Urteil des LAG Hessen vom 09.11.2005

LAG Frankfurt: altersgrenze, beendigung, tarifvertrag, arbeitslosenversicherung, arbeitsgericht, aktiven, datum, vergütung, informationspflicht, aufklärungspflicht

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
8. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 Sa 329/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 TVG, § 611 BGB
(Anrechung - Arbeitslosengeld - Übergangsversorgung)
Leitsatz
Ab 01.07.2003 ist das Arbeitslosengeld auf die Übergangsversorgung nach dem
Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter der Deutschen Lufthansa AG (TV
ÜV-FB) in der Fassung vom 01.07.2003 anrechenbar, wenn das Arbeitslosengeld nicht
vorher beantragt war.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am
Main vom 23. Nov. 2004 - 18/15 Ca 3329/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte Arbeitslosengeld auf die
tarifvertragliche Übergangsversorgung der Klägerin anrechnen darf.
Die am 12. Juni 1948 geborene Klägerin trat 1986 als Flugbegleiterin in die Dienste
der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13. Januar 1986 (Bl. 14
ff. d.A.). Dort heißt es u.a.:
"4. Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters ergeben sich aus den jeweils gültigen
Tarifverträgen für das Bordpersonal sowie Betriebsvereinbarungen und
Dienstvorschriften der ."
In § 19 des für das Arbeitsverhältnis der Parteien einschlägigen MTV I Kabine vom
27. April 1995 heißt es, soweit hier von Interesse:
"§ 19 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze
(1) Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf
des Monats, in dem das 55. Lebensjahr vollendet wird. (2) Das Arbeitsverhältnis
des/r Kabinenmitarbeiters/in kann bei körperlicher und beruflicher Eignung in
beiderseitigem Einvernehmen über das 55. Lebensjahr hinaus verlängert werden."
Bei der Beklagten gilt weiterhin ein Tarifvertrag Übergangsversorgung für
Flugbegleiter. Dieser regelt Leistungen, insbesondere eine Firmenrente bei
Ausscheiden wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55.
oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte bot der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die
Vollendung des 55. Lebensjahres im Rahmen der tarifvertraglichen Bestimmungen
an. Die Klägerin entschied sich dagegen. Mit Schreiben vom 15. Mai 2003
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an. Die Klägerin entschied sich dagegen. Mit Schreiben vom 15. Mai 2003
übersandte die Beklagte der Klägerin Unterlagen und Informationen zu ihrer
Übergangsversorgung. Die Höhe der Firmenrente gem. § 2 TV ÜV-FB wurde mit €
3.206,29 mitgeteilt. Weiter wird in dem Schreiben auf Einkommensanrechnungen
hingewiesen und auf die Verpflichtung, der Beklagten den Bezug von
Versorgungsleistungen mitzuteilen.
Nach längeren Verhandlungen der für die Beklagte zuständigen
Tarifvertragsparteien, die jedenfalls seit 2002 auch den TV ÜV-FB betrafen,
schlossen die Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH), der die Beklagte
angehört, und andererseits die Gewerkschaften Unabhängige
Flugbegleiterorganisation e.V. (UFO) bzw. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
(ver.di) am 20. Mai 2003 einen Tarifvertrag hinsichtlich der Versorgung Kabine.
Darin war u.a. hinsichtlich der Übergangsversorgungs-Firmenrente vorgesehen:
"Etwaige Leistungen aus BfA/VBL/BG und der BA werden auf die Firmenrente
angerechnet."
Eine solche Anrechnung war in den bisherigen Tarifverträgen zur
Übergangsversorgung nicht vorgesehen.
Diese Regelung sollte zum 01.07.2003 in Kraft treten, wobei eine Erklärungsfrist
zum 27. Mai 2003 vorgesehen war (vgl. Anlage K 8 zur Klageschrift). Die später
bekannt gegebene Neufassung des TV ÜV-FB vom 01.07.2003 enthält folgende,
hier interessierende Regelung:
"§ 3 Anrechnung
(1) … (2) …
Bezieht der Empfänger einer Firmenrente Arbeitslosengeld, ist dieses - soweit das
Arbeitsverhältnis nicht gem. § 20 MTV Kabine geendet hat - mit dem jeweiligen
Zahlungsbetrag auf die Firmenrente anzurechnen.
…"
Die Protokollnotiz IV dazu lautet:
"Berufsgenossenschaftsrenten und Arbeitslosengeld sind auf die Firmenrente nicht
anzurechnen, wenn der Antrag auf diese Leistung vor Inkrafttreten der Neufassung
dieses Tarifvertrages am 01.07.2003 gestellt worden ist."
