Urteil des LAG Düsseldorf vom 23.09.2004

LArbG Düsseldorf (Funktionszulage, Arbeitsgericht, Begriff, Vergütung, Tarifvertrag, Beendigung, Versetzung, Bestandteil, Leiter, Entzug)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Normen:
Sachgebiet:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 11 (10) Sa 1125/04
23.09.2004
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
11. Kammer
Urteil
11 (10) Sa 1125/04
Arbeitsgericht Solingen, 3 Ca 346/04
Ersatzkassen-Tarifvertrag (EKT) Anlage 5 (Tätigkeitsmerkmale) Verg.Gr.
9 Protokollnotiz Nr. 7
Arbeitsrecht
Die in Verg.Gr. 9 der Anlage 5 zum Ersatzkassen-Tarifvertrag (EKT) für
Bezirksgeschäftsführer von Bezirksgeschäftsstellen vorgesehene
Aufrückungszulage ist trotz verminderter Mitgliederzahl in einer
Bezirksgeschäftsstelle nur dann gemäß Abs. 4 der Protokollnotiz Nr. 7
der Anlage 5 zum EKT weiterzuzahlen, wenn diese
Bezirksgeschäftsstelle fortbesteht.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen
vom 02.06.2004 3 Ca 346/04 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
T A T B E S T A N D :
Der am 24.11.1948 geborene Kläger ist seit dem 03.10.1966 als Angestellter bei der
Beklagten beschäftigt. Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit finden die
Tarifverträge für die Ersatzkassen (EKT) Anwendung.
Seit 1977 leitete der Kläger, der inzwischen gemäß § 33 Abs. 1 des Manteltarifvertrages
zum EKT unkündbar ist, die Bezirksgeschäftsstelle der Beklagten in F.. In dieser Position
wurde der Kläger nach der Vergütungsgruppe (künftig: Verg.Gr.) 9 der Anlage 5 zum EKT,
in der die Tätigkeitsmerkmale für die Mitarbeiter der Kasse geregelt sind, vergütet.
Abschnitt A.1. Bezirksgeschäftsstellen lautet unter Ver.Gr. 8 bis Ver.Gr. 12 :
Tätigkeiten nach dem Grad der Schwierigkeit des Aufgabengebietes und der
damit verbunden Verantwortung .
Unter Ver.Gr. 9 heißt es:
Bezirksgeschäftsführer von Bezirksgeschäftsstellen bis 3000 Mitglieder 4)
Bezirksgeschäftsführer von Bezirksgeschäftsstellen von 1801 bis 3000 Mitglieder
erhalten zur Grundvergütung der Vergütungsgruppe 9 eine Zulage in Höhe der halben
Aufrückungszulage der Vergütungsgruppe 10 5)
Stellv. Bezirksgeschäftsführer in Bezirksgeschäftsstellen von 8001 bis 14000
Mitglieder 3)
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Stellv. Bezirksgeschäftsführer in Bezirksgeschäftsstellen von 11001 bis 14000
Mitglieder erhalten zur Grundvergütung der Vergütungsgruppe 9 eine Zulage in Höhe der
halben Aufrückungszulage der Vergütungsgruppe 10 5)
4) siehe Protokollnotiz Nr. 4, 5 und 6
5) siehe Protokollnotiz Nr. 7
3) siehe Protokollnotiz Nr. 3, 5 und 6
In den Protokollnotizen zu den Tätigkeitsmerkmalen (Anlage 5 EKT) - Abschnitt A.1
Bezirksgeschäftsstellen steht u. a.:
7) Zulagen für Bezirksgeschäftsführer und stellv. Bezirksgeschäftsführer
Erfolgt die Weiterbeschäftigung des Angestellten auf einem niedriger bewerteten
Arbeitsplatz, kommt eine Rückgruppierung nur um eine Vergütungsgruppe, bei
unkündbaren Angestellten gar nicht in Betracht. Im Falle einer Rückgruppierung
verdoppeln sich die Fristen gemäß § 32 EKT.
