Urteil des LAG Hessen vom 08.11.2007

LAG Frankfurt: tarifvertrag, gewerkschaft, unternehmen, arbeitsgericht, amtszeit, verbandsklage, betriebsrat, verfahrensart, vermittlungsverfahren, beschwerdeinstanz

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Gericht:
Hessisches
Landesarbeitsgericht
9. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 TaBV 93/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 256 ZPO, § 3 BetrVG, § 21
Abs 1 S 2 Alt 2 BetrVG, § 9
TVG, Art 9 Abs 3 GG
(Tarifkonkurrenz - Zuordnungstarifvertrag)
Leitsatz
Unwirksame Feststellungs- und Unterlassungsanträge von Betriebsräten und einer
Gewerkschaft im Hinblick auf einen Zuordnungstarifvertrag nach § 3 BetrVG (Teilweise
Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen des vom Bundesarbeitsgericht noch nicht
geklärten Problems einer Tarifkonkurrenz bei einem Strukturtarifvertrag nach § 3
BetrVG).
Tenor
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) gegen den Beschluss des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2007 - 17 BV 216/06 - werden
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 5) zugelassen, für die Beteiligten
zu 1), 14) und 15) nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Tarifvertrages über
betriebsverfassungsrechtliche Fragen (ZuordnungsTV), den die Beteiligten zu 2),
3) und 6) bis 13) mit der Gewerkschaft A, der Beteiligten zu 4), abgeschlossen
haben.
Die Beteiligte zu 2) ist die Muttergesellschaft der Beteiligten zu 3) und 6) bis 13).
Ursprünglich war Antragsteller in dem beim ArbG Düsseldorf eingeleiteten
Verfahren der Betriebsrat der Beteiligten zu 3) am Standort B, dessen Wahl vom
3. Juni 2005 durch Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 16. Sept. 2005 (- 12 BV
72/05 – Bl. 191 ff. d. A., bestätigt vom LAG Düsseldorf durch Beschluss vom 26.
Mai 2006 - 9 TaBV 68/05 –, Bl. 237 ff. d. A.), für ungültig erklärt wurde. Der
Beteiligte zu 1), der Regionalbetriebsrat C, ist infolge Neuwahlen vom 29. Mai 2006
Nachfolger des ursprünglichen Antragstellers. Seine Wahl ist vom Arbeitsgericht
Düsseldorf durch Beschluss vom 16. Jan. 2007 (- 5 BV 110/06 -) ebenfalls für
ungültig angesehen worden.
Das vorliegende Verfahren wurde durch Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 27.
März 2006 an das ArbG Frankfurt am Main verwiesen.
Die Beteiligten zu 5), 14) und 15), die ebenfalls die Feststellung der Unwirksamkeit
des ZuordnungsTV begehren, sind die Gewerkschaft X (Beteiligte zu 5)) sowie die
örtlichen Betriebsräte der Beteiligten zu 2) in D und E II (Beteiligte zu 14) und 15)).
Das von Mitgliedern des Beteiligten zu 15) eingeleitete Wahlanfechtungsverfahren
hatte weder vor dem Arbeitsgericht Darmstadt noch in der Beschwerdeinstanz bei
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hatte weder vor dem Arbeitsgericht Darmstadt noch in der Beschwerdeinstanz bei
der erkennenden Kammer Erfolg (Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 – 9 TaBV
23/07 – Juris, Rechtsbeschwerde anhängig unter dem Az. 7 ABR 70/07).
Zum Inhalt des unter dem 29. Nov. 2005 auf der Grundlage von § 3 BetrVG
abgeschlossenen Tarifvertrages „über die Zuordnung von Betrieben und
Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des
Gesamtbetriebsrats F (GBR)“ wird auf Bl. 13 bis 66 d. A. verwiesen. Die Beteiligte
zu 5) war am Abschluss dieses Tarifvertrages nicht beteiligt. Zwischen ihr und der
Beteiligten zu 4) besteht in den Unternehmen der Beteiligten zu 2)
Tarifkonkurrenz.
