Urteil des LAG Hessen vom 17.03.2009

LAG Frankfurt: altersgrenze, verbot der diskriminierung, konzern, widersprüchliches verhalten, rechtsgeschäftsähnliche handlung, wechsel, eugh, unternehmen, einweisung, kapitän

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TaBV 168/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 8
AGG, § 10 S 1 AGG, § 7 Abs
1 AGG
(Altersdiskriminierung durch eine
Höchsteinstiegsaltersgrenze - Zustimmungsersetzung -
Flugverkehr)
Leitsatz
Die Einstellungshöchstgrenze von 32 Jahren und 364 Tagen für außerhalb des
Lufthansakonzerns ausgebildete Piloten von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien vom 18.
Dezember 2006 diskriminiert ältere Bewerber ungerechtfertigt wegen ihres Alters und
ist daher nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2008 – 14 BV 36/08 – wird
insgesamt zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über eine Einstellung.
Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein zum A-Konzern gehörendes
Luftfrachtunternehmen. Ihr fliegendes Personal wird von der zu 2) beteiligten
Personalvertretung repräsentiert, die auf der Grundlage des gemäß § 117 Abs. 2
BetrVG zwischen der Arbeitgeberin und der Deutschen Angestelltengewerkschaft
geschlossenen Tarifvertrages Personalvertretung GCS vom 01. Februar 1993 (TV
PV GCS, siehe Bl. 29 - 44 d.A.) gebildet wurde.
Die Konzernunternehmen decken ihren Pilotenbedarf durch im Konzern
ausgebildete Nachwuchsflugzeugführer (sog. NFF) ab. Soweit diese für die
benötigte Kapazität nicht ausreichen, werden sog. „Ready Entries“ (RE) eingestellt.
Die als RE eingestellten Piloten verfügen über eine bei einem anderen
Luftfahrtunternehmen abgeschlossene Flugzeugführerausbildung sowie in
unterschiedlichem Umfang über Flugerfahrung in fremden Fluggesellschaften. Die
Arbeitgeberin unterzieht sie vor der Einstellung dem sog. DLR-Test, der aus einem
dreistufigen Auswahlprozess besteht. Die erste Stufe umfasst eine
Grunduntersuchung der von der Arbeitgeberin als notwendig betrachteten
Kenntnisse und Fähigkeiten. Weiter wird die Adaptionsfähigkeit der Bewerber an die
im Konzern üblichen speziellen Verfahren und Arbeitsweisen überprüft. Darauf
schließt sich ein Simulator-Screening an, in dem die fliegerischen Fähigkeiten der
Piloten und deren Anpassung an die im Konzern üblichen Prinzipien der Tätigkeit
im Cockpit beobachtet werden. Nach der Einstellung müssen die RE das „Type
Rating“, d.h. die Musterberechtigung, erwerben und sich einer Einweisung
unterziehen. Im nationalen und internationalen Luftfahrtsicherheitsrecht ist neben
der allgemeinen Altershöchstgrenze für Piloten gemäß 1.060 JAR-FCL1 eine
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der allgemeinen Altershöchstgrenze für Piloten gemäß 1.060 JAR-FCL1 eine
zusätzliche spezielle Höchstaltersgrenze für den Wechsel von Piloten zwischen
verschiedenen Fluggesellschaften nicht vorgesehen. Bei zahlreichen
Luftfahrtunternehmen bestehen dafür auch keine internen Altersgrenzen, etwa bei
B und C. Im Konzern der Arbeitgeberin absolviert ein erheblicher Teil der Copiloten
nicht die Förderung zum Kapitän und ist demzufolge bis zur Beendigung der
Pilotenlaufbahn als Copilot tätig.
Die Beteiligten schlossen am 12. Oktober 1999 die Betriebsvereinbarung
„Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der Einstellung von
Verkehrsflugzeugführern“ (nachfolgend BV), in deren § 3
Einstellungsvoraussetzungen für RE geregelt wurden. Gemäß § 3 Nr. 6 BV betrug
das Höchstalter bei der Einstellung 32 Jahre und 364 Tage. Wegen des
vollständigen Inhalts der BV wird auf die Anlage zur Antragsschrift (Bl. 16 - 18 d.A.)
Bezug genommen. Die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin schloss am 07.
Februar 2003 mit der ihr fliegendes Personal vertretenden Gesamtvertretung die
Betriebsvereinbarung „Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl bei der
Auswahl von Flugzeugführern bei der E“ (BV Auswahlrichtlinien). Diese enthält u.a.
folgende Regelungen:
㤠1 Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung regelt die personelle Auswahl von künftigen
Flugzeugführern der E Passage Airline. § 2 Grundsätze zur Einstellung von
Flugzeugführern bei E
I. E deckt den Pilotenbedarf grundsätzlich durch Nachwuchsflugzeugführer ab, die
an der Verkehrsfliegerschule der D GmbH (LFT) geschult werden (= ab initio -
geschulte NFF).
III. Wird der personelle Bedarf nicht gemäß Absatz 1 gedeckt, kann E
Flugzeugführer mit Lizenzen (Ready Entry) einstellen.
§ 3 Einstellungsvoraussetzungen für NFF
I. Personenbezogene Einstellungsvoraussetzungen
1. Deutsche Staatsangehörigkeit oder Staatsangehörigkeit eines EU-Landes oder
eine Aufenthaltsberechtigung oder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die
BRD. Zudem muss der Bewerber im Besitz eines uneingeschränkten Reisepasses
sein.
2. Körpergröße: 1,65 - 1,95 m
3. Nachweis der allgemeinen oder fachgebundenen Hochschulreife als
Schulabschluss. Bewerber, die keinen Abschluss einer deutschen Schule haben,
müssen anhand einer entsprechenden Bescheinigung nachweisen, dass das
ausländische Zeugnis der allgemeinen oder fachgebundenen Hochschulreife
entspricht und zum Studium an einer deutschen Hochschule berechtigt.
4. Beherrschung der deutschen und englischen Sprache in Wort und Schrift.
5. Mindestalter am Tage der Einstellung: 21 Jahre
7. Nachweis, dass der Wehr- oder Zivildienst abgeleistet worden ist oder der
Bewerber davon befreit oder ausgemustert worden ist.
§ 4 Einstellungsvoraussetzungen für Ready Entry
I. Es gelten die personenbezogenen Einstellungsvoraussetzungen für NFF gemäß §
3 I Nr. 1 bis Nr. 5 und Nr. 7.Das Höchstalter beträgt bei RE 32 Jahre und 364 Tage
zum voraussichtigen Datum des Arbeitsvertrages. Die fliegerische Tauglichkeit
nach Medical Klasse 1/Deutschland muss durch den Medizinischen Dienst der E
festgestellt werden. Hierbei gilt, dass die Korrektur der Sehschärfe +/- 3,0 Dioptrie
nicht überschreiten darf.