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete zum 30.06.2003 mit Erreichen
der tariflichen Altersgrenze von 55 Jahren durch die Klägerin. Sie meldete sich am
01.07.2003 bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und erhielt von dieser seit
dem 01.07.2003 Arbeitslosengeld von € 1.955,74. Die Beklagte errechnete für die
Klägerin auf der Basis einer Gesamtvergütung von € 4.998,90 monatlich für die
Klägerin eine Firmenrente nach dem TV ÜV-FB von € 3.206,29. Auf diese rechnete
sie das von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld an und errechnete daraus
einen Zahlbetrag der Firmenrente von € 1.250,55 brutto.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie könne eine ungekürzte
Übergangsversorgung von der Beklagten verlangen. Mit dem Schreiben vom 15.
Mai 2003 habe die Beklagte der Klägerin angeboten, ihr eine monatliche
Firmenrente von € 3.206,29 brutto zu zahlen, ohne dass eine Anrechnung von
Arbeitslosengeldansprüchen vorgesehen gewesen sei. Dieses Angebot sei von der
Klägerin angenommen worden. Jedenfalls schulde die Beklagte die Firmenrente
ohne Anrechnung von Arbeitslosengeld unter dem Gesichtspunkt des
Schadenersatzes wegen Verletzung der Aufklärungs- und Informationspflicht. Die
Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin vor dem 01.07.2003 über die
Neuregelung des TV ÜV-FB zu unterrichten. Hätte die Klägerin von der
Anrechenbarkeit des Arbeitslosengeldes gewusst, hätte sie sich für die
Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses entschieden. Die Protokollnotiz, mit der
diejenigen, die nach dem 01.07.2003 Arbeitslosengeld beantragt haben,
gegenüber denjenigen benachteilige, die davor einen solchen Antrag stellten oder
gar keinen Antrag stellten, sei willkürlich und verstoße gegen den Gleichheitssatz.
Die Klägerin hat Zahlung der angerechneten Beträge für die Zeit vom Juli 2003 bis
Oktober 2004 verlangt und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet
ist, an die Klägerin ab 01. November 2004 eine monatliche Übergangsversorgung
Flugbegleiter-Firmenrente in Höhe von insgesamt € 3.206,29 brutto ohne
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Flugbegleiter-Firmenrente in Höhe von insgesamt € 3.206,29 brutto ohne
Anrechnung des Arbeitslosengeldes hierauf zu zahlen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Bestimmung über die Anrechnung
des Arbeitslosengeldes sei wirksam und auf die Klägerin anzuwenden. Die
Stichtagsregelung der Protokollnotiz sei nicht zu beanstanden. Für sie habe auch
keine Aufklärungs- und Informationspflicht bestanden. Sie hat behauptet, sie habe
die Klägerin mit Schreiben vom 21. Mai 2003 persönlich auf den Tarifabschluss
hingewiesen. Weiterhin sei mit einem Sonderrundschreiben über den
Tarifabschluss informiert worden. Diese Informationen seien Anfang Juni in die
Postfächer verteilt und EDV-mäßig verarbeitet worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 23. November 2004,
auf das verwiesen wird.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Wegen der für die Zulässigkeit der
Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 09. November 2005
verwiesen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Aufgrund des Schreibens vom 15.05.2003 habe die Klägerin davon ausgehen
können, dass die alte tarifliche Rechtslage für ihre Übergangsversorgung ab dem
01.07.2003 gelten werde. Es habe sich nicht lediglich um eine Mitteilung, sondern
um eine eigenständige arbeitsrechtliche Verpflichtung gehandelt. Die
Protokollnotiz IV könne dahin ausgelegt werden, dass es ausreicht, wenn der
Antrag auf Arbeitslosengeld am 01.07.2003 erfolgt. Die Klägerin sei
gleichheitswidrig schlechter gestellt als diejenigen, die vor dem 01.07.2003 einen
Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt hätten, aber ebenfalls ab 01.07.2003 in
Übergangsversorgung gegangen seien. Weiterhin hätte die Beklagte auch
anrechnungsfreie Übergangsversorgung an Flugbegleiter gewährt, die nach dem
01.07.2003 in die Übergangsversorgung gegangen sind und sich auch erst nach
diesem Zeitpunkt arbeitslos meldeten. Die Beklagte habe eine Aufklärungspflicht
sowohl hinsichtlich der Anrechnung des Arbeitslosengeldes wie auch hinsichtlich
der Stichtagsregelung der Protokollnotiz gehabt. Die von der Beklagten
behaupteten Informationen hätten sie nicht erreicht.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23.11.2004, Az.: 18/15 Ca
3329/04 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 44.888,06
brutto abzüglich gezahlter € 13.116,87 netto nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 3.206,29 brutto seit dem 01.