Auf Grund der Neuorganisation der Sparte „G“ durch das Geschäftsmodell H zum
1. Jan. 2005 ist eine Anpassung der Betriebsratsstrukturen erforderlich gewesen.
Die I (J GmbH, K GmbH, L GmbH) schloss wegen der Ausgestaltung und
Umsetzung des Geschäftsmodells H mit dem Gesamtbetriebsrat den Sozialplan
und Interessenausgleich vom 1. Okt. 2004 (Bl. 55 ff. d. A.). Die vier
Industriebusiness Units (IBU) werden jeweils von einer IBU-Zentrale geleitet, die
einen Betrieb im Sinne des BetrVG bildet. Darüber hinaus bestehen in jeder IBU …
Center, die jeweils branchenbezogen die arbeitstechnischen Zwecke realisieren
und eigenständige Betriebe mit einheitlicher Leitung bilden. Die Umsetzung des
Geschäftsmodells H hätte das Entstehen zahlreicher zusätzlicher kleiner
Betriebsratsgremien – oft am gleichen Standort - zur Folge gehabt.
Am 16. Jan. 2007 fand ein Vermittlungsverfahren beim M-Bundesvorstand nach §
16 der M-Satzung wegen der Tarifzuständigkeit bei der N AG statt. Wegen des
Ergebnisses wird auf das Protokoll dieses Tages Bezug genommen (Bl. 638 ff. d.
A.).
Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben erstinstanzlich die Feststellung der
Rechtsunwirksamkeit des Tarifvertrages vom 29. Nov. 2005 beantragt. Sie sind der
Ansicht gewesen, die Rechtsunwirksamkeit des Tarifvertrages ergebe sich daraus,
dass mehrere in einem Unternehmen oder Konzern vertretene Gewerkschaften
einen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG nur gemeinsam abschließen könnten.
Der Beteiligte zu 1) ist zudem der Auffassung gewesen, der Schutzzweck des § 3
BetrVG sei durch den ZuordnungsTV nicht hinreichend berücksichtigt worden. Bei
vielen Regionen sei die Grenzziehung nicht nachvollziehbar. Es seien keine
regionalen Besonderheiten berücksichtigt, sondern lediglich Standorte mit einer
bestimmten Mitarbeiterzahl zusammengefasst worden. Die räumlichen Gebiete
der Arbeitnehmervertretungen seien meist völlig überdimensioniert. Zu ersten
Problemen sei es bereits bei der Aufstellung der Wählerlisten und der
Durchführung der Betriebsratswahlen gekommen. Es fehle an räumlicher Nähe
zwischen Belegschaft und Repräsentativorgan. Dadurch würde die Überwachung
der Einhaltung von gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen erschwert. Die
Standorte B und O seien willkürlich zur Region Mitte zusammengefasst worden. Die
Durchführung von Betriebsratssitzungen, Sprechstunden und
Betriebsversammlungen würde erheblich erschwert. Die in Ziff. 8 ZuordnungsTV
vorgesehenen Bereichsvertretungen würden von § 3 BetrVG nicht gedeckt. Die
Einbeziehung von Bereichsvertretungen als Ebene zwischen bzw. neben den
regionalen Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten mit voller
Abschlusskompetenz führe zur Entmachtung der gewählten regionalen
Betriebsräte.
Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben beantragt, festzustellen, dass der
Tarifvertrag über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des
Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR)
vom 29. Nov. 2005 rechtsunwirksam ist.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) haben beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) sind der Ansicht gewesen, der
abgeschlossene Tarifvertrag sei wirksam. Auch wenn mehrere Gewerkschaften in
einem Unternehmen oder Konzern vertreten seien, könne ein Tarifvertrag gemäß
§ 3 BetrVG mit einer Gewerkschaft abgeschlossen werden. Bis zur Durchführung
eines Schiedsverfahrens nach § 16 der DGB-Satzung bleibe es bei der
Tarifzuständigkeit derjenigen Gewerkschaft, die vor Entstehung der
Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden sei. Dies sei die Beteiligte zu
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Konkurrenzsituation als zuständig angesehen worden sei. Dies sei die Beteiligte zu
4). Im Übrigen räume § 3 BetrVG den Tarifvertragsparteien einen erheblichen
Gestaltungsspielraum ein. Ihnen komme darüber hinaus eine
Einschätzungsprärogative zu. Der abgeschlossene Tarifvertrag erleichtere die
Bildung von Betriebsräten, da durch ihn für Arbeitnehmer, die zuvor in nicht
betriebsratsfähigen Kleinbetrieben tätig gewesen seien, nunmehr die
Zuständigkeit eines Regionalbetriebsrats begründet worden sei. Zudem habe vor
Inkrafttreten des Zuordnungstarifvertrages mancherorts eine zersplitterte Struktur
von Kleinbetrieben mit jeweils eigenen Betriebsräten bestanden, die durch den
Tarifvertrag gebündelt worden seien. Die Bereichsvertretungen stellten eine
zusätzliche Arbeitnehmervertretung dar, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ohne
weiteres zulässig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom
Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens
wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 28.
März 2007 – 17 BV 216/06 – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
es fehle den Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) bereits an der Antragsbefugnis.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen
Beschlussgründe Bezug genommen.
Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) haben, wie in der Sitzungsniederschrift vom
8. Nov. 2007 festgestellt, gegen den Beschluss jeweils fristgerecht Beschwerde
eingelegt und begründet.
Die Beteiligte zu 5) ist der Auffassung, es handele sich um eine
Überraschungsentscheidung. Entgegen den Feststellungen des angefochtenen
Beschlusses sei die Tarifzuständigkeit für die Beteiligte zu 2) zwischen den
Beteiligten zu 4) und 5) weiterhin ungeklärt. Etwas anderes habe die Beteiligte zu
5) nicht erklärt. Den Schriftsatz der Beteiligten zu 4) vom 26. März 2006 habe ihr
Prozessbevollmächtigter erst nach dem Anhörungstermin - ohne ein Protokoll der
DGB-Schlichtungsstelle – erhalten. Aus dem Protokoll, das der
Prozessbevollmächtigte in einem anderen Verfahren erhalten habe, gehe zudem
hervor, dass sich die behauptete Äußerung nur auf das Unternehmen N bezogen
haben könne. Ihre Antragsbefugnis ergäbe sich daraus, dass sie durch den
Abschluss des ZuordnungsTV in ihrem Recht beeinträchtigt worden sei, selbst
einen solchen Tarifvertrag abzuschließen.
Auch der Beteiligte zu 14) rügt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, die
in den Anhörungen nicht thematisiert worden sei, stünde ihm die Antragsbefugnis
zur Seite, wobei er sich – wie auch der Beteiligte zu 1) – der
Beschwerdebegründung des Beteiligten zu 15) anschließt.
Der Beteiligte zu 15) ist der Auffassung, es reiche für seine Antragsbefugnis aus,
wenn er behauptet, Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Auf den
ZuordnungsTV gründende Betriebsratswahlen seien nicht nur anfechtbar, sondern
nichtig. Außerdem würden die Entsenderechte nach § 47 ff. BetrVG als
eigenständige Rechte der örtlichen Betriebsräte außer Kraft gesetzt. Er habe
außerdem einen Leistungsantrag gestellt und insoweit einen Anspruch darauf,
dass der Arbeitgeber es unterlasse, ihn anders zu behandeln, als es das
Betriebsverfassungsgesetz vorsehe.
Die Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) beantragen jeweils,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2007 - 17
BV 216/06 – abzuändern und festzustellen, dass der Tarifvertrag über die
Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der
F sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrats F (GBR) vom 29. Nov. 2005
rechtsunwirksam ist.
Der Beteiligte zu 1) beantragt außerdem,
„der Antragsgegnerin“ zu untersagen, den angegriffenen Tarifvertrag vom 29.