Zulagen für Bezirksgeschäftsführer und stellv. Bezirksgeschäftsführer
Zulagen für Bezirksgeschäftsführer und stellv. Bezirksgeschäftsführer werden
entsprechend der Größenordnung der BGStn (Mitgliederzahl) in Höhe der halben
Aufrückungszulage der jeweils nächsthöheren Vergütungsgruppe gezahlt.
Die Zulagen in Höhe der halben Aufrückungszulagen wird nur gezahlt, wenn die
Mitgliederzahl jeweils am Ersten von mindestens 6 aufeinanderfolgenden Monaten
überschritten wurde.
Die Zulage in Höhe der halben Aufrückungszulage entfällt, wenn die
Mitgliederzahl jeweils am Ersten von mindestens 6 aufeinanderfolgenden Monaten
unterschritten wurde. Entfällt demnach die Voraussetzung für den Anspruch, so endet die
Zahlung mit Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 32 EKT. Bei Aufgabe der Tätigkeit entfällt
die Zulage mit Ablauf des Monats, in dem die Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer/stellv.
Bezirksgeschäftsführer endet.
Von einem Wegfall der Zulage aufgrund der Verringerung der Mitgliederzahl wird
beim Bezirksgeschäftsführer und stellv. Bezirksgeschäftsführer abgesehen, wenn die
Verringerung der Mitgliederzahl aus organisatorischen Gründen (z. B. Ausgliederung für
eine neu zu errichtende Bezirksgeschäftsstelle) erfolgt und dem Bezirksgeschäftsführer und
stellv. Bezirksgeschäftsführer keine mindestens für die Zahlung der Zulage entsprechende
Bezirksgeschäftsstelle angeboten werden kann.
Die Zulage in Höhe der halben Aufrückungszulage ist kein Bestandteil der
Grundvergütung, sie ist jedoch ruhegehaltsfähig.
Bei Aufrückung in die nächsthöhere Vergütungsgruppe besteht lediglich ein
Anspruch auf die halbe Aufrückungszulage der nächsthöheren Vergütungsgruppe.
Nachdem die Beklagte im Rahmen weitgehender Umstrukturierungsmaßnahmen
entschieden hatte, die Geschäftsstelle F. spätestens zum 30.09.2003 zu schließen, bot sie
ihm im Frühjahr 2003 eine Versetzung in die Geschäftsstelle T. als stellv.
Bezirksgeschäftsstellenleiter an. Hiermit erklärte sich der Kläger einverstanden. Seine
Versetzung bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 23.04.2003. Hierin heißt es u. a.:
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Die BGSt 0532 T. betreut z. Zt. 5463 Mitglieder (Stand 03/2003). Entsprechend
den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 5 zum EKT entspricht die Stelle der
Vergütungsgruppe 8, zusätzlich wird eine Zulage in Höhe der halben Aufrückungszulage
zur Vergütungsgruppe 9 gezahlt.
Mit der anstehenden Schließung Ihrer derzeitigen Bezirksgeschäftsstelle 0558 F.
werden die Aufgaben auf Ihrem bisherigen Arbeitsplatz als Bezirksgeschäftsführer
entfallen. Mit dem Einsatz als stellvertretender Bezirksgeschäftsführer können wir Ihnen
leider keinen höher- oder gleichwertigen Arbeitsplatz, sondern nur einen niedriger
bewerten Arbeitsplatz anbieten.
Sie haben erklärt, dass Sie gemäß § 6 Absätze 3 und 9 Satz 1 Anlage 12 zum
EKT mit der Übertragung der o. g. Tätigkeit einverstanden sind. Ihre Einstufung in die
Vergütungsgruppe 9 bleibt gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Anlage 12 zum EKT unverändert, die
Zulage in Höhe der halben Aufrückungszulage zur Vergütungsgruppe 10 entfällt mit dem
31.05.2003. Aufgrund Ihrer - im Vergleich zu Ihrer zukünftigen Tätigkeit - höherwertigen
Einreihung in die Vergütungsgruppe 9 behalten wir uns vor, Sie im Rahmen der
Bestimmungen des § 10 Abs. 1 EKT auf einem freien mit der Vergütungsgruppe 9
bewerteten und geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen, wenn dies in der Zukunft möglich
sein sollte.
...
