanten
Tatsachenstoffes dem Grunde nach problematisiert.
Gemäß § 20 Abs. 7 AktG durfte der Hauptaktionär bis zum Zeitpunkt der
ordnungsgemäßen Mitteilung über seine Mehrheitsbeteiligung die ihm hieraus
erwachsenen Rechte nicht ausüben, wobei von diesem Ausschluss ausnahmslos alle
Rechte des Aktionärs erfasst werden (MüKo-Bayer, AktG, 2. Auflage, München 2000, §
20 Rn. 45; Hüffer, aaO § 20 Rn. 12). Damit war er vor dem 30.01.2003 weder zur
wirksamen Beantragung der gerichtlichen Bestellung eines Abschlussprüfers noch dazu
befugt, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen. In Bezug auf das
Einberufungsverlangen kommt noch hinzu, dass gem. § 327 a AktG die Voraussetzung
der qualifizierten Mehrheit bereits zum Zeitpunkt des Verlangens gegeben sein muss
(Hüffer aaO § 327 a Rn. 8, 11; Habersack, aaO § 327 a Rn. 18 f).
66
aa)
67
Soweit sich die Rüge des Klägers zu 2. gegen die Wirksamkeit der gerichtlichen
Bestellung des Sachverständigen wendet, ist der Einwand im vorliegenden Verfahren
unbeachtlich. Der Beschluss des Landgerichts vom 10.12.2002 stellt die allein
maßgebliche Grundlage für die Bestellung des Sachverständigen dar, dessen
Rechtmäßigkeit und Richtigkeit im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu überprüfen ist.
Über die Verweisung des § 327 c II S. 3 AktG auf § 293 c AktG folgt, dass diese
Bestellung den Verfahrensgrundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt (Hüffer,
aaO § 293 c Rn. 4), die als Rechtsmittel gegen die getroffene gerichtliche Entscheidung
die sofortige Beschwerde gem. § 20 FGG vorsieht (Emmerich/Habersack, Aktien- und
GmbH-Konzernrecht, 2003, § 293 Rn. 11). Etwaige Mängel der gerichtlichen
Sachverständigenbestellung können nur mit dem vorgenannten Rechtsmittel verfolgt
werden, was vorliegend - soweit erkennbar - nicht geschehen ist (ebenso für den Fall
des § 122 III AktG: OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 1153, 1159).
68
Im übrigen ist die parallele Prüfung der Barabfindung durch den Hauptaktionär und
Sachverständigen entgegen der Annahme des Klägers zu 2. ( unter Hinweis auf:
Puszkajler, ZIP 2002, 518, 521) nur dann bedenklich, wenn konkrete Hinweise auf die
Beeinflussbarkeit des Abfindungsprüfers gegeben sind; solche liegen hier aber nicht
vor. Vielmehr hat der Sachverständige den Bericht des Hauptaktionärs offen in seine
Überprüfung mit einbezogen.
69
bb)
70
Soweit es um das Übernahmeverlangen als formale Voraussetzung für die
Beschlussfassung geht (Emmerich/Habesack aaO Rn. 19 spricht von ihrem
"korporationsrechtlichen Charakter"), ist dieses an keine bestimmte Form gebunden
(Emmerich/Habersack, aaO). Es kann daher auch noch in dem weiteren Betreiben des
Verfahrens durch den Hauptaktionär gesehen werden, wie es in der Übersendung des
Übertragungsberichtes und der Mitteilung vom 30.01.2003 geschehen ist.
71
cc)
72
Soweit es die Einberufung der Hauptversammlung betrifft, war der Vorstand der
Beklagten hierzu aufgrund des - wie dargelegt - unzulässigen Verlangens ihres
Hauptaktionärs am 16.01.2003 (noch) nicht befugt. Es wird nicht verkannt, dass ein
solcher Einberufungsmangel grundsätzlich gem. § 243 AktG zur Anfechtung der auf
diese Weise zustandegekommenen Beschlüsse berechtigen kann (MüKo-Hüffer, aaO, §
243 Rn. 32; Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, 2. Auflage,
München 1999, 3 41 Rn. 27; Emmerich-Habersack, aaO, § 327 f, Rn. 19). Dies bedeutet
aber nicht, dass ein solcher Verstoß gegen Verfahrensvorschriften unabhängig von
seiner Relevanz für den nachfolgend getroffenen Beschluss in jedem Falle dessen
Unwirksamkeit zur Folge hat. Dabei kann der von der BGH-Rechtsprechung für den
Bereich der Informationsmängel favorisierte Kausalitätsgedanke (BGH NJW 1992, 2760,
2765; NJW 1993, 1976, 1983; NJW 1995, 3115, 3117) hier nicht herangezogen werden,
da der vorliegende Verfahrensmangel, der vergleichbar ist mit den in §§ 121 f AktG
geregelten Tatbeständen, sich nicht unmittelbar auf die Entscheidungsbildung auswirkt,
sondern nur die institutionellen Voraussetzungen für die Beschlussfassung regelt (im
Ergebnis ebenso: MüKo-Hüffer, aaO, § 243 Rn. 30).
