Urteil des LAG Köln vom 29.09.2009

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Landesarbeitsgericht Köln, 12 Sa 689/09
Datum:
29.09.2009
Gericht:
Landesarbeitsgericht Köln
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 Sa 689/09
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Aachen, 5 Ca 4806/08
Schlagworte:
Vergleichsentgelt gem. § 5 TVöD
Normen:
§ 5 TVöD, § 5 TV-L, § 29 Abschn. b Abs. 5 BAT, BAT-O, Art. 3, 6, 14 GG
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
Zur Berechnung des Vergleichsentgelts nach Überleitung des
Arbeitsverhältnisses vom BAT auf den TVöD bei
Ortszuschlagsberechnung des Ehegatten.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen
vom 17.04.2009 – 5 Ca 4806/08 d – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die richtige Berechnung des Vergleichsentgelts nach
Überleitung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vom Bundes-Angestelltentarifvertrag
(BAT) auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD).
2
Die Beklagte ist eine in einer Rechtsform einer GmbH geführte Forschungseinrichtung
der öffentlichen Hand. Gesellschafter der Beklagten sind zu 90 % die Bundesrepublik
Deutschland und zu 10 % das Land Nordrhein-Westfalen.
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Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.01.1998 als Ingenieur angestellt. Nach § 2
des mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsvertrages finden auf das Arbeitsverhältnis die
Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten der Kernforschungsanlage J
GmbH vom 05.09.1973 und die diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle
tretenden Tarifverträge Anwendung (vgl. Bl. 21 der Akten). Nach der
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Bezugnahmeklausel nach § 2 des Manteltarifvertrages der Kernforschungsanlage J
GmbH sind die für die Angestellten des Bundes jeweils geltenden Vorschriften
anzuwenden. Zuletzt war der Kläger in die Vergütungsgruppe BAT III eingruppiert.
Das Beschäftigungsverhältnis wurde aufgrund der Einführung des TVöD nach dem
Tarifvertrag für die Überleitung (TVÜ-Bund) in die Vergütungsregelungen des TVöD
übergeleitet. Die maßgebliche Vorschrift zur Überleitung nebst Protokollerklärung lautet
wie folgt:
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"§ 5 Vergleichsentgelt
6
(1) Für die Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle des TVöD wird für die
Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der im September
2005 erhaltenen Bezüge gemäß den Absätzen 2 bis 7 gebildet.
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(2) Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT / BAT-O setzt sich das
Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der
Stufe 1 oder 2 zusammen. Ist auch eine andere Person im Sinne von § 29 Abschn.
B Abs. 5 BAT / BAT-O ortzuschlagberechtigt oder nach beamtenrechtlichen
Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt, wird nur die Stufe 1 zugrunde gelegt;
findet der TVöD am 1. Oktober 2005 auch auf die andere Person Anwendung, geht
der jeweils individuell zustehende Teil des Unterschiedsbetrages zwischen den
Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags in das Vergleichsentgelt ein. Ferner fließen im
September 2005 tarifvertraglich zustehende Funktionszulagen insoweit in das
Vergleichsentgelt ein, als sie nach dem TVöD nicht mehr vorgesehen sind.
Erhalten Beschäftigte eine Gesamtvergütung (§ 30 BAT / BAT-O), bildet diese das
Vergleichsentgelt".
8
Die Protokollerklärungen zu Absatz 2 Satz 2 lauten:
9
Protokollerklärungen zu Absatz 2 Satz 2:
10
1. Findet der TVöD am 1. Oktober 2005 für beide Beschäftigte Anwendung und
hat einer der beiden im September 2005 keine Bezüge erhalten wegen
Elternzeit, Wehr- oder Zivildienstes, unbezahlten Sonderurlaubs aufgrund von
Familienpflichten im Sinne des § 4 Abs. 2 BGleiG, Sonderurlaubs, bei dem der
Arbeitgeber vor Antritt ein dienstliches oder betriebliches Interesse an der
Beurlaubung anerkannt hat, Bezuges einer Rente auf Zeit wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit oder wegen Ablaufs der Krankenbezugsfristen, erhält die/der
andere Beschäftigte zusätzlich zu ihrem/seinem Entgelt den Differenzbetrag
zwischen dem ihr/ihm im September 2005 individuell zustehenden Teil des
Unterschiedsbetrages zwischen der Stufe 1 und 2 des Ortszuschlags und dem
vollen Unterschiedsbetrag als Besitzstandszulage.
