Urteil des LAG Köln vom 21.04.2004

LArbG Köln (Geschäftsführer, Wichtiger Grund, Arbeitsgericht, Gesellschafterversammlung, Unwirksamkeit der Kündigung, Begründung der Kündigung, Akte, Anstellungsvertrag, Klageerweiterung, Buchhaltung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Köln, 8 (13) Sa 136/03
21.04.2004
Landesarbeitsgericht Köln
8. Kammer
Urteil
8 (13) Sa 136/03
Arbeitsgericht Köln, 8 Ca 11532/01
Rechtsweg, Bindungswirkung für das Berufungsgericht, Organmitglied,
ausgeschiedener, Kündigungsberechtigung, Kündigungsgrund,
Entschuldigungs-/Rechtfertigungsgründe, Darlegungs- und Beweislast,
Lohnansprüche, Klage auf zukünftige Leistungen
§§ 48, 65 ArbGG, 35 GmbHG, 626 BGB
Arbeitsrecht
1. Soweit es um bereits erstinstanzlich geltend gemachte Ansprüche
geht, hat das Arbeitsgericht unausgesprochen die Zulässigkeit des
Rechtsweges angenommen; dies muss das Rechtmittelgericht
hinnehmen und ist daher an einer eigenen Prüfung der Rechtswegfrage
gehindert (BAG, Beschluss vom 09.07.1996 - 5 AZB 6/96 -, NZA 1996,
1117 f.; BAG, Urteil vom 21.04.1993 5 AZR 276/92-, n. v., zitiert nach
juris, siehe auch BGH, Urteil vom 12.11.1992 - V ZR 230/91 -, BGHZ 120,
204 ff. zur parallelen Problematik bei § 17 a GVG).
Diese Bindungswirkung für das Berufungsgerichts muss auch insoweit
gelten, als - wie im vorliegenden Fall - das Vordergericht mangels
Konfrontierung mit einem erst in der Berufung erweiterten Klageantrag in
dieser Hinsicht keine Entscheidung über die Zulässigkeit des
Rechtsweges für den erweiterten Antrag treffen konnte. Denn nach der
gesetzlichen Systematik soll die Entscheidung über den
einzuschlagenden Rechtsweg möglichst frühzeitig erfolgen. Das dann mit
dem Verfahren betraute Rechtsmittelgericht soll von der Prüfung der
Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs entlastet werden.
Demgegenüber sind die Voraussetzungen einer Klageerweiterung
gemäß § 533 ZPO "rechtswegintern" zu prüfen (vgl. zu einer ähnlichen
Konstellation BAG, Urteil vom 20.08.1998 - 2 AZR 12/98 -, n. v., zitiert
nach juris).
2. Nach der Rechtsprechung fällt die Beendigung des
Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers einer GmbH ebenso wie
dessen Abschluss (s. hierzu BGH, Urteil vom 09.10.1989 - II ZR 16/98 -,
WM 1989, 1848 ff.; BGH, Urteil vom 03.07.2000
- II ZR 282/98 -, WM 2000, 1698 ff.) allein in die Zuständigkeit der
Gesellschafterversammlung (BGH, Urteil vom 25.03.1991 - II ZR 196/90 -,
WM 1991, 852 ff.; BGH, Urteil vom 27.03.1995 - II ZR 140/93 -, WM 1995,
838 ff.; s. auch BGH, Urteil vom 24.02.1992 - II ZR 79/91 -, WM 1992, 731
ff.; für dieselbe Frage bei der AG: BGH, Urteil vom 22.04.1991 - II ZR
151/90 -, WM 1991, 941 f.; BGH, Urteil vom 28.04.1997
- II ZR 282/95 -, WM 1997, 1210 f.). Dies gilt nicht nur für zum Zeitpunkt
der Kündigung noch im Amt befindliche Organmitglieder, sondern auch
für bereits "ausgeschiedene" Organmitglieder der GmbH, für
Konstellationen, in denen ehemaligen Organvertretern, die durch eine
Verschmelzung ihre Organstellung verloren haben und die bei der
aufnehmenden Gesellschaft nicht mehr zum Organ bestellt worden sind,
gekündigt werden soll (BGH, Urteil vom 14.07.1997 - II ZR 168/96 -, WM
1997, 1657 f.; BAG, Urteil vom 20.08.1998 - 2 AZR 12/98 -, n. v. zitiert
nach juris).
3. Ebenso wie bei einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung
nach § 1 KSchG trägt der kündigende Vertragspartner auch bei einer
außerordentlichen Kündigung gemäß
§ 626 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die
Kündigung bedingen (BGH, Urteil vom 28.10.2002 - II ZR 353/00 -, NJW
2003, 431 ff.; BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 2 AZR 367/91, n. v., zitiert
nach juris; BAG, Urteil vom 26.08.1993
- 2 AZR 154/93 -, BAGE 74, 127 ff.; BAG, Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR
226/87 -, NJW 1988, 438). Wenn sich der gekündigte Arbeitnehmer
allerdings gegen die Kündigung wehrt und im Sinne von § 138 Abs. 2
ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für
sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht
erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen
vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen
Rechtfertigungsgründe erschüttern (BAG, Urteil vom 19.12.1991 - 2 AZR
367/91 -, n. v., zitiert nach juris mit Nachweisen der ständigen
Rechtsprechung; BAG, Urteil vom 06.08.1987 - 2 AZR 226/87 -, NJW
1988, 438).
4. § 259 ZPO ist auf Lohnansprüche aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen
anwendbar (BAG, Urteil vom 13.02.1983 - 4 AZR 508/81 -, BAGE 42, 54
ff.).
Die Voraussetzungen nach § 259 ZPO waren vorliegend erfüllt, da die
Beklagte durch ihre Kündigungen und die Freistellung des Klägers den
Anspruch des Klägers auf Vergütungszahlung entsprechend dem
Anstellungsvertrag nach Grund und Höhe ernstlich bezweifelt hat und
angesichts ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz weiterhin in
Zweifel gezogen hat.
Tenor:
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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln
vom 21.11.2002 - 8 Ca 11532/01 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien weder
durch die außerordentliche der Beklagten vom 31.10.2001 noch durch
die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.2.2002,
unterzeichnet von den Geschäftsführern SMund AK, sein Ende gefunden
hat.
Es wird weiter festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien
durch die Kündigung der Beklagten vom 31.10.2001, unterzeichnet von
Herrn RB, nicht beendet worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 317.000,97 Euro nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288
BGB auf jeweils 15.850,05 Euro ab 31.12.2001, 31.1.2002, 28.2.2002,
31.3.2002, 30.4.2002, 31.5.2002, 30.6.2002, 31.7.2002, 31.8.2002,
30.9.2002, 31.10.2002, 31.12.2002, 31.1.2003, 28.2.2003, 31.3.2003 und
30.4.2003 sowie auf 31.700,10 Euro seit 30.11.2001 und 30.11.2002 zu
zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, beginnend mit dem 31.5.2003 jeweils
am Letzten eines jeden Monats mit Ausnahme der Monate November
2003 und 2004 bis zum 31.3.2005 an den Kläger 15.850,05 Euro nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. §
288 BGB und 31.700,10 Euro am 30.11.2003 und am 30.11.2004 nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. §
288 BGB zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht Streit zum Einen über die Wirksamkeit mehrerer
außerordentlicher Kündigungen der Beklagten, zweier außerordentlicher Kündigungen
vom 31.10.2001 bzw. vom 19.2.2002, unterzeichnet von den Geschäftsführern der
Beklagten, den Herren S M und A K , und einer weiteren außerordentlichen Kündigung
vom 31.10.2001, unterzeichnet vom Vorstand der H , Herrn B . Gegenstand des
Rechtstreits sind zum Anderen die Vergütungsanspruche des Vertragsverhältnisses bis
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zum 31.3.2005.
