Urteil des LAG Köln vom 31.01.2002

LArbG Köln (Wider Besseres Wissen, Unwirksamkeit der Kündigung, Anfechtung, Anschlussberufung, Vergleich, Auflösung, Auflage, Datum, Abfindung, Einwilligung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 5 (4) Sa 1325/00
31.01.2002
Landesarbeitsgericht Köln
5. Kammer
Urteil
5 (4) Sa 1325/00
Arbeitsgericht Köln, 3 Ca 8935/99
Anschlussberufung; Vergleichsanfechtung
§ 521 ZPO; § 123 BGB
Arbeitsrecht
Für eine Anschlussberufung, § 521 ZPO (a..F.) bedarf es keiner
ausdrücklichen Bezeichnung, es genügt, wenn (hier: durch den
Auflösungsantrag der damit erstinstanzlich unterlegenen Partei ) deutlich
wird, dass die Berufungsbeklagte ebenfalls eine Abänderung des Urteils
erreichen will.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Prozessvergleich
vom 06.07.2001 beendet worden ist. Die Beklagte trägt die weiteren
Kosten des Rechtsstreits Die Revision wird nicht zugelassen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die von der Beklagten erklärte Anfechtung des in der Berufungsverhandlung vom
06.07.2001 protokollierten Prozessvergleichs ist unbegründet und unwirksam, auf den
Antrag des Klägers ist daher im Urteil wie erkannt zu entscheiden, dass der Rechtsstreit
durch den Vergleich erledigt bzw. beendet ist (vgl. BGHZ 16, 167, 171; BGHZ 46, 277).
1. Die von der Beklagten zur Begründung der Anfechtung vorgetragenen Umstände sind
sämtlich nicht geeignet, eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung oder arglistiger
Täuschung durch den Vorsitzenden der 4. Kammer des LAG zu begründen, §§ 123, 142
BGB.
1. Soweit es sich um eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung handelt, ist der
Vortrag der Beklagten bereits unschlüssig. Denn sie behauptet nicht, dass der Vorsitzende
der Kammer wider besseres Wissen eine falsche Rechtsauffassung vertreten hat, um sie in
der Sitzung vom 06.07.2001 zum Abschluss des Vergleichs zu veranlassen. Vielmehr trägt
sie lediglich vor, der Vorsitzende habe eine "falsche Rechtsauffassung" vertreten, die
anderslautende Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hätte "der 9. Kammer" (gemeint
wohl: dem Vorsitzenden der 4. Kammer) bekannt sein müssen. Damit trägt die Beklagte
aber nicht vor, dass der Vorsitzende der 4. Kammer die gegenteilige Auffassung kannte,
sondern nur, dass er sie hätte kennen müssen. Abgesehen davon trifft das Vorbringen der
Beklagten aber auch in der Sache nicht zu:
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In der von ihr herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG NJW 1971,
1332) hat das BAG sich lediglich zu der Frage geäußert, ob im Falle eines Richterwechsels
im Berufungsverfahren ohne erneute Antragstellung ein Urteil verkündet werden darf, sich
aber nicht zu der völlig anderen Frage geäußert, bis zu welchem Zeitpunkt eine
Berufungsrücknahme durch den Berufungskläger ohne Einwilligung des
Berufungsbeklagten zulässig ist. Nach der insoweit eindeutigen und nicht weiter
auslegungsfähigen Bestimmung des § 515 Abs. 1 ZPO ist dies "nur bis zum Beginn der
mündlichen Verhandlung des Berufungsbeklagten" zulässig. Gemäß § 137 Abs. 1 ZPO
(a.F.) beginnt die mündliche Verhandlung mit der Stellung der Anträge. Eine
Berufungsrücknahme ist daher ohne Einwilligung des Berufungsbeklagten nicht mehr
möglich, wenn dieser den Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt hat (vgl. BGH
NJW 1990, Seite 840). Die Klägerin hatte bereits in der Sitzung vom 27.03.2001 den Antrag
auf Zurückweisung der Berufung und zusätzlich ihrerseits den Auflösungsantrag aus der
Berufungserwiderung vom 24.01.2001 gestellt, die mündliche Verhandlung hatte damit
begonnen, ohne dass es - für die Frage einer einseitigen Berufungsrücknahme ohne
Zustimmung des Gegners - darauf ankommt, in welcher Kammerbesetzung die weiteren
Verhandlungstermine stattgefunden haben.
Unabhängig davon hat die Beklagte auch nicht berücksichtigt, dass der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu Beginn der Berufungsverhandlung vom
06.07.2001, in der die Berufungsrücknahme erfolgt ist, ausdrücklich "hilfsweise" beantragt
hatte, das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen
Kündigung aufzulösen. Mit diesem Hilfsantrag hat er hinreichend deutlich gemacht, dass
die Berufungsbeklagte die streitige Verhandlung fortsetzen und gegebenenfalls auch eine
Entscheidung über den mit dem Hilfsantrag verbundenen, ebenfalls auf Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gerichteten Hauptantrag herbeiführen wollte.
3) Auch das weitere zur Begründung der Anfechtung von der Beklagten vorgebrachte
rechtliche Argument, eine Entscheidung über den Auflösungsantrag der Klägerin hätte im
Fall des Nichtzustandekommens des Vergleichs - entgegen der vom Vorsitzenden der 4.
