Urteil des LAG Köln vom 15.01.2004

LArbG Köln (Altersrente, Dienstzeit, Zusage, Arbeitsgericht, Versorgungsplan, Kopie, Anwartschaft, Unterliegen, Umkehrschluss, Kalb)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 6 (10) Sa 1134/03
15.01.2004
Landesarbeitsgericht Köln
6. Kammer
Urteil
6 (10) Sa 1134/03
Arbeitsgericht Köln, 4 Ca 355/03
Betriebliche Altersversorgung, weitergehende Zusage, Auslegung
§ 2 BetrAVG
Arbeitsrecht
Für den Arbeitnehmer bessere, vom Mindestschutz des BetrAVG
abweichende Vereinbarungen oder Zusagen unterliegen als
privatautonome Gestaltungen keinen erhöhten formalen Anforderungen.
Es reicht aus, wenn sich eine weitergehende Zusage durch Auslegung
der vom Arbeitgeber aufgestellten Versorgungsordnung feststellen lässt
(hier: Verzieht auf zeitanteilige Kürzung der Betriebsrentenanwartschaft
gemäß § 2 BetrAVG).
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am
24.04.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts
Köln - 4 Ca 355/03 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
auf betriebliche Altersversorgung, die nach der Berechnung des Klägers monatlich 178,10
EUR betragen soll, während die Beklagte nur einen Betrag von 132,97 EUR bescheinigt
hat (Kopie Blatt 25 d. A.). Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69
Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der auf eine Korrektur der Anwartschaftsbescheinigung gerichteten
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Das Arbeitsgericht hat der auf eine Korrektur der Anwartschaftsbescheinigung gerichteten
Klage mit Urteil vom 24.04.2003 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt, dass nach Maßgabe der zu Grunde liegenden Versorgungsordnung eine
ratierliche Kürzung des Versorgungsanspruchs nach dem Verhältnis der tatsächlichen zur
möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr ausscheide, weil diese
Kürzungsmöglichkeit abweichend von § 2 BetrAVG nur für den Fall der Anrechnung von
Vordienstzeiten vorgesehen sei.
1. Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG
zulässig und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger bei der Berechnung seiner
unverfallbaren Betriebsrentenanwartschaft keine zeitanteilige Kürzung gemäß § 2 Abs. 1
BetrAVG hinnehmen muss. Dies folgt aus der insoweit wortgleichen Regelung in Ziffer 12
Abs. 1 des Versorgungsplans vom 04.12.1997 bzw. in Ziffer 11 Abs. 1 des
Versorgungsplans vom 22.11.1979. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Der Beklagten ist zuzugeben, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer vor Eintritt des
Versorgungsfalls mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem
Dienstverhältnis ausscheidet, sein betriebliches Ruhegeld grundsätzlich nach § 2 Abs. 1
BetrAVG ratierlich zu kürzen ist und dass der Arbeitnehmer für eine von der gesetzlichen
Grundregel abweichende, ihm günstigere Zusage darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl.
nur BAG vom 12.03.1985 - 3 AZR 450/82 - NZA 1986, 135 m. w. N.). Derartige für den
Arbeitnehmer bessere, vom Mindestschutz des BetrAVG abweichende Vereinbarungen
oder Zusagen unterliegen allerdings als privatautonome Gestaltungen keinen erhöhten
formalen Anforderungen. Insbesondere ist nicht generell eine ausdrückliche Formulierung
der Abweichung vom BetrAVG erforderlich (vgl. BGH vom 13.01.2003 - II ZR 254/00 - NJW
2003, 2908 m. w. N.). Es reicht aus, wenn sich eine weitergehende Zusage durch
Auslegung der vom Arbeitgeber aufgestellten Versorgungsordnung feststellen lässt.