73
Vielmehr ist in einem solchen Fall entscheidend darauf abzustellen, ob der Verstoß in
seiner konkreten Erscheinungsform die mit der betroffenen Verfahrensnorm geschützten
Interessen aller Teilnahme- und Abstimmungsberechtigten beeinträchtigt. Kann ein
solcher Eingriff in den vorgenannten Schutzzweck ausgeschlossen werden, besteht für
eine Anfechtbarkeit der Entscheidung kein Raum (im Ergebnis ebenso: OLG Düsseldorf
ZIP 1997, 1153, 1160; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, Anh § 47 Rn. 68; ähnlich: OLG
Celle NJW-RR 1998, 970: "Betroffenheit des Teilnahmerechts durch unzulässige
Bestimmung des Versammlungsortes").
74
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ergibt sich für den zu entscheidenden
Fall folgendes:
75
Der vorliegend gegebene Verfahrensverstoß stellt sich konkret so dar, dass der
Vorstand nicht erst am 30.01.2003, als ihm die formale Mitteilung des Hauptaktionärs
gemäß § 20 Abs. 1 und 4 AktG übersandt wurde, sondern bereits am 16.01.2003 die
Hauptversammlung zum 25.02.2003 einberufen hat. Bei umgehender Wiederholung der
Einladung nach Eingang der Mitteilung des Hauptaktionärs wäre die Einberufungsfrist
des § 123 AktG von 1 Monat nicht mehr einzuhalten gewesen, der Termin hätte um
wenige Tage verschoben werden müssen.
76
Der Sinn und Zweck der Mitteilungspflichten des § 20 AktG besteht nun darin, die
betroffene Gesellschaft, die Aktionäre, Gläubiger sowie die Öffentlichkeit rechtzeitig über
die bestehenden Beteiligungsverhältnisse zu informieren (MüKo-Hüffer, aaO, § 20 Rn.
1; Hüffer, AktG, § 20 Rn. 1). Die von § 327 a AktG bereits für den Zeitpunkt des
Übernahmeverlangens geforderten Mehrheitsverhältnisse sollen sicherstellen, dass nur
der materiell Berechtigte das Verfahren einzuleiten vermag. Schließlich dient die
Einladungsfrist gem. § 123 AktG dem Dispositionsschutz der Aktionäre, die sich auf den
Hauptversammlungstermin sollen hinreichend vorbereiten können (Hüffer, aaO, § 123
Rn. 1).
77
Die vorgenannten schutzwürdigen Interessen des Aktionärs werden durch den
dargelegten, konkreten Verfahrensverstoß nicht beeinträchtigt.
78
In dem Übertragungsbericht des Hauptaktionärs (dort Bl. 12), in dem - wie gesagt -
ebenso wie in der Übersendung der Mitteilung vom 30.01.2003 die Wiederholung des
Verlangens auf Einberufung der Hauptversammlung zu sehen ist, wurden die
Beteiligungsverhältnisse den inhaltlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 und 4 AktG
entsprechend dargestellt. Gleiches geschah - davon ist mangels gegenteiligen
Vortrages auszugehen - in dem Einladungsschreiben des Vorstandes, das im Entwurf
ebenfalls Bestandteil des Übertragungsberichtes ist. Es mag an dieser Stelle
dahingestellt bleiben, ob angesichts des Umstandes, dass der Bericht von den
Vertretungsberechtigten des Hauptaktionärs eigenhändig unterschrieben ist, dieser
auch formal den Voraussetzungen einer wirksamen Mitteilung im Sinne des § 20 AktG
entspricht. Festzuhalten bleibt, dass mit dem Übersendung des Übertragungsberichtes
an den Vorstand sowie der Einladung verbunden mit der dort aufgezeigten Möglichkeit
für alle Aktionäre, die relevanten Urkunden einsehen zu können, dem von der o.g. Norm
geschützten Informationsinteresse der Gesellschaft wie auch der Aktionäre hinreichend
genüge getan wurde. Dadurch, dass diesen die Informationsmöglichkeiten ab dem
Zeitpunkt der Einladung eingeräumt wurden, hatten alle an der Entscheidung Beteiligten
überdies in der vom Gesetz festgelegten Frist hinreichende Gelegenheit, alle für die
Willensbildung notwendigen Umstände umfassend zu prüfen.