Der Kläger war vor Begründung seines Vertragsverhältnisses zur Beklagten alleiniger
Vorstand der D B . Zugleich war er Alleinaktionär und alleinvertretungsberechtigter
Vorstand der D B , einer Gesellschaft belgischen Rechts, die sämtliche Aktien der D B hielt.
Seiner Tätigkeit bei der D B lag der Anstellungsvertrag vom 5.4.2000 zugrunde, der
erstmals zum 31.3.2005 ordentlich kündbar ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch bezüglich der vereinbarten Vergütung wird auf die
als Anlage B 1 bei den Akten befindliche Kopie des Anstellungsvertrages verwiesen.
Im Jahr 2000 nahm die D B Verhandlungen über den Verkauf der Gesellschaftsanteile der
D . B mit der A auf.
Am 17.5.2001 wurde ein entsprechender Kaufvertrag ("Kaufvertrag B ") abgeschlossen, der
unter anderem vorsah, daß der Kläger weiterhin auf Basis des bestehenden oder eines neu
abzuschließenden Anstellungsvertrages in der Geschäftsführung der D B bzw. der A oder
eines mit ihr verbundenen Unternehmens tätig sein sollte.
Für den Fall eines vom Kläger zu vertretenden Ausscheidens vor Ablauf bestimmter
Mindestfristen ist im Kaufvertrag eine Vertragsstrafe zu Lasten der D B von bis zu ca.
3.067.751,- Euro (= 6 Millionen DM) vorgesehen.
Mit Wirkung vom 2.8.2001 wurde die D B auf die beklagte H verschmolzen. Bei dieser
handelt es sich um eine "Enkelgesellschaft" der A , deren sämtliche Gesellschaftsanteile
von einer im Alleinbesitz der A stehenden Tochtergesellschaft, der H , gehalten werden.
In der Folgezeit fanden zwischen den Parteien Verhandlungen über die Bestellung des
Klägers zum Mit-Geschäftsführer der Beklagten und über den Abschluß eines neuen
Anstellungsvertrages statt, die allerdings ergebnislos blieben.
Der Kläger wurde am 6.9.2001 durch ein von den Herren B und D , zweier
Vorstandsmitglieder der A , unterzeichnetes Schreiben von der Arbeitspflicht freigestellt.
Dieser Freistellung widersprach der Kläger mit Schreiben vom 10.9.2001 und bot seine
Arbeitskraft an.
Zwischen dem 17.10.2001 und dem 19.10.2001 wurde bei der Beklagten eine Revision
durchgeführt, bei der Doppelbuchungen in Bezug auf Tankbelege und
Reisekostennachweise des Klägers über den Zeitraum März bis Mai 2001 zu Tage traten.
Wegen der genauen Einzelheiten wird auf die Zusammenstellung der entsprechenden
Belege durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Bl. 21 ff. der Akten) verwiesen.
Der Kläger wurde daraufhin für den 31.10.2001 zu einer außerordentlichen
Geschäftsführersitzung eingeladen, deren Tagesordnung den "Arbeits- und
Anstellungsvertrag" des Klägers als Thema der Sitzung bezeichnet. Hieran nahmen neben
dem anwaltlich beratenen Kläger der Geschäftsführer der Beklagten, Herr A K sowie der
ebenfalls anwaltlich beratene Vorstand der A , Herr D teil.
Noch am gleichen Tage sprachen die Herren S M und A K , die nach der Satzung der H
gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten, eine außerordentliche
Kündigung aus, die dem Kläger am selben Tag übergeben wurde.
Ebenfalls mit Datum vom 31.10.2001 sprach Herr B in seiner Eigenschaft als
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alleinvertretungsberechtigter Vorstand der H vorsorglich ebenfalls eine außerordentliche
Kündigung aus, die dem Kläger spätestens am 14.11.2001 zugegangen ist.
Mit Schreiben vom 19.2.2002, das von den beiden Geschäftsführern K und M unterzeichnet
ist und dem Kläger am 20.2.2002 zuging, kündigte die Beklagte schließlich nochmals
vorsorglich außerordentlich und fristlos.
Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren zunächst nur die von den Geschäftsführern
der Beklagten erklärten Kündigungen vom 31.10.2001 und - nach Klageerweiterung - vom
19.2.2002 angegriffen und die ihm zur Last gelegten Vorwürfe eines Spesenbetruges durch
Einreichung doppelter Tankbelege bzw. doppelter Reisekostenabrechnungen sowie einer
Täuschung durch überhöhte Angabe der von ihm vor Abschluß des Kaufvertrages B bei der
D B bezogenen Vergütung unter ausführlicher Auseinandersetzung mit den vorgebrachten
Tatsachen bestritten und Ausführungen zur Rechtfertigung seines Verhaltens gemacht.
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht im wesentlichen vorgetragen, dass die Einreichung
doppelter Belege aufgrund des bis ins Jahr 2000 praktizierten Abrechnungssystems in der
Buchhaltung sofort aufgefallen wäre und dementsprechend niemals zu einer Auszahlung
an ihn hätte führen können. Von der - in 2. Instanz unstreitig gewordenen - im Jahr 2001
vorgenommen Änderung des Abrechnungssystems habe er keine Kenntnis gehabt. Er
habe lediglich mehrere Klarsichthüllen mit nur grob nach Ausgabenbereichen vorsortierten
Belegen an die Buchhaltung zur weiteren Bearbeitung übergeben und sei davon
ausgegangen, dass die Buchhaltung sich, wie in den Jahren zuvor, bei Fragen oder
Unregelmäßigkeiten mit ihm in Verbindung setze. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf den schriftsätzlichen Vortrag des Klägers vor dem Arbeitsgericht verwiesen (Bl. 1 ff., 36
f., 44 ff. der Akte).
Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
1. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien nicht durch die
außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 31.10.2001 sein Ende gefunden hat,
2. festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche
Kündigung der Beklagten vom 19.2.2002, dem Kläger zugegangen am 20.2.2002, sein
Ende gefunden hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung der Kündigung vom 31.10.2001 im wesentlichen vorgetragen, dass
der Kläger Kosten für Dienstfahrten mehrfach, nämlich einerseits durch Einreichung des
Original-Tankbelegs und andererseits durch Einreichung einer Kopie desselben Belegs bei
der Reisekostenabrechnung geltend gemacht habe. Die dadurch zu Unrecht ausbezahlten
Beträge summierten sich auf 470,98 Euro (= 921,15 DM).
Zudem habe der Kläger Kilometerpauschalbeträge für die Benutzung seines Privatwagens
in Ansatz gebracht, obwohl er für denselben Vorgang bereits Tankbelege eingereicht hatte.
Schließlich habe die Revision auch Unstimmigkeiten hinsichtlich der vom Kläger bei der D
B bezogenen Vergütung ergeben. Die Vergütung des Klägers während seiner dortigen
Tätigkeit habe in den Monaten vor Abschluß des Kaufvertrages B erheblich geschwankt
und unter der in dem auf den 5.4.2000 datierten Anstellungsvertrag vorgesehenen
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Vergütung von 15.850,05 Euro (= 31.000,- DM) pro Monat gelegen. Dieser Vertrag sei nicht
zum angegebenen Zeitpunkt, sondern erst erheblich später unterschrieben worden. Ferner
seien die Auszahlungen der vom Kläger während seiner Tätigkeit bei der D B bezogenen
monatlichen Vergütungen in den Monaten vor Abschluß des Kaufvertrages B nicht wie
üblicherweise über das Gehaltskonto, sondern über ein Einlagenkonto erfolgt. Aus diesen
Umständen sei der Verdacht abzuleiten, dass der Kläger den Anstellungsvertrag zur
Vorlage bei den Verkaufsverhandlungen rückdatiert habe, um damit nach dem Verkauf ein
höheres Gehalt als die zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich bei der D B bezogene
Vergütung erhalten zu können.