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2. Hat die andere ortszuschlagsberechtigte oder nach beamtenrechtlichen
Grundsätzen familienzuschlagsberechtigte Person im September 2005 aus den
in Nr. 1 genannten Gründen keine Bezüge erhalten, erhält die/der in den TVöD
übergeleitete Beschäftigte zusätzlich zu ihrem/seinem Entgelt den vollen
Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 des Ortszuschlags als
Besitzstandszulage.
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3. Ist die andere ortszuschlagsberechtigte oder familienzuschlagsberechtigte
Person im September 2005 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden, ist das
Tabellenentgelt ab dem 1. Juli 2008 auf Antrag neu zu ermitteln. Basis ist dabei
die Stufenordnung nach § 6 Abs.1 Satz 2, die sich zum 1. Oktober 2007 ergeben
hätte, wenn das Vergleichsentgelt unter Berücksichtigung der Stufe 2 des
Ortszuschlags gebildet worden wäre.
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4. Die Besitzstandszulage nach den Nrn. 1 und 2 oder das neu ermittelte
Tabellenentgelt nach Nr. 3 wird auf einen bis zum 30. September 2008 zu
stellenden schriftlichen Antrag (Ausschlussfrist) vom 1. Juli 2008 an gezahlt. Ist
eine entsprechende Leistung bis zum 31. März 2008 schriftlich geltend gemacht
worden, erfolgt die Zahlung vom 1. Juni 2008 an.
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5. In den Fällen der Nrn. 1 und 2 wird bei Stufensteigerungen und
Höhergruppierungen der Unterschiedsbetrag zum bisherigen Entgelt auf die
Besitzstandszulage angerechnet. Die/Der Beschäftigte hat das Vorliegen der
Voraussetzungen der Nrn. 1 und 2 nachzuweisen und Änderungen anzuzeigen.
Die Besitzstandszulage nach den Nrn. 1 und 2 entfällt mit Ablauf des Monats, in
dem die/der andere Beschäftigte die Arbeit wieder aufnimmt.
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Die Ehefrau des Klägers ist als Angestellte im Klinikum A beschäftigt und war dort
ebenfalls nach BAT eingruppiert. Seit Februar 2004 ist sie zur Erziehung der Kinder
sonderbeurlaubt. Aufgrund der Einführung des neuen TV-L ist sie zum 01.11.2006
gemäß dem TVÜ-Länder überzuleiten. Hier heißt es zum Vergleichsentgelt:
16
"§ 5
17
(1) Für die Zuordnung zu der Stufenentgelttabelle des TV-L wird für die
Beschäftigten nach § 4 ein Vergleichsentgelt auf der Grundlage der Bezüge, die
im Oktober 2006 zustehen, nach dem Absätzen 2 bis 6 gebildet.
18
(2) Bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O setzt sich das
Vergleichsentgelt aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der
Stufe 1 oder 2 zusammen. Ist auch eine andere Person im Sinne von § 29
Abschnitt b Abs. 5 BAT/BAT-O ortszuschlagsberechtigt und nach
beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt, wird die Stufe 1
und der jeweilige Anteil des Unterschiedsbetrages der Ortszuschlagstufe 1 und 2
bzw. des Familienzuschlags der Stufe 1, den die andere Person aufgrund von
Teilzeitbeschäftigung nach mehr erhält, zugrunde gelegt…"
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Die Beklagte berechnete mit Schreiben vom 21.09.2005 das Vergleichsentgelt für den
Kläger ab dem 01.10.2005 zunächst unter Berücksichtigung des Ortszuschlags nach
Stufe 2. Die Summe des so ermittelten Vergleichsentgelts betrug insgesamt 3.623,10 €,
so dass dem Kläger seine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 und einer sogenannten
"individuellen Zwischenstufe" zwischen den Stufen 4 und 5 in Höhe des bisherigen
Vergleichsentgeltes mitgeteilt wurde. Ferner wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass
er ab 01.10.2007 in die Entgeltgruppe 12 Stufe 5 eingestuft werden solle. Wegen der
Einzelheiten wird auf Bl. 4 und 5 d. A. verwiesen.