Nov. 2005 auf ihn anzuwenden. Der Beteiligte zu 14) beantragt hilfsweise zu
seinem Hauptantrag,
die Beteiligten zu 2) und 3) zu verpflichten, es zu unterlassen, den genannten
Tarifvertrag auf ihn anzuwenden.
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Der Beteiligte zu 15) beantragt zu seinem Hauptantrag,
die „Antragsgegnerin“ zu verpflichten, es zu unterlassen, den genannten
Tarifvertrag auf ihn anzuwenden.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) und 6) bis 13) beantragen,
die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 4) widerspricht der Antragserweiterung in der Beschwerdeinstanz
und sieht bei keiner der Beschwerdeführer eine betriebsverfassungsrechtliche
Betroffenheit, so dass das Arbeitsgericht deren Antragsbefugnis zu Recht verneint
habe. Sie fehle dem Beteiligten zu 1), weil dieser seine Legitimation weder aus
dem Betriebsverfassungsgesetz noch aus dem ZuordnungsTV ableiten könne. Die
Beteiligte zu 5) sei ebenfalls nicht antragsbefugt, weil das von ihr angenommene
Konsensualprinzip für Tarifverträge nach § 3 BetrVG nicht bestünde. Zumindest für
den Bereich der Beteiligten zu 2) habe die Beteiligte zu 5) die Tarifzuständigkeit
der Beteiligten zu 4) in dem am 16. Jan. 2007 beim DGB-Bundesvorstand
durchgeführten Vermittlungsverfahren anerkannt. Auch die Beteiligten zu 14) und
15) seien nicht antragsbefugt, da ihr Bestand nicht berührt sei, sondern nur das
Entsendungsrecht in den Gesamtbetriebsrat. Nach den Erfahrungsberichten der
Betriebsräte werde durch den ZuordnungsTV eine sachgerechte Vertretung der
Arbeitnehmerinteressen bei stabilen Betriebsratsstrukturen ermöglicht.
Die Beteiligten zu 2), 3) und 6) bis 13) vertreten zudem die Auffassung, die
erweiterten Anträge der Beteiligten zu 1), 14) und 15) stellten lediglich eine
Umformulierung der bisherigen Anträge dar. Der ZuordnungsTV habe erst die
Voraussetzungen für den Bestand der Beteiligten zu 1), 14) und 15) geschaffen.
Ihre Anträge seien nicht nachvollziehbar, denn die von ihnen angegriffenen
Tarifnormen seien die Grundlage für ihre Existenz. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer sei der ZuordnungsTV keinesfalls nichtig, da für eine
offensichtliche Unwirksamkeit jeglicher Ansatz fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die
Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 8. Nov. 2007
verwiesen.
II.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1), 5), 14) und 15) sind statthaft und zulässig.
In der Sache haben die Beschwerden jedoch weder hinsichtlich der
übereinstimmenden Feststellungsanträge noch hinsichtlich der
Unterlassungsanträge der Beteiligten zu 1, 14) und 15) Erfolg.
Die Anträge der Beteiligten zu 1), 14) und 15) sind in der richtigen Verfahrensart
gestellt. Streitigkeiten zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern über die
Rechtswirksamkeit einer vom Betriebsverfassungsgesetz abweichenden
Tarifvertragsregelung nach § 3 BetrVG entscheiden nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
in Verb. mit § 80 ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen, da es sich um eine
Angelegenheit nach dem Betriebsverfassungsgesetz handelt.
Der Beteiligte zu 1) ist trotz erfolgreicher Wahlanfechtung und erfolgter Neuwahlen
Funktionsnachfolger des ursprünglichen Antragstellers. Wird vor Ablauf der
Amtszeit eines Betriebsrats, solange noch nicht rechtskräftig über eine erfolgte
Wahlanfechtung entschieden ist, ein neuer Betriebsrat gewählt, so schließt sich
dessen Amtszeit gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BetrVG unmittelbar an die
Amtszeit des bisherigen Betriebsrats an. Nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge
und dem Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher
Interessenvertretung wird der neue Betriebsrat Funktionsnachfolger seines
Vorgängers (BAG Beschluss vom 24. Okt. 2001 - 7 ABR 20/00 - EzA § 22 BetrVG
1972 Nr. 2). Auch nach erneuter erfolgreicher Anfechtung war die Amtszeit des
Beteiligten zu 1) zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht
beendet.