Hinsichtlich der genauen Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird
ergänzend auf die gewechselten vorbereitenden Schriftsätze sowie die eingereichten
Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat in seinem am 21.11.2002 verkündeten und dem Kläger am
13.1.2003 zugestellten Urteil entschieden, dass das als Arbeitsverhältnis zu
charakterisierende Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom
31.10.2001 beendet worden sei.
Es hat diese Klageabweisung darauf gestützt, dass sich aus den vorgetragenen
Feststellungen der Revisionsprüfung der Verdacht eines Spesenbetruges ergebe, und
dementsprechend einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinne des
§ 626 BGB angenommen.
Der Kläger habe aufgrund seiner herausgehobenen Stellung und der Möglichkeit,
Aufwendungsersatz für Dienstfahrten allein aufgrund seiner eigenen Angaben zu erhalten,
besondere Gewähr für seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit bei den
Spesenabrechnungen bieten müssen. Angesichts der aufgezeigten Unregelmäßigkeiten
sei das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört.
Eine nachvollziehbare Erklärung, die das Abrechnungsverhalten als korrekt erscheinen
lassen könne, habe der Kläger nicht geliefert.
Die Tatsache, dass die maßgeblichen Taten vor dem Eintritt der Beklagten in das
Anstellungsverhältnis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt seien, könne den Kläger
nicht entlasten. Denn die sich daraus ergebenden Zweifel an der Redlichkeit und
Zuverlässigkeit wirkten auch im Verhältnis zur Beklagten fort.
Es sei auch kein milderes Mittel als die Kündigung, etwa eine Abmahnung in Betracht
gekommen, da der Vertrauensbereich des Vertragsverhältnisses betroffen sei.
Auch führe die Interessenabwägung nicht zu einem anderen Ergebnis, da der Kläger erst
seit der Verschmelzung, die mit dem Verlust der früheren Organstellung verbunden war, in
der sozial schutzwürdigen Arbeitnehmerposition beschäftigt sei.
Ausgehend hiervon hat das Arbeitsgericht die zweite angegriffene Kündigung vom
19.2.2002 nicht mehr einer inhaltlichen Prüfung unterzogen, da das Arbeitsverhältnis
bereits durch die Kündigung vom 31.10.2001 beendet worden sei.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird im übrigen auf das Urteil des Arbeitsgerichts
Köln (Bl. 121 ff. der Akte) verwiesen.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln hat der Kläger am 6.2.2003 Berufung eingelegt.
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Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 18.4.2003 hat er diese am
16.4.2003 begründet.
Der Kläger greift das Urteil des Arbeitsgerichts in einer Vielzahl von Aspekten an.
Unter Erweiterung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens macht er
insbesondere geltend, dass der Kläger angesichts des bis ins Jahr 2000 praktizierten
Abrechnungssystems davon habe ausgehen dürfen, dass doppelte Belege ohne weiteres
von der Buchhaltung aussortiert würden und es dementsprechend nicht zu einer
Doppelzahlung kommen konnte.
Außerdem habe den Geschäftsführern der Beklagten für die Kündigungen vom 31.10.2001
und 19.2.2002 die Kündigungsbefugnis gefehlt, da insoweit allein die
Gesellschafterversammlung der Beklagten zuständig gewesen sei. Dies ergebe sich
daraus, dass sich das Vertragsverhältnis der Parteien trotz des durch die Verschmelzung
eingetretenen Verlusts der Organstellung des Klägers nicht im Sinne einer
"Mutationstheorie" automatisch in ein Arbeitsverhältnis verwandelt habe und die
Gesellschaft auch gegenüber früheren und nur als Geschäftsführer vorgesehenen
Personen allein von der Gesellschafterversammlung vertreten werde.
Das Arbeitsgericht habe die Kündigung auch zu Unrecht als wirksame
Verdachtskündigung behandelt, da es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Klägers
gefehlt habe. Die außerordentliche Geschäftsführersitzung vom 31.10.2001 könne nicht als
ausreichende Anhörung im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden, da der Kläger
darin in einer Art "Schauprozess" mit den Kündigungsgründen konfrontiert worden sei und
das Thema der Sitzung bis zuletzt verschleiert worden sei.
Im Rahmen der Interessenabwägung fehle es im übrigen an einer Berücksichtigung des
wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der im Kaufvertrag "B " enthaltenen
Vertragsstrafenregelung und der unstreitig zwischenzeitlich am 22.10.2002 vor dem
Landgericht Köln ( 91 O 14/03 ) erhobenen Klage der A gegen die im Alleinbesitz des
Klägers stehende D B auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.067.751,- Euro (= 6 Millonen
DM) nach Maßgabe des "Kaufvertrags B " vom 17.5.2001.
Schließlich fehle es an der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des richtigerweise als freies
Dienstverhältnis einzuordnenden Vertragsverhältnisses, da die von der Beklagten
vorgetragenen Kündigungsgründe überhaupt erst gezielt gesucht worden seien. Auch sei
die Erklärungsfrist des § 626Abs. 2 BGB nicht eingehalten.
Hinsichtlich der genauen Einzelheiten der gegen das erstinstanzliche Urteil erhobenen
Berufungsrügen sowie der entsprechenden tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen
mitsamt Beweisantritten wird auf den umfangreichen Berufungsbegründungsschriftsatz (Bl.
158 ff. der Akte) sowie die nachfolgenden schriftsätzlichen Ausführungen (Bl. 489 ff., 601 ff.
der Akte) verwiesen.
Der Kläger macht mit seiner Berufung klageerweiternd auch die Unwirksamkeit der
erstinstanzlich nicht angefochtenen Kündigung des Vorstands der H , Herrn B geltend. Die
dagegen gerichtete Feststellungsklage sei nicht verfristet, da die Vorschriften des
Kündigungsschutzgesetzes auf das als Dienstvertrag anzusehende Vertragsverhältnis
keine Anwendung fänden. Auch sei das Klagerecht insoweit nicht verwirkt.
Abschließend und wiederum klageerweiternd begehrt der Kläger Zahlung bereits fälliger
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und in Zukunft bis zum vereinbarten Vertragsende am 31.3.2005 noch fällig werdender
Vergütungsansprüche.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 21.11.2002 - 8 Ca
11532/01 - festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien weder durch die
außerordentliche von den Geschäftsführern S M und A K unterzeichnete Kündigung der
Beklagten vom 31.10.2001 noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom
19.2.2002 sein Ende gefunden hat,
2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis durch die
von Herrn R B unterzeichnete Kündigung vom 31.10.2001 nicht beendet worden ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 317.000,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 BGB auf jeweils 15.850,05 Euro ab
31.12.2001, 31.1.2002, 28.2.2002, 31.3.2002, 30.4.2002, 31.5.2002, 30.6.2002, 31.7.2002,
31.8.2002, 30.9.2002, 31.10.2002, 31.12.2002, 31.1.2003, 28.2.2003, 31.3.2003, und
30.4.2003 sowie auf 31.700,10 Euro seit 30.11.2001 und 30.11.2002 zu zahlen,
4. die Beklagte weiter zu verurteilen, beginnend mit dem 31.5.2003 jeweils am Letzten eines
jeden Monats mit Ausnahme der Monate November 2003 und 2004 bis zum 31.3.2005 an
den Kläger 15.850,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz gem. § 288 BGB und 31.700,10 Euro am 30.11.2003 und am 30.11.2004
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 288 BGB zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält weiterhin an ihrer Ansicht fest, dass es sich bei dem zwischen den Parteien
bestehenden Rechtsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis handele, so daß die Klage gegen
die Kündigung des Vorstandes B vom 31.10.2001 gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG als verfristet
anzusehen sei und diese Kündigung das Arbeitsverhältnis damit wirksam beendet habe.
Selbst bei Annahme eines freien Dienstverhältnisses müsse von einer Verwirkung des
Klagerechts ausgegangen werden, da der Kläger zunächst lediglich 2 der 3 Kündigungen
gerichtlich angegriffen habe, woraus der Schluß zu ziehen sei, dass er mit der Kündigung
durch den Vorstand der H , Herrn B einverstanden gewesen sei.