Kammer vertretenen Auffassung - überhaupt nicht ergehen dürfen, trifft nicht zu. Die
Auffassung der
Beklagten, das Gericht hätte nur bei Einlegung einer Anschlussberufung, welche die
Klägerin "tatsächlich nicht" eingelegt habe, über den Auflösungsantrag entscheiden dürfen,
über den Auflösungsantrag sei daher bereits rechtskräftig durch das erstinstanzliche Urteil
entschieden gewesen, ist unzutreffend. Die Beklagte verkennt hierbei, dass es für eine
Anschlussberufung im Sinne des § 521 ZPO (a.F.) keiner ausdrücklichen Bezeichnung des
entsprechenden Schriftsatzes als Anschlussberufung bedarf. Nach allgemeiner Meinung ist
hierfür vielmehr ausreichend und notwendig die zweifelsfreie Erklärung, dass der
Berufungsbeklagte ebenfalls eine Abänderung des Urteils erreichen will, dass er sich durch
das Urteil beschwert fühlt und deshalb durch einen eigenen Angriff den Streitgegenstand in
der Berufungsinstanz erweitern will (vgl. BGH FamRZ 1984, Seite 659; BGH NJW 1990,
Seite 449; Zöller/Gummer , 22. Auflage, § 522 a ZPO, Rdn. 2 Baumbach - Albers, Komm.
zur ZPO, § 522a , Rdn 1). Der von der Klägerin in der Berufungserwiderung erneut - nach
Abweisung durch das angefochtene Urteil - gestellte Auflösungsantrag erfüllt zweifellos
diese von der Rechtsprechung an eine zulässige Anschlussberufung gestellten
Voraussetzungen.
4) Die weitere Auffassung der Beklagten, das Gericht habe über den Auflösungsantrag
nicht entscheiden dürfen, weil es gemäß § 13 Abs. 3 KSchG daran gehindert gewesen sei,
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ist ebenfalls offensichtlich unrichtig und entspricht weder dem Wortlaut der §§ 9 Abs.1 S.2,
13 Abs.1 S. 3 KSchG noch der allgemeinen, hierzu in Rechtsprechung und Lehre
vertretenen Auffassung. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann die Auflösung
des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer - anders als durch den Arbeitgeber - nach
§ 9 Abs.1 S.2 i.V.mit § 13 Abs.1 S.3 KSchG auch dann beantragt werden, wenn die
Unwirksamkeit der Kündigung nicht ausschließlich auf deren Sozialwidrigkeit, sondern
auch auf andere Gründe, etwa § 102 BetrVG gestützt wird (BAG AP § 9 KSchG 1969 Nr.6;
ebenso u.a. KR-Spilger 6. Auflage, § 9 KSchG, Rdn. 27 m.w.N.; APS - Biebl, § 13 KSchG,
Rdn.53).
1. Soweit die Beklagte in ihrem weiteren, die Anfechtung ergänzenden Schriftsatz vom
05.11.2001 darauf hinweist, der Vorsitzende Richter habe vor Abschluss des Vergleichs
darauf hingewiesen, dass es ohne den Vergleich im Hinblick auf ein nicht mehr
angreifbares Auflösungsurteil "noch teurer" werden könne, vermag dies den Tatbestand der
"widerrechtlichen Drohung" nicht zu erfüllen. Zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung am
20.10.1999 hatte das Arbeitsverhältnis der 1942 geborenen Klägerin über 20 Jahre
bestanden, es hätte daher nach § 10 Abs. 2 S. 1 KSchG als Abfindung ein Betrag bis zu 18
Monatsverdiensten festgesetzt werden können. Bei einem Monatsverdienst der Klägerin
von unstreitig 5.200,-- DM war demgemäß gesetzlich ohne Weiteres die Festsetzung einer
Abfindung von 93.600,-- DM möglich und zulässig. Die Festsetzung dieser
Höchstabfindung oder eines annähernd hohen Abfindungsbetrags lag hier schon deshalb
nahe, weil offensichtlich entsprechend dem von der Klägerin in der Berufungsverhandlung
vom 06.07.2001 gestellten Hilfsantrag eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Datum
der fristlosen Kündigung (20.10.1999), wie sie dann auch im Vergleich vereinbart wurde,
beabsichtigt war. Damit wäre der Verlust des Verzugslohns für die Dauer der
Kündigungsfrist von mehr als 7 Monaten bis zum 31.05.2000 verbunden gewesen, was
allein schon ein gewichtiger, für die Festsetzung der Höchstabfindung sprechender
Gesichtspunkt gewesen wäre. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an,
ob etwaige Ansprüche der Klägerin auf Verzugslohn oder aufgrund einer tarifvertraglichen
Ausschlussfrist verfallen waren. Unabhängig davon hat die Beklagte weder im Einzelnen
dargelegt, welche Ansprüche auf Verzugslohn die Klägerin in dem durch den Vergleich
miterledigten Rechtsstreit beim Arbeitsgericht Köln (5 Ca 4630/00) geltend gemacht hatte
und in welchem Umfang und in welcher Höhe diese Ansprüche verfallen gewesen wären.
Nach alledem sind die zur Anfechtung vorgetragenen Tatsachen und Rechtsauffassungen
insgesamt unschlüssig und unzutreffend. Die neu entstandenen Kosten sind entsprechend
§ 91 Abs. 1 ZPO demjenigen aufzuerlegen, der sich ohne Erfolg auf die Unwirksamkeit des
Vergleichs berufen hat (vgl. Thomas-Putzo, Komm. zur ZPO, 22. Auflage, § 794 ZPO, Rdn.
40).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf die
Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsbehelf, § 72a ArbGG wird hingewiesen.
(Rietschel) (May) (Frau Bachmann)