Urteil des LAG Hamm vom 17.06.2010

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Landesarbeitsgericht Hamm, 11 Sa 446/10
Datum:
17.06.2010
Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 Sa 446/10
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Münster, 2 Ca 2402/09
Normen:
Hochschulgesetz NW (HG NW) §§ 41 - 47, 9
Leitsätze:
Tätigkeit an der Hochschule als Studienkoordinator Mathematik u.
Informatik:
Kein Arbeitsverhältnis und Unbegründetheit der Befristungskontrollklage
bei "Beauftragung mit der Wahrnehmung von Aufgaben" auf der
Grundlage eines "öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art"
(Fortführung zu BAG 18.07.2007 - 5 AZR 854/06 - AP BGB § 611 Lehrer,
Dozenten Nr. 181 für hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit)
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster
vom 18.02.2010 - 2 Ca 2402/09 - wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten, ob der Kläger über den 30.09.2009 hinaus in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht.
2
Der am 27.09.1971 geborene Kläger besitzt den Abschluss für das Lehramt für die
Fächer Mathematik und Physik an Gymnasien.
3
Am 18.09.2007 schrieb die beklagte Hochschule für den Fachbereich 10 Mathematik
und Informatik die Stelle eines Studienkoordinators aus (Kopie Bl. 6 GA):
4
"
Studienkoordinator gesucht
5
Im Fachbereich Mathematik und Informatik der WWU M1 ist zum
nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle für eine/einen Wissenschaftliche
6
Mitarbeiterin / Wissenschaftlichen Mitarbeiter (Entgeltgruppe 13 TV-L) für die
Funktion einer/eines Studienkoordinatorin/Studienkoordinator mit einer
wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden 50 Minuten für zwei Jahre zu
besetzen. Die Finanzierung erfolgt aus Studienbeiträgen. Ein wesentlicher Teil
der Aufgaben der Stellinhaberin/des Stelleninhabers besteht in der Betreuung
der verschiedenen Bachelor- und Master-Studiengänge am Fachbereich
Mathematik und Informatik. Hierzu zählt, dass die Stelleninhaberin/der
Stelleinhaber vorhandene Studienkonzepte und Lehrangebote weiterentwickelt
und zu deren Qualitätsentwicklung beiträgt. Zudem gehören zum Stellenprofil
koordinierende Aufgaben, z.B. die modulübergreifende Abstimmung und
Dokumentation von Lehrangeboten und Prüfungen, die Beratung und
Information der Studierenden. Die Lehrverpflichtung beträgt 4 SWS.
…"
7
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 23.09.2007 (Bl. 7 GA). Die beklagte
Hochschule übermittelte dem Kläger ein zweiseitiges Formular "Antrag auf
Beschäftigung als Wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in im Angestelltenverhältnis". Der
Kläger füllte das Formular am 04.10.2007 aus und gab es an die Beklagte.
Zwischenzeitlich hatte ein Konkurrent vor dem Arbeitsgericht Münster eine
Konkurrentenklage erhoben (3 Ca 2169/07 - Eingang der Klage bei Gericht am
11.10.2007). Die Beklagte verpflichtete sich im Konkurrentenverfahren, die
ausgeschriebene Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss nicht zu besetzen. Unter dem
07.11.2007 schrieb die Beklagte an den Kläger (Bl. 10/11 GA):
8
"
Beauftragung mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Fachbereich 10 -
Mathematik und Informatik -
9
Sehr geehrter Herr D1. F1,
10
auf Vorschlag des Dekans des Fachbereichs 10 - Mathematik und Informatik -
beauftrage ich Sie für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis 31. März 2008 mit der
Wahrnehmung folgender Aufgaben:
11
- Studienberatung, insbesondere in den verschiedenen neuen Bachelor-
und Master-Studiengängen des Fachbereichs. Dies schließt ein, dass Sie
als Ansprechpartner für die Studierenden sowohl im Zusammenhang mit
den technischen Anforderungen in diesen Studiengängen als auch für die
Organisation des Studiums, die Kombination der vorgeschriebenen Module
und die Auswahl von geeigneten Tutorien und Seminaren zur Verfügung
stehen sowie das Anmeldeverfahren und die elektronische Erfassung
begleiten und Hilfestellung bei Problemen mit dem elektronischen System
geben
12
- Lehre im Umfang von 2 SWS nach Absprache mit dem Dekan des
Fachbereichs 10 - Mathematik und Informatik.