20
Mit Schreiben vom 23.11.2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie müsse die
Berechnung des Vergleichsentgelts korrigieren, da sie im Rahmen der Überleitung zwar
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davon ausgegangen war, dass bei den Beschäftigten, deren orts- bzw.
familienzuschlagsberechtigte(r) Ehegatte/in im September 2005 wegen Beurlaubung
keine Bezüge erhält, die Stufe 2 des Ortszuschlags bei der Ermittlung des
Vergleichsentgelts zu berücksichtigen sei. Das BMI-Rundschreiben D II 2-220210/643
vom 10.10.2005 sehe aber unter Ziffer 2.2.1.1.2 nur die Zahlung der Stufe 1 bzw. ½ im
Ortszuschlag vor. Die Differenz zur Stufe 2 werde für die Dauer der Beurlaubung der
Ehegattin aber als außertarifliche Zulage gezahlt.
Das aufgrund der neuen Vergleichsentgeltermittlung wurde mit 3.516,20 € errechnet,
was zu einer Einstufung in Entgeltgrupe 2 mit der sogenannten "individuellen
Zwischenstufe" zwischen den Stufen 3 und 4 führte mit der Ankündigung einer
Einstufung in die Entgeltgruppe 12 Stufe 4 ab 01.10.2007. Die Differenz der Stufe 1 und
2 im Ortszuschlag in Höhe von 106,90 € brutto wurde dem Kläger seither als
außertarifliche Zulage gezahlt.
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Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass bei der Berechnung des
monatlichen Vergleichsentgelts für seine monatlichen Bezüge ab Oktober 2005 der
Ortszuschlag nach Stufe 2 anzusetzen ist. Er ist der Auffassung, die Berücksichtigung
lediglich der Stufe 1 verstoße gegen Art. 3, 6 und 14 GG. Die Berechnung führe zu einer
Benachteiligung gegenüber Angestellten in gleicher Situation, deren Ehegatten nicht im
öffentlichen Dienst beschäftigt seien. Bei einem Ausscheiden seiner Ehefrau aus dem
öffentlichen Dienst würde zudem die außertarifliche Zulage wegfallen.
23
Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass bei der Berechnung des monatlichen Vergleichsentgelts des
Klägers für dessen monatliche Bezüge ab Oktober 2005 der Ortszuschlag nach
Stufe 2 anzusetzen ist.
25
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wie sie aus dem Rundschreiben des BMI vom 10.10.2005 entnommen habe, sei für den
Kläger nur der Ortszuschlag der Stufe 1 zu berücksichtigen. Ein finanzieller Nachteil sei
aufgrund der gezahlten außertariflichen Zulage derzeit nicht feststellbar.
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Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 17.04.2009 die Klage abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, dass dem Anspruch des Klägers der Wortlaut der Nrn. 1 und 2
der Protokollerklärung zu § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Bund entgegenstehe. Die Regelung
verstoße nicht gegen grundgesetzliche Wertungen.
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Gegen dieses ihm am 12.05.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.06.2009
Berufung eingelegt und diese am 03.07.2009 begründet.
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Der Kläger rügt insbesondere die Verletzung seines Rechts auf Gleichbehandlung aus
Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Verletzung seiner Rechte aus Art. 6 und Art. 14 GG. Eine
bereits aufgrund der vorhandenen beruflichen Stellung erreichte Vergütungsposition
werde ohne sachlichen Grund verschlechtert.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass bei der
Berechnung des monatlichen Vergleichsentgelts des Klägers für dessen
monatliche Bezüge ab dem Oktober 2005 der Ortszuschlag betragsmäßig nach
Stufe 2 anzusetzen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze und die Protokollerklärungen der Parteien Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach Maßgabe der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.
V. m. § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch als
statthaft im Sinne des § 64 Abs. 1 sowie Abs. 2 b ArbGG.
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Für die Klage besteht insbesondere ein Feststellungsinteresse, dass zwischen den
Parteien Streit darüber besteht, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass das
Vergleichsentgelt für die Überleitung in die Vergütung nach TVöD unter
Berücksichtigung des Ortszuschlages Stufe 2 zu berechnen ist. Diese Unsicherheit
kann durch ein entsprechendes Urteil beseitigt werden. Ein bloßer Zahlungsantrag
würde keine mit Rechtskraft bindende Klärung zwischen den Parteien für die Zukunft
entfalten.
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II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit
im Wesentlichen zutreffender Begründung abgewiesen.