II. Ready Entry-Bewerber müssen zudem die nachfolgend aufgeführten
fliegerischen Voraussetzungen nachweisen:
Kategorie A: ATPL und LR und eine Flugerfahrung von mindestens 800 Stunden,
davon mindestens 600 Stunden in der kommerziellen Luftfahrt auf mehrmotorigen
Flugzeugen, die für eine Cockpitbesatzung von mindestens zwei Piloten
zugelassen sind.Kategorie B: ATPL und LR (nur Theorie) und eine Flugerfahrung
von mindestens 600 Stunden, davon mindestens 300 Stunden in der
kommerziellen Luftfahrt auf mehrmotorigen Flugzeugen, die für eine
Cockpitbesatzung von mindestens zwei Piloten zugelassen sind.Kategorie C: CPL
und IFR und eine Flugerfahrung von mindestens 250 Stunden. Höchstalter: 29
Jahre und 364 Tage.
III. Eignungsuntersuchung (EU) und Firmenqualifikation (FQ). Zusätzlich muss von
RE-Bewerber ein fliegerisches Screening im Simulator absolviert werden.
EU und FQ sollen vor der Schulung bzw. Einweisung durchgeführt werden.EU und
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EU und FQ sollen vor der Schulung bzw. Einweisung durchgeführt werden.EU und
FQ können nicht wiederholt werden.
IV. Vor Beginn des Linientrainings müssen die RE-Bewerber eine spezielle
Einweisung bzw. Schulung absolvieren. Sie sollen so mit den E Standardverfahren
vertraut gemacht werden. Der Umfang dieser Einweisung bzw. Schulung wird unter
Berücksichtigung der Flugerfahrung der Bewerber von den Betriebspartnern
festgelegt.
§ 5 Einstellungsvoraussetzungen anderer Bewerber
Hat A personellen Bedarf, der mit NFF und RE-Bewerbern nicht zu decken ist, wird
sie mit dem Betriebspartner wegen der Einstellungsvoraussetzungen und der
Anzahl anderer Bewerber verhandeln. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann
die Einigungsstelle angerufen werden.“
Am selben Tag schlossen die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin und die
Gesamtvertretung die „Ergänzungsvereinbarung Nr. 1“, in der es u.a. heißt:
„Das Einstiegsalter für RE beträgt 37 Jahre und 364 Tage zum
voraussichtlichen Datum des Arbeitsvertrages für Bewerbergruppen der folgenden
Airlines:
Swiss
SAS
KLM
AUA
LTU
City Line.
Für diese Bewerber gelten folgende Voraussetzungen: ATPL und LR (nur Theorie)
und eine Flugerfahrung von mindestens 1000 Stunden in der kommerziellen
Luftfahrt auf mehrmotorigen Flugzeugen, die für eine Cockpitbesatzung von
mindestens zwei Piloten zugelassen sind.
Die in § 4 Abs. I, Satz 1, 3, 4, III, IV enthaltenen Regelungen finden auf diese
Bewerber Anwendung.“
Wegen des vollständigen Inhalts der BV Auswahlrichtlinien und der
Ergänzungsvereinbarung wird auf die Anlage AG 1 zum Schriftsatz vom 08.
Februar 2008 (Bl. 84 - 87 d.A.) Bezug genommen. Vor dem Hintergrund seit dem
Jahr 2006 auftretender erheblicher Probleme, den im Konzern bestehenden Bedarf
an Nachwuchspiloten zu decken, schlossen die die Unternehmen des A-Konzerns
tarifrechtlich vertretende Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V. (AVH) und
die Vereinigung Cockpit e.V. (VC) am 18. Dezember 2006 die „Tarifvereinbarung
Kapazitätserhöhung Cockpit 2007/2008“. Gemäß deren Ziffer 4 vereinbarten die
Tarifvertragsparteien den u.a. für die Arbeitgeberin geltenden „Tarifvertrag
Auswahlrichtlinien“ (TV Auswahlrichtlinien), der mit der BV Auswahlrichtlinien und
der Ergänzungsvereinbarung Nr. 1 im Wesentlichen wortgleich ist. Die
Tarifvertragsparteien vereinbarten lediglich folgende Änderungen:
„- § 3 I.1. (Mindestalter): Mindestalter am Tage der Einstellung: 18 Jahre
- § 3 I.2. (Körpergröße): 1,65 - 1,98 m
- § 3 I.7. (Wehr- und Zivildienst): entfällt
- Fortgeltung der Ergänzungsvereinbarung Nr. 1; zusätzliche Aufnahme
folgender Fluggesellschaften: Tuifly (ex HLF/HLX)
- Höchstalter bei Schulungsbeginn maßgebend
- Die Voraussetzungen in § 4 Abs. 2 werden klarstellend analog an die
zwischenzeitlich veränderten gesetzlichen Bestimmungen angepasst.
- Sonderregelungen GWI/CIB während der Laufzeit dieses Tarifvertrages:
- Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung Nr. 2 analog
Ergänzungsvereinbarung Nr. 1; wobei Satz 1 wie folgt neu gefasst wird: „Das
Einstiegsalter für RE zum voraussichtlichen Datum des Arbeitsvertrages beträgt 37
Jahre und 364 Tage.““
Wegen des vollständigen Inhalts der Tarifvereinbarung Kapazitätserhöhung wird auf
die Anlage A 1 zur Antragsschrift (Bl. 13 - 15 d.A.) Bezug genommen. Im Jahr 2007
stellten sich die Konzernunternehmen auf den Standpunkt, dass die
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stellten sich die Konzernunternehmen auf den Standpunkt, dass die
Höchstaltersregelung für RE von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien nach §§ 1, 7
Abs. 1, Abs. 2 AGG unwirksam ist. Im November 2007 stellte die D GmbH als
erstes Konzernunternehmen unter Verstoß gegen § 4 I Satz 2 TV
Auswahlrichtlinien zwei 42 bzw. 39 Jahre alte RE ein. Dies wurde sofort zum
Diskussionsthema innerhalb der Personalvertretungen der Konzernunternehmen.