Die Betriebsvertretungen, die durch die tarifvertragliche Regelung nach § 3 BetrVG
betroffen sind, weil die Wahlbezirke der Betriebsräte neu geregelt worden sind,
oder weil Bereichsbetriebsräte gebildet werden, wodurch die Kompetenzen der
Betriebsräte geschmälert werden könnten, sind in einer eigenen
betriebsverfassungsrechtlichen Position betroffen und deshalb antragsbefugt (vgl.
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betriebsverfassungsrechtlichen Position betroffen und deshalb antragsbefugt (vgl.
Richardi, BetrVG, 10. Aufl., § 3 Rz. 94).
Eine Beteiligung sämtlicher betroffener Betriebsräte, Bereichsbetriebsräte und
Gesamtbetriebsräte findet nicht statt, weil eine § 9 TVG entsprechende
Bindungswirkung nicht gegeben ist. Die (subjektive) Rechtskraft eines nach dem
Amtsermittlungsgrundsatz durchgeführten Beschlussverfahrens soll zwar um der
Einheitlichkeit der Beurteilung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtslage willen
und aus Gründen der Prozessökonomie möglichst weit erstreckt werden. Eine
unnötige, durch keinen erkennbaren sachlichen Grund geforderte Erweiterung der
im Verfahren zu hörenden Stellen soll aber nicht herbeigeführt werden. Ansonsten
besäße das Erfordernis des Beteiligtseins mit Blick auf die unterschiedlichen
Vertretungsorgane nach dem Betriebsverfassungsgesetz keine
Begrenzungsfunktion. Vielmehr wären an einem Verfahren über die Zuordnung
einzelner Betriebe unabhängig davon, durch wen es eingeleitet wurde, stets
sämtliche örtlichen Betriebsräte, der Gesamt- und gegebenenfalls der
Konzernbetriebsrat zu beteiligen (vgl. BAG Beschluss vom 28.03.2006 - 1 ABR
59/04 - AP Nr. 128 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Die antragstellenden
Betriebsräte sind keine Prozessstandschafter für alle Vertretungsorgane. Sie
machen eine § 3 BetrVG widersprechende Zuordnung jeweils für ihre Betriebe
geltend. Nicht jeder Betriebsrat ist von der Bildung eines gemeinsamen
Gesamtbetriebsrats und von Bereichsvertretungen gleich betroffen. Eine
Entscheidung schaffte dementsprechend keine gleichförmige Bindungswirkung für
alle Betriebsräte der durch den ZuordnungsTV geregelten Zuordnungen.
Die Feststellungsanträge sind nicht begründet, weil diese als sog. Globalanträge
unbegründet sind. Sie sind zwar hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO. Sie beziehen sich einschränkungslos auf den gesamten Tarifvertrag.
Derartige Globalanträge, die auch in Form von Feststellungsanträgen gestellt
werden können (BAG Beschluss vom 7. April 2004 - 7 ABR 35/03 - AP § 95 SGB IX
Nr. 2; BAG Beschluss vom 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - BAGE 101, 232 = AP ZA-
Nato-Truppenstatut Art. 56 Nr. 23, zu B II 1 der Gründe) genügen dem
Bestimmtheitserfordernis, weil sie die gesamte Regelung erfassen und deshalb
nichts unbestimmt lassen. Ob die Regelung insgesamt unwirksam ist, ist eine
Frage der Begründetheit des Antrages (BAG in st. Rspr., etwa Beschluss vom 18.
