Urteil des LG Aachen vom 08.08.2008

LG Aachen: vermieter, wirtschaftlichkeitsgebot, verschulden, durchschnitt, bewirtschaftung, abrechnung, belastung, vertragsverletzung, grenzwert, hauswart

Landgericht Aachen, 6 S 87/08
Datum:
08.08.2008
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 S 87/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 84 C 263/07
Schlagworte:
Kosten unwirtschaftliche Müllkapazität Betriebskostenspiegel
Normen:
BGB §§ 535, 280 Abs. 1
Leitsätze:
Die Belastung des Mieters mit überflüssigen Kosten stellt eine
Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB dar, die den Vermieter zum
Schadenersatz verpflichtet.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 07. März 2008 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Aachen - 84 C 263/07 - wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
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I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540
Abs. 2 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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Den Klägern steht der klageweise geltend gemachte Betrag von 1.107,87 € aus §§ 280
Abs. 1, 249, 535 BGB gegen die Beklagte zu, weil die Beklagte gegen das
Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen und daher den Klägern die angefallenen erhöhten
Kosten zu erstatten hat.
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Die Belastung des Mieters mit überflüssigen Kosten stellt eine Vertragsverletzung gem.
§ 280 Abs. 1 BGB dar, die den Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet. Der
Schadensersatzanspruch geht auf Freihaltung von den unnötigen Kosten. Die
Betriebskostenabrechnung ist daher um die unwirtschaftlichen Kosten zu bereinigen,
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was sowohl überflüssige Betriebskostenarten als auch diejenigen Kosten aus den
ansatzfähigen Kostenarten betrifft, die bei sorgfältigem, wirtschaftlichem Vorgehen nicht
angefallen wären. Dasselbe gilt, wenn die Mehrkosten nicht auf einem Verhalten des
Vermieters beruhen, sondern auf den Zustand des Gebäudes, seiner Anlagen und
Einrichtungen zurückzuführen sind. Entsprechend hat der Vermieter bereits (im Rahmen
von Betriebskostenvorauszahlungen) geleistete Beträge auf die überhöhten Kosten
zurückzuzahlen.
Nach Auffassung der Kammer ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass
die Beklagte gegen das Gebot der sparsamen Wirtschaftsführung verstoßen hat.
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Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot besagt, dass bei der Abrechnung nur die bei
gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung
gerechtfertigten Kosten auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Das bedeutet, dass nur
solche Kosten abgerechnet werden dürfen, die für eine ordnungsgemäße und sparsame
Bewirtschaftung erforderlich waren (AG Aachen, Urteil vom 06.12.2006; 14 C 204/06).
Der Vermieter muss sich bei der Bewirtschaftung seines Anwesens so verhalten, wie
sich ein wirtschaftlich denkender Eigentümer verhalten würde, wenn die Möglichkeit zur
Kostenumlage nicht bestünde (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 2. AL, § 556 Rn. 104).
Sparsame Wirtschaftsführung – wie sie vom Gesetzgeber jetzt in § 556 Abs. 3 und § 560
Abs. 5 BGB zusätzlich im Gesetz festgeschrieben wurde – bedeutet auch, dass der
Vermieter nicht eine unangemessen hohe Müllkapazität vorhalten kann (AG Köln WuM
2007, 409). Der Vermieter hat im Hinblick auf die Müllabfuhrkosten das Gebot der
Wirtschaftlichkeit zu beachten. Kosten für einen zu großen Restmüllcontainer oder eine
zu häufige Leerung können nicht dem Mieter auferlegt werden (AG Münster WuM 2001,
46). Dementsprechend hat der Vermieter die Größe der Müllbehälter wie auch die
Häufigkeit der Leerung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Auch kann die
Verpflichtung bestehen, Nutzung der Müllbehälter durch unbefugte Dritte zu verhindern.
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Die vorliegend insgesamt entstandenen und nach Wohnfläche auf die Mieter verteilten
Müllkosten sind außergewöhnlich hoch und zwar in einer derartigen Weise, dass dies
auffällig ist. Bereits diese außergewöhnliche Höhe der absoluten und relativen
Müllkosten spricht in ganz erheblichen Maße dafür, dass ein Verstoß gegen das
Wirtschaftlichkeitsgebot vorliegt, dass also hier unnötige oder unwirtschaftliche Kosten
vorliegen, die deshalb nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen.
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Nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes werden den Mietern
nämlich bundesweit im Durchschnitt monatliche Müllkosten je Quadratmeter von 0,18 €
im Jahr 2007 (geringfügige Abweichungen im Cent-Bereich in den Vorjahren nach
unten) in Rechnung gestellt. Vorliegend wurde den Klägern für das Jahr 2004 unstreitig
ein Betrag von monatlich 0,86 € je Quadratmeter in Rechnung gestellt, für die beiden
Folgejahre sind die Kosten geringfügig (auf 0,82 € bzw. 0,73 €) gesunken. Auch wenn
nicht definitiv auszuschließen ist, dass aus besonderen Gründen auch die Berechnung
eines solchen Betrages noch vertretbar sein kann, hat jedenfalls der Vermieter - hier die
Beklagte - diese besonderen Gründe für die - gegenüber dem Durchschnitt - hier um fast
300 % - erhöhten Kosten nachvollziehbar darzulegen.