Oktober 2003, aus € 3.206,29 brutto seit dem 01. November 2003, aus €
3.2096,29 brutto seit dem 01. Dezember 2003, aus € 3.206,29 seit dem 01. Januar
2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. Februar 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01.
März 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. April 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01.
Mai 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. Juni 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. Juli
2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. August 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01.
September 2004, aus € 3.206,29 seit dem 01. Oktober 2004 und aus € 3.206,29
seit dem 01. November 2004, abzüglich am 01.12.2003 für den Monat November
gezahlter € 190,49 netto, am 01.01.2004 für Dezember 2003 gezahlter € 1.132,44
netto, am 01.02.2004 für Januar 2004 gezahlter € 1.132,44 netto, am 01.03.2004
für Februar 2004 gezahlter € 1.132,44 netto, am 01.04.2004 für März 2004
gezahlter € 1.001,40 netto, am 01.05.2004 für April 2004 gezahlter € 1.088,76
netto, am 01.06.2004 für Mai 2004 gezahlter € 1.127,93 netto, am 01.07.2004 für
Juni 2004 gezahlter € 1.127,93 netto, am 01.08.2004 für Juli 2004 gezahlter €
1.127,93 netto, am 01.09.2004 für August 2004 gezahlter € 1.354,52 netto, am
01.10.2004 für September 2004 gezahlter € 1.374,56 netto und am 01.11.2004 für
Oktober 2004 gezahlter € 1.326,03 netto zu zahlen; 2. festzustellen, dass die
Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 01.11.2004 eine monatliche
Übergangsversorgung Flugbegleiter-Firmenrente in Höhe von insgesamt €
3.206,29 brutto ohne Anrechnung des Arbeitslosengeldes hierauf zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten
Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist erfolglos. Die Klage ist unbegründet. Das hat das
Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des
Arbeitsgerichts. Auf die Ausführungen der Berufung ist festzuhalten:1.
Die Klägerin hat keinen vertraglichen Anspruch auf eine Firmenrente von €
3.206,29 monatlich ohne Anrechnung des ihr gewährten Arbeitslosengeldes. Ein
solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom
15.05.2003. In diesem wird die Klägerin lediglich über die Höhe der ihr ab
01.07.2003 nach dem TV ÜV-FB zustehenden Firmenrente informiert. Dafür, dass
der Klägerin damit ein Vertragsangebot gemacht worden wäre, ist nichts
ersichtlich. Das Schreiben verweist mehrfach ausdrücklich auf § 2 TV ÜV-FB und
gibt damit zu erkennen, dass lediglich darüber informiert wird, was sich aus diesem
Tarifvertrag für die Klägerin bei Erreichen der Altersgrenze ergibt. Es ist keinerlei
Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass mit diesem Schreiben eine von der Geltung
des jeweiligen TV ÜV-FB abweichende Rechtslage geschaffen werden sollte. Die
Vereinbarung einer vom TV ÜV-FB unabhängigen Firmenrente in Höhe von €
3.206,29 würde nämlich auch bedeuten, dass die im TV ÜV-FB angelegte
Dynamisierung nicht mehr gelten würde. Für ein derartiges am 15.05.2003 nur
ungünstiges Angebot kann nicht angenommen werden, dass die Klägerin es
stillschweigend angenommen hätte oder nach § 151 BGB von einer Annahme
auszugehen wäre. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 15.05.2003 nur -
zutreffend - über die zu dieser Zeit geltende Rechtslage hinsichtlich der
Übergangsversorgung und deren Höhe informiert. Eine auf die Änderung eines
Rechtsverhältnisses zielende Erklärung kann darin nicht gesehen werden.