September 1991 - 7 ABR 63/90 - AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 40 = EzA BetrVG 1972 §
40 Nr. 67, zu B III 1 und 2 der Gründe). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass
sämtliche im ZuordnungsTV geregelten betrieblichen Zuordnungen gegen § 3
BetrVG verstoßen oder evtl. unwirksame Einzelregelungen entspr. § 139 BGB zur
Gesamtunwirksamkeit des ZuordnungsTV führen. Überwiegend wird
angenommen, dass bei Unwirksamkeit einzelner Tarifbestimmungen wegen
Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung nur diese Klauseln unwirksam sind.
Die Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung führt in der Regel entgegen der
Auslegungsregel des § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen
Vorschriften. Es kommt lediglich darauf an, ob der Tarifvertrag ohne die
unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung
dargestellt (BAG in stRspr., etwa Urteil vom 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - NZA
2007, 1439). Hier können die Regelungen über die Zuordnung der Betriebe
durchaus für sich gesehen Bestand haben, auch wenn z. B. die Regelung über den
gemeinsamen Gesamtbetriebsrat oder die Bereichsbetriebsräte unwirksam wäre.
Ein Verstoß der Regelungen des Tarifvertrages über die Zuordnung von Betrieben
und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereiches der F sowie über die Bildung
des Gesamtbetriebsrats F (GBR) vom 29. Nov. 2005 (Bl. 84 ff. d. A.) gegen § 3
Abs. 1 BetrVG kann indessen nicht festgestellt werden. Die Beteiligten zu 2), 3)
und 6) bis 13) haben vorgetragen, durch das Geschäftsmodell H mit seiner
branchen- und marktorientierten Organisation wäre es zu einer Vielzahl von
zusätzlichen kleinen Betrieben im Sinne des § 1 BetrVG häufig auch an einem
Standort gekommen, insbesondere die vier IBU-Zentralen und die … Center. Eine
solche Aufsplitterung der Arbeitnehmervertretungen sei einer effektiven
Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten nicht dienlich. Durch den
Zuordnungstarifvertrag sei die Bildung einheitlicher Betriebsratsgremien
ermöglicht worden. Inwiefern dies nicht den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1
BetrVG entspricht, vermag das Beschwerdegericht nicht zu erkennen, weil die
Zusammenlegung von Kleinbetrieben zwangsläufig zur Einschränkung von Nähe
zwischen Belegschaft und Vertretungsorgan führt. „Nähe“ ist jedoch kein
zwingendes Kriterium des § 3 BetrVG. Sind aber die Regelungen zu den
betrieblichen Zuordnungen, die für sich gesehen Bestand haben können, wirksam,
sind die Globalanträge bereits deshalb unbegründet.
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Kann nach alldem nicht festgestellt werden, dass der ZuordnungsTV unwirksam
ist, sind auch die auf Untersagung seiner Anwendung gerichteten Anträge
unbegründet.
III.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 5) ist ebenfalls unbegründet. Ihr Antrag ist
statthaft und zulässig. Es handelt sich in der Sache um eine Verbandsklage nach §
9 TVG. Danach können Tarifvertragsparteien – hier die in den Betrieben der
tarifvertragsschließenden Unternehmen vertretene Gewerkschaft X und diese
Unternehmen – Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Tarifvertrages
erheben (vgl. BAG Urteil vom 7. Nov. 1995 – 3 AZR 676/94 – EzA § 1 TVG
Betriebsnorm Nr. 1). § 9 TVG ermöglicht den Tarifvertragsparteien eine abstrakte
Feststellungsklage über den Inhalt einer Tarifnorm (BAG a.a.O.). Die
Verbandsklage ist zwar gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG im Urteilsverfahren zu
erheben. Es handelt sich nicht schon deshalb um eine Angelegenheit aus dem
Betriebsverfassungsgesetz nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, weil es sich um einen
Tarifvertrag über betriebsverfassungsrechtliche Fragen gemäß §§ 3 BetrVG, 1 TVG
handelt. Dass die Verbandsklage im betriebsverfassungsrechtlichen
Beschlussverfahren durchgeführt worden ist, hat das Beschwerdegericht jedoch
nicht zu prüfen. Das Rechtsmittelgericht prüft nach § 65 ArbGG nicht, ob die
Verfahrensart zulässig ist. § 65 ArbGG ist auch im betriebsverfassungsrechtlichen
Beschlussverfahren anzuwenden (vgl. BAG Beschluss vom 5. Mai 1992 - 1 ABR
1/92 - NZA 1992, 1089). Eine Ausnahme von der beschränkten
Prüfungskompetenz ist nicht gegeben, da keine/r der Beteiligten die unrichtige
Verfahrensart gerügt hat. Eine Missachtung der in §§ 48 ArbGG, 17 a GVG
geregelten Verfahrensgrundsätze kann nicht festgestellt werden.