13
Bei dieser Beauftragung handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches
Dienstverhältnis besonderer Art.
14
Für die Wahrnehmung der obengenannten Aufgaben erhalten Sie eine
15
Vergütung in Anlehnung an TVL E-13.
Mit der Zahlung der Vertretungsvergütung sind alle Nebenkosten abgegolten.
16
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) in
Düsseldorf werde ich entsprechend informieren.
17
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe
Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur
Niederschrift bei der Rektorin der Westfälischen W1-Universität M1 unter der
oben angegebenen Anschrift einzulegen. Falls die Frist durch das Verschulden
eines von Ihnen Bevollmächtigten versäumt werden sollte, so wird Ihnen dies
zugerechnet.
18
Mit freundlichen Grüßen
19
Im Auftrag"
20
Verlängerungen wurden für die Zeiträume vom 01.04.2008 bis zum 31.03.2009 und vom
01.04.2009 bis zum 30.09.2009 mit entsprechenden Schreiben vom 11.03.2008 und
vom 17.02.2009 ausgesprochen. In beiden Schreiben befindet sich der Satz: "Bei dieser
Beauftragung handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer
Art". Beide Schreiben schließen mit einer "Rechtsbehelfsbelehrung". Wegen weiterer
Einzelheiten wird auf die eingereichten Kopien Bezug genommen (Bl. 12/13, 14/15 GA).
21
Die Klage ist am 21.10.2009 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangen.
22
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, es bestehe ein unwirksam befristetes
Arbeitsverhältnis. Für eine Tätigkeit im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnisses bestehe eine Rechtsgrundlage. Das Hochschulgesetz kenne kein
öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis.
23
Der Kläger hat beantragt,
24
festzustellen, dass er über den 30.09.2009 hinaus in einem unbefristeten
Arbeitsverhältnis als Wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der vollen tariflichen
Wochenarbeitszeit und einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 TV-L zur
Beklagten steht,
25
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Prozesses als Wissenschaftlichen Mitarbeiter mit der vollen tariflichen
Wochenarbeitszeit zu beschäftigen.
26
Die Beklagte hat beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass sie mit dem Kläger ein öffentlich-rechtliches
Dienstverhältnis eigener Art begründet habe. Befristungsregelungen wie im
Arbeitsverhältnis fänden keine Anwendung. Die jeweiligen Bestellungsschreiben seien
Verwaltungsakte, durch die eben kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei.
29
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.02.2010 als unbegründet
abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei zwischen den Parteien kein
Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Begründet sei ein besonderes öffentlich-
rechtliches Dienstverhältnis eigener Art, wie es an Hochschulen begründet werden
könne. Angesichts der Begründung des Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakte
seien die demgegenüber erhobenen Einwendungen des Klägers unbeachtlich.
30
Das Urteil ist dem Kläger am 05.03.2010 zugestellt worden. Der Kläger hat am
29.03.2010 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
31
Der Kläger wendet ein, entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts sei zwischen
den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Dies entspreche der
Ausschreibung vom 18.09.2007 und dem von ihm ausgefüllten Blanko-Antrag vom
04.10.2007. Beide Schriftstücke seien gerichtet auf eine Beschäftigung als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis. Er sei in gleicher Weise wie
ein vollzeitbeschäftigter Tarifangestellter in der Entgeltgruppe E13 TV-L vergütet
worden. Es seien nicht nur Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten-
und Arbeitslosenversicherung abgeführt worden sondern auch Beiträge zur
Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst. Er habe Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
und bezahlten Urlaub wie ein Tarifbeschäftigter erhalten (hierzu vorgelegte Kopien: Bl.