Mit den vorgenommenen Klageerweiterungen hat sie sich nicht einverstanden erklärt und
auch deren Sachdienlichkeit bestritten.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Geschäftsführer zu den Kündigungen vom
31.10.2001 und 19.2.2002 berechtigt gewesen seien, da das ursprünglich möglicherweise
als Dienstverhältnis zu qualifizierende und allein durch die Verschmelzung nicht
automatisch in ein Arbeitsverhältnis umgewandelte Vertragsverhältnis jedenfalls durch die
tatsächliche Übung bei der Beklagten in ein Arbeitsverhältnis verwandelt worden sei. Der
Kläger sei nämlich insbesondere nicht mit Geschäftsführeraufgaben betraut gewesen und
gegenüber den Geschäftsführern K und M weisungsabhängig beschäftigt worden.
Jedenfalls sei aber der alleinvertretungsberechtigte Vorstand der H B mit dem Ausspruch
der Kündigungen durch die Geschäftsführer einverstanden gewesen.
Unter Vertiefung des entsprechenden erstinstanzlichen Vortrages hält die Beklagte auch
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weiter an ihrer - vom Kläger bestrittenen - Behauptung fest, dieser habe die
Reisekostenabrechnungen zeitversetzt in mehreren Schüben bei der Buchhaltung
eingereicht und ausdrücklich die Erstattung der entsprechenden Reisekosten verlangt.
Auch sei der Anstellungsvertrag vom Kläger zurückdatiert worden, um ein höheres Gehalt
in den Verhandlungen über einen neuen Anstellungsvertrag bei der Beklagten durchsetzen
zu können.
Schließlich sei entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht von einer Verfristung der am
31.10.2001 vom Vorstand B erklärten Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB auszugehen.
Denn diese Kündigung sei dem Kläger auf zwei Wegen, einmal durch die auch von diesem
selbst eingeräumte Abholung der Einschreibesendung am 14.11.2001, zum anderen aber
schon - was der Kläger mit Nichtwissen bestreitet - durch Einwurf in den Hausbriefkasten
mittels Boten am 5.11.2001 zugegangen.
Die erstinstanzlich nicht begründete Kündigung vom 19.2.2002 stützt die Beklagte nunmehr
auf die Behauptung, der Kläger habe am 27.12.2001 eine Abhebung zu Lasten eines
Kontos der Beklagten vorgenommen, wovon diese am 4.2.2002 durch ein Fax der D Bank
erfahren habe. Nachdem der Kläger auf die schriftliche Anhörung vom 6.2.2002 lediglich
die nicht nachvollziehbare Begründung geliefert habe, dass eigentlich eine Abhebung vom
Konto der D B erfolgen sollte und die Buchung nur aufgrund eines Versehens der
Schalterdame bei der Einsetzung der Kontonummer zu Lasten des Kontos der H - der
früheren D B - erfolgt sei, sei auch insoweit der Beklagten eine weitere Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses mit dem Kläger nicht zumutbar.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die
ausführlichen schriftsätzlichen Darlegungen verwiesen (Bl. 408 ff., 582 ff., 621 ff. der Akte).
Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts ist zur Entscheidung des ursprünglich bei der 13.
Kammer anhängigen Rechtsstreits aufgrund Präsidiumsbeschluß vom 1.12.2003 in
Verbindung mit dem darin vorgesehenen Verteilungsmodus berufen, nachdem die 13.
Kammer zum 31.12.2003 aufgelöst worden ist. Insoweit wird auf die Mitteilung an die
Parteien vom 5.1.2004 (Bl. 577 der Akte) verwiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
wechselseitigen Schriftsätze sowie auf den sonstigen Akteninhalt gemäß § 313 Abs. 2 S. 1
ZPO Bezug genommen.
Der Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln zwischen der A und der im Alleinbesitz des
Klägers stehenden D B auf Zahlung der Vertragstrafe nach Maßgabe des "Kaufvertrags B "
ist durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 28.1.2003 wegen des vorliegenden
Rechtsstreits gem. § 248 ZPO ausgesetzt.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat mit seiner Berufung - auch hinsichtlich der klageerweiternden Anträge zu 2.
bis 4. - Erfolg, da sie zulässig, bezüglich der klageerweiternden Ansprüche zudem
sachdienlich und insgesamt begründet ist.
I. Die Berufung ist zulässig.
Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG) und in der gesetzlichen Form und Frist
eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG). Die für den Fristbeginn erforderliche
Zustellung des Urteils ist durch Empfangsbekenntnis der erstinstanzlichen Prozeßvertreter
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des Klägers nachgewiesen (Bl. 132 der Akte), so daß dem diesbezüglichen Beweisantritt
des Klägers (Bl. 161 der Akte) nicht nachgegangen werden mußte.
II. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten sind nicht
durchgreifend:
Soweit es um die bereits erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche geht, hat das
Arbeitsgericht unausgesprochen die Zulässigkeit des Rechtsweges angenommen hat, dies
muss das Rechtsmittelgericht hinnehmen und ist daher an einer eigenen Prüfung der
Rechtswegfrage gehindert (BAG, Beschl. v. 9.7.1996 - 5 AZB 6/96, NZA 1996, 1117 f.;
BAG, Urt. v. 21.4.1993 - 5 AZR 276/92, n.v., zitiert nach juris, s. auch BGH, Urt. V.
12.11.1992 - V ZR 230/91 -, BGHZ 120, 204 ff.zur parallelen Problematik bei § 17 a GVG).
Soweit es um die Klageerweiterung zum einen betreffend die Kündigung durch den
alleinvertretungsberechtigten Vorstand der H , Herrn B , vom 31.10.2001, andererseits die
nunmehr geltend gemachten Zahlungsansprüche geht, muss die Zulässigkeit des
Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ebenfalls als gegeben angesehen werden.
Die Bindungswirkung für das Berufungsgerichts, die aus der unausgesprochen dem Urteil
erster Instanz zugrundeliegenden Annahme der Zulässigkeit des Rechtswegs ableitet,
muss auch insoweit gelten, als - wie im vorliegenden Fall - das Vordergericht mangels
Konfrontierung mit einem erst in der Berufung erweiterten Klageantrag in dieser Hinsicht
keine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges für den erweiterten Antrag
treffen konnte. Denn nach der gesetzlichen Systematik soll die Entscheidung über den
einzuschlagenden Rechtsweg möglichst frühzeitig erfolgen. Das dann mit dem Verfahren
betraute Rechtsmittelgericht soll von der Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen
Rechtswegs entlastet werden. Demgegenüber sind die Voraussetzungen einer
Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO "rechtswegintern" zu prüfen ( vgl. zu einer ähnlichen
Konstellation BAG, Urteil v. 20.8.1998 - 2 AZR 12/98 -, n.v., zitiert nach juris).
Damit ist auch für die klageerweiternden Ansprüche des Berufungsverfahrens die
Zulässigkeit des Rechtwegs zu den Arbeitsgerichten anzunehmen.
Zudem haben die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 17.3.2004
bezüglich der Klageerweiterung die Kündigung durch den Vorstand B betreffend die
insoweit zunächst erhobene Rechtswegrüge zurückgenommen.
III. Die Klage richtet sich insgesamt gegen die richtige Beklagte.
Es war zunächst im Ergebnis zutreffend, die Klage als zulässig zu behandeln, auch wenn
das Arbeitsgericht zu der erstmals in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien streitig
gewordenen Frage der ordnungsgemäßen Vertretung der Beklagten im Sinne von §§ 51
Abs. 1 ZPO, 35 Abs. 1 GmbHG keine Ausführungen gemacht hat.
Die Klage ist nämlich bezüglich sämtlicher Ansprüche korrekterweise gegen die H ,
vertreten durch die Geschäftsführer S M und A K gerichtet worden.
Dies ergibt sich aus § 35 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 6 der Satzung der H .