Dem Wegfall der halben Aufrückungszulage zur Vergütungsgruppe 10 mit Wirkung vom
01.06.2003 widersprach der Kläger mit Schreiben vom 24.09.2003 und verlangte zugleich,
diese Zulage weiterhin an ihn zu zahlen. Dies lehnte die Beklagte schriftlich am 30.09.2003
ab, indem sie darauf hinwies, dass die halbe Aufrückungszulage der Vergütungsgruppe 10
entfallen sei, weil der Kläger die Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer seit dem 01.06.2003
nicht mehr ausübe.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Solingen am 16.02.2004 eingereichten und der Beklagten
am 24.02.2004 zugestellten Klage begehrt der Kläger hauptsächlich die Feststellung, dass
die Beklagte verpflichtet sei, an ihn seit dem 01.06.2003 weiterhin monatlich die halbe
Aufrückungszulage der Vergütungsgruppe 10 zu zahlen. Für dieses Begehren stützt sich
der Kläger u. a. auf Absatz 3 des § 8 ( Umsetzung, Versetzung, Rückgruppierung ) der
Anlage 12 (Tarifvertrag über Rationalisierungsschutz) zum EKT. Dort heißt es:
Erfolgt die Weiterbeschäftigung des Angestellten auf einem niedriger bewerteten
Arbeitsplatz, kommt eine Rückgruppierung nur um eine Vergütungsgruppe, bei
unkündbaren Angestellten gar nicht in Betracht. Im Falle einer Rückgruppierung
verdoppeln sich die Fristen gemäß § 32 EKT.
Außerdem beruft sich der Kläger für sein Feststellungsverlangen auf § 3 Abs. 2 Satz 2 der
Dienstvereinbarung zur personalwirtschaftlichen Konzeption für den Stellenabbau (DVb-
Personalwirtschaftliche Maßnahmen) vom 30.03.1994. Diese Bestimmung lautet:
Für Entgelte, auf die zum Zeitpunkt der Durchführung der
Rationalisierungsmaßnahme ein Anspruch besteht und die aufgrund der Durchführung der
Rationalisierungsmaßnahme entfallen würden, gilt mit Ausnahme von Funktionszulagen
und Aufwandsentschädigungen für die von der Rationalisierungsmaßnahme betroffenen
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ein Besitzstand.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn seit 01.06.2003 eine
monatliche Aufrückungszulage in Höhe der halben Differenz von Vergütungsgruppe 9 zu
Vergütungsgruppe 10 der Anlage 5 EKT zu zahlen;
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die rückständigen
Bruttodifferenzbeträge mit 5 % über dem Basiszinssatz jeweils aus 106,85 € seit dem 15.
des Monats ab Juni 2003 zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit seinem am 02.06.2004 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen
und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger könne die von ihm begehrte Aufrückungszulage seit dem 01.06.2003 gemäß
Abs. 3 Satz 3 der Protokollnotiz Nr. 7 zur Verg.Gr. 9 der Anlage 5 zum EKT seit dem
01.06.2003 nicht mehr beanspruchen, da seine Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer einer
Bezirksgeschäftsstelle von 1801 bis 3000 Mitglieder mit dem 31.05.2003 geendet habe.
Dem stehe nicht etwa die Regelung in Abs. 4 der Protokollnotiz Nr. 7 entgegen. Denn der
dort vorgesehene Ausschluss des Wegfalls der Aufrückungszulage zugunsten eines
Bezirksgeschäftsführers aufgrund der Verringerung der Mitgliederzahl seiner
Bezirksgeschäftsstelle liege nicht vor, wenn diese geschlossen werde. Auch verstoße der
Wegfall der Aufrückungszulage nicht gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung vom
30.03.1994. Dabei könne dahinstehen, ob die Schließung der Bezirksgeschäftsstelle der
Beklagten in F. überhaupt unter die in § 1 der Dienstvereinbarung geregelten Sachverhalte
falle. Da die streitgegenständliche Zulage eine Funktionszulage darstelle, falle sie nicht
unter die in § 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung geregelte Besitzstandswahrung.
Gegen das ihm am 23.06.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 07.07.2004
beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit
einem am 11.08.2004 bei Gericht eingereichten Schriftsatz begründet.