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1. Dem Kläger steht kein Anspruch zu, dass bei der Berechnung des monatlichen
Vergleichsentgelts ab Oktober 2005 der Ortszuschlag nach Stufe 2 anzusetzen ist. Dies
ergibt sich aus der wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung der
entsprechenden Vorschriften.
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a. § 5 Abs. 2 TVÜ-Bund formuliert den Grundsatz, wonach ein Vergleichsentgelt sich
aus Grundvergütung, allgemeiner Zulage und Ortszuschlag der Stufe 1 oder 2
zusammensetzt. Sofern noch eine andere Person im Sinne von § 29 Abschnitt b Abs. 5
BAT/BAT-O ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
familienzuschlagsberechtigt ist, wird nur der Ortszuschlag nach Stufe 1 zugrunde gelegt.
Die Ehefrau des Klägers ist eine "andere Person" im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1.
Halbsatz TVÜ-Bund gemäß des in Bezug genommenen § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT,
da für sie als Angestellte des Klinikums Aachen der BAT - und nunmehr der TV-L -
anzuwenden ist und sie mithin ortszuschlagsberechtigt war.
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b. § 5 Abs. 2 TVÜ-Bund kann nicht im Sinne des Klägers dahin ausgelegt werden, dass
der Ortszuschlag Stufe 2 dann zugrunde zu legen ist, wenn der Ehegatte zwar –
grundsätzlich - ortszuschlagsberechtigt ist, aber im Stichtagsmonat September 2005
wegen Sonderurlaubs - tatsächlich - keinen Ortzuschlag erhalten hat.
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aa. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach der ständigen
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Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen
geltenden Regeln (vgl. nur BAG vom 22.10.2003 – 10 AZR 152/03 –, AP Nr. 21 zu § 1
TVG Rückwirkung; BAG vom 31.07.2002 – 10 AZR 578/01 –, AP Nr. 3 zu § 1 TVG
Tarifverträge: Wohnungswirtschaft). Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist
der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Wortlaut zu haften (§ 133 BGB). Der
wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und
Zweck der Tarifnorm ist mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen
Niederschlag gefunden hat. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist
abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte,
praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages ohne
Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die
Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten
und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 22.10.2003 – 10 AZR 152/03 –
a.a.O.).
bb. Bereits der Wortlaut des § 5 TVÜ-Bund spricht nicht dafür, dass das
Vergleichsentgelt höher zu bemessen ist, wenn der Ehegatte zwar theoretisch
ortszuschlagsberechtigt ist, aber aufgrund einer Beurlaubung im September 2005
keinen Ortszuschlag erhalten hat. In der Tarifnorm ist eine Unterscheidung zwischen
tatsächlich gezahlter Vergütung – wie sie in Abs. 1 mit der Formulierung "erhaltene
Bezüge" zugrunde gelegt wird – von der in Abs. 2 vorgenommenen abstrakten
Betrachtungsweise - wie sie in der Formulierung "ortzuschlagsberechtigt" vorgenommen
wird - bereits im bei den Tatbestandsvoraussetzungen differenzierenden Wortlaut der
Tarifvorschrift verankert. Die in dem hier streitentscheidenden Absatz 2 vorgenommene
Abstellung auf die Berechtigung entspricht auch der sprachlichen Fassung des § 29
Abschnitt b Abs. 5 BAT, auf den in § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Bund verwiesen wird. Auch in
§ 29 Abschnitt b Abs. 5 BAT wird nicht auf die tatsächliche Zahlung des Ortszuschlages
an den Ehegatten abgestellt, sondern im Konjunktiv formuliert.
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cc. Auch Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sprechen nicht dafür, das
Vergleichsentgelt höher zu bemessen, wenn der Ehegatte im Monat September 2005
tatsächlich keinen Ortszuschlag erhalten hat, aber bezugsberechtigt gewesen wäre.
Anders als der BAT kennt der TVöD keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr.
Durch § 5 TVÜ-Bund sollen die bisherigen familiären Umstände dauerhaft in das
Vergleichsentgelt einfließen. Durch die von der Norm vorgesehene
Berechnungsgrundlage soll grundsätzlich verhindert werden, dass sich das
Familieneinkommen gegenüber den bisherigen Verhältnissen vermindert. Das nach § 5
TVÜ-Bund ermittelte Vergleichsentgelt soll den Angestellten davor schützen, nach der
Überleitung in den TVÜ schlechter vergütet zu werden als zuvor. Das Vergleichsentgelt
garantiert, dass auch nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses der bisherige
Besitzstand gewahrt ist, so dass die tarifvertragliche Übergangsregelung der
Besitzstandwahrung entsprechend dem Status des Arbeitnehmers zum
Überleitungsstichtag dient (vgl. hierzu BAG vom 17.07.2008 – 6 AZR 635/07 –, ZTR
2008, 613; BAG vom 26.06.2008 – 2 AZR 498/07 –, ZTR 2008, 547; BAG vom
30.10.2008 – 6 AZR 682/07 –, ZTR 2009, 201).