2. Die Beklagte ist nach § 3 Abs. 2 TV ÜV-FB berechtigt, das der Kläger gewährte
Arbeitslosengeld auf die Firmenrente anzurechnen. a)Diese Bestimmung über die
Anrechenbarkeit ist durch den TV ÜV-FB vom 01.07.2003 mit Wirkung von diesem
Tag eingeführt. Sie ist wirksam. Die Tarifvertragsparteien konnten den bisherigen
TV ÜV-FB dahin ändern, dass die Firmenrente nicht neben Arbeitslosengeld
gewährt wird, sondern dieses auf die Firmenrente angerechnet wird. Die
Übergangsversorgung nach dem TV ÜV-FB ist keine Altersversorgung, sondern
dient der Überbrückung der Zeit zwischen der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze und dem
Eintritt der Altersversorgung (vgl. BAG vom 27.02.2002 - 9 AZR 38/01 zu II. 2. b)
bb); HessLAG v. 21.08.2002 - 8 Sa 1588/01 zu II. d.). Sie dient als Ersatz für die
bisher durch Arbeit erworbene Vergütung und damit dem gleichen Zweck wie das
Arbeitslosengeld. Die Tarifvertragsparteien waren frei, diesen Ersatzbedarf
festzulegen und haben dies mit etwa 2/3 der bisherigen Vergütung auf einem
durchaus angemessenen Niveau getan. Eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes
auf die Firmenrente stößt damit auf keinerlei Bedenken. getan. Auf einem anderen
Blatt steht, dass es verwunderlich ist, dass in der Vergangenheit nicht die
Arbeitslosenversicherung solche Lohnersatzleistungen von Unternehmen auf das
Arbeitslosengeld angerechnet hat.
Schließlich führt die Klägerin selbst aus, sie habe aufgrund des TV ÜV-FB vom
15.12.1985 darauf vertrauen können, dass sie mindestens 60% der vor
Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen Gesamtvergütung als
Übergangsversorgung erhalte. In diesem Vertrauen ist die Klägerin auch nicht
enttäuscht worden. Sie erhält seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei
Erreichen der Altersgrenze tatsächlich Lohnersatzleistungen, die 60% ihrer
Gesamtvergütung übersteigen - solange das Arbeitsamt zahlt bestehend aus
Arbeitslosengeld und Firmenrente. Darauf, dass sie darüber hinaus noch
Arbeitslosengeld erhält, konnte sie nicht vertrauen. b)Die Bestimmung des TV ÜV-
FB in der Fassung vom 01.07.2003 über die Anrechnung des Arbeitslosengeldes
gilt auch für die Klägerin. Nach ihrem Arbeitsvertrag richten sich ihre Ansprüche
nach dem jeweils gültigen Tarifvertrag. Ab 01.07.2003 gilt der TV ÜV-FB in der
Fassung vom 01.07.2003 und damit gilt ab diesem Zeitpunkt für die
Übergangsversorgungsansprüche der Klägerin auch die Anrechnung des
Arbeitslosengeldes. Gegen die Anwendung spricht auch nicht der Gesichtspunkt
des Vertrauens- oder Besitzstandsschutzes. Niemand konnte auf eine Regelung
vertrauen, die Flugbegleiter nach Ausscheiden wegen Erreichens der tariflichen
Altersgrenze wirtschaftlich etwa gleich oder gar besser stellt als während des
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Altersgrenze wirtschaftlich etwa gleich oder gar besser stellt als während des
aktiven Dienstes oder der - von der Beklagten regelmäßig angebotenen -
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Im Fall der Klägerin wird diese
Überversorgung deutlich. Die Klägerin konnte ein Arbeitslosengeld von monatlich €
1.956,00 beanspruchen. Rechnete man dazu eine Übergangsversorgung von €
3.206,29, ergäbe sich ein Gesamtbetrag von € 5.162,37. Zuvor hatte die Klägerin
eine Gesamtvergütung aus Gehalt, Purserzulage und Schichtzulage von
insgesamt € 4.998,90, das bis auf die Schichtzulage von € 700,00 der vollen
Versteuerung und der Sozialversicherung unterlag. Der Nettobetrag aus
Arbeitslosengeld und ungekürzter Firmenrente dürfte deutlich über diesen aktiven
Bezügen liegen. Es lag auf der Hand, dass eine derartige Überversorgung
derjenigen, die nicht mehr arbeiten, als anstößig empfunden und beseitigt werden
würde - sei es durch die Arbeitslosenversicherung oder durch die
Tarifvertragsparteien. Hinzu kommt, dass die Beklagte den Flugbegleitern
regelmäßig das Angebot gemacht hat, über die Altersgrenze hinaus das
Arbeitsverhältnis zu verlängern und jedenfalls seit dem Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom 31.07.2002 (NZA 2002, S. 1155 = DB 2003, S. 158)
höchstrichterlich festgestellt ist, dass die Altersgrenze von 55 Jahren für
Kabinenpersonal unwirksam ist.