Die Beteiligten erörterten dieses Thema in der Folgezeit. Die Arbeitgeberin
kündigte im Dezember 2007 an, in absehbarer Zeit ebenfalls die Altersgrenze
überschreitende RE einzustellen. Die Personalvertretung erklärte darauf, sie werde
den Einstellungen voraussichtlich wegen eines Verstoßes gegen § 4 I Satz 2 TV
Auswahlrichtlinien widersprechen. Mit einem am selben Tag zugegangenen
Schreiben vom 08. Januar 2008 unterrichtete die Arbeitgeberin unter Vorlage einer
Personalbedarfplanung sowie der Bewerbungsunterlagen die Personalvertretung
über ihre Absicht, den am 01. Januar 1970 geborenen und vorher für die Firma F
tätigen RE G zum 01. Februar 2008 einzustellen. Sie führte aus, dieser verfüge
„u.a. über die allgemeine Hochschulreife, einen positiven DLR-Test, die notwendige
Anzahl an Jet-Stunden, deutsche ATPL, fliegerische Tauglichkeit nach Medical
Klasse 1, Drogenscreening, geleisteter Wehr- bzw. Zivildienst, Körpergröße von
1,84 m“. Die Personalvertretung widersprach der Einstellung mit einem der
Arbeitgeberin am 14. Januar 2008 zugegangenen Schreiben vom 10. Januar 2008
mit folgender Begründung:
„- Herr G erfüllt nicht die im TV „Kapazitätserhöhung 2007/2008“ geregelten
Voraussetzungen für die Einstellung.
- Die Vorlage zur Einstellung erfolgte vor Bewerbungsschluss zum genannten
Grundkurs (§ 10 Abs. 3 TV WeFö Nr.3). Dieser ist am 15.01.2008. Somit steht noch
nicht fest, ob der Lehrgang vorrangig mit Bewerbern gemäß TV WeFö zu besetzen
ist.“ Darauf leitete die Arbeitgeberin das vorliegende
Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Wegen des vollständigen Inhalts der
vorgerichtlichen Korrespondenz der Beteiligten wird auf die Anlagen A 2 bis A 3 zur
Antragsschrift (Bl. 19 - 28 d.A.) Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin hat an ihrer Ansicht festgehalten, dass die Altersgrenze von § 4 I
Satz 2 TV Auswahlrichtlinien aufgrund ihrer altersdiskriminierenden Wirkung
unwirksam sei. Das Interesse an einer Amortisierung von Ausbildungskosten
rechtfertige die Grenze angesichts des Umstands nicht, dass bei der Übernahme
der bereits fertig ausgebildeten RE nur geringe Kosten für die Einweisung und das
Type Rating anfallen. Entsprechendes gelte für die tarifvertragliche
Übergangsversorgung der RE, da diese eine zehnjährige Mindestbeschäftigung
voraussetze. Die Absolvierung des DLR-Tests gewährleiste die Integration der
Piloten in die konzernspezifischen Arbeitsabläufe. Zudem ähnelten sich die Abläufe
vieler Fluggesellschaften zunehmend.
Die Arbeitgeberin hat, soweit für das Beschwerdeverfahren noch von Interesse,
beantragt,
die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Einstellung des Herrn G als Copilot
auf dem Flugzeugmuster MD 11 ab 01. Februar 2008 (Ground Course - Beginn 03.
März 2008) zu ersetzen.
Die Personalvertretung hat zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die
Ansicht vertreten, ihr Widerspruch gegen die Einstellung von Herrn G sei gemäß §
64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS aufgrund der Verletzung der Altersgrenze von § 4 I Satz
2 TV Auswahlrichtlinien begründet. Die durch die Tarifnorm ausgelöste
Benachteiligung älterer Bewerber sei durch ein legitimes Ziel im Sinne von § 10
AGG gerechtfertigt und angemessen. In konzernfremden Unternehmen
ausgebildete Piloten könnten sich mit zunehmendem Alter schwieriger auf die
konzernspezifischen Arbeitsabläufe im Cockpit einstellen. Gerade in den
besonders sicherheitsrelevanten Krisensituationen und bei routinemäßigen
Vorbereitungshandlungen müsse die Garantie bestehen, dass sich die Piloten an
die Verfahrensweisen der Arbeitgeberin und nicht an die ihres früheren
Arbeitgebers halten. Bei Piloten, die bereits lange Zeit nach anderen
Arbeitsabläufen gearbeitet haben, bestehe die Gefahr eines Rückfalls in früher
gelernte Muster, was gerade in Situationen, die eine schnelle Abstimmung
zwischen beiden Piloten erfordern, Sicherheitsrisiken auslöse. Die Altersgrenze
wirke den Gefahren einer derartigen „Verbildung“ entgegen. Sie knüpfe damit nur
in zweiter Linie an das Alter der Piloten an. Der DLR-Test garantiere lediglich die
allgemeine flugphysiologische Eignung der Piloten und deren Integrationsfähigkeit
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allgemeine flugphysiologische Eignung der Piloten und deren Integrationsfähigkeit
in die Firmenkultur, besage aber nichts über die Gefahr des Rückfalls in früher
angelernte Verfahrensmuster in Krisensituationen. Die Regelung sei zudem durch
das Interesse der Konzernunternehmen, unangemessen hohe Leistungen für die
Übergangsversorgung der Piloten sowie im Fall von deren Flugdienstuntauglichkeit
zu vermeiden, gerechtfertigt. Ein anderes Mittel zur Erreichung dieser Ziele gebe
es nicht. Es sei überdies ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten, wenn die
Arbeitgeberin sich kurz nach dem Abschluss des TV Auswahlrichtlinien auf die
Unwirksamkeit der Altersgrenze berufe.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den
tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses (Bl. 155 - 162 d.A.) und auf
die mit diesem in Bezug genommenen Aktenteile verwiesen. Das Arbeitsgericht
hat nach dem Antrag der Arbeitgeberin erkannt und zur Begründung - kurz
zusammengefasst - ausgeführt, der Widerspruch der Personalvertretung sei nicht
begründet. Die Arbeitgeberin habe die Personalvertretung ordnungsgemäß im
Sinne von § 64 TV PV GCS über die Einstellung unterrichtet. Dies gelte trotz der
zum Zeitpunkt der Unterrichtung noch nicht abgelaufenen Bewerbungsfrist, da zu
diesem Zeitpunkt festgestanden habe, dass es für den zu besetzenden Kurs keine
weiteren Bewerber, insbesondere auch keine weiteren internen, geben werde.
Zudem hätten eventuelle weitere Bewerber die Möglichkeit gehabt, ebenfalls noch
in den Kurs aufgenommen zu werden. Der Widerspruch gegen die Einstellung von
Herrn G sei nicht gemäß § 64 Abs. 2 Nr. 1, 2 TV PV GCS begründet, da die
Altersgrenze von § 4 I TV Auswahlrichtlinien und die entsprechende gemäß der BV
gegen §§ 1, 7 Abs. 1 AGG verstießen und deshalb nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam
seien. Die durch die Altersgrenze bewirkte Benachteiligung älterer Bewerber sei
nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Es sei nicht erkennbar, dass mit der
Altersgrenze Ziele des allgemeinen Wohls im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG
verfolgt würden. Die Personalvertretung habe ein erhöhtes Risiko für die
Flugsicherheit in Zusammenhang mit in höherem Alter eingestellten Piloten nicht
konkret dargelegt. Einer solchen Annahme stehe auch der nach der Vollendung
des 33. bzw. 38. Lebensjahres übliche Wechsel zwischen verschiedenen
Flugzeugmustern entgegen, die aufgrund unterschiedlicher technischer
Ausstattung ebenfalls unterschiedliche Verfahrensweisen und Routinen verlangten.