Dies ist hier der Fall, wie der Regelung in Ziffer 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 des
Versorgungsplans von 1997 zu entnehmen ist. Dort heißt es:
"Wenn ein Mitarbeiter nach mindestens zehn Jahren einer anrechnungsfähigen
Dienstzeit aus irgendeinem Grund - ausgenommen Tod - aus den Diensten der
Gesellschaft ausscheidet, ohne dass ein sofortiger Anspruch auf Alters- oder
Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungsplan besteht, so bleiben die erworbenen
Anwartschaften auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrente erhalten.
Maßgebend ist diejenige Altersrente, die sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen
anrechnungsfähigen Dienstzeit nach den gleichen Grundsätzen wie die normale
Altersrente berechnet."
Von einer ratierlichen Kürzung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrAVG ist keine Rede,
obwohl der Regelungszusammenhang einen solchen Hinweis nahegelegt hätte, wenn die
Beklagte von einer solchen Kürzungsmöglichkeit hätte Gebrauch machen wollen. Im
Gegenteil spricht die Formulierung "unter Berücksichtigung der tatsächlichen
anrechnungsfähigen Dienstzeit nach den gleichen Grundsätzen wie die normale
Altersrente" dafür, dass die Anwartschaft auf Grund der tatsächlichen anrechnungsfähigen
Dienstzeit nach näherer Maßgabe der "Tabelle zu Ziffer 5 normale Altersrente" zum
Versorgungsplan von 1974 (Kopie Blatt 20 d. A.) ohne weitere Kürzung berechnet werden
sollte. Für dieses Verständnis spricht entscheidend auch der Satz 3 in Ziffer 12 Abs. 1, der
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eine Kürzungsmöglichkeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG ausdrücklich nur für den Fall
vorsieht, dass es gemäß Ziffer 14 des Versorgungsplans zu einer Rückdatierung des
Diensteintritts über den tatsächlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses hinaus kommt.
Daraus kann im Umkehrschluss zusammen mit dem Hinweis auf die Berechnung nach der
"normalen Altersrente" nur geschlossen werden, dass die ratierliche Kürzung im Übrigen
nicht stattfinden sollte. Der bereits zitierten Tabelle über die Berechnung der normalen
Altersrente zur Versorgungsordnung von 1974 ist zu entnehmen, dass sich der Anspruch
auf betriebliche Altersversorgung ab dem fünften anrechnungsfähigen Dienstjahr um
jährlich 0,6 % erhöht. Dieser Faktor wurde durch den Versorgungsplan vom 04.12.1997 auf
0,3 % jährlich herabgesetzt, ohne dass es sonstige Änderungen bei der Ermittlung der
"normalen Altersrente" gab. Dies hat der Kläger bei seiner Berechnung zutreffend zu
Grunde gelegt.
Dieses im Wege der Auslegung mit Rücksicht auf den objektiven Erklärungswert der
Regelungen nach den §§ 133, 157 BGB gewonnene Ergebnis wird auch nicht dadurch in
Frage gestellt, dass in der Vergangenheit bei der Beklagten in vergleichbaren Fällen eine
ratierliche Kürzung tatsächlich immer vorgenommen worden sein soll. Die Beklagte hat
schon nicht vorgetragen, dass dem Kläger als Erklärungsempfänger diese möglicherweise
von dem objektiven Erklärungswert abweichende Praxis bekannt gewesen ist und unter
diesem Aspekt bei der Auslegung zu berücksichtigen gewesen wäre.
Auch der zuletzt überreichte Nachtrag zur bestehenden Betriebsvereinbarung zur
betrieblichen Altersversorgung, der mit Wirkung zum 01.01.2004 in Kraft getreten ist,
vermag eine Rückwirkung auf den Streitfall nicht zu entfalten. Darin ist Ziffer 12 Abs. 1 der
bisherigen Versorgungsordnung ersatzlos gestrichen und für die Zukunft eine Klarstellung
im Sinne des § 2 Abs. 1 BetrAVG getroffen worden.
II.
ZPO die Kosten der Berufung tragen.
III.
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen
Umständen des Einzelfalls beruht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der
Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
(Dr. Kalb) (Alsbach) (Hahn)