79
d)
80
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger zu 2. auch auf den geltend gemachten
Bekanntmachungsfehler. Nach der Neufassung des § 25 AktG zum 01.01.2003 ist die
Bekanntmachung als sog. Pflichtmitteilung im elektronischen Bundesanzeiger zulässig,
wenn die Satzung - wie hier in § 3 - lediglich von der Bekanntmachung "im
Bundesanzeiger" ausgeht (ebenso: Oppermann ZIP 2003, 793, 795; Groß DB 2003,
867, 869; aA Mimberg ZGR 2003, 21 ff: Bekanntmachung nur in der gedruckten
Ausgabe). Diese an § 25 AktG a.F. orientierte Formulierung spricht dafür, dass die
Beteiligten keine der dort eingeräumten anderweitigen Veröffentlichungsmöglichkeiten
bestimmen, sondern sich allein (quasi im Wege einer dynamischen Bezugnahme) an
der Grundregel des (jeweiligen) Gesetzes orientieren wollten.
81
e)
82
Die Beklagte ist auch ihren gem. §§ 327 d, 131 AktG auferlegten Auskunftspflichten
hinreichend nachgekommen.
83
aa)
84
Die von dem Kläger zu 2. als nicht hinreichend beantwortet beanstandeten beiden
Fragen beziehen sich insgesamt auf Umstände, die für die Bewertung der
Gesellschaftsanteile von Bedeutung sind. Die Verletzung derartiger
Informationspflichten kann im Wege der Anfechtungsklage nicht geltend gemacht
werden.
85
Es ist streitig, ob etwaige Informationsdefizite überhaupt Gegenstand des
Anfechtungsverfahrens sein können (so Hüffer, aaO § 327 f Rn. 2; Grunewald ZIP 2002,
18, 21; Henze ZIP 2002, 97, 108; wohl auch: LG Frankfurt aM DB 2003, 1726, 1727),
oder ob dahingehende Pflichtverletzungen ausschließlich im Spruchstellenverfahren
geltend zu machen sind (Vetter DB 2001, 743, 746 und AG 2002, 176, 189 f; für das
UmwG: BGHZ 146, 179, 182ff; DB 2001, 472, 472).
86
Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung und hält insbesondere die zum
Umwandlungsgesetz ergangene Rechtsprechung ebenfalls auf die vorliegende
Konstellation für anwendbar. Ziel des Gesetzes ist es beim Umwandlungsverfahren wie
auch beim Squeeze-out mit der Einführung des Spruchstellenverfahrens ein Scheitern
der Beschlussfassung wegen einer Verletzung von Informations-, Auskunfts- und
Berichtspflichten bezüglich der Unternehmensbewertung und eine Blockade des
Vollzugs der beschlossenen Maßnahme durch eine hierauf gestützte Klage zu
vermeiden. In beiden Verfahren geht es - wie insbesondere auch die
Beschwerdebegründung des Klägers zu 2. zeigt - wesentlich um die Höhe der
Entschädigung ausscheidender Aktionäre im Wege der zu bestimmenden
Barabfindung. Im Ergebnis kommt aber eine fehlerhafte Information über einen
wertrelevanten Gesichtspunkt einer fehlerhaften Barabfindung gleich (BGHZ 146, 179,
186, 187). Eine Anfechtung wird daher in einem solchen Fall auch den Interessen des
Aktionärs nicht gerecht, da dieses Verfahren nur zu einer Kassation der Entscheidung
führen kann, nicht hingegen zu einer Anpassung der Barabfindung (BGH NJW 2003,
1032 ff).
87
bb)
88
Mit dem Landgericht ist aber auch davon auszugehen, dass die Beklagte ihrer
Informationspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist.
89
Eine Auskunft im Sinne des § 131 AktG hat sich allein auf die Angelegenheiten der
Gesellschaft und auf all das zu beziehen, was zur sachgemäßen Beurteilung des
Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist (Hüffer, aaO § 131 Rn. 11f).
90
Die von dem Kläger zu 2. als nicht beantwortet monierten beiden Fragen dienten allein
der Bestimmung der Liquidität des Hauptaktionärs. Dieser Umstand kann nicht
Gegenstand des Verfahrens gem. § 327 a ff GmbHG sein, da er außerhalb der Sphäre
der Gesellschaft selbst liegt.