Zumindest sei die Festlegung einer Höchstaltersgrenze unverhältnismäßig, da
mildere Mittel zur Gewährleistung der Flugsicherheit zur Verfügung stünden. Auch
lägen keine die Altersgrenze rechtfertigenden wirtschaftlichen Interessen
hinsichtlich der Übergangsversorgung und der Ausbildungskosten vor. Wegen der
vollständigen für das Beschwerdeverfahren relevanten Begründung wird auf die
Ausführungen unter II 1, 2 des angefochtenen Beschlusses (Bl. 162 - 172 d.A.)
Bezug genommen.
Die Personalvertretung hat gegen den am 18. Juni 2008 zugestellten Beschluss
am 15. Juli 2008 Beschwerde eingelegt und diese am 13. August 2008 begründet.
Die Personalvertretung ist der Ansicht, aus ihrer Widerspruchsbegründung gehe
angesichts der Gesamtumstände hinreichend deutlich hervor, dass sie gemäß §
64 Abs. 2 Nr. 1, 2 TV PV GCS eine Verletzung der Einstellungsgrenze von 32 Jahren
und 364 Tagen geltend machen wollte. Die Personalvertretung hält an ihrer
Ansicht fest, dass die Altersgrenze wirksam sei, da diese durch legitime Ziele im
Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG und gemäß § 10 AGG gerechtfertigt
werde und die Tarifvertragsparteien jedenfalls den ihnen zustehenden
Beurteilungsspielraum nicht überschritten hätten. Sie diene der Gewährleistung
der Flugsicherheit. In konzernfremden Unternehmen ausgebildeten Piloten falle es
mit zunehmendem Alter schwerer, sich von den zunächst erlernten abweichende
unternehmensspezifische Verfahren einzuprägen und Automatismen zu
verinnerlichen, um nicht im Notfall in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Die
Auswahlrichtlinie gewährleiste daher, dass der Kapitän und der Copilot im Cockpit
möglichst wenig intellektuelle Kapazität für die Einstellung aufeinander aufwenden
müssten. Dadurch stehe entsprechend mehr intellektuelle und zeitliche Kapazität
für die Krisenbewältigung zur Verfügung. Der Wechsel zwischen Unternehmen sei
mit einem Musterwechsel nicht vergleichbar. Bei Letzterem gehe es nur um die
Beherrschung des Cockpits des jeweiligen Musters und der spezifischen
Flugzeugeigenschaften, was sich ohne weiteres lernen und einüben lasse. Beim
Unternehmenswechsel sei dagegen das Erlernen der Kommunikations- und
Entscheidungsprozesse (das sog. „Crew-Ressource-Management“, CRM)
insbesondere in Krisensituationen problematisch. Der DLR-Test sei kein geeignetes
Mittel, um dies sicherzustellen, da mit ihm die Lern- und Umlernfähigkeit nicht
geprüft werde. Zudem diene die Altersgrenze der Förderung eines angemessenen
Altersgefälles zwischen Kapitän und Copilot. Ein höheres Alter des Kapitäns
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Altersgefälles zwischen Kapitän und Copilot. Ein höheres Alter des Kapitäns
vermittele diesem eine natürliche Autorität und verringere aus diesem Grund die
Notwendigkeit, dass dieser im Cockpit seine Sach- und Fachkompetenz gegenüber
dem Copiloten beweisen oder verteidigen müsse. Auch wenn dies durch das
öffentlichrechtliche Luftfahrtrecht nicht geboten sei, erfordere die
Aufrechterhaltung eines qualitativ hochstehenden Flugbetriebes wie dem der
Arbeitgeberin strengere Anforderungen wie die der Einstellungsaltersgrenze. Die
Vermeidung auch geringfügiger Sicherheitsrisiken sei ein legitimes Ziel. Zu dessen
Erreichung bestehe kein anderes Mittel als die Altersgrenze.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Personalvertretung wird auf
die Schriftsätze vom 11. August, 19. August und 04. Dezember 2008 sowie vom
13. Januar 2009 Bezug genommen.
Die Personalvertretung beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2008 - 14
BV 36/08 - zum Teil abzuändern und den Antrag zu 1) zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die
Würdigung des Arbeitsgerichts. Sie behauptet, die von der Personalvertretung
geltend gemachten Sicherheitsbedenken gegenüber der Einstellung älterer
Bewerber entbehrten einer Grundlage. Maßnahmen zur Gewährleistung der
Sicherheit des Flugverkehrs stünden unter Berücksichtigung von § 29 LuftVerkG
ausschließlich dem Luftfahrtbundesamt zu. Auch der noch in höherem Alter
zulässige Musterwechsel erfordere das Erlernen neuer Routinen und Prozeduren.
RE könnten jedenfalls vor der Vollendung ihres vierzigsten Lebensjahres die
konzernspezifischen Abläufe problemlos erlernen. Im Auswahlprozess werde der
Anpassungsfähigkeit der Bewerber besonders viel Raum gegeben. Dies gelte
gerade für die Abarbeitung von Reihenfolgen und das CRM. Altersunterschiede
hätten keinen zwingenden Einfluss auf die Autorität des Kapitäns gegenüber dem
Copiloten und damit auf die Hierarchie im Cockpit.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vortrags der Arbeitgeberin wird auf den
Schriftsatz vom 12. September 2008 Bezug genommen.
Die Kammer hat Auskünfte der VC und der AVH über die Motive der Übernahme
der Altersgrenze von 32 Jahren und 364 Tagen für RE in § 4 I Satz 2 TV
Auswahlrichtlinien eingeholt. Wegen deren Inhalt wird auf die Stellungnahmen vom
16. und 25. Februar 2009 (Bl. 250 - 252 d.A.) Bezug genommen.
B.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung der
Personalvertretung zur Einstellung von Herrn G zu Recht gemäß § 64 Abs. 4 TV PV
GCS ersetzt.
I.
Der Antrag ist zulässig. Die Arbeitgeberin hat insbesondere ein
Rechtsschutzinteresse.