Damit ist die Zulässigkeit der Klage gegen die Beklagte zunächst zweifelsfrei, soweit es um
die von den Geschäftsführern S M und A K ausgesprochenen Kündigungen vom
31.10.2001 und 19.2.2002 und geltend gemachte Zahlungsansprüche des
Berufungsverfahrens geht.
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Nichts anderes gilt allerdings auch für die Klageerweiterung des Berufungsverfahrens
wegen der Kündigung durch den alleinvertretungsberechtigten Vorstand der H , Herrn B ,
vom 31.10.2001.
Auch insoweit war die Klage zulässigerweise gegen die Beklagte zu richten.
Nach der Rechtsprechung ist nämlich die ordnungsgemäße Vertretung einer GmbH im
Prozeß grundsätzlich unabhängig von der nachfolgend noch im einzelnen zu erörternden
Frage der materiellen Berechtigung zum Ausspruch einer Kündigung zu untersuchen.
Die grundsätzlich bestehende materielle Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung
einer GmbH zum Ausspruch einer Kündigung des Anstellungsvertrages eigener
Organmitglieder oder der Anstellungsverträge von Organmitgliedern verschmolzener
Gesellschaften, die nicht zu Organmitgliedern der Gesellschaft bestellt worden sind,
überträgt sich nämlich nur dann auf die prozessuale Ebene, wenn die
Gesellschafterversammlung von ihrem Recht auf Bestellung eines Prozeßvertreters gemäß
§ 46 Nr. 8 GmbHG Gebrauch macht. Ist dies nicht der Fall, wird die Gesellschaft weiterhin
von den Geschäftsführern vertreten, sofern diese die Gesellschaft in Übereinstimmung mit
der Satzung vertreten können (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1994 - II ZR 79/91, WM 1992, 731 ff.;
ähnlich BGH, Urt. v. 5.3.1990 - II ZR 86/89, WM 1990, 630 f.; zur materiellen
Kündigungsberechtigung der Gesellschafterversammlung vgl. die Nachweise in den
folgenden Ausführungen).
Für eine Bestellung eines Prozeßvertreters durch die von Herrn B als
alleinvertretungsberechtigtem Vorstand der einzigen Gesellschafterin der H , der H ,
repräsentierte Gesellschafterversammlung ist nichts vorgetragen und auch nichts
ersichtlich.
Damit vertreten die beiden Geschäftsführer K und M die Gesellschaft in Übereinstimmung
mit den differenzierten Vorgaben in § 6 der Satzung zulässigerweise auch gemeinsam (s. §
6 Abs. 2 der Satzung), soweit es um die vom Vorstand B ausgesprochen Kündigung vom
31.10.2001 geht.
Die Klage richtet sich somit insgesamt gegen die richtige Beklagte.
IV. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
Das Arbeitsgericht hätte die Klage nicht als unbegründet abweisen dürfen.
Die von den Geschäftsführern M und K am 31.10.2001 und 19.2.2002 ausgesprochenen
Kündigungen sind bereits wegen Fehlens der Kündigungsberechtigung der
Geschäftsführer M und K unwirksam, so dass für deren Kündigungen die Frage offen
bleiben konnte, ob ein Kündigungsgrund hinreichend substantiiert vorgetragen und unter
Beweisgestellt ist.
Die Geschäftsführer besaßen weder eine originäre, aus eigener Zuständigkeit folgende
noch eine derivative, von der Gesellschafterversammlung erteilte Berechtigung für den
Ausspruch der mit der Klage angegriffenen Kündigungen.
1. Die Geschäftsführer waren nicht aufgrund der Bestimmungen der §§ 35 Abs. 1 GmbHG,
6 Abs. 2 der Satzung der H zum Ausspruch der Kündigung berechtigt.
Nach der Rechtsprechung fällt die Beendigung des Anstellungsvertrages eines
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Geschäftsführers einer GmbH ebenso wie dessen Abschluß (s. hierzu BGH, Urt. v.
9.10.1989 - II ZR 16/89, WM 1989, 1848 ff.; BGH, Urt. v. 3.7.2000 - II ZR 282/98, WM 2000,
1698 ff.) allein in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung (BGH, Urt. v. 25.3.1991
- II ZR 169/90, WM 1991, 852 ff.; BGH, Urt. v. 27.3.1995 - II ZR 140/93, WM 1995, 838 ff.; s.
auch BGH, Urt. v. 24.2.1992 - II ZR 79/91, WM 1992, 731 ff.; für dieselbe Frage bei der AG:
BGH, Urt. v. 22.4.1991 - II ZR 151/90, WM 1991, 941 f.; BGH, Urt. v. 28.4.1997 - II ZR
282/95, WM 1997, 1210 f.).
Dies gilt nicht nur für zum Zeitpunkt der Kündigung noch im Amt befindliche
Organmitglieder, sondern auch für bereits ausgeschiedene Organmitglieder der GmbH.
Tragender Grund für diese Rechtsprechung ist die Tatsache, daß nur durch die Zuweisung
der Kompetenz zur Beendigung eines Anstellungsvertrages an die
Gesellschafterversammlung eine zum Nachteil der Gesellschaft eintretende
Interessenkollision der nach den allgemeinen Vorschriften ansonsten zuständigen
Geschäftsführer vermieden werden kann. Diese der zitierten Rechtsprechung
zugrundeliegende Erwägung haben Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht
mittlerweile auch auf Konstellationen erweitert, in denen ehemalige Organvertreter, die
durch eine Verschmelzung ihre Organstellung verloren haben und bei der aufnehmenden
Gesellschaft nicht mehr zum Organ bestellt worden sind, gekündigt werden (BGH, Urt. v.
14.7.1997 - II ZR 168/96, WM 1997, 1657 f.; BAG, Urt. v. 20.8.1998 - 2 AZR 12/98, n.v.,
zitiert nach juris).
Danach war nur die von Herrn B als alleinvertretungsberechtigtem Vorstand der H , die
wiederum alleinige Gesellschafterin der H ist, repräsentierte Gesellschafterversammlung
zum Ausspruch der Kündigung befugt. Denn die frühere Organstellung des Klägers bei der
D B ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Etwas anderes hätte nur dann gelten können, wenn das ursprünglich zwischen dem
Kläger und der D B bestehende freie Vorstands-Dienstverhältnis sich im Zuge der
Verschmelzung in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt hätte. Denn auch nach der zitierten
Rechtsprechung sind die Geschäftsführer einer GmbH selbst dann für die Kündigung von
Arbeitnehmern der Gesellschaft gemäß § 35 GmbHG zuständig, wenn diese früher einmal
zur Gesellschaft oder einer auf diese verschmolzenen Gesellschaft eine Organstellung
innehatten, zwischenzeitlich ihre vertraglichen Beziehungen aber auf eine neue,
arbeitsvertragliche Grundlage gestellt haben.
Indes hat sich das Dienstverhältnis des Klägers weder automatisch durch die
Verschmelzung noch danach durch tatsächliche Übung in ein Arbeitsverhältnis verwandelt.
a) Die vom Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit den damaligen Prozeßbevollmächtigten
der Parteien der Entscheidung nicht nur hinsichtlich des beschrittenen Rechtswegs,
sondern auch hinsichtlich der inhaltlichen Beurteilung des Falles stillschweigend
zugrundegelegte Annahme, mit der Verschmelzung entfalle nicht nur die Organstellung,
sondern wandele sich auch der Anstellungsvertrag des Klägers gleichsam automatisch in
ein Arbeitsverhältnis um, widerspricht der ständigen Rechtsprechung von
Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht (Vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2000 - II ZR 251/98,
WM 2000, 573 ff.; BAG, Beschl. v. 21.2.1994 - 2 AZB 28/93, AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979;
BAG, Beschl. v. 25.6.1997 - 5 AZB 41/96, AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG 1979; BAG, Urt. V.