3. Die Klägerin kann auch nichts aus der Protokollnotiz IV für sich herleiten.
a) Nach dieser Protokollnotiz erfolgt eine Anrechnung des Arbeitslosengeldes
nicht, wenn der Antrag auf diese Leistung "vor Inkrafttreten der Neufassung dieses
Tarifvertrages am 01.07.2003 gestellt worden ist". Entgegen der Ansicht der
Klägerin kommt eine Auslegung dieser Bestimmung dahingehend, dass es darauf
ankommt, dass der Antrag am 01.07.2003 gestellt wurde oder eine Stellung des
Antrags an diesem Tag noch genügt, nicht in Betracht. Das Datum "am
01.07.2003" bezieht sich offensichtlich und eindeutig auf das Inkrafttreten der
Neufassung des Tarifvertrages. Bezöge man das Datum, wie die Klägerin es will,
auf den Antrag, hätte diese Bestimmung keinen vernünftigen Sinn und kaum
praktische Auswirkungen. Die Anrechnung entfiele dann nur für die Gruppe, die
genau am 01.07.2003 den Antrag stellten - das wäre eine abstruse und jeglichen
vernünftigen Sinnes entbehrende Regelung.
b) Die Vorschrift, wonach diejenigen, die schon vor dem Inkrafttreten der
Neuregelung am 01.07.2003 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt hatten,
von der Anrechnung verschont bleiben, ist weder willkürlich noch gleichheitswidrig.
Die Neuregelung über die Anrechnung gilt grundsätzlich für alle gegenwärtigen und
zukünftigen Bezieher von Übergangsversorgung. Das bedeutete, dass eine
Anrechnung auch für diejenigen hätte erfolgen müssen, die bereits seit Langem
Übergangsversorgung bezogen oder bereits vor der Neuregelung Arbeitslosengeld
beantragt hatten. Für diese kam eine Besitzstandswahrung jedenfalls in Betracht.
Die Tarifvertragsparteien haben diesen Personenkreis - wenn auch möglicherweise
ohne rechtliche Notwendigkeit - von der Neuregelung ausgenommen. Das ist im
Hinblick darauf, dass dieser Personenkreis sich auf die alte Regelung bereits
eingerichtet hatte, sachlich gerechtfertigt. Es mag fraglich sein, ob für diesen
Personenkreis tatsächlich ein Bestandsschutz gegeben war, insbesondere für
diejenigen, die noch keine anrechnungsfreie Firmenrente bezogen hatten, sondern
lediglich einen Antrag gestellt hatten. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, ergibt
sich daraus nichts für die Klägerin. Dann wäre die Neuregelung auch ohne die in
der Protokollnotiz geregelte Ausnahme wirksam.
4. Die Beklagte hat auch keine sie treffenden Aufklärungspflichten verletzt. Auf die
zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen. Zu
bekräftigen ist:
Die Grundsätze, die unter besonderen Umständen den Arbeitgeber bei
Aufhebungsverträgen zu Hinweisen und Aufklärung verpflichten, kann die Klägerin
nicht für sich in Anspruch nehmen. Ihr Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer
tarifvertraglichen Altersgrenze und aufgrund ihrer eigenen Entscheidung, die
Möglichkeit das Arbeitsverhältnis fortzusetzen nicht wahrzunehmen. Es war Sache
der Klägerin sich über die Folgen dieses Schrittes zu informieren. Wie oben
ausgeführt, konnte die Klägerin von vornherein nicht darauf vertrauen, dass die
Regelung über die Nichtanrechenbarkeit von Arbeitslosengeld auf Dauer Bestand
haben würde. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass über den TV
ÜV-FB schon seit längerer Zeit verhandelt wurde. Es war Sache der Klägerin sich
darüber zu informieren, was dabei herauskommt.
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Die Beklagte konnte insbesondere nicht verpflichtet sein, die Klägerin über die
Protokollnotiz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu informieren. Hier
kommt hinzu, dass diese Protokollnotiz vor diesem Zeitpunkt offensichtlich nicht
existierte, sondern diese erst in die endgültige Neufassung des TV ÜV-FB vom
01.07.2003 zu einem Zeitpunkt jedenfalls nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses eingefügt wurde.
Im Übrigen geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte ihre Arbeitnehmer
bereits mit Schreiben vom 21. Mai 2003 und der PN-Info 01/03 informiert hat. Es
kommt nicht darauf an, ob die Klägerin diese Informationen tatsächlich zur
Kenntnis genommen hat. Sie hatte jedenfalls die Möglichkeit dazu. Die Kammer
glaubt der Klägerin nicht, dass sie in der Zeit ab 21. Mai 2003 schlichtweg nichts
davon gehört hätte, dass der TV ÜV-FB geändert wurde. Dann war es aber Sache
der Klägerin sich genaue Informationen zu besorgen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.