Urteil des LG Aachen vom 22.08.2008

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Landgericht Aachen, 6 T 66/08
Datum:
22.08.2008
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 T 66/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 91 IK 265/06
Schlagworte:
Insolvenzmasse; Steuererstattungsansprüche
Normen:
§§ 36 InsO, 46 AO, 850 ff ZPO
Leitsätze:
Der Anspruch auf Erstattung von Einkommenssteuerzahlungen gehört
zur Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende
Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht
worden ist (BGH ZIP 2006, 340).
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Aachen vom 27. Juni 2008 wird auf seine Kosten zurück
gewiesen.
Gründe:
1
I.
2
Unter dem 24. Juli 2006 beantragte der Schuldner, das Insolvenzverfahren über sein
Vermögen zu eröffnen. Zugleich stellte er Antrag auf Restschuldbefreiung und Stundung
der Verfahrenskosten.
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Mit Beschluss vom 30. Oktober 2006 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren
eröffnet und den Treuhänder ernannt.
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Für das Jahr 2005 hat der Schuldner ausweislich eines Bescheides des Finanzamts
vom 13. Juni 2006 eine Steuererstattung in Höhe von 4.109,48 € erhalten, wobei der
Betrag ausweislich einer Mitteilung der Lebensgefährtin des Schuldners teilweise mit
Rückständen verrechnet wurde.
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Mit verschiedenen Schreiben ab September 2007 wurde durch den Schuldner die
Auszahlung der Steuererstattung für das Jahr 2006 begehrt, ohne dass ein
entsprechender Bescheid vorgelegt wurde. Unter dem 17. April 2008 teilte der
Treuhänder dem Gericht mit, dass das im Jahressteuerbescheid für das Jahr 2006
ausgewiesene Guthaben von 3.765,68 € dem Anderkonto des Treuhänders zugeflossen
ist.
6
Mit Beschluss vom 27. Juni 2008 hat der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts
den Antrag auf Freigabe des mit Bescheid des Finanzamtes Schleiden vom 26.
November 2007 festgestellten Steuererstattungsanspruchs für 2006 zurück gewiesen.
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Gegen den ihm am 02. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit
Schreiben vom 07. Juli 2008, eingegangen beim Amtsgericht Aachen am 10. Juli 2008,
sofortige Beschwerde erhoben und geltend gemacht, finanziell den Lebensunterhalt
nicht mehr gewährleisten zu können. Wegen der weiteren Begründung wird auf das
Schreiben (Bl. 270 f. d. GA.) verwiesen.
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Mit Beschluss vom 08. August 2008 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Akte der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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1.
11
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 793, 567 ff. ZPO zulässig i.V.m. § 36 Abs. 1 ZPO
zulässig.
12
Der Rechtsmittelzug richtet sich nämlich nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn
das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht
entscheidet (vgl. BGH WM 2004, 834 und BGH ZVI 2007, 78). Demnach ist gegen den
angefochtenen Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts gemäß § 11 Abs. 1
RPflG, § 793 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet.
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2.
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Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
15
Der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen gehört zur
Insolvenzmasse, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder
während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist (BGH ZIP 2006, 340).
Demnach besteht kein Zweifel, dass die hier in Rede stehenden Erstattungsansprüche
für das Jahr 2006, in dem auch der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über sein Vermögen beantragt hat, der Insolvenzmasse zuzurechnen sind und somit
richtigerweise der Betrag an den Treuhänder ausgekehrt worden ist.
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Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem
Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des
Verfahrens erlangt. Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß
§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Ansprüche auf Erstattung von
Einkommenssteuer sind jedoch gemäß § 46 Abs. 1 AO pfändbar.
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Die Steuererstattung kann auch nicht (auch nicht teilweise) nach §§ 850 f ff. ZPO dem
Schuldner belassen werden. Bei dem Steuererstattungsanspruch handelt es sich nicht
um eine Forderung, die diesen Regelungen unterfällt. Nach den genannten Vorschriften
kann das Insolvenzgericht dem Schuldner auf dessen Antrag von dem grundsätzlich
pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens (oder Vergütungen für persönlich geleistete
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Arbeiten oder Dienste) einen Teil belassen, wenn besondere Bedürfnisse des
Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern und
überwiegende Belange der Gläubiger nicht entgegenstehen. Bei der Steuererstattung
handelt es sich jedoch nicht um Beträge, die hierunter zu fassen sind.
Im Fall einer Rückerstattung von Einkommenssteuer wird aus dem Steueranspruch des
Staates der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (§ 37 Abs. 2 AO), ohne dabei
seinen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu
erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den
Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines
Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht
(vgl. BGH ZInsO 2005, 873 m.w.N.).
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Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
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Beschwerdewert: 4.109,48 €
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Dr. X Q X1
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