Urteil des LG Aachen vom 13.02.2009

LG Aachen: nebenkosten, abrechnung, fahrzeug, unfall, abrede, meinung, verkehrssicherheit, vollkaskoversicherung, abweisung, abholung

Landgericht Aachen, 5 S 166/08
Datum:
13.02.2009
Gericht:
Landgericht Aachen
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 166/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Heinsberg, 3 C 59/08
Schlagworte:
Schwacke - Mietpreisspiegel 2006
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.09.2008 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Heinsberg - 3 C 59/08 - teilweise abgeändert
und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, die
Klägerin von einer Restforderung der Firma XXX, gemäß Rechnung Nr.
..... vom 11.03.2008 in Höhe von 275,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem
31.05.2008 frei zu stellen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites einschließlich des Berufungsverfahrens
haben die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 % zu tragen.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 313 a Abs. 1,
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.
1
II.
2
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache
teilweise Erfolg.
3
Restliche Mietwagenkosten stehen der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB
lediglich in Höhe von 275,35 € gegen die Beklagte zu, so dass ihrem
Freistellungsbegehren lediglich insoweit zu entsprechen war.
4
Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht seiner Schadensberechnung
den Schwacke-Automietpreisspiegel 2006 zugrunde gelegt hat.
5
Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass dem angefochtenen Urteil nicht der Schwacke-
Mietpreisspiegel 2007, sondern derjenige aus 2006 zu Grunde liegt. Der vom Kläger
6
geltend gemachte Wochenpreis von 757,00 €, der auch vom Amtsgericht zugrunde
gelegt worden ist, ist nämlich dem Mietpreisspiegel 2006 entnommen.
Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 stellt indes nach Auffassung der Kammer keine
geeignete Schätzungsgrundlage dar (so auch OLG München, Urteil vom 25.07.2008 -
10 U 2539/08; LG Dortmund , Urteil vom 03.07.2008 - 4 S 29/08 -).
7
Zwar kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich der Tatrichter
nicht mehr im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens bewegt, wenn er den
Normaltarif auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 ermittelt (BGH
NJW 2008, 1519). Es ist auch nicht Aufgabe des Tatrichters allgemein gehaltenen
Angriffen gegen eine Schätzungsgrundlage nachzugehen. Die Eignung von Listen oder
Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedürfen nur
dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend
gemachten Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu
entscheidenden Fall auswirken (BGH a.a.O).
8
Solch konkrete Tatsachen hat die Beklagte indes vorliegend vorgebracht. Sie hat
insbesondere dargelegt, dass nach dem Marktmietpreisspiegel 2008 des Fraunhofer
Instituts der Wochenmietpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug nur 356,79 €
beträgt, damit weniger als die Hälfte des Preises ausweist, den der Schwacke-
Automietpreisspiegel 2006 angibt. Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner
Entscheidung vom 10.10.2008 - 6 U 115/08 - ausgeführt, dass der Mietpreisspiegel des
Fraunhofer Instituts Anlass bietet, die in der Schwacke Liste ausgewiesenen Werte in
Zweifel zu ziehen. Dem pflichtet die Kammer bei. Der Kammer ist aus zahlreichen
Verfahren bekannt, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 gegenüber demjenigen
von 2003 ganz erhebliche Preissteigerungen ausweist. Im vorliegenden Fall ist nach
dem Schwackespiegel 2003 ein Wochenpreis von 518,00 € im gewichteten Mittel
gegeben. Dies bedeutet, dass der Schwackespiegel 2006 (757,00 €) eine Steigerung
von nahezu 46 % beinhaltet. Diese außergewöhnliche Preissteigerung in einem
Zeitraum von nur 3 Jahren ist nicht nachvollziehbar, insbesondere mit der in diesen
Jahren herrschenden Inflationsrate nicht erklärbar. Eine Erklärung für diesen
Preissprung könnte in der Form der Erhebung, wie Schwacke sie durchführt,
möglicherweise zu sehen sein. Schwacke ermittelt die Preise nämlich durch Umfragen
bei den Autovermietern. Es liegt daher nahe, dass diese bei ihren Angaben gegenüber
Schwacke ein Interesse daran haben, den Normaltarif möglichst hoch anzusetzen. Dies
gilt insbesondere, nachdem durch eine Änderung der Rechtsprechung der
Unfallersatztarif für die Fälle des Unfallersatzgeschäftes seine Bedeutung verloren und
der Normaltarif erheblich an Gewicht gewonnen hat.
9
Die Tatsache, dass die Kammer den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 nicht als
geeignete Schätzungsgrundlage erachtet, führt nicht etwa dazu, dass sie zur Einholung
eines Sachverständigengutachtens verpflichtet wäre, um den "richtigen" Mietpreis zu
ermitteln. Die Kammer darf vielmehr auf eine andere geeignete Schätzungsgrundlage
zurückgreifen (BGH, Urteil vom 14.10.2008 - VI ZR 308/07 -). Eine geeignete
Schätzungsgrundlage sieht die Kammer im Schwackespiegel 2003. Dieser ist zustande
gekommen, bevor sich die Rechtsprechung zum Unfallersatztarif geändert hat, so dass
ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die dort niedergelegten Preise
noch nicht unverhältnismäßig hoch angesetzt sind. Es fragt sich allenfalls, ob infolge
des Zeitablaufes ein - pauschaler - Zuschlag vorzunehmen ist. Allerdings liegt der
Schwacke-Preis 2003 noch immer deutlich über dem Preis des Fraunhoferspiegels
10
2008 (356,79 €), er übersteigt ihn um nahezu 46 %. Aus diesem Grunde besteht aus
Sicht der Kammer keine Veranlassung, einen Aufschlag vorzunehmen.