Das Rechtsschutzinteresse für einen prozessualen Antrag kann dann fehlen, wenn
das Rechtsschutzziel der antragstellenden Partei auf einem einfacheren und
billigeren Weg erreicht werden kann (vgl. etwa BAG 19. Februar 2008 - 1 ABR 65/05
- AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 11, zu B II 1; BGH 28. März 1996 - IV ZR 77/95 - LM KO
§ 12 Nr. 3, zu I 4 a). Dies ist hier nicht der Fall. Die Anhängigmachung eines
Zustimmungsersetzungsantrags nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS ist die für den Fall
des Widerspruchs der Personalvertretung gegen eine personelle Einzelmaßnahme
vorgesehene Vorgehensweise. Eine Alternative zu dieser besteht nicht. Das in § 5
TV Auswahlrichtlinien geregelte Einigungsstellenverfahren betrifft nicht die
Einstellung von RE, sondern nur Personalbedarf, der mit NFF und RE-Bewerbern
nicht zu decken ist. Herr G ist jedoch RE. Er erfüllt unstreitig die RE-Definition von §
1 III TV Auswahlrichtlinien, da er ein Flugzeugführer mit Lizenz ist. Die Erfüllung der
Altersgrenze von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien soll nach der tarifvertraglichen
Definition nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als RE sein, sondern
Voraussetzung für die Einstellung von RE.
II.
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Der Antrag ist auch begründet.
1. Die Personalvertretung hat die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass sie von
der Arbeitgeberin über die Einstellung den tariflichen Vorgaben von § 64 Abs. 1
Satz 1 - 3 TV PV GCS entsprechend unterrichtet worden ist, nicht angegriffen. Der
vorgetragene Sachverhalt bietet keinen Anlass zu gegenteiligen Feststellungen.
Vielmehr wurde die Personalvertretung mit dem Schreiben vom 08. Januar 2008
und den beigefügten Unterlagen umfassend über die Maßnahme unterrichtet. Der
Nichtablauf der bis 15. Januar 2008 laufenden Bewerbungsfrist begründet schon
deshalb keinen Mangel der Anhörung, weil es unstreitig bis zum Ablauf der
Bewerbungsfrist keine weiteren Bewerber gab.
2. Die Personalvertretung hat ihre Zustimmung zu der Einstellung gemäß § 64
Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS innerhalb einer Woche schriftlich unter hinreichender
Angabe von Gründen verweigert. Die Frist wahrte die Personalvertretung mit ihrem
Schreiben vom 10. Januar 2008 unstreitig. Auch die Begründung des Widerspruchs
genügt den tariflichen Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu der parallelen Norm von § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der
§ 64 Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS nachgebildet wurde, muss eine
Widerspruchsbegründung nicht schlüssig sein. Sie muss lediglich die Prüfung
ermöglichen, ob einer der gesetzlichen bzw. hier der tariflichen
Widerspruchsgründe geltend gemacht wird. Unbeachtlich ist lediglich eine
Begründung, die offensichtlich auf keinen der Widerspruchsgründe Bezug nimmt
(vgl. etwa BAG 18. Januar 1994 - 1 ABR 42/93 - BAGE 75/253, zu B II 1; 26. Oktober
2004 - 1 ABR 45/03 - AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 41, zu B I 2).
Mit ihrer Rüge, Herr G erfülle nicht die im TV Auswahlrichtlinien geregelten
Einstellungsvoraussetzungen, nahm die Personalvertretung deutlich erkennbar auf
den Widerspruchsgrund von § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS Bezug. Nicht ausdrücklich
klargestellt wurde allerdings, das Fehlen welcher der zahlreichen tariflichen
Einstellungsvoraussetzungen geltend gemacht werden sollte. Dies wurde jedoch
aus den Umständen hinreichend deutlich. Der Widerspruch einer
Arbeitnehmervertretung gegen eine vom Arbeitgeber vorgesehene personelle
Einzelmaßnahme ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung (BAG 11. Juni 2002 - 1
ABR 43/01 - BAGE 101/298, zu B IV 1 b). Daher ist er nach den Grundsätzen von §
133 BGB auszulegen (LAG Düsseldorf 01. Februar 2002 - 10 Sa 1628/01 - LAGE
BGB § 620 Personalrat Nr. 6, zu I 2), was bedeutet, dass über den Wortlaut der
Erklärung hinaus bei der Auslegung von deren Bedeutung die für den Arbeitgeber
als Erklärungsempfänger nach dessen Horizont erkennbaren Gesamtumstände zu
berücksichtigen sind (vgl. etwa BAG 14. Juli 2005 - 8 AZR 392/02 - AP BGB § 611
Ruhen des Arbeitsverhältnisses Nr. 4, zu II 2 a; 12. September 2006 - 9 AZR
686/05 - AP TzBfG § 8 Nr. 17, zu B II 3 d aa).
Aufgrund der vorausgegangenen Gespräche der Beteiligten war für die
Arbeitgeberin klar, dass die Personalvertretung die Überschreitung des
Einstellungshöchstalters gemäß § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien rügen wollte. Die
Beteiligten hatten bereits vor dem Herrn G betreffenden Einstellungsverfahren
über die Wirksamkeit dieser Altersgrenze und über die Absicht der Arbeitgeberin
diskutiert, ebenfalls ältere RE einstellen zu wollen. In diesem Zusammenhang
hatte die Personalvertretung bereits angekündigt, voraussichtlich entsprechenden
Einstellungen aus diesem Grund widersprechen zu wollen. Weiter zählte die
Arbeitgeberin in ihrem Unterrichtungsschreiben vom 08. Januar 2008 im Einzelnen
auf, welche Einstellungsvoraussetzungen Herr G erfüllte. Als einziges Kriterium
unerwähnt ließ sie das die Höchstaltersgrenze übersteigende Lebensalter von
Herrn G. Bereits nach dieser Unterrichtung kam als Widerspruchsgrund daher nur
die Überschreitung der Altersgrenze in Betracht. Dass für die Arbeitgeberin
unzweifelhaft feststand, dass die Personalvertretung den Widerspruch auf die
Verletzung dieser Grenze stützen wollte, hat sie im vorliegenden Verfahren auch
nicht bestritten. Dies wird zusätzlich durch den Umstand belegt, dass die
Arbeitgeberin sich bereits in der Antragsschrift des vorliegenden Verfahrens mit
diesem Widerspruchsgrund auseinandersetzte, und zwar als ausschließlichem
Widerspruchsgrund. Die Zielrichtung des Widerspruchs wurde daher hinreichend
deutlich.
Hinzu kommt, dass die Personalvertretung in ihrem Widerspruchsschreiben
zusätzlich rügte, dass die Bewerbungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Damit
machte sie erkennbar auch eine mögliche Benachteiligung anderer Arbeitnehmer
im Sinne von § 64 Abs. 2 Nr. 3 TV PV GCS geltend.