Eine Beteiligung sämtlicher Normunterworfenen findet angesichts des Charakters
des Verfahrens als abstraktes Normenkontrollverfahren nicht statt (ebenso Hess.
LAG Beschluss vom 21. April 2005 – 9/5 TaBV 115/04 – Juris; Löwisch / Rieble TVG §
9 Rz. 35).
Eine Verbandsklage, also eine Klage zwischen Tarifvertragsparteien um die
Wirksamkeit eines Tarifvertrages, wird als Feststellungsklage für zulässig gehalten
(vgl. BAG Urteil vom 30. Mai 2001 - 4 AZR 387/00 – EzA § 256 ZPO Nr. 56; BAG
Urteil vom 3. Febr. 1998 – 4 AZR 513/87 – EzA § 4 TVG Druckindustrie Nr. 14; BAG
Urteil vom 11. Sept. 1991 – 4 AZR 71/91 – EzA § 1 TVG Durchführungspflicht Nr. 1;
Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 2 Rz. 12;
Wiedemann, TVG. 6. Aufl., § 1 Rz. 719).
Der ZuordnungsTV ist wirksam. Seine Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus einem
Verstoß gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit der
Beteiligten zu 5). Der bezeichnete Tarifvertrag ist insbesondere nicht deshalb
unwirksam, worauf die Beteiligte zu 5) abstellt, weil er nicht unter Einbeziehung der
Beteiligten zu 5) und damit nicht mit allen für das Unternehmen tarifzuständigen
Gewerkschaften abgeschlossen worden ist.
Die Rechtsfrage, wie die Tarifkollision zu lösen ist, ist in der Diskussion. Teilweise
wird angenommen, dass es im Bereich von Betriebsnormen und gemeinsamen
Einrichtungen keine Tarifkonkurrenz geben könne und das Prinzip des Vorrangs
stärkerer mitgliedschaftlicher Legitimation gelte (vgl. DKK-Trümmner, BetrVG, 10.
Aufl., § 3 Rz. 157; Löwisch/Rieble TVG, 2. Aufl., § 4 Rz. 151; Wiedemann-Wank, TVG,
7. Aufl., § 4 Rz. 299 e; umfassend Friese ZfA 2003, 237, 272 ff.), teilweise wird
angenommen, dass sämtliche einander widersprechende Regelungen unwirksam
seien (Annuß, NZA 2002, 290, 293). Andere meinen, dass bei mehreren für den
Betrieb oder das Unternehmen tarifzuständigen Gewerkschaften der Tarifvertrag
nur mit den Gewerkschaften einheitlich abgeschlossen werden könne (Däubler,
TVG, § 3 Rz. 76; Fitting, BetrVG. 23. Aufl., § 3 Rz. 16; GK-Kraft/Franzen, BetrVG, 8.
Aufl., Rz. 34; Teusch NZA 2007, 129). Nur so ließen sich die mit der Funktion des §
4 Abs. 2 TVG befriedigend nicht lösbaren Tarifkonkurrenzprobleme vermeiden.
Machten mehrere Gewerkschaften ihre Tarifzuständigkeit geltend, könne der
Tarifvertrag nur unter Einbeziehung aller tarifzuständigen Gewerkschaften
abgeschlossen werden (vgl. Fittung a.a.O.). Ein späterer mit einer anderen
Gewerkschaft abgeschlossener Tarifvertrag sei nach dem insoweit geltenden
Prioritätsprinzip unwirksam.