Der Kläger macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im
Wesentlichen geltend:
Die Beklagte könne den Wegfall der von ihm begehrten Aufrückungszulage mit Wirkung
vom 01.06.2003 nicht auf Abs. 3 Satz 3 der Protokollnotiz Nr. 7 der Anlage 5 zum EKT
stützen. Die hierfür erforderliche Aufgabe der Tätigkeit verlange eine freiwillige
Entscheidung aus seiner Sphäre. Vorliegend gehe es aber um den Entzug seiner Tätigkeit
als Bezirksgeschäftsstellenleiter durch die Beklagte. Beim Entzug dieser Tätigkeit aufgrund
organisatorischer Maßnahmen sei aber ein Schutz erforderlich, der mit Absatz 4 der
Protokollnotiz Nr. 7 gewährt werden solle. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz greife
diese Regelung zu seinen Gunsten ein, da sich bei der Schließung einer
Bezirksgeschäftsstelle aufgrund organisatorischer Gründe durch Handeln des Arbeitgebers
die Mitgliederzahl auf Null verringere. Folge man dieser Auffassung nicht, könne er die ihm
bis zum 31.05.2003 gezahlte Aufrückungszulage für die Zeit danach jedenfalls gemäß § 8
Abs. 3 Satz 1 der Anlage 12 zum EKT verlangen. Fälschlicherweise habe das
Arbeitsgericht den dort erwähnten Begriff Rückgruppierung lediglich als Wechsel von einer
Vergütungsgruppe in die nächste Vergütungsgruppe verstanden. Auf die Besonderheiten
des EKT sei das Gericht nicht eingegangen. Durch die in den Vergütungsgruppen 9, 10, 11
und 12 vorgesehene Zahlung einer Zulage, die der jeweiligen hälftigen Differenz zur
nächsten Vergütungsgruppe entspräche, hätten die Tarifparteien
Zwischenvergütungsgruppen eingeführt. Der Begriff Rückgruppierung umfasse deshalb
auch den Wegfall einer solchen Zwischengruppe. Schließlich habe die Vorinstanz
verkannt, dass er sein Begehren auch auf § 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung vom
30.03.1994 stützen könne. Die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, die
Aufrückungszulage sei eine Funktionszulage i. S. dieser Vorschrift finde keine Stütze im
Wortlaut dieser Dienstvereinbarung. Diese werde nicht etwa deshalb gezahlt, weil bei
entsprechender Größe einer Bezirksgeschäftsstelle die Anforderungen an den
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Bezirksgeschäftsführer höher seien. Sie diene vielmehr dem Ansporn der
Mitgliederwerbung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 02.06.2004 - 3 Ca 346/04 -
aufzuheben und nach den erstinstanzlich gestellten Schlussanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom
02.06.2004 - 3 Ca 346/04 - zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung
ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:
Richtig habe die Vorinstanz erkannt, dass der Bestandsschutz nach § 8 Abs. 3 Satz 1 der
Anlage 12 zum EKT lediglich das Verbot einer Rückgruppierung erfasse, eine solche aber
im Streitfall nicht vorliege. Bei der streitgegenständlichen Aufrückungszulage handele es
sich um einen zusätzlichen Bestandteil der Vergütung, der zusätzlich zum Gehalt eines
Bezirksgeschäftsstellenleiters nach § 11 des Manteltarifvertrages zum EKT zu zahlen sei.