Ferner rügt die Beklagte mit der Berufung zu Recht, dass das Amtsgericht der Klägerin
einen 20%igen Aufschlag auf den Normaltarif zugebilligt hat. Das Amtsgericht hat
diesen Aufschlag ohne nähere Prüfung unter Berufung auf das Urteil des
Oberlandesgerichts Köln vom 02.03.2007 - 19 U 181/06 - als gerechtfertigt angesehen.
Ob in den in diesem Urteil behandelten Fällen den Geschädigten aber ein Normaltarif
zugänglich war, ist nicht ersichtlich.
11
Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 18.03.2008 - 15 U 145/07,
der Rechtsprechung des BGH folgend (vgl. BGH VersR 2007, 515; BGH VersR 2007,
706) aber klargestellt, dass die Nichtzugänglichkeit eines Normaltarifes Voraussetzung
ist, um einen 20%igen Aufschlag vorzunehmen. Insoweit obliege die Beweislast dem
Geschädigten. Die Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, dass ihr ein Normaltarif nicht
zugänglich gewesen sei. Dieser Tatsache steht auch schon der Umstand entgegen,
dass sich der Unfall am 15.02.2008 zugetragen hat, die Anmietung des
Ersatzfahrzeuges indes erst am 21.02.2008, also 6 Tage später erfolgt ist. Es entspricht
ständiger Rechtsprechung der Kammer, dass von der Nichtzugänglichkeit eines
Normaltarifes nicht mehr ausgegangen werden kann, wenn zwischen Unfall und
Anmietung ein Zeitraum verstrichen ist, innerhalb dessen sich der Geschädigte nach
anderen Tarifen hätte erkundigen können.
12
Hinsichtlich der Mietwagen-Nebenkosten hat die Berufung nur teilweise Erfolg. Im
Einzelnen:
13
Die Kosten für die Zustellung und Abholung eines Mietwagens sind erstattungsfähig, da
ein Unfallgeschädigter diesen Service grundsätzlich in Anspruch nehmen darf (OLG
Köln NZV 2007,199). In erster Instanz hat die Beklagte nicht bestritten, dass ein solcher
Service seitens des Mietwagenunternehmens erfolgt ist. Soweit sie dies nunmehr im
Berufungsverfahren in Abrede stellt, ist ihr Vortrag verspätet (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
14
Dass die Kosten für den Abschluss einer Kaskoversicherung vom Geschädigten zu
tragen sind, entspricht ganz herrschender Meinung (vgl. OLG Köln a.a.O.).
15
Der Geschädigte darf auch Winterreifern in Anspruch nehmen, wenn - wie vorliegend -
es sich bei der Mietzeit um eine Zeit handelt, in der Winterreifen üblicherweise zu einer
erhöhten Verkehrssicherheit führen (LG Aachen, Urteil vom 07.11.2008 - 7 O 113/08).
16
Schließlich hat die Beklagte in erster Instanz nicht bestritten, dass das angemietete
Fahrzeug von einem weiteren Fahrer genutzt worden und daher die diesbezügliche
Vereinbarung mit dem Mietwagenunternehmen erforderlich gewesen ist. Das erstmalige
Bestreiten im Berufungsverfahren ist verspätet.
17
Hinsichtlich der Nebenkosten war die vom Amtsgericht vorgenommene Abrechnung im
Übrigen insoweit zu berichtigen als die in Ansatz gebrachten Beträge dienjenigen
Preise übersteigen, welche der Klägerin tatsächlich in Rechnung gestellt worden sind.
18
Es ergibt sich danach auf der Grundlage des Schwackespiegels 2003 folgende
Abrechnung:
19
1. Wochenpauschale (518,00 €) abzüglich 10 % Eigenersparnis: 466,20 €
20
2. Wochenpauschale Vollkaskoversicherung 147,00 €
21
3. Winterreifen (Rechnungsbetrag) 50,00 €
22
4. zusätzlicher Fahrer (Rechnungsbetrag) 32,35 €
23
5. Zustell- bzw. Abholkosten 32,00 €
24
727,55 €
25
=========
26
Abzüglich der von der Beklagten vorprozessual erbrachten Zahlung in Höhe von 452,20
€ verbleibt ein offener Restbetrag von 275,35 €. In dieser Höhe steht der Klägerin ein
Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu.
27
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, 91 Abs. 1 ZPO.
28
Berufungsstreitwert: 737,30 €.
29
Für den wegen Urlaubs an
30
der Unterschriftsleistung ge-
31
hinderten Richter C
32
O O X
33