20.8.1998 - 2 AZR 12/98 - , n.v., zitiert nach juris; BAG, Urt. v. 13.2.2003 - 8 AZR 654/01,
AP Nr. 24 zu § 611 BGB Organvertreter). Diese bisweilen auch als sog. "Mutationstheorie"
bezeichnete Rechtsauffassung zu den Wirkungen einer Verschmelzung übersieht die
Trennung zwischen organschaftlichen und anstellungsvertraglichen Rechtsbeziehungen
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zwischen einer juristischen Person und ihren Organen. Außerdem läßt sie außer acht, dass
bei einer Verschmelzung wegen der damit verbundenen Gesamtrechtsnachfolge sämtliche
schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihrem Organ
unverändert auf die aufnehmende Gesellschaft übergehen (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2000 - II
ZR 251/98 WM 2000, 573 ff.). Dementsprechend konnte nicht allein aufgrund der
Verschmelzung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet werden.
b) Es ergibt sich aber entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus der nach der
Verschmelzung praktizierten Handhabung des Vertrages, dass das unverändert als freies
Dienstverhältnis auf die Beklagte übergegangene, auf dem Vertrag vom 5.4.2000
beruhende Rechtsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt worden ist.
Nach der Rechtsprechung wäre für eine solche Änderung der vertraglichen Beziehungen in
Richtung auf ein Arbeitsverhältnis erforderlich, dass sich die Parteien darüber einigen, dass
ihre vertragliche Beziehung in Zukunft nur noch nach arbeitsvertraglichen Regelungen
bestimmt sein soll oder bereits vorher ein ruhendes Arbeitsverhältnis neben dem
Anstellungsvertrag bestand (BAG, Urt. v. 13.2. 2003 - 8 AZR 654/01, AP Nr. 24 zu § 611
BGB Organvertreter; BAG, Beschl. v. 25.6.1997 - 5 AZB 41/96, AP Nr. 36 zu § 5 ArbGG
1979; BAG, Beschl. v. 21.2.1994 - 2 AZB 28/93, AP Nr. 17 zu § 5 ArbGG 1979).
Letzteres ist weder vorgetragen noch ersichtlich; im Gegenteil haben die Parteien unstreitig
ohne Abschluss zu Modalitäten eines Geschäftsführervertrages verhandelt.
c) Das Vorliegen einer Vereinbarung, das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis
fortzuführen, kann das Gericht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich der
zwischen den Parteien zum Teil streitigen Umstände der Beschäftigung ausschließen.
Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass ausdrücklich ein Arbeitsvertrag geschlossen
worden sei. Vielmehr will sie aus den Umständen der Beschäftigung des Klägers herleiten,
dass ein Arbeitsvertrag anzunehmen sei. Selbst wenn man aber die Richtigkeit der
vorgebrachten Behauptungen unterstellt, ergäbe sich hieraus keine Einigung über die
Fortsetzung der Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
Zwischen den Parteien ist nämlich unstreitig während der gesamten Zeit bis zum
Ausspruch der Freistellung am 6.9.2001 und der nachfolgenden Kündigungen vom
31.10.2001 und 19.2.2002 über die Bestellung des Klägers zum (Mit-)Geschäftsführer der
Beklagten verhandelt worden. Allein dieser Umstand spricht bereits gegen die gleichzeitige
Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses. Zudem waren sämtliche zwischenzeitlich
diskutierten Vertragsentwürfe ihrem Inhalt nach unzweifelhaft freie Geschäftsführer-
Dienstverträge. Unter diesen Umständen widerspricht es der Logik und der allgemeinen
Lebenserfahrung, trotz der von beiden Parteien ins Auge gefaßten Bestellung zum
Geschäftsführer und des ins Auge gefassten Abschlusses eines entsprechenden
Anstellungsvertrages gleichzeitig die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses
anzunehmen.
3. Die beiden Geschäftsführer K und M besaßen auch keine von der somit allein zum
Ausspruch einer Kündigung berechtigten Gesellschafterversammlung abgeleitete
Kündigungsberechtigung.
Denn eine Bevollmächtigung der Geschäftsführer durch den Vorstand der H , Herrn B ist
weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
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Dagegen spricht bereits die parallel und vorsorglich erfolgte Kündigungserklärung durch
den Vorstand, Herrn B , vom 31.10.2001.
Zudem hätte für eine wirksame Kündigungserklärung im Namen der durch Herrn B
repräsentierten Gesellschafterversammlung nach § 164 Abs. 1 BGB aus der
Kündigungserklärung hervorgehen müssen, dass diese in fremdem Namen erfolgen sollte.
Dies ist angesichts der Formulierung des vorliegenden Kündigungsschreibens nicht erfolgt.
Eine nachträgliche Genehmigung der Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft, die in
dem von der Beklagten behaupteten Einverständnis des Herrn Brammer mit der Kündigung
durch die Geschäftsführer zu sehen wäre, ist nicht möglich. Denn die
Gesellschafterversammlung ist Trägerin des Kündigungsrechts, woraus sich ergibt, daß
deren Beschlußfassung vor Ausspruch der Kündigung erfolgen muß (vgl. BAG, Urt. v.
28.4.1994 - 2 AZR 730/93, AP Nr. 117 zu § 626 BGB).
Somit bleibt festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers bei der Beklagten
durch die Kündigungen der Beklagten vom 31.10.2001 und 19.2.2002 unterzeichnet von
den Geschäftsführern S M und A K nicht beendet worden ist.
V. Der in der Berufungsbegründungsschrift erhobene Klageantrag zu 2. ist zulässig und
begründet.
1. Die mit diesem Antrag vorgenommene Klageerweiterung zur Feststellung der
Unwirksamkeit auch der am 31.10.2001 durch den alleinvertretungsberechtigten Vorstand
der H , Herrn B , erklärten Kündigung ist zulässig.
a) An der Zulässigkeit der Klageerweiterung sind Zweifel nicht angebracht:
Die Einbeziehung der Kündigung des Vorstandes B in die Berufungsverhandlung und
Entscheidung ist sachdienlich, weil hiermit ein sonst drohender neuer Rechtsstreit
zwischen den Parteien verhindert werden kann und das Landesarbeitsgericht die zur
Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung vorgebrachten Tatsachen ohnehin seiner
Entscheidung über die Berufung zugrunde zu legen hat, § 533 Nr. 2 ZPO. Dass der
Beklagten dadurch eine Tatsacheninstanz verloren geht, ist demgegenüber unerheblich (
vgl. BAG, Urt. v. 26,2,1986 - 7 AZR 503/84 -, n.v., zitiert nach juris, m.w.N.)
b) Die Klage ist auch nicht etwa gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG verfristet, da nach dem oben
Ausgeführten das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis als freies
Dienstverhältnis und nicht als Arbeitsverhältnis einzustufen ist.
c) Das Klagerecht des Klägers ist auch nicht verwirkt.
Insbesondere durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass sie deshalb, weil der Kläger
erstinstanzlich zunächst nur die durch die Geschäftsführer ausgesprochenen Kündigungen
angegriffen und die Kündigung des Vorstandes der H erst ca. 1,5 Jahre nach deren
Ausspruch zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht hat, insoweit nicht
mehr in Anspruch genommen würde.
Die vom Beklagtenvertreter dazu vorgebrachte Argumentation übersieht, dass der Kläger
durch sein gesamtes prozessuales Verhalten den Fortbestand des zwischen den Parteien
bestehenden Vertragsverhältnisses geltend macht, was widersinnig wäre, wenn er
gleichzeitig auf die Anfechtung der durch Herrn B erklärten Kündigung hätte verzichten
wollen. Dass der Kläger in der Tat unter keinen Umständen mit der von Herrn B erklärten
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Kündigung einverstanden war, ergibt sich im übrigen auch zweifelsfrei aus dem Schreiben
seines damaligen Prozeßbevollmächtigten vom 22.11.2001 (Anlage K 37, Bl. 357 f. der
Akte). Ein für die Annahme einer Verwirkung des Klagerechts erforderlicher
Vertrauenstatbestand bei der Beklagten konnte daher trotz der erheblichen verstrichenen
Zeitspanne von vornherein nicht entstehen.