91
In Bezug auf die begehrten Auskünfte zum letzten Jahresabschluss der Fa. B und Co
gilt darüber hinaus, dass § 327 c III Nr. 2 AktG lediglich die Auslage der drei letzten
Jahresabschlüsse der Gesellschaft selbst verlangt. Das Gesetz verpflichtet den
Hauptaktionär hingegen weder zu Auskünften gegenüber der Hauptversammlung noch
gegenüber der Aktiengesellschaft (Grunewald, ZIP 2002, 18, 19 f; Vetter AG 2002, 176,
186).
92
Im übrigen kann insoweit auf die Ausführungen des Landgerichts im
Nichtabhilfebeschluss vom 29.07.2003 verwiesen werden.
93
f)
94
Soweit vereinzelt in der Literatur verlangt wird, dass der den Squeeze-out betreibende
Aktionär zumindest eine Aktie unmittelbar selbst halten muss (Emmerich/Habersack,
Aktien- und GmbH-Konzernrecht, München 2003, § 327a AktG, Rn. 17), ist dem nicht zu
folgen. Nimmt man die Verweisung in §§ 327 a II auf 16 II und IV AktG konsequent vor
und berücksichtigt man weiterhin die hier im Vordergrund stehende wirtschaftliche
Betrachtungsweise, wird eine unmittelbare Beteiligung nicht zu verlangen sein
(Fleischer ZGR 2002, 757, 775; Sieger/Hasselbach, ZGR 2002, 121, 134). Die
95
gegenteilige Auffassung liefe letztlich auf einen reinen Formalismus hinaus, wonach der
Hauptaktionär vor dem Antrag eine einzige Aktie erwerben müsste, um die formalen
Voraussetzungen zu erfüllen. Diese Auffassung kommt auch im Regierungsentwurf zu
den §§ 327 a ff AktG(BT-Drucksache 14/7034 S. 72) zum Ausdruck, wenn es dort heißt:
"Das aufwändige, wirtschaftlich aber unsinnige "Umhängen" von Beteiligungen um die
formalen Voraussetzungen für das Squeeze-out zu schaffen, solle vermieden werden"."
Mit diesen Ausführungen hat das OLG Köln sowohl zur Nichtigkeit als auch zur
Anfechtbarkeit des im Klageantrag bezeichneten Beschlusses Stellung genommen.
96
Die gegen diese Würdigung seines Vorbringens erhobenen rechtlichen Einwendungen
des Klägers zu 2. sind unbegründet. Selbst wenn man der Ansicht des Klägers zu 2.
folgt, dass unterlassene, unrichtige oder unvollständige Auskünfte zum Abfindungswert
auch im Wege der Anfechtungsklage geltend gemacht werden können (bejahend LG
Frankfurt a.M., NZG 2003, 1027, 1028 f; offengelassen von OLG Düsseldorf, ZIP 2004,
359, 365), ändert das am Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits nichts. Denn wie im
zitierten Teil des Nichtabhilfebeschlusses vom 29.07.2003 und im Beschluss des OLG
Köln vom 06.10.2003 - 18 W 36/03 - ausgeführt ist, ist die Beklagte ihren
Auskunftspflichten gemäß § 131 AktG nachgekommen. Insoweit könnte sich auch das
Inkrafttreten des SpruchG nicht zugunsten des Klägers zu 2. auswirken.
97
Soweit anzunehmen wäre, dass sich der Kläger zu 2. den Vortrag des Klägers zu 1. im
Rechtsstreit zu Eigen macht, würde das der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Denn die Kammer schließt sich auch insoweit den Ausführungen des OLG Köln im
Parallelbeschluss vom 06.10.2003 - 18 W 35/03 - an und hält an ihren Ausführungen in
den Beschlüssen vom 10.06. und 29.07.2003 fest, soweit diese im Beschluss vom
06.10.2003 bestätigt worden sind. Diese Beschlüssse sind Bestandteil der Akten des
vorliegenden Verfahrens (Bl. 180 - 184, 223 - 226, 361 - 366 d.A.). Darauf wird Bezug
genommen.
98
Die Hilfsanträge des Klägers zu 2. sind aus den angeführten Gründen ebenso
unbegründet wie die Hauptanträge. Sie hätten jeweils Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit
des Beschlusses der Hauptversammlung vorausgesetzt.
99
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Dabei
ist zugunsten der Klägerin zu 1. berücksichtigt, dass sie durch die Klagerücknahme
einen Privilegierungstatbestand gesetzt hat, der, wären die Klagen nicht verbunden
worden, zu einer Ermäßigung der Gerichtskosten auf 1 Gebühr geführt hätte.
100
Streitwert: 50.000,00 Euro (§§ 19 Abs. 1 S. 2 und 3 GKG, 3 ZPO).
101