16 - 27 GA, u.a. Bezügemitteilung gültig ab 07.2009 / Krankmeldung / Urlaubsantrag /
Dienstreisegenehmigung). Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Begründung
eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses durch Verwaltungsakte rechtlich nicht
zulässig gewesen sei. Das HG NRW in der Fassung des sogenannten
Hochschulfreiheitsgesetzes vom 01.01.2007 kenne keine öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnisse besonderer Art. In § 39 Abs. 2 Satz 2 HG NRW und in § 44 Abs. 3
HG NRW sei für die Professurvertretung und für Beschäftigung von Lehrbeauftragten
ausdrücklich festgehalten, dass keine Dienstverhältnisse begründet würden, sondern
öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse eigener Art. Andere öffentlich-rechtliche
Rechtsverhältnisse außerhalb des Beamtenverhältnisses und des Arbeitsverhältnisses
sehe das Hochschulrecht des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vor. Seine
Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses anderer Art sei durch
das HG NRW nicht gestattet. § 59 Abs. 3 Satz 1 HG NRW sehe für die Gruppe der
Wissenschaftlichen Mitarbeiter entweder die Beschäftigung im Beamtenverhältnis oder
die Beschäftigung in einem privat-rechtlichen Dienstverhältnis (Angestelltenverhältnis)
vor. Es herrsche Typenzwang. Das Arbeitsgericht habe sich nicht damit auseinander
gesetzt, dass die Beklagte die Beschäftigung wie in einem Arbeitsverhältnis gelebt
habe. Insbesondere habe die Beklagte auch Beiträge zur Zusatzversorgung im
öffentlichen Dienst bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder entrichtet
(VBL). Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes sei an das Vorhandensein eines
Arbeitsverhältnisses geknüpft. Auch nach Beendigung seiner Beschäftigung sei ein
Nachfolger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eingestellt worden (Kopie der
entsprechenden Ausschreibung: Bl. 27 GA). Die Beklagte habe ihn genauso
beschäftigen wollen wie einen Angestellten. Er habe weisungsabhängig und sozial
abgesichert sein sollen. Inhalt des Beschäftigungsverhältnisses sei ein Arbeitsverhältnis
gewesen. Lediglich die äußere Form habe nicht einem Arbeitsverhältnis entsprochen.
Es sei der Beklagten verwehrt, sich von den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften zu
befreien, das Dienstverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis zu leben und durchzuführen und
es nur anders zu benennen. Der Wille der Beklagten habe sich nicht auf den Inhalt ihrer
Erklärung sondern lediglich auf die Rechtsfolge bezogen. Seine Beauftragung in der
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scheinbaren Form des öffentlichen Rechts sei rechtsmissbräuchlich. Mit dem Schreiben
vom 07.11.2007 habe die Beklagte seinen Antrag auf Beschäftigung als
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis vom 04.10.2007 angenommen.
Hilfsweise sei es so zu sehen, dass im Schreiben vom 07.11.2007 ein Angebot der
Beklagten auf Abschluss eines Arbeitsvertrages liege, welches er konkludent durch die
Aufnahme der Arbeit angenommen habe. Da ein Arbeitsverhältnis bestehe, sei die
Befristung mangels Schriftform undwirksam.
Der Kläger beantragt,
33
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 18.02.2010 - 2 Ca 2402/09 -
abzuändern und
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festzustellen, dass der Kläger über den 30.09.2009 hinaus in einem
unbefristeten Arbeitsverhältnis als Wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der vollen
tariflichen Wochenarbeitszeit und einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 13
TV-L zur Beklagten stehe sowie
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Prozesses als Wissenschaftlichen Mitarbeiter mit der vollen tariflichen
Wochenarbeitszeit zu beschäftigen.
36
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
38
Die beklagte Hochschule verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Dem Kläger sei die
Stelle eines Studienkoordinators nicht in einem befristeten oder unbefristeten
Angestelltenverhältnis übertragen worden. Er sei in einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis eigener Art tätig geworden. So habe es auch die 17. Kammer des
Landesarbeitsgerichts Hamm im Berufungsurteil zur Klage des Konkurrenten des
Klägers gesehen (LAG Hamm 09.10.2008 - 17 Sa 927/08 -, Kopie dieses Urteils Bl. 91
ff. GA). Ihr Schreiben an den Kläger vom 17.02.2009 enthalte kein Angebot im Sinne
des § 145 BGB auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages. Vom Horizont eines
verständigen Empfängers sei diesem Schreiben nicht zu entnehmen, dass die
Wirksamkeit der Übertragung der Aufgaben eines Studienkoordinators von einer
Annahme des Angebotes durch den Kläger abhängen solle. Der Wortlaut mache
vielmehr deutlich, dass sie einseitig habe handeln wollen und keinen Vertrag habe
abschließen wollen. Hinzu trete die Klarstellung im Schreiben vom 17.02.2009, dass es
sich um ein "öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art" handele. Auch die
erteilte Rechtsbehelfsbelehrung spreche für einen Verwaltungsakt und gegen ein
Vertragsangebot. Die vom Kläger angeführten Einzelheiten der weiteren Abwicklung
führten zu keinem anderen Ergebnis. Mit der Beauftragung des Klägers zur
vorübergehenden Wahrnehmung der Aufgaben eines Studienkoordinators sei ein
öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art begründet worden. Es sei in der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass Hochschulen neben
Beamten- und Arbeitsverhältnissen auch derartige öffentlich-rechtliche
Dienstverhältnisse begründen könnten. Das aktuelle Hochschulrecht des Landes NRW
stehe dem nicht entgegen. Zwar sehe § 44 Abs. 3 Satz 1 HG NRW vor, dass
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten im
Beamtenverhältnis oder im privat-rechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt werden
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könnten. Diese Kann-Vorschrift schließe aber die vorübergehende Beauftragung im
Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses besonderer Art nicht aus.