2. Der Klageantrag zu 2 ist auch begründet. Die von Herrn B erklärte Kündigung vom
31.10.2001 erweist sich als unwirksam.
a) Der Vorstand der H besaß zwar - wie oben dargelegt - die erforderliche
Kündigungsberechtigung.
b) Auch sind die ansonsten bei einer Ein-Mann-Gesellschaft wie der vorliegenden
Beklagten einzuhaltenden formalen Anforderungen an eine förmliche Beschlußfassung
und deren unverzügliche Dokumentation in einer Niederschrift gemäß § 48 Abs. 1, 3
GmbHG im vorliegenden Fall entbehrlich. Denn nach der Rechtsprechung bedarf es dann
der Einhaltung beider Erfordernisse nicht, wenn die Beschlußfassung und die Umsetzung
der getroffenen Entscheidung durch Ausspruch der Kündigung - wie hier geschehen - in
einem Akt zusammenfallen und die Kündigung schriftlich erfolgt (BGH, Urt. v. 27.3.1995 - II
ZR 140/93, NJW 1995, 1750 ff.).
c) Die Beklagte hat allerdings einen die Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund im
Sinne von § 626 Abs. 1 BGB nicht ihrer diesbezüglichen Darlegungslast entsprechend
hinreichend substantiiert vorgetragen.
aa) Dabei kann dahinstehen, ob die Kündigung, wie vom Kläger behauptet, schon allein
wegen des "Suchens nach Kündigungsgründen" mangels Unzumutbarkeit der Fortsetzung
des Vertragsverhältnisses unwirksam ist.
bb) Der Vortrag der Beklagten zu den geltend gemachten Kündigungsgründen genügt
jedenfalls nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Verteilung
der Darlegungs- und Beweislast bei einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626
BGB.
Ebenso wie bei einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung nach § 1 KSchG trägt
der kündigende Vertragspartner auch bei einer außerordentlichen Kündigunggemäß § 626
BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen
(BGH, Urt. v. 28.10. 2002 - II ZR 353/00, NJW 2003, 431 ff.; BAG, Urt. v. 19.12.1991 - 2 AZR
367/91, n.v., zitiert nach juris; BAG, Urt. v. 26.8.1993 - 2 AZR 154/93, BAGE 74, 127 ff.;
BAG; Urt: v. 6.8.1987 - 2 AZR 226/87 -, NjW 1988, 438). Dabei muss er allerdings nicht
sogleich sämtliche denkbaren Rechtfertigungsgründe von vornherein widerlegen. Er kann
sich zunächst darauf beschränken, einen Sachverhalt vorzutragen, der grundsätzlich die
ausgesprochene Kündigung zu rechtfertigen imstande ist. Wenn sich der gekündigte
Arbeitnehmer allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.v. § 138 Abs. 2 ZPO
ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen
oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muß der
Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom
Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern. (BAG, Urt. v. 19.12.1991 -
2 AZR 367/91, n.v., zitiert nach juris mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung; BAG;
Urt: v. 6.8.1987 - 2 AZR 226/87 -, NjW 1988, 438).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein wichtiger Grund zur Kündigung nicht in
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hinreichend substantiierter Weise vorgetragen.
aaa) Zwar trägt das Vorbringen der Beklagten für sich genommen den Vorwurf eines
groben Dienstvertragsverstoßes durch einen zumindest versuchten Spesenbetrug. Dem
Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass die Tatsache, dass die vorgeworfenen Handlungen zu
einer Zeit erfolgt sein sollen, in der die Verschmelzung noch gar nicht erfolgt war, der
Annahme eines auch gegenüber der Beklagten wirkenden wichtigen Grundes nicht
entgegensteht. Denn ein Spesenbetrug läßt auf eine charakterliche Ungeeignetheit für die
Aufgaben eines Geschäftsführers, die nach dem unstreitigen Sachverhalt für den Kläger
nach den vertraglichen Übereinkünften auch bei der Beklagten vorgesehen war, schließen.
Allerdings hat der Kläger mit seiner Berufung auf eine unstreitig langjährig praktizierte
Abrechnungspraxis hingewiesen und auch plausibel und unwidersprochen dargelegt, dass
die ehemalige, bis ins Jahr 2000 durchgeführte Abrechnungspraxis eine doppelte
Verbuchung ausgeschlossen hätte. Vor diesem Hintergrund und der vom Kläger unter
Beweisantritt vorgetragenen Unkenntnis von der im Jahr 2001 durchgeführten Änderung
der Abrechnungspraxis erscheint das Verhalten des Klägers in einem milderen Licht.
Genau genommen kann ihm bei unterstellter Unkenntnis der Änderung der
Abrechnungspraxis überhaupt kein Vorwurf bezüglich der schließlich erfolgten doppelten
Verbuchung einzelner Tankbelege gemacht werden, weil er - seine Unkenntnis von der
Änderung unterstellt - berechtigterweise davon hätte ausgehen dürfen, dass seine nur
rudimentäre Ordnung der angefallenen Belege durch die Buchhaltung korrigiert würde.
Die gegen diese ausführliche Darlegung eines Rechtfertigungsgrundes unter Beweisantritt
vorgebrachten Behauptungen der Beklagten, wonach der Kläger die Belege nicht, wie von
diesem behauptet, zu einem Zeitpunkt im Mai 2001, sondern in mehreren Schüben
zeitversetzt eingereicht habe und er auch ausdrücklich die Erstattung der Reisekosten
ohne Bitte um gemeinsame Überprüfung der Abrechung verlangt habe, greifen
demgegenüber nicht durch. Denn diese Behauptungen erschüttern nur Nebenpunkte des
klägerischen Rechtfertigungsvortrags, nicht aber die im Zentrum stehende und ausführlich
begründete Behauptung der Unkenntnis der Änderung des Abrechungssystems. Der
Kläger hatte, und dies wird insoweit von der Beklagten auch nicht mehr bestritten
ursprünglich ein Abrechnungssystem in der Buchhaltung eingeführt und über mehrere
Jahre praktizieren lassen, das eine Doppelbuchung im vorliegenden Fall ausgeschlossen
hätte. Dementsprechend wären selbst bei Einreichung doppelter Quittungen - abgesehen
von zusätzlichem Arbeitsaufwand der Buchhaltungsmitarbeiter - jedenfalls keine
unzulässigen Doppelauszahlungen vorgekommen, weil die Doppelbelege nach Prüfung
durch die Buchhaltung aussortiert worden wären.
Zur Erfüllung der ihr obliegenden Darlegungslast hätte die Beklagte unter diesen
Umständen konkrete Tatsachen vortragen müssen, aus denen der Schluß gezogen werden
könnte, dass der Kläger positive Kenntnis von der geänderten Abrechnungspraxis hatte.
Die lediglich pauschale Behauptung der Kenntnis des Klägers (Bl. 429, 591 der Akte),
ohne darzulegen, wann und unter welchen Umständen er diese Kenntnis erlangt haben
soll bzw. aus welchen Umständen auf diese Kenntnis geschlossen werden kann, vermag
dessen Vortrag nicht zu erschüttern. Damit bleibt es im Ergebnis bei der substantiiert
vorgetragenen Rechtfertigung des Klägers, womit jedenfalls die Vorwerfbarkeit eines etwa
vorliegenden Verstoßes ausgeschlossen ist, so dass die doppelte Einreichung von
Tankbelegen nicht als wichtiger Grund für eine Kündigung angesehen werden kann.
bbb) Auch der Vortrag hinsichtlich der Reisekostenerstattung für den vom Kläger benutzten
PKW der Marke P ist nicht hinreichend substantiiert.
