Urteil des LG Aachen vom 20.10.2008

LG Aachen: einstellung des verfahrens, gütliche einigung, auflage, lebensmittelpunkt, handbuch, kündigung, haus, antragsrecht, rückzahlung, immobilie

Landgericht Aachen, 3 T 304/08
Datum:
20.10.2008
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 T 304/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 18 K 113/07
Normen:
ZVG §§ 30, 30a, 30c, 95
Leitsätze:
Mit dem klaren und eindeutigen Wortlaut von § 30c Abs. 1 S. 1 ZVG, der
eine erneute Einstellungsmöglichkeit nur nach einer vorangegangenen
Einstellung nach § 30a ZVG, nicht aber nach § 30 ZVG vorsieht, wäre es
nicht vereinbar, dem Schuldner auch dann ein erneutes Antragsrecht
nach § 30a ZVG einzuräumen, wenn diese Möglichkeit (ein erstes Mal)
durch fruchtloses Verstreichenlassen der Frist gemäß § 30b Abs. 1 S. 2
ZVG oder durch bestandskräftige Ablehnung des Antrages durch das
Vollstreckungsgericht verbraucht wurde.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) wird auf ihre
Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag der
Schuldner auf einstweilige Einstellung des Verfahrens als unzulässig
verworfen wird.
Auf Antrag der Beteiligten zu 3) ordnete das Amtsgericht A. mit Beschluss vom 25. April
2007 die Zwangsversteigerung des oben näher bezeichneten, den Beteiligten zu 1) und
zu 2) mit ideellen Anteilen zu je ½ gehörenden Grundstücks an. Die Beteiligte zu 3)
betreibt die Zwangsvollstreckung aufgrund vollstreckbarer Ausfertigung des Notars Dr.
P. in A. vom 27. September 2001. Die Anordnung der Versteigerung erfolgte aufgrund
dinglichen und persönlichen Anspruches aus der zu Gunsten der Beteiligten zu 3) unter
Nr. III/3 im Grundbuch aufgrund des vorgenannten Titels eingetragenen Grundschuld
wegen einer Kapitalhauptforderung in Höhe von 245.500,00 Euro nebst 10 % Zinsen
seit dem 27. September 2001 und den Kosten der dinglichen Rechtsverfolgung. Die
Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragten am 9. Mai 2007 erstmals die einstweilige
Einstellung des Verfahrens gemäß § 30a ZVG. Diesen Antrag wies das
Vollstreckungsgericht durch Beschluss vom 22. August 2007 indes als unbegründet
zurück. Auf entsprechende Bewilligung der Beteiligten zu 3) vom 7. Dezember 2007
stellte das Amtsgericht das Verfahren im Weiteren allerdings gemäß § 30 ZVG
einstweilen ein. Auf rechtzeitigen Fortsetzungsantrag hin beschloss das Amtsgericht
unter dem 4. Juni 2008 die Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 31 ZVG. Der
entsprechende Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1)
und zu 2) versehen mit einer Rechtmittelbelehrung am 5. Juni 2008 zugestellt. Daraufhin
stellten die Beteiligten zu 1) und zu 2) am 19. Juni 2008 erneut Antrag auf einstweilige
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Einstellung des Verfahrens nach § 30a ZVG. Zur Begründung führten sie aus, sie seien
bemüht, eine gütliche Einigung mit der Beteiligten zu 3) zu erzielen; bei einer
freihändigen Veräußerung sei ein die Gesamtverbindlichkeiten übersteigender Erlös zu
erwarten; die minderjährigen Kinder der Beteiligten zu 1) und zu 2) hätten ferner ihren
Lebensmittelpunkt in dem Haus; die wirtschaftliche Situation des Beteiligten zu 1) werde
sich zudem aufgrund beruflicher Veränderung verbessern. Die Beteiligte zu 3) wies
demgegenüber darauf hin, dass die Verbindlichkeiten der Beteiligten zu 1) und zu 2)
zum 10. April 2007 durch Kündigung des Kredits gesamtfällig gestellt worden seien.
Das Amtsgericht wies den Einstellungsantrag der Schuldner daraufhin mit Beschluss
vom 19. August 2008 zurück. Gegen diesen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 20.