Einen numerus clausus der Rechtsform der im öffentlichen Dienst zulässigen
Dienstverhältnisse gebe es nicht, wie sie bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom
11.12.2009 ausgeführt habe (Bl. 38 ff. GA - dort insbesondere unter Hinweis auf die
Kategorie der vorübergehend Tätigen im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 1 HG NRW). Selbst
wenn die Beauftragung des Klägers durch Verwaltungsakte wegen fehlender
Rechtsgrundlage unwirksam sein sollte, stehe der Kläger jedenfalls nicht in einem
Arbeitsverhältnis. Begründe eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ein
Dienstverhältnis öffentlich-rechtlich und nicht privat-rechtlich, so bleibe es auch bei einer
fehlerhaften Begründung öffentlich-rechtlicher Natur. Die Gerichte aller Rechtszweige
seien an das Bestehen und den Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten, selbst wenn
sie rechtswidrig seien, gebunden, soweit ihnen nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt
sei (sogenannte Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten). Der Verwaltungsakt der
Beauftragung sei nicht nichtig im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG NW. Weder Bundes-
noch Landesrecht schließe die vorübergehende Übertragung von Aufgaben eines
Studienkoordinators im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses
eigener Art eindeutig aus. Zudem könne auch ein nichtiges Beamtenverhältnis nicht
gemäß § 140 BGB in ein Arbeitsverhältnis umgedeutet werden (BAG 18.07.2007 - 5
AZR 854/06 -; BAG 13.07.2005 - 5 AZR 435/04 - ).
Entscheidungsgründe
40
Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig und form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden, §§ 8 Abs.2, 64 Abs.1, Abs. 2 c, 66 Abs.1, 64 Abs.6 ArbGG, 519,
520 ZPO. Die Berufung bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das
Arbeitsgericht erkannt, dass durch die Beauftragungsschreiben der beklagten
Hochschule kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet worden ist, die
Befristungskontrollklage deshalb unbegründet ist und der Kläger keine
Weiterbeschäftigung als angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter beanspruchen kann.
Zutreffend hat sich das Arbeitsgericht dabei auf die einschlägige Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts bezogen (BAG 13.07.2005 – 5 AZR 435/04 – EzA BGB 2002 §
611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 5; BAG 18.07.2007 – 5 AZR 854/06 – AP BGB § 611
Lehrer, Dozenten Nr. 181).
41
1.
Arbeitsvertrag setzt gemäß §§ 611, 145 ff BGB den Austausch übereinstimmender
Willenserklärungen voraus, durch die der Arbeitnehmer die Leistung von Diensten
zusagt und der Arbeitgeber sich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Richtig ist, dass die Beklagte mit der Ausschreibung und der Aushändigung des
Formulars "Antrag auf Beschäftigung als wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in im
Angestelltenverhältnis" zunächst Schritte eingeleitet hatte, die auf den Abschluss eines
Arbeitsvertrages abzielten. Den eingeschlagenen Weg hat die beklagte Hochschule
jedoch verlassen. Sie hat im Nachgang zum "Antrag auf Beschäftigung" keinen
Arbeitsvertrag ausgefertigt. Weder die Beklagte noch der Kläger haben in der Folgezeit
eine Unterschrift geleistet oder eine Erklärung abgegeben, die den Abschluss eines
Arbeitsvertrages beinhalteten. Vielmehr hat die beklagte Hochschule dann an den
Kläger am 07.11.2007, am 11.03.2008 und am 17.02.2009 insgesamt drei
Beauftragungsschreiben gerichtet und darin jeweils mitgeteilt, dass es sich bei der
Beauftragung "um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis besonderer Art" handele.
