Urteil des LG Bielefeld vom 31.03.2004

LG Bielefeld: hagel, verstopfung, vgb, sachschaden, versicherungsschutz, sturm, feststellungsklage, einwirkung, einfluss, begriff

Landgericht Bielefeld, 21 S 8/04
Datum:
31.03.2004
Gericht:
Landgericht Bielefeld
Spruchkörper:
21. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 S 8/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Bielefeld, 17 C 841/03
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Dezember 2003 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
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I.
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Allerdings ist die Feststellungsklage zulässig. Es besteht ein Feststellungsinteresse
i.S.v. § 256 I ZPO. Der Kläger ist nach § 22 VGB 96 / Ziffer 13 VHB 2000/E berechtigt,
ein mit verbindlichen Feststellungen für die Parteien endendes
Sachverständigenverfahren zur Schadenshöhe zu beantragen. Solange er sich – wie im
vorliegenden Fall - dieses Rechtes nicht begeben hat, kann einer Feststellungsklage
nicht der Einwand des Vorrangs einer Leistungsklage entgegen gehalten werden (BGH
NJW-RR 1986, 962).
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II.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der geltend gemachte Wasserschaden im Keller des
Gebäudes ist von der Wohngebäude- und der Hausratversicherung nicht umfasst. 1)
Nach § 8 Nr. 2 a) i.V.m. Nr. 3 VGB 96 / Ziffer 3.6.2 a) i.V.m. 3.6.3 VHB 2000/E sind nur
solche Schäden versichert, die durch unmittelbare Einwirkung des Hagels auf
versicherte Sachen entstehen. Der Hagel muss die zeitlich letzte Ursache des
Sachschadens sein. Dies ist hinsichtlich des Wassereintritts durch das Kellerfenster
nicht der Fall. Der Hagel hat nicht direkt auf das Kellerfenster eingewirkt. Nach der
eigenen Darstellung des Klägers hat der Hagel unmittelbar vielmehr nur zu einer
Verstopfung des Regenabflussrohrs geführt, wodurch die Regenrinne übergelaufen ist,
sich Regenwasser in einem Lichtschacht unterhalb des Dachüberstands gestaut hat
und dieses aufgrund des entstehenden Drucks durch ein Kellerfenster in den Keller
geflossen ist. Die letzte zeitliche Ursache für den Wassereintritt war nicht der Hagel,
sondern der Druck des sich aufstauenden Regenwassers (OLG Köln r+s 1995, 390 -
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und NJW-RR 2003, 167). 2) Das wird vom Kläger auch selbst nicht in Zweifel gezogen.
Er argumentiert vielmehr dahin, dass bereits die Verstopfung des Regenabflussrohres
einen unmittelbaren Hagelschaden darstelle und der Wassereintritt im Keller ein daraus
resultierender versicherter Folgeschaden sei. Liegt nämlich ein unmittelbar durch Hagel
verursachter Sachschaden vor, umfasst der Versicherungsschutz gemäß § 8 Nr. 2 c)
i.V.m. Nr. 3 VGB 96 / Ziffer 3.6.2 c) i.V.m. 3.6.3 VHB 2000/E auch daraus entstandene
Folgeschäden an versicherten Sachen.
Diese Argumentation scheitert aber daran, dass das Regenabflussrohr durch den Hagel
nicht beschädigt worden ist. Ein Sachschaden i.S. der Versicherungsbedingungen ist
jede Beeinträchtigung der Substanz, die den Wert oder die Brauchbarkeit der Sache
mindert. Die Substanz braucht zwar nicht verletzt zu sein, sie muss aber immerhin durch
physikalische oder chemische Einwirkung beeinträchtigt sein. Der Zustand der Sache
muss sich in substanzbezogener Weise nachhaltig verändert haben. Eine
Beaufschlagung der Oberfläche genügt (Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl. 1992,
B III Rn 4). Vorliegend wurde die Substanz des Abflussrohres durch den Hagelklumpen
aber nicht beeinträchtigt. Es entstand lediglich eine vorübergehende Aufhebung der
Brauchbarkeit des Gebäudeteils, die mit dem Schmelzen der Hagelkörner von selbst
wieder entfiel. Das reicht zur Bejahung eines Sachschadens nicht aus (OLG Köln NJW-
RR 2003, 167). Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Literatur die Verstopfung
eines Rohres durch Laub als Sachschaden angesehen wird (vgl. Martin, a.a.O., E II Rn
20, 41 und 44). Diese bereits sehr weitgehende Auslegung des Erfordernisses einer
Substanzbeeinträchtigung mag noch dadurch gerechtfertigt sein, dass eine Verstopfung
durch Laub beseitigt werden muss, die Gegenstände der versicherten Sache also
nachhaltig anhaften. Anders ist die Konstellation aber bei einer Verstopfung durch einen
Hagelklumpen. Dieser löst sich durch Abtauen von selbst wieder auf, eine nachhaltige
Anhaftung liegt nicht vor. 3) Schließlich besteht im vorliegenden Fall auch kein
Versicherungsschutz nach § 8 Nr. 2. b) VGB 96 bzw. Ziffer 3.6.2 b) VHB 2000/E. Nach
dieser Regelung sind Schäden versichert, die dadurch entstehen, dass Sturm
Gegenstände auf versicherte Sachen wirft. Der Begriff "Gegenstände" ist dabei weit
auszulegen und umfasst auch Hagel. Das Unmittelbarkeitserfordernis zwischen Sturm
und Schaden gilt in diesem Fall nicht (Martin, a.a.O., E II 35, 37). Ob eine derart lange
Kausalkette wie im vorliegenden Fall noch Versicherungsschutz auslösen kann,
erscheint dennoch fraglich, bedarf aber keiner Entscheidung. Denn es fehlt konkreter
Vortrag des Klägers zu einem Sturmschaden, er stellt ausschließlich auf einen
Hagelschaden ab. Es ist nicht dargelegt, dass während des Hagelschlags mindestens
Windstärke 8 erreicht wurde und dadurch die Hagelkörner derart konzentriert in die
Regenrinnen und das Regenfallrohr "geworfen" wurden, dass es zu der Verstopfung
kam. Ein derartiger Geschehensablauf wäre im Übrigen auch nicht plausibel. Der
Einfluss des Sturmes kann – wenn überhaupt – nur darin gelegen haben, dass die
ohnehin herabfallenden Hagelkörner in der Regenrinne aufgeschoben wurden und sich
dadurch ein Klumpen in dem Abflussrohr bildete. Das stellt aber kein "Werfen von
Gegenständen" im Sinne der vorgenannten Versicherungsbedingungen dar (OLG Köln
NJW-RR 2003, 167; OLG Oldenburg VersR 2001, 1233; LG Ravensburg VersR 1981,
648).
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III.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10 analog, 713
ZPO.
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