August 2008 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1) und zu 2) mit am
28. August 2008 eingereichter sofortiger Beschwerde. Das Amtsgericht hat derselben
nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Beschwerdegericht vorgelegt.
Die Kammer hat die Beschwerdeführer mit Verfügung vom 2. September 2008 darauf
hingewiesen, dass das Rechtsmittel nach Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Die sofortige Beschwerde der Schuldner ist gemäß §§ 30b Abs. 3, 95 ZVG i.V.m. § 11
Abs. 1 RPflG, 793, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise
eingelegt. In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.
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Das Amtsgericht hat den Einstellungsantrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) zu Recht
zurückgewiesen. Allerdings ist die Beschwerde nach Einschätzung des
Beschwerdegerichts bereits deshalb unbegründet, weil schon der auf einstweilige
Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 30a, 30c ZVG gerichtete Antrag der
Beschwerdeführer vom 19. Juni 2008 unzulässig war:
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§ 30b ZVG sieht die Stellung des Antrags auf einstweilige Einstellung binnen einer
Zweiwochenfrist ab Hinweis auf diese Möglichkeit nach der Anordnung des
Versteigerungsverfahrens vor. Diesen Antrag hatten die Beteiligten zu 1) und zu 2)
bereits unter dem 9. Mai 2007 erfolglos gestellt. Das entsprechende Recht wurde mit
Eintritt der Bestandskraft des zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts vom 22.
August 2007 prozessual verbraucht.
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Die Zulässigkeit des Antrags ergibt sich vorliegend allerdings auch nicht aus § 30c ZVG
im Hinblick darauf, dass das Verfahren mit Bewilligung der Beteiligten zu 3) zeitweise
eingestellt war. Ob ein Zwangsversteigerungsverfahren, das nicht gemäß § 30a ZVG
sondern aus einem anderen Grunde – hier: § 30 ZVG – einstweilen eingestellt war, nach
Fortsetzung des Verfahrens auf Antrag des Schuldners erneut unter den
Voraussetzungen von § 30 a ZVG eingestellt werden kann, ist im Gesetz nicht
ausdrücklich geregelt. Das Beschwerdegericht folgt insoweit der im Schrifttum
inzwischen wohl herrschenden Auffassung, dass es mit dem klaren und eindeutigen
Wortlaut von § 30c Abs. 1 S. 1 ZVG, der eine erneute Einstellungsmöglichkeit nur nach
einer vorangegangenen Einstellung nach § 30a ZVG, nicht aber nach § 30 ZVG
vorsieht, nicht vereinbar wäre, dem Schuldner auch dann ein erneutes Antragsrecht
nach § 30a ZVG einzuräumen, wenn diese Möglichkeit (ein erstes Mal) durch
fruchtloses Verstreichenlassen der Frist gemäß § 30b Abs. 1 S. 2 ZVG oder durch
bestandskräftige Ablehnung des Antrages durch das Vollstreckungsgericht verbraucht
wurde (vgl. LG Nürnberg-Fürth RPfleger 1983, 256; Stöber, ZVG-Handbuch, 8. Auflage
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2007, Rdn. 177c; Stöber, ZVG, 18. Auflage 2006, § 30b Rdn. 10.1, Böttcher, ZVG, 4.
Auflage 2005, § 30c Rdn. 15). Insoweit hält das Beschwerdegericht insbesondere nicht
an seiner im Beschluss vom 20. März 1987 – 3 T 76/87, MDR 1987, 683, geäußerten
Auffassung fest. Dieser Entscheidung hatte insbesondere die Überlegung zugrunde
gelegen, dass von dem Schuldner unvertretbare Nachteile fernzuhalten seien: dem
Gläubiger dürfe es insbesondere nicht möglich sein, nach Stellung eines
Schuldnerantrages nach § 30a ZVG aber vor der Entscheidung des Gerichts darüber
durch freiwillige Bewilligung einer Einstellung gemäß § 30 ZVG den Schuldnerschutz
zu unterlaufen und eine spätere, nochmalige Antragstellung nach § 30c ZVG zu
verhindern. Das Beschwerdegericht folgt insoweit der praktikableren und auch mit dem
Gesetzeswortlaut in Einklang stehenden Auffassung, dass die Einstellung des
Verfahrens auf Bewilligung des Gläubigers gemäß § 30 ZVG den zuvor gestellten und
noch nicht beschiedenen Antrag des Schuldners ohnehin nicht hinfällig macht, dass
dieser nach Fortsetzung des Verfahrens vielmehr noch zu bescheiden ist (vgl. Stöber,
ZVG-Handbuch, Rdn. 177b; Böttcher, ZVG, § 30c Rdn. 12). Auch durch eine freiwillige
Einstellungsbewilligung kann daher dem Schuldner nicht die Möglichkeit sowohl einer
erstmaligen Einstellung nach § 30a ZVG als auch einer darauf folgenden Einstellung
nach § 30c ZVG durch den Gläubiger genommen werden.
Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der angefochtene Beschluss allerdings
auch in der Sache zu Recht ergangen ist. Im Anwendungsbereich von §§ 30a Abs. 1,
30c ZVG ist das Zwangsversteigerungsverfahren auf Antrag des Schuldners nur dann
einstweilen auf die Dauer von höchstens sechs Monaten einzustellen, wenn die
begründete Aussicht besteht, dass durch die vorübergehende Einstellung die
Versteigerung vermieden wird und die Einstellung nach den persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners sowie nach der Art der Schuld der
Billigkeit entspricht. Die nach diesen Grundsätzen erforderliche Sanierungsfähigkeit ist
vorliegend jedoch weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Insbesondere hatte das Beschwerdegericht bereits darauf hingewiesen, dass sich die
Frage der Vermeidbarkeit der Versteigerung nicht daran orientiert, welche dem
Schuldner möglichen Zahlungen dazu führen könnten, dass ein nach ursprünglichem
Zahlungsplan (vor Kreditkündigung) bestehender Rückstand mit der Erbringung von
Ratenzahlungen getilgt wird. Ausschlaggebend ist vielmehr die Frage, ob der
Gesamtschuldenstand, dessentwegen vollstreckt wird, voraussichtlich zurückgeführt
werden kann. Dies wäre hier nach der bereits unstreitig erfolgten Kündigung des
gesamten Kredites zur sofortigen Rückzahlung ein Betrag von circa 250.000,00 Euro.
Die Schuldner haben nicht dargelegt, wie dieser Betrag innerhalb von 6 Monaten
zurückgeführt werden sollte, zumal sie ausdrücklich beabsichtigen, die Immobilie zu
halten. Die Angabe, es solle durch eine Umschuldungs- oder Anschlussfinanzierung die
Gläubigerin befriedigt werden, stellt sich nach dem bisherigen Verlauf als reine
Absichtserklärung dar, ohne dass eine konkrete Aussicht auf eine erfolgreiche
Umschuldung dargelegt oder glaubhaft gemacht wäre. Der Vortrag der Schuldner dazu,
dass sie Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.000,00 Euro auf ein Angebot der
Gläubigerin vom 18. September 2008 geleistet hätten, ist insoweit unzureichend. Es
steht der Gläubigerin frei, von welchen Kriterien sie eine freiwillige Bewilligung der
Einstellung nach § 30 ZVG abhängig macht. Die Einstellung nach § 30a ZVG hat sich
demgegenüber an den oben genannten Kriterien zu orientieren. Auch eine etwaige
Zahlung von 2 Raten zu je 1.500,00 Euro lässt insoweit nicht den Schluss darauf zu,
dass innerhalb von 6 Monaten weitere 247.000,00 Euro gezahlt werden könnten.
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Der Vortrag, das Haus stelle den Lebensmittelpunkt der minderjährigen Kinder der
Schuldner dar, kann schließlich als wahr unterstellt werden. Denn die Kriterien des §
180 Abs. 3 ZVG sind auf das Zwangversteigerungsverfahren nicht übertragbar, worauf
bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hatte. Die Voraussetzungen von § 765a
ZPO sind darüber hinaus nicht dargetan.
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Die Entscheidung über die Kostenerstattung folgt aus § 97 ZPO.
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Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) besteht nicht.
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Beschwerdewert: 49.100,00 Euro (§ 3 ZPO: 20 % der dinglichen
Kapitalbetrages dessentwegen vollstreckt wird).
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