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Denn nach dem Vortrag des Klägers war vereinbart und wurde im Jahr 2000 auch so
praktiziert, daß die Kosten des P von der D B übernommen bzw. von der Buchhaltung
dieser weiterbelastet wurden. Die Beklagte hat hiergegen wiederum keine hinreichenden
Tatsachen zur Erschütterung der klägerischen Ausführungen vorgetragen.
Die unstreitig vorliegende einmalige Datumsverwechslung ist für sich genommen nicht
geeignet, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.
ccc) Schließlich fehlt es auch hinsichtlich des Vorwurfs einer Rückdatierung bzw. etwaiger
Unstimmigkeiten bei den unstreitig vorgekommenen Schwankungen der
Vorstandsvergütung des Klägers bei der D B an hinreichendem Sachvortrag der Beklagten
für das Vorhandensein einer Täuschungsabsicht, nachdem der Kläger die zu Tage
getretenen "Unregelmäßigkeiten" unter Beweisantritt dargestellt und ausführlich begründet
hat (s. Bl. 50-52 der Akte). Diese Erläuterungen des Klägers werden von der Beklagten an
keiner Stelle ihres weiteren Vorbringens mit hinreichendem Tatsachenvortrag angegriffen.
ddd) Die Wirksamkeit Kündigung des Herrn B vom 31.10.2001 kann aus dem behaupteten
Handeln des Klägers im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund "Abbuchungsvorgang
zu einem Konto der Beklagten am 27.12.2001" bereits deshalb nicht herleiten, weil dieses
Ereignis zeitlich nach Zugang der Kündigung vom 31.10.2001 liegt.
VI. Die Berufung des Klägers hat auch mit dem Antrag zu 3. Erfolg; auch insoweit ist die
Klageerweiterung des Berufungsverfahrens zulässig und begründet.
1. Die mit diesem Antrag vorgenommene Klageänderung in der Berufungsinstanz ist
zulässig. Dabei ist es unerheblich, dass die Beklagte ihre Zustimmung zur
Klageerweiterung verweigert hat und auch eine Sachdienlichkeit der Erweiterung für nicht
begründbar hält.
Denn auf beide Umstände kommt es im Ergebnis nicht an. Nach der Rechtsprechung
handelt es sich bei dem Übergang von der Feststellungsklage zur Leistungsklage im
Berufungsrechtszug nämlich dann um eine gemäß § 264 ZPO stets zulässige
Klageänderung, wenn das erstinstanzliche Feststellungsurteil weiterhin mit einer
zulässigen Berufung angefochten wird ( BGH, Urt. v. 6.11.1986 - IX ZR 8/86-, NJW-RR
1987, 249 ff.).. Die danach zulässige Klageänderung ist nicht an die
Zulässigkeitsvoraussetzungen der Sachdienlichkeit oder Einwilligung gebunden (vgl.
Zöller/Gummer, 24. Aufl. 2004, § 533 Rn. 3).
Die Klageänderung ist auch auf dieselben Tatsachen im Sinne von § 533 Nr. 2 ZPO
gestützt, die sowieso der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde zu legen sind
und dementsprechend insgesamt zulässig.
2. Die Leistungsklage ist auch begründet.
Nachdem keine der angefochtenen Kündigungen das Dienstverhältnis der Parteien
beendet hat, und der Kläger seine Arbeitskraft ausdrücklich durch das Schreiben vom
22.11.2001 und konkludent durch Erhebung der Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit
der Kündigungen angeboten hat, liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf
Annahmeverzugsvergütung gemäß §§ 615 S. 1, 293 ff. BGB vor.
Eine Anrechnung etwaigen Zwischenverdienstes des Klägers gemäß § 615 S. 2 BGB
kommt nicht in Betracht. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl.
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zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei § 615 S. 2 BGB: Staudinger/Richardi,
13. Aufl. § 615 Rn. 159 m.w.N.) hat keine Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen
lassen würden, dass der Kläger zwischenzeitlich einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Aus demselben Grund besteht keine Auskunftspflicht des Klägers über etwaige
Zwischenverdienste (vgl. zur insoweit ebenfalls den Dienstberechtigten treffenden
Darlegungs- und Beweislast: BAG, Urt. v. 27.3.1974 - 5 AZR 258/73, NJW 1974, 1348;
BAG, Urt. v. 19.7.1978 - 5 AZR 748/77, NJW 1979, 285 f.).
Der geltend gemachte Zinsanspruch ist in vollem Umfang aus §§ 286, 288 BGB
gerechtfertigt.
VII. Schließlich ist auch der klageerweiternde Antrag zu 4.der Berufung zulässig und
begründet.
1. Die Zulässigkeit des Antrags scheitert nicht daran, dass hiermit zum Zeitpunkt der
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts teilweise bisher noch nicht fällig gewordene
Vergütungsansprüche aus dem bis zum 31.3.2005 befristeten Dienstverhältnis geltend
gemacht werden.
a) Ob sich die Zulässigkeit der Klage bereits aus den §§ 257, 258 ZPO ergibt erscheint
allerdings zweifelhaft. Denn bei Gehaltsansprüchen handelt es sich nach der
Rechtsprechung grundsätzlich nicht um wiederkehrende Leistungen (vgl. BAG, Urt. v.
20.6.1984 - 4 AZR 208/82, AP Nr. 2 zu § 1 TVG Großhandel m.w.N.). Ob sich an dieser
Einschätzung etwas dadurch ändert, dass die Beklagte nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag des Klägers durch die Freistellung und die fristlosen Kündigungen
auch für die Restlaufzeit des Vertrages auf die Arbeitsleistung verzichtet hat, und deshalb
jedenfalls der somit anzunehmende Annahmeverzugsanspruch eine wiederkehrende
Leistungspflicht der Beklagten darstellt, kann dahingestellt bleiben.
Denn die Zulässigkeit der Klage folgt jedenfalls aus § 259 ZPO, weil die Beklagte durch
ihre Kündigungen und die Freistellung des Klägers den Anspruch des Klägers auf
Vergütungszahlung entsprechend dem Anstellungsvertrag vom 5.4.2000 nach Grund und
Höhe ernstlich bezweifelt hat und angesichts ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz
weiterhin in Zweifel zieht. Dass § 259 ZPO anders als §§ 257, 258 ZPO auch auf
Lohnansprüche aus Dienst- und Arbeitsverhältnissen anwendbar ist hat die
Rechtsprechung bereits sehr früh entschieden ( BAG, Urt. v. 13.2.1983 - 4 AZR 508/81 -,
BAGE 42,54 ff.).
b) Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass ein Teil der im klägerischen
Antrag aufgeführten Raten mittlerweile bereits fällig geworden ist, und damit eigentlich
auch unmittelbar im Wege des zu 3. vorgebrachten Leistungsantrags hätte geltend gemacht
werden können. Denn § 259 ZPO stellt lediglich verschärfte Zulässigkeitsschranken auf,
hindert also bei Vorliegen der Besorgnis nicht rechtzeitiger Leistung nicht die prozessuale
Geltendmachung des Leistungsanspruchs. Das entscheidende Gericht dürfte deshalb
sogar ohne Antragsumstellung auf sofortige Leistung verurteilen (vgl. OLG Dresden, Urt. v.
24.9.1998 - 21 U 1565/98, NZM 1999, 173).
2. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist dem Grunde und der Höhe nach, auch
hinsichtlich des Zinsanspruchs begründet. Denn bei den geltend gemachten Beträgen
handelt es sich um die bis zum vertragsgemäßen Ende des Anstellungsvertrages am
31.3.2005 noch zu zahlenden Vergütungen.
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Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
IX. Die Revision war nicht zuzulassen.
Dem vorliegenden Rechtsstreit kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72
Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu. Die für die Entscheidung zu prüfenden Rechtsfragen sind von
Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geklärt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Gegen dieses Urteil ist mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72
Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch
Beschwerde beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Fax: ( 0361 ) 2636-2000
anzufechten wird die beklagte Partei auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
(Jüngst) (Dr. Wegener) (Peters)