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Sinn und Zweck des § 5 TVÜ-Bund ist dagegen nicht eine Erhöhung des
Familieneinkommens. Genau hierzu würde aber die Auffassung des Klägers führen.
Nach den Regelungen des BAT war es nämlich so, dass - neben dem jedermann
zustehenden Ortszuschlag der Stufe 1 - die Erhöhung auf Stufe 2 davon abhing, ob ein
Arbeitnehmer verheiratet ist. Fiel der Ehegatte ebenfalls unter den BAT, so wurde der
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familienbezogene Teil des Ortszuschlages jeweils zur Hälfte auf beide Ehegatten
aufgeteilt. Die Stufe 2 sollte damit im Ergebnis einmal in das Vergleichsentgelt des § 5
TVÜ-Bund einfließen. Würde man hingegen den tatsächlichen Nichtbezug des
Ortszschlags im Stichtagsmonat September 2005 im Sinne des Klägers
berücksichtigen, würde der Ortszuschlag der Stufe 2 dauerhaft in das Vergleichsentgelt
einfließen. Für die Ehefrau des Klägers wäre gemäß § 5 TVÜ-L ebenfalls ein
Vergleichsentgelt zu ermitteln, welches den Ortzuschlag der Stufe 1 enthält. Sobald der
andere Ehegatte wieder Entgelt bezieht, wäre das Gesamteinkommen beider Ehegatten
gegenüber der Rechtslage vor Überleitung verbessert, denn eine nachträgliche
Reduzierung des einmal festgesetzten Vergleichsentgelts sieht der TVöD nicht vor (so
auch LAG Düsseldorf vom 24.09.2007 – 17 Sa 967/07 –, ZTR 2008, 261; LAG Baden-
Württemberg vom 30.07.2008 – 14 Sa 49/08 –, Revision eingelegt unter dem
Aktenzeichen 6 AZR 1037/08; LAG Niedersachsen vom 10.06.2008 – 11 Sa 332/07 –,
Revision eingelegt unter Aktenzeichen 6 AZR 668/08).
c. Gegen dieses Ergebnis bestehen auch unter Gesichtspunkt der Gleichbehandlung
oder wegen sonstiger grundgesetzlicher Wertungen keine Bedenken.
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aa. Wie bereits das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 30.10.2008 (- 6
AZR 682/07 -, ZTR 2009, 201) festgestellt hat, verstößt § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA, der
gleichlautend ist mit dem hier streitgegenständlichen § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Bund,
weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Soweit der Kläger geltend
macht, er werde im Verhältnis zu Kollegen, die nicht mit einem Ehegatten, welcher im
öffentlichen Dienst beschäftigt ist, verheiratet ist, ungleich behandelt, berücksichtigt er
nicht hinreichend den familienbezogenen Charakter des Ortszuschlags Stufe 2. Der
Ortszuschlag Stufe 2 stellt keine Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern einen
sozialen Ausgleich für den Mehraufwand dar, der sich aus den mit einer Ehe
typischerweise verbundenen finanziellen Belastung ungeachtet einer konkreten
Bedarfssituation ergibt. Ihm kommt somit in erster Linie eine soziale,
familienstandsbezogene Ausgleichsfunktion zu. Für den Ortszuschlag Stufe 2 enthält
der BAT in § 29 Abschnitt B Abs. 5 eine seit dem Inkrafttreten des
49. Änderungstarifvertrages zum BAT am 01.05.1982 geltende Konkurrenzregelung. Mit
der Änderung der Ortszuschlagsregelung für beiderseits im öffentlichen Dienst tätige
Ehegatten sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bislang derselbe
Tatbestand zwei Mal aus öffentlichen Kassen abgegolten wurde. Die Neuregelung
sollte sicherstellen, dass grundsätzlich der volle Ehegattenanteil für beide Ehepartner
zusammen übrig bleibt. Diesem Ziel dient auch die Konkurrenzregelung in § 5 Abs. 2
Satz 2 TVÜ-Bund. Dort ist bestimmt, dass bei dem Vergleichsentgelt des in den TVöD
übergeleiteten verheirateten Angestellten nur der Ortszuschlag Stufe 1 zu
berücksichtigen ist, wenn sein Ehepartner ebenfalls ortszuschlagsberechtigt ist. Die
Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten wird in diesem Fall in Bezug auf die Zahlung des
Ortszuschlages Stufe 2 im Wesentlichen genauso behandelt wie im Falle eines
Angestellten des öffentlichen Dienstes, dessen Ehepartner in einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen tätig ist.