Beigefügt war jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen "diesen Bescheid"
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Widerspruch erhoben werden könne (07.11.2007) bzw. wegen Abschaffung des
Widerspruchsverfahrens durch das Bürokratieabbaugesetz Klage bei dem
Verwaltungsgericht Münster erhoben werden könne (11.03.2008 u. 17.02.2009).
Angebot und Annahme zum Abschluss eines Arbeitsvertrages sind als privatrechtliche
Willenserklärungen einer Rechtskontrolle durch Widerspruch und Klage zum
Verwaltungsgericht nicht zugänglich. Durch die Wortwahl "öffentlich-rechtliches
Dienstverhältnis" und "Bescheid" sowie die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung ist
deutlich gemacht, dass ein Vertrag gerade nicht geschlossen werden sollte. Ein
verständiger Empfänger musste den Beauftragungsschreiben nach Form und Inhalt
entnehmen, dass die beklagte Hochschule durch Verwaltungsakt ein öffentlich-
rechtliches Rechtsverhältnis begründen und inhaltlich gestalten wollte.
Da die beklagte Hochschule eine vom Land getragene rechtsfähige Körperschaft des
öffentlichen Rechts ist (§ 2 Abs.1 HG NW), besitzt sie auch die Rechtsmacht,, öffentlich-
rechtliche Tätigkeitsverhältnisse zu begründen; an Hochschulen können neben
Beamtenverhältnissen und Arbeitsverhältnissen auch öffentlich-rechtliche
Dienstverhältnisse eigener Art begründet werden (BAG 18.07.2007 aaO Rn. 18, 19;
BAG 13.07.2005 aaO Rn. 19; BAG 25.02.2004 – 5 AZR 62/03 – AP HRG § 36 Nr. 1 Rn.
32; LAG Baden-Württemberg 29.07.2009 Rn. 35 – 38).
43
Der Annahme einer öffentlich-rechtlichen Grundlegung der Tätigkeit stehen Details der
nachfolgende Abwicklung nicht entgegen, weder die Zahlung einer Vergütung "in
Anlehnung an TVL E-13" noch die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl.
BAG 18.07.2007 aaO Rn. 16) noch die Gewährung von Urlaub und Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall oder die Anmeldung des Klägers zur VBL. Das sozial-
versicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis sind nicht
identisch, auch kann die sozialversicherungsrechtliche und sonstige Behandlung
unrichtig gewesen sein (vgl. BAG 18.07.2007 aaO Rn. 16).
44
Das Ergebnis bleibt: Ein Arbeitsverhältnis ist durch die Beauftragungsschreiben nicht
begründet worden.
45
2.
Hochschule sei mit einem hochschulrechtlich begründeten Typenzwang für
Dienstverhältnisse nicht vereinbar und deshalb rechtlich unzulässig gewesen. Selbst
wenn die Beauftragung durch Verwaltungsakt wegen fehlender Rechtsgrundlage
unwirksam oder nichtig sein sollte, stünde der Kläger nicht in einem Arbeitsverhältnis.
Entschließt sich eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein Dienstverhältnis
öffentlich-rechtlich zu begründen, bleibt es auch bei einer fehlerhaften Begründung
öffentlich rechtlicher Natur (BAG 18.07.2007 aaO Rn. 25). So kann auch ein nichtiges
Beamtenverhältnis nicht in ein Arbeitsverhältnis umgedeutet werden (BAG 18.07.2007
aaO Rn. 25).
46
3.
dass der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, unbegründet. Denn erste
Voraussetzung einer erfolgreichen Befristungskontrollklage nach § 17 TzBfG ist, dass
zwischen den Parteien des Rechtsstreits überhaupt ein Arbeitsverhältnis begründet
worden ist. Zugleich ist auch der aus der reklamierten Unwirksamkeit der Befristung
hergeleitete Antrag auf Weiterbeschäftigung als (angestellter) wissenschaftlicher
Mitarbeiter unbegründet.
47
4.
Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Da das Urteil des BAG vom 18.07.2007 eine
nebenberufliche Tätigkeit an der Hochschule betraf, hat die Kammer angesichts der
hauptberuflichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Klägers die Revision zum
Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 72 Abs. 2 Nr.1
ArbGG.
48