Aus diesem Grunde würde dieser Vergütungsbestandteil in tarifvertraglichen Regelungen
ausdrücklich gesondert erwähnt, weil er eben nicht automatisch Bestandteil der
Vergütungsgruppe sei. Richtig habe die Vorinstanz auch erkannt, dass sie den Wegfall der
streitbefangenen Aufrückungszulage auf Absatz 3 Satz 3 der Protokollnotiz Nr. 7 der
Anlage 5 zum EKT stützen könne. Zu der dort genannten Voraussetzung für den
Anspruchswegfall, nämlich Aufgabe der Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer, zähle auch
die Schließung bzw. das Aufhören mit etwas. Deshalb könne aus der Verwendung des
Wortes Aufgeben nicht der Schluss gezogen werden, dass die Regelung in Absatz 3 Satz 3
der Protokollnotiz Nr. 7 der Anlage 5 zum EKT nur im Falle der Beendigung der Tätigkeit
als Bezirksgeschäftsführer seitens des Arbeitnehmers Anwendung finde. Schließlich könne
sich der Kläger für sein Verlangen nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung vom
30.03.1994 stützen. Zum einen betreffe der Fall der Schließung der Bezirksgeschäftsstelle
F. nicht einen der in § 1 dieser Dienstvereinbarung geregelten Sachverhalte. Zum anderen
habe die Vorinstanz richtig erkannt, dass es sich bei der Aufrückungszulage um eine
Funktionszulage i. S. von § 3 Abs. 2 Satz 2 der vorerwähnten Dienstvereinbarung handele.
Eine Funktionszulage werde für eine besondere Funktion gewährt. Hierzu gehöre auch die
Leitung einer eine bestimmte Mitgliederzahl übersteigenden Bezirksgeschäftsstelle.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich
vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
A.
Die Berufung des Klägers, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist
unbegründet. Denn das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage des Klägers abgewiesen.
I. Allerdings ist das mit beiden Klageanträgen geltend gemachte Feststellungsverlangen
des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG
zulässig.
1. Die Parteien streiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines gegenwärtigen
Rechtsverhältnisses (§ 256 Abs. 1 ZPO), nicht lediglich über einzelne Elemente oder bloße
Vorfragen desselben. Zwar wird nicht das Arbeitsverhältnis als das zwischen den Parteien
bestehende Rechtsverhältnis insgesamt einer Klärung zugeführt. Doch fallen unter den
Begriff des Rechtsverhältnisses auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen einer solchen
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Rechtsbeziehung (BAG 26.07.2001 - 8 AZR 759/00 - EzA § 256 ZPO Nr. 55; BAG
18.02.2003 - 3 AZR 46/02 - AP Nr. 39 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk). Vorliegend
streiten die Parteien über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger nach § 611 Abs. 1
BGB ein bestimmtes Arbeitsentgelt, nämlich die sog. Aufrückungszulage, auch über den
31.05.2003 hinaus zu zahlen und eine hieraus folgende Verpflichtung der Beklagten,
Verzugszinsen zu leisten.
2. Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse daran, dass das Rechtsverhältnis durch
richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Zwischen den
Parteien sind die vom Kläger in beiden Feststellungsanträgen geltend gemachten
Ansprüche seit dem 01.06.2003 streitig.
II. Beide Feststellungsbegehren sind jedoch unbegründet.
1. Die Beklagte ist aufgrund keiner Rechtsgrundlage verpflichtet, an den Kläger seit dem
01.06.2003 monatlich eine Aufrückungszulage in Höhe der halben Differenz von Verg.Gr. 9
zur Verg.Gr. 10 der Anlage 5 zum EKT zu zahlen.
a) Die dem Kläger in seiner Funktion als Bezirksgeschäftsführer der Bezirksgeschäftsstelle
F. mit einer Mitgliederzahl von 1801 bis 3000 gemäß Verg.Gr. 9 der Anlage 5 zum EKT
zustehende Aufrückungszulage ist mit Wirkung vom 01.06.2003 gemäß Absatz 3 Satz 3 der
Protokollnotiz Nr. 7 zu dieser Anlage entfallen.
aa) Mit Ablauf des 31.05.2003 erfolgte die Aufgabe der Tätigkeit des Klägers als
Bezirksgeschäftsführer. Unter Aufgabe ist nach Brockhaus-Wahrig (Deutsches Wörterbuch
1997, Seite 203) u. a. sowohl die Beendigung bzw. Niederlegung eines Amtes bzw. des
Dienstes als auch die Schließung bzw. Auflösung eines Unternehmens oder Geschäftes zu
verstehen. Daraus folgt, dass es auf die Veranlassung für die Aufgabe i. S. der Beendigung
der Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer im Rahmen des Abs. 3 Satz 3 der Protokollnotiz Nr.