Das Gesetz verlangt indessen nicht, den Tarifvertrag mit allen für das
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Das Gesetz verlangt indessen nicht, den Tarifvertrag mit allen für das
Unternehmen tarifzuständigen Gewerkschaften einheitlich abzuschließen, wobei
generell der Gefahr begegnet werden sollte, dass die jeweiligen tarifpolitischen
Ordnungsvorstellungen zum Rechtsprinzip erhoben werden. Eine
„Zwangstarifgemeinschaft“ (DKK-Trümmner, a.a.O. Rz. 157 a) lässt sich mit Art. 9
Abs. 3 GG nicht vereinbaren, da die Tarifvertragsfreiheit auch die Willensfreiheit der
Gewerkschaften einschließt, sich in einer Tarifgemeinschaft zusammenzuschließen
(ebenso Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 – 9 TaBV 23/07 - Juris,
Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 7 ABR 70/07; Plander,
Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im
Deutschen Anwaltverein 2006, S. 969, 977). Es bestehen zudem keine
durchschlagenden Bedenken dagegen, dass es Tarifverträge mit unterschiedlichen
Regelungsinhalten geben kann, deren Geltungswirkung sich aus den Regelungen
über Tarifkonkurrenzen ergibt (ebenso Hess. LAG Urteil vom 13. Sept. 2007 – 9/5
Sa 411/07 – n.v.; Hess. LAG Beschluss vom 9. Aug. 2007 – 9 TaBV 23/07 - Juris,
Rechtsbeschwerde eingelegt unter dem Az. 7 ABR 70/07; DKK-Trümmner, a.a.O.
Rz. 157; dazu auch Teusch NZA 2007, 129). Da es insoweit keine Tarifpluralität
geben kann, weil wegen § 4 Abs. 2 TVG stets alle Arbeitnehmer im Betrieb erfasst
werden (Teusch NZA 2007, 129; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 248,
306), muss die Tarifkonkurrenz auf der Grundlage des Spezialitätsgrundsatzes
aufgelöst werden.
Die Meinung, dass nach Abschluss eines Tarifvertrages mit einer
verhandlungsbereiten Gewerkschaft ein Prioritätsprinzip gelte (etwa Fitting a.a.O.),
ist abzulehnen. Woraus sich das zitierte Prioritätsprinzip ableiten soll, ist nicht
ersichtlich. Es lässt sich dem Tarifvertragsgesetz nicht entnehmen. Einen Verstoß
gegen Art. 9 Abs. 3 GG stellt es auch dar, dass die mitgliederstärkste
Gewerkschaft das Abschlussprivileg erhalten soll. Für den Ausschluss einer
Gewerkschaft mit einer geringeren Mitgliederzahl gibt es keine tragfähige
Grundlage. Die Auffassung ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht in Einklang zu bringen,
abgesehen von dem Problem der Feststellung der jeweiligen Mitgliederzahl.
Letztendlich sah es auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 25.
Mai 2005 (- 7 ABR 10/04 - EzA § 47 BetrVG 2001 Nr. 3) hinsichtlich der Geltung
betriebsverfassungsrechtlicher Normen für unproblematisch an, dass der dort zu
beurteilende Tarifvertrag nicht von allen, sondern nur von der im Unternehmen
mehrheitlich vertretenen Gewerkschaft abgeschlossen worden ist. Nach § 3 Abs. 2
TVG komme es nur auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an, während die
der Arbeitnehmer ohne Bedeutung sei. Nichts anderes gilt für den Bereich des § 4
Abs. 2 TVG.
Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 V ArbGG nicht.
Die Rechtsbeschwerde ist für die Beteiligte zu 5) wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache zuzulassen, §§ 92 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, da die
entscheidungserhebliche Rechtsfrage, wie eine Tarifkonkurrenz im Rahmen des § 3
Abs. 1 BetrVG zu lösen ist, von allgemeinem Interesse und klärungsbedürftig ist.
Hinsichtlich der übrigen Beteiligten besteht für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde keine gesetzlich begründete Veranlassung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.