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3. Der Widerspruch (berichtigt gem. Beschluss v. 29.06.2009) der
Personalvertretung ist nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS zu ersetzen, da der
Widerspruch gegen die Einstellung von Herrn G nicht gemäß § 64 Abs. 2 TV PV
GCS begründet war.
a) Die Einstellung begründet nicht die Besorgnis einer ungerechtfertigten
Benachteiligung anderer Arbeitnehmer gemäß § 64 Abs. 2 Nr. 3 TV PV GCS. Die
Personalvertretung ist der Feststellung des Arbeitsgerichts nicht
entgegengetreten, dass es bereits bei der Einleitung des Beteiligungsverfahrens
festgestanden habe, dass es keine weiteren internen Bewerbungen geben werde,
und dass eventuelle zusätzliche Bewerber überdies ebenfalls an dem
ausgeschriebenen Grundkurs hätten teilnehmen können. Damit bestand keine
Benachteiligungsgefahr im Sinne von § 64 Abs. 2 Nr. 3 TV PV GCS.
b) Die Einstellung begründet auch kein Widerspruchsrecht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1
TV PV GCS. Zwar verfügte Herr G bei seiner Einstellung nicht über das mit § 4 I
Satz 2 TV Auswahlrichtlinien geforderte Höchstalter von 32 Jahren und 364 Tagen.
Das Arbeitsgericht hat jedoch zutreffend erkannt, dass diese Altersgrenze gegen
§§ 1, 7 Abs. 1 AGG verstößt und aus diesem Grund nach § 7 Abs. 2 AGG
unwirksam ist.
aa) Gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen ihres Alters
benachteiligt werden. Dies gilt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG u.a. auch für den Zugang
zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit. Zu den Beschäftigten im Sinne dieser
Normen zählen insbesondere Arbeitnehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG)
einschließlich der Bewerber für ein Arbeitsverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG).
Dieses Benachteiligungsverbot verletzende Bestimmungen sind nach § 7 Abs. 2
AGG unwirksam. Diese Norm erfasst auch Tarifverträge (HaKo-AGG-Däubler 2.
Aufl. § 7 Rn 2 b; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl., § 7 Rn 43;
HaKo-ArbR-Berg § 7 AGG Rn 16; ErfK-Schlachter 9. Aufl. § 7 AGG Rn 3). Eine
unmittelbare Benachteiligung in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Person wegen
eines in § 1 AGG genannten Grundes weniger günstig behandelt wird als eine
andere Person in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Danach
bewirkt die Altersgrenze von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien eine unmittelbare
Benachteiligung der die Altersgrenze überschreitenden Bewerber. Ihnen wird im
Gegensatz zu jüngeren Bewerbern in ansonsten entsprechender Situation der
Zugang zu einem Beschäftigungsverhältnis verwehrt.
bb) Die an das Alter der Bewerber anknüpfende unterschiedliche Behandlung ist
auch nicht nach § 8 oder § 10 AGG gerechtfertigt.
Gemäß § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1
AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der
auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche
und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig
und die Anforderung angemessen ist. Darüber hinaus ist nach § 10 Satz 1 AGG
eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch dann zulässig, wenn sie
objektiv und angemessen und durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist. Dies
kann gemäß § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG insbesondere für die Festsetzung eines
Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen
Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder wegen der
Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den
Ruhestand der Fall sein. Die Mittel zur Erreichung des rechtmäßigen Zieles
müssen jedoch angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 2 AGG). § 10 AGG
bewirkt damit für die unterschiedliche Behandlung Beschäftigter wegen ihres Alters
eine spezifische Einschränkung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes (vgl.
HaKo-AGG-Brors a. a. O. § 10 Rn 17; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt a. a. O. §
10 Rn 3; HaKo-ArbR-Berg a. a. O. § 10 AGG Rn 1; ErfK-Schlachter a. a. O. § 10 AGG
Rn 1; zu der § 10 AGG zugrunde liegenden Regelung von Art. 6 der Richtlinie
2000/78/EG EuGH 05. März 2009 - C-388/07 - NZA 2009/305, Tz. 58 - 66).
Für tarifvertragliche Regelungen, mit denen aufgrund eines Merkmals im Sinne von
§ 1 AGG differenziert wird, bestehen gegenüber den §§ 8, 10 AGG keine
Sonderregelungen. Auch die mit dem AGG umgesetzte Richtlinie 2000/78/EG sieht
keine erweiterten Befugnisse für Tarifvertragsparteien oder andere Sozialpartner
vor. Eine die Vorgaben der Richtlinie berücksichtigende Auslegung der §§ 8, 10
AGG führt daher zu der Schlussfolgerung, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls
nicht befugt sind, in Tarifnormen weitergehende Ungleichbehandlungen wegen des
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nicht befugt sind, in Tarifnormen weitergehende Ungleichbehandlungen wegen des
Alters von Arbeitnehmern vorzusehen als es der nationale Gesetzgeber in eigenen
Regelungen könnte. Dieser verfügt allerdings über einen weiten
Wertungsspielraum (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - EzA TzBfG § 14 Nr. 21,
Tz. 63; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr.
3, Tz. 68). Dessen Ausnutzung darf nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch
nicht dazu führen, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
ausgehöhlt wird. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und dementsprechend §
10 AGG erlegt dem Urheber einer bestimmte Arbeitnehmer wegen ihres Alters
benachteiligenden Regelung die Beweislast dafür auf, dass das zur Rechtfertigung
angeführte Ziel rechtmäßig ist, und stellt an diesen Beweis hohe Anforderungen.
Deshalb genügen allgemeine Behauptungen, eine bestimmte Maßnahme sei
geeignet, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt oder der beruflichen
Bildung zu dienen, nicht zur Begründung, dass das Ziel der Maßnahme eine
Ausnahme vom Verbot der Altersdiskriminierung rechtfertigt und zur
Verwirklichung des Ziels geeignet ist (EuGH 05. März 2009 a. a. O., Tz. 51, 67).
Eine ausdrückliche Bezeichnung des mit der Regelung angestrebten Ziels durch
den Normgeber ist allerdings nicht erforderlich, sofern sich aus dem Kontext der
Maßnahme ergebende Anhaltshaltspunkte die Feststellung des mit der Maßnahme
verfolgten Zieles ermöglichen (EuGH 16. Oktober 2007 a. a. O., Tz. 55 - 57; 05.
März 2009 a. a. O., Tz. 44, 45). Weiter gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz,
dass Ausnahmen von dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters so weit
wie möglich mit diesem Verbot in Einklang gebracht werden müssen (EuGH 22.
November 2005 a. a. O., Tz. 65).