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bb. Richtig ist zwar, dass der Kläger aufgrund der neu gebildeten Entgeltgruppen in eine
höhere Zwischenstufe aufgestiegen wäre. Die Tarifvertragsparteien sind allerdings nicht
zwingend gehalten, eine Regelung zu schaffen, die dem Kläger einen solchen Aufstieg
ermöglicht hätte. In Bezug auf Leistungen mit besonderem Charakter, wie den tariflichen
Ortzuschlag, sind die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet, ein Regelwerk zu
vereinbaren, das sämtliche auch nur mittelbar auftretende Unterschiede berücksichtigt
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und finanziell ausgleicht (BAG vom 25.10.2007 – 6 AZR 95/07 –, ZTR 2008, 380). Die
sich vorliegend für den Kläger ergebenden Nachteile beruhen auf der Stufenbildung im
Entgeltgruppensystem des TVöD und nicht unmittelbar auf der unterbliebenen
Berücksichtigung des Ortszuschlags Stufe 2.
cc. Auch soweit der Kläger geltend macht, die Überleitung in den TVöD habe bei ihm zu
einer rechtswidrigen Vergütungskürzung und damit zu einem Eingriff nach Art. 14 GG
geführt, verkennt er, dass die Tarifvertragsparteien zulässigerweise auf die
Erwerbsgemeinschaft von Eheleuten abgestellt haben und dass der Ortszuschlag 1 in
das Vergleichsentgelt seiner Ehefrau eingestellt wird. Den Tarifvertragsparteien steht es
im Übrigen frei, bisher gewährte tarifvertragliche Leistungen mit Wirkung für die Zukunft
einzuschränken oder zu streichen.
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dd. Ferner liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor. Finanzielle Folgen
während der Elternzeit sind durch die Leistung der Differenzzahlung als außertarifliche
Zulage nicht gegeben.
52
d. Schließlich handelt es sich vorliegend nicht um eine sog. unzulässige
Rückgruppierung.
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Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung des Ortszuschlags 2 kann nicht aus
dem Schreiben vom 21.09.2005 hergeleitet werden. Die Anweisungen vorgesetzter
Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelung, vor
allem aber durch die Festlegungen des Haushaltsplanes gebundenen öffentlichen
Arbeitgeber sind anders als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des
Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu
beachten. Im Zweifel wollen sie nur die vorhandenen Normen vollziehen (BAG vom
11.10.1995 – 5 AZR 802/94 –, AP Nr. 9 zu § 611 BGB Arbeitszeit). Ein Arbeitnehmer
des öffentlichen Dienstes muss daher davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber nur
die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Das Schreiben vom
21.09.2005 enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte dem Kläger eine
Zusage unabhängig vom Bestehen tarifvertraglicher Verpflichtungen machen wollte. Es
gibt vielmehr die aus ihrer Sicht damalige Rechtslage wieder.
54
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
55
IV. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, da eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage betroffen ist, die im Hinblick auf die Geltung des
bundesweit anwendbaren TVÜ-Bund Auswirkungen auf einen größeren Teil der
Allgemeinheit hat.
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RECHTSMITTELBELEHRUNG
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Gegen dieses Urteil kann von
58
R E V I S I O N
59
eingelegt werden.
60
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist* von einem Monat
61
Bundesarbeitsgericht
62
Hugo-Preuß-Platz 1
63
99084 Erfurt
64
Fax: 0361 2636 2000
65
eingelegt werden.
66
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Die Revisionsschrift
muss
Bevollmächtigte
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1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder
Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer
der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person
ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser
Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit
vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die
Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
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* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Dr. Liebscher Wefers-Bruckhaus Groeneveld
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