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Aufgrund des krassen Auseinanderfallens der hier geltend gemachten Kosten und den
Angaben im Betriebskostenspiegel bedarf es nach Auffassung der Kammer auch
weiterer Darlegungen durch die Kläger (im Hinblick auf Personenzahl, Zahl der
Wohnungen, Größe der Behälter, Leerungsturnus, etc.) nicht.
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Der Vermieter ist nämlich beweispflichtig dafür, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz
gewahrt ist (vgl. AG Leipzig WuM 2003, 452). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die
Kläger Gründe für die Erhöhung der Kosten (Überdimensionierung der Müllbehälter;
Mülltourismus durch unbefugte Dritte) vorgetragen haben. Hiernach hätte es der
Beklagten oblegen, ihrerseits vorzutragen, inwiefern trotz der erhöhten für die
Müllentsorgung von ihr akzeptierten und an die Stadt V gezahlten Kosten unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände des Objekts das Wirtschaftlichkeitsgebot
gewahrt wird. Konkrete Umstände hat die Beklagte hierzu jedoch nicht vorgetragen, so
dass auch auf ihren Vortrag dem Antrag auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen ist. Der Vortrag der Beklagten, die
Kosten entsprächen dem Wirtschaftlichkeitsgebot, der durch
Sachverständigengutachten bewiesen werden soll, ist für einen ordnungsgemäßen
Beweisantritt nicht ausreichend. Auch die pauschale Behauptung, der Grenzwert von
0,22 € sei zu niedrig, ist unbeachtlich, zumal der Entscheidung des Amtsgerichts ein
Betrag von 0,36 € je qm/Monat zugrunde liegt.
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Dem steht auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH NJW-RR 2007, 1242) nicht entgegen. In der zur Frage des "Wärmecontracting"
ergangene Entscheidung hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Mieter
einen Verstoß des Vermieters gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ausreichend
dargelegt hätten. Dabei hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich die - weit verbreitete -
Auffassung zitiert, nach der der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt,
dass er den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz beachtet hat (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Diese
Auffassung hat der Bundesgerichtshof auch nicht in Frage gestellt, sondern lediglich für
den konkreten Fall angeführt, der Mieter habe zunächst konkret vorzutragen, dass
Heizwärme und Warmwasser in den der Abrechnung zu Grunde liegenden Zeiträumen
von einem anderen Wärmecontractor preiswerter angeboten wurden. Diese
Fallkonstellation ist aber mit der hier vorliegenden nicht vergleichbar, weil nicht die
Modalitäten eines Versorgungsvertrages in Frage gestellt werden, sondern die
grundsätzliche Notwendigkeit des Vorhandenseins bestimmter Kapazitäten zur
Müllentsorgung. Insoweit können sich die Kläger in Erleichterung ihrer Darlegungslast
auf den Betriebskostenspiegel berufen.
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Vor diesem Hintergrund hat aber die Beklagte, die darzulegen und zu beweisen hat,
dass sie das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet hat, nicht ansatzweise dargelegt, dass
die hier abzurechnenden Müllkosten trotz ihrer außergewöhnlichen Höhe noch als
wirtschaftliche und sinnvolle Ausgaben anzusehen waren. Die Beklagte hat nämlich
nicht dazu vorgetragen, wie viele Wohneinheiten in dem Objekt vorhanden sind und aus
welchen Gründen ein überdurchschnittliches Müllaufkommen, dass die Größe der
Müllgefäße rechtfertigen könnte, vorgelegen hat.
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Die Beklagte hat auch schuldhaft ihre Pflichten verletzt; jedenfalls ist ihr die Darlegung
fehlenden Verschuldens nicht gelungen. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt der
Schadensersatzanspruch des Mieters Verschulden des Vermieters voraus. Hat der
Mieter mit spezifizierten Einwänden dargetan, dass der Vermieter objektiv gegen den
Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoßen hat, kann grundsätzlich auf eine Pflichtverletzung
des Vermieters geschlossen werden, so dass er zur Abwehr des Anspruchs gehalten ist,
sich zu entlasten. Das Entlastungserfordernis bezieht sich auch auf das Verschulden
von Erfüllungsgehilfen. Der Vermieter muss es sich daher z. B. zurechnen lassen, wenn
der Hauswart ständig überzählige Müllgefäße nicht zur Kenntnis nimmt und die
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gebotene Information der Hausverwaltung unterlässt (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. AL,
§ 560, Rn. 114). Dass der Vermieter Hinweisen der Mieter auf überflüssige Kosten
nachgehen muss, versteht sich im Grundsatz von selbst. Zuweilen reagiert er gleichwohl
überhaupt nicht oder erst nach langer Zeit auf derartige Informationen. Ob dies ohne
weiteres als Verschulden gewertet werden kann, hängt grundsätzlich von den
Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend haben die Kläger über mehrere Jahre die
Müllkosten beanstandet. Darüber hinaus ist die Problematik in dem Parallelprozess seit
2005 thematisiert worden, ohne dass die Beklagte letztlich Maßnahmen ergriffen hätte.
Mangels näherer Angaben, die die Ermittlung einer angemessenen Müllkapazität
ermöglicht hätten, hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise einen von den
Klägern zu tragenden Anteil der Müllkosten in Abzug gebracht. Nachdem die Kläger
selbst von ihnen zu tragende Kosten im vorliegenden Rechtsstreit ermittelt haben, die
einem - über dem Durchschnitt liegenden - Betrag von 0,36 € je qm monatlich
entsprechen, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden.
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III.
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Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
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IV.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Streitwert: bis 1.200,00 €.
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X3
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