Nach diesem Maßstab ist die Altersgrenze von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien
weder nach § 8 Abs. 1 noch nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die von der
Personalvertretung und die in der Stellungnahme der VC vorgetragenen
Gesichtspunkte rechtfertigen die Benachteiligung älterer Bewerber nicht. Jedenfalls
verletzt die Regelung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
(1) Weder die Personalvertretung noch die VC haben plausibel begründet, aus
welchen wirtschaftlichen Gründen die Altersgrenze im Interesse einer
angemessenen Beschäftigungsdauer vor dem Ruhestand im Sinne von § 10 Satz
3 Nr. 3 AGG notwendig sein soll. Die entsprechenden Ausführungen erschöpfen
sich in pauschalen Behauptungen, die zur Begründung einer Notwendigkeit der
Altersgrenze nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht geeignet sind. Die
VC geht zudem selbst davon aus, dass eine Tätigkeit im Konzern von mindestens
zwanzig Jahren sachgerecht sei, um „die Mindestproduktivitätserwartungen für die
Copiloten- und Kapitänszeiten zu erfüllen“. Angesichts der im Konzern für den
Eintritt der Piloten in den Ruhestand geltenden Altersgrenzen von 55 und 60 Jahren
wäre die Altersgrenze von 32 Jahren und 364 Tagen damit selbst dann nicht
erforderlich, wenn die Erwägungen der VC in der Sache zutreffen sollten und eine
Mindestbeschäftigungszeit von zwanzig Jahren gerechtfertigt sein sollte.
Hinzu kommt, dass die genannten wirtschaftlichen Gesichtspunkte jedenfalls die
Differenzierung zwischen den § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien unterfallenden RE
und den RE, für die die höhere in den Ergänzungsvereinbarungen Nr. 1 und 2
vorgesehene Altersgrenze von 37 Jahren und 364 Tagen gilt, nicht rechtfertigen
können, da die wirtschaftliche Belastung der Konzernunternehmen durch den
Erwerb der Musterberechtigung, die Übergangsversorgung und die Absicherung
der Piloten gegen Flugdienstuntauglichkeit bei beiden Personengruppen identisch
ist. Auch die den Ergänzungsvereinbarungen unterfallenden RE wechseln aus
konzernfremden Unternehmen zu einem Konzernunternehmen und sind daher für
Letztere ebenfalls erst nach dem Wechsel produktiv tätig. Wenn dies für Letztere
nach den Vorstellungen der Tarifvertragsparteien jedenfalls vor der Vollendung
ihres 38. Lebensjahres wirtschaftlich zumutbar ist, kann die Zumutbarkeit
angesichts der praktisch identischen Sachlage jedenfalls unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten für andere RE nicht anders beurteilt werden.
(2) Hinsichtlich des nach Ansicht der Personalvertretung zur Gewährleistung eines
angemessenen „Hierarchiegefälles“ aufgrund einer altersbedingten erhöhten
Autorität des Kapitäns gegenüber dem Copiloten anzustrebenden höheren Alters
der Kapitäne gelten entsprechende Erwägungen. Der für die Förderung der Piloten
der Konzernunternehmen zum Kapitän maßgebliche Tarifvertrag über Wechsel und
Förderung Nr. 3 vom 18. Dezember 2006 (nachfolgend TV WeFö) stellt mit seinen
§ 1 ff. auf die Seniorität ab, d.h. auf die Dauer der Beschäftigung der Piloten im
Konzern. Eine Tätigkeit bei den in den Ergänzungsvereinbarungen Nr. 1 und 2
genannten Fluggesellschaften ist - mit wenigen die CIB und die GWI betreffenden
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genannten Fluggesellschaften ist - mit wenigen die CIB und die GWI betreffenden
Ausnahmen in § 7 a TV WeFö - nicht senioritätsrelevant. Daher fehlt auch
hinsichtlich des Gesichtspunkts „Hierarchiegefälle“ zwischen den den
Ergänzungsvereinbarungen Nr. 1 und 2 unterfallenden RE und den übrigen RE ein
die unterschiedlichen Altersgrenzen rechtfertigender Sachgrund. Wenn deren
Einstellung jedenfalls bis vor der Vollendung ihres 38. Lebensjahres in Hinblick auf
die Kapitänswerdung unbedenklich ist, muss dies gleichermaßen für andere RE
gelten, deren Vorbeschäftigung ebenfalls nicht senioritätsrelevant ist.
(3) Da das Alter der Piloten für ihre Seniorität - mit der zu vernachlässigenden
Ausnahme am selben Tag eingestellter Piloten gemäß § 3 Abs. 1 TV WeFö -
unerheblich ist, besteht auch nicht die Gefahr, dass jüngere im Konzern
ausgebildete Piloten im Rahmen der Förderung zum Kapitän gegenüber älteren RE
benachteiligt werden könnten.
(4) Weiter rechtfertigen die von der Personalvertretung unter dem Schlagwort
„Verbildung“ angeführten Gesichtspunkte der Flugsicherheit die Altersgrenze
nicht. Insoweit ist bereits nicht konkret feststellbar, dass die Ausbildung eines
Piloten in konzernfremden Luftfahrtunternehmen im Fall seiner Einstellung nach
dem Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze tatsächlich ernsthafte
Gefahren für die Flugsicherheit auslöst. Empirische Erkenntnisse zu dieser Frage
gibt es nach den Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien nicht. Auch die
Personalvertretung vermochte insoweit nichts Gegenteiliges vorzutragen. Der
Umstand, dass derartige Altersgrenzen für den Wechsel von Piloten zwischen
verschiedenen Luftverkehrsgesellschaften im nationalen und internationalen
Luftverkehrsrecht nicht vorgesehen sind und von anderen großen internationalen
Fluggesellschaften wie der B und der C nicht praktiziert werden, spricht eher
dagegen, dass es sich um ein ernsthaftes sicherheitsrelevantes Problem handeln
kann, das sich etwa von dem auch in höherem Alter unbeschränkt zulässigen
Wechsel zwischen verschiedenen Flugzeugmustern und den für deren Führung zu
beherrschenden Handlungsmustern grundlegend unterscheidet. Der Vortrag der
Personalvertretung und die entsprechenden Darlegungen der VC erscheinen daher
nur als allgemeine, nicht erkennbar fundierte Behauptung, die zur Rechtfertigung
der Benachteiligung älterer Bewerber ohne weiteres nicht geeignet ist. Dies gilt
umso mehr auch für die konkrete Festlegung der Grenze auf das relativ niedrige
Alter von 33 Jahren.
Auch wenn jedoch unterstellt wird, dass der „Verbildungseffekt“ tatsächlich
besteht und spürbare Auswirkungen auf die Flugsicherheit haben kann,
diskriminiert die Altersgrenze auf unzulässige Weise, da sie jedenfalls
unverhältnismäßig und daher weder angemessen im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG
noch verhältnismäßig gemäß § 10 Satz 2 AGG ist. Sie knüpft bereits nicht an den
wesentlichen Differenzierungsgrund an. Maßgeblich für die „Verbildung“ ist nach
der Argumentation der Personalvertretung in erster Linie die Dauer der
Berufspraxis der Piloten in konzernfremden Luftverkehrsunternehmen. RE können
jedoch auch bei einer Einstellung vor der Vollendung ihres 33. Lebensjahres eine
bereits mehrere Jahre umfassende Flugpraxis bei anderen Luftfahrtgesellschaften
erworben haben, wenn sie ihre Berufsausbildung alsbald nach dem Abschluss ihrer
Schulausbildung begonnen haben. Umgekehrt können auch ältere RE eine nur
kurze Praxis in konzernfremden Unternehmen haben. Das
Differenzierungskriterium „Alter“ trifft aus diesem Grund den zur Rechtfertigung
der Altersgrenze angeführten Differenzierungsgrund der Eingewöhnung in fremde
Arbeitsabläufe nicht hinreichend. Überdies fehlt jede plausible Begründung, warum
gerade in Zusammenhang mit der Vollendung des 33. Lebensjahres eine
Erschwerung der menschlichen Fähigkeit, neue Handlungsabläufe zu
internalisieren, einsetzt, die so erheblich ist, dass sie in Hinblick auf das Gewicht
des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ein generelles
Einstellungsverbot rechtfertigen könnte.
Schließlich ist die Altersgrenze jedenfalls deshalb nicht verhältnismäßig, weil es
keinen Grund gibt, der es ausschließt, älteren Bewerbern zumindest nach der
Absolvierung ggf. zusätzlicher Eignungstests die Einstellung zu ermöglichen.
Insoweit kann unterstellt werden, dass die von der Arbeitgeberin praktizierten
Einstellungsuntersuchungen die ebenfalls unterstellten Gefahren der „Verbildung“
nicht hinreichend erfassen. Auf die entsprechenden Fragen der
Beschwerdekammer vermochten jedoch weder die Personalvertretung noch die
Tarifvertragsparteien darzulegen, dass derartige Tests nicht durchführbar sind.
Daher ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Möglichkeit besteht. Dafür
spricht jedenfalls die Lebenserfahrung. Die Prüfung der Beherrschung von
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spricht jedenfalls die Lebenserfahrung. Die Prüfung der Beherrschung von
Handlungsabläufen ist Gegenstand zahlreicher Eignungstests in ganz
unterschiedlichen Berufsgruppen und gerade für die Tätigkeit von Piloten etwa im
Rahmen des Erwerbs der Musterberechtigungen nichts Ungewöhnliches.
Ist damit davon auszugehen, dass derartige Möglichkeiten bestehen, ist eine
strikte Altersgrenze für die Einstellung, die eine derartige Möglichkeit des
Eignungsnachweises auch für ältere Bewerber nicht vorsieht, unverhältnismäßig.
Die Altersgrenze von § 4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien benachteiligt ältere
Bewerber erheblich und bewirkt noch erheblichere Nachteile für die betroffenen
Beschäftigten als Altersgrenzen, die zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses
führen. Die Altersgrenze für die Einstellung nimmt älteren Bewerbern von
vornherein die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis mit einem Konzernunternehmen
zu schließen, und schließt sie angesichts der Dominanz der Konzernunternehmen
unter den deutschen Luftverkehrsgesellschaften von einem erheblichen Teil des
einschlägigen Arbeitsmarktes in Deutschland vollständig aus. Abgesehen davon,
dass sie dadurch auch in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) erheblich
beschränkt werden, gebietet der Grundsatz des Verbots der Altersdiskriminierung
angesichts derart einschneidender Folgen eine strikte
Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dieser vermag die Altersgrenze nicht standzuhalten,
da nach dem Ergebnis der Anhörung die Eignung älterer Bewerber durch Tests in
zumutbarer Weise überprüft werden kann.
c) Auf § 3 Nr. 6 BV kann der Widerspruch bereits wegen des Tarifvorrangs von § 40
Abs. 3 TV PV GCS nicht gestützt werden. Die Unwirksamkeit der Altersgrenze von §
4 I Satz 2 TV Auswahlrichtlinien gemäß § 7 Abs. 2 AGG führt nicht zur
Gesamtnichtigkeit des TV Auswahlrichtlinien. Die Unwirksamkeit eines Teils eines
Tarifvertrages bewirkt nur dann die Unwirksamkeit des gesamten Tarifvertrags,
wenn der gültige Teil keine eigene Bedeutung hat oder die Gesamtregelung ihren
Sinn verlieren würde, wenn ein Teil von ihr unwirksam ist (vgl. etwa BAG 18.
Dezember 1996 - 4 AZR 129/96 - AP TVG § 1 Kündigung Nr. 14, zu II 1.4; 05.
Oktober 2000 - 1 ABR 14/00 - AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 67, zu B II 1 b bb (3)).
Davon kann hier nicht die Rede sein. Die Unwirksamkeitsfolge betrifft lediglich eine
einzelne Einstellungsvoraussetzung. Die verbleibende Tarifregelung behält auch
nach deren Wegfall ihre Bedeutung und ihren Sinn. Daher bleibt sie eine die BV
gemäß § 40 Abs. 3 TV PV GCS verdrängende Regelung.
d) Die Arbeitgeberin verhält sich schließlich mit der Einstellung von Herrn G nicht
entgegen dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 3 Abs. 1 TV PV
GCS) widersprüchlich, weil der TV Auswahlrichtlinien erst nach dem Inkrafttreten
des AGG und kurz vor der Durchführung des Einstellungsverfahrens geschlossen
wurde. Dies folgt bereits daraus, dass sie nicht Tarifvertragspartei, sondern gemäß
§ 3 Abs. 1 TVG als Mitglied einer Tarifvertragspartei tarifgebunden ist.
Insbesondere verkennt die Personalvertretung mit ihrer entsprechenden Rüge
aber den Schutzzweck des AGG. Dessen Normen binden die Beteiligten als
zwingendes Recht. Die Beteiligten sind nicht zur Disposition über den
Diskriminierungsschutz befugt, weil dieser nicht zu ihren Gunsten, sondern im
Interesse der in § 6 AGG genannten Beschäftigten gilt. Da die Arbeitgeberin daher
im Verhältnis zu den betroffenen Bewerbern zur Beachtung der
Unwirksamkeitsfolge von § 7 Abs. 2 AGG verpflichtet ist, kann die Befolgung des
gesetzlichen Gebotes nicht gegen den Grundsatz der vertrauensvollen
Zusammenarbeit verstoßen. Andernfalls würde sich die Arbeitgeberin zudem
Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen rechtswidrig übergangener
älterer Bewerber gemäß § 15 AGG aussetzen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG
zugelassen.
Beschluss
Der Beschluss vom 17. März 2009 wird wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit
gemäß § 319 ZPO dahingehend berichtigt, dass auf Seite 18 im ersten Satz unter
B II 3 die Worte „Der Widerspruch“ durch die Worte „Die Zustimmung“ ersetzt
werden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.