7 der Anlage 5 zum EKT nicht darauf ankommt, ob von Arbeitgeber- oder
Arbeitnehmerseite die Initiative zur Aufgabe der Tätigkeit als Bezirksgeschäftsführer
ausgeht.
bb) Dem Wegfall der vom Kläger seit dem 01.06.2003 weiterhin begehrten
Aufrückungszulage steht nicht etwa die Regelung in Absatz 4 der vorerwähnten
Protokollnotiz entgegen. Diese Regelung knüpft an diejenige in Absatz 3 Satz 1 der
Protokollnotiz Nr. 7 an. Danach entfällt die in den Verg.Gr. 8 bis 12 normierte und von der
Größenordnung der Bezirksgeschäftsstellen, nämlich deren Mitgliederzahl, abhängige
Aufrückungszulage, wenn die Mitgliederzahl jeweils am ersten von mindestens sechs
aufeinanderfolgenden Monaten unterschritten wurde. Hiervon sieht Absatz 4 Satz 1 der
Protokollnotiz Nr. 7 ausnahmsweise ab, falls die Verringerung der Mitgliederzahl aus
organisatorischen Gründen erfolgt und dem Bezirksgeschäftsführer keine mindestens für
die Zahlung der Zulage entsprechende Bezirksgeschäftsstelle angeboten werden kann.
Aus dem Zusammenhang zwischen Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 der Protokollnotiz Nr. 7 folgt
somit, dass beide Regelungen von dem Fortbestand der Bezirksgeschäftsstelle, deren
Mitgliederzahl sich vermindert hat, ausgehen. Bestätigt wird dies durch die Regelung in
Abs. 1 der Protokollnotiz Nr. 7, wonach Zulagen für Bezirksgeschäftsführer entsprechend
der Größenordnung der Bezirksgeschäftsstellen (Mitgliederzahl) in Höhe der halben
Aufrückungszulage der jeweils nächsthöheren Vergütungsgruppe gezahlt werden. Daraus
folgt ohne Weiteres, dass die Zahlung der vom Kläger weiterhin begehrten
Aufstockungszulage nach Verg.Gr. 9 der Anlage 5 zum EKT den Fortbestand der von ihm
geleiteten Bezirksgeschäftsstelle F. voraussetzt und der Kläger noch deren Leiter ist.
Beides ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Zum einen ist der Kläger seit dem 01.06.2003
nicht mehr Leiter der Bezirksgeschäftsstelle F.. Zum anderen ist diese
Bezirksgeschäftsstelle seit dem 01.10.2003 nicht mehr existent.
b) Der Kläger kann die streitbefangene Aufrückungszulage auch nicht aus
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§ 8 Abs. 3 Satz 1 der Anlage 12 zum EKT beanspruchen.
aa) Diese Vorschrift verbietet der Beklagten im Falle der Weiterbeschäftigung eines
Angestellten auf einem niedriger bewerteten Arbeitsplatz, wovon im Falle des Klägers
allerdings auszugehen ist, jegliche Rückgruppierung. Dieses Verbot hat die Beklagte
beachtet, da der Kläger in seiner von ihm ab dem 01.06.2003 ausgeübten Tätigkeit als
stellvertretender Bezirksgeschäftsführer der Bezirksgeschäftsstelle der Beklagten in T.
weiterhin nach der Verg.Gr. 9 der Anlage 5 zum EKT vergütet wird. Richtig hat die
Vorinstanz erkannt, dass der Wegfall der Aufrückungszulage seit dem 01.06.2003 gemäß
Abs. 3 Satz 3 Nr. 7 der Protokollnotiz nicht von dem Bestandsschutz des § 8 Abs. 3 Satz 1
der Anlage 12 zum EKT erfasst wird.
bb) Verwendet ein Tarifvertrag einen Begriff, der sich in einem Gesetz wiederfindet, ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien diesen im Sinne der
Gesetzesvorschrift gebraucht haben und nichts anderes verstanden wissen wollen (vgl.
zum Begriff des wichtigen Grundes i. S. von
§ 626 Abs. 1 BGB zuletzt wieder BAG 27.11.2003 - 2 AZR 601/02 - EzA § 626 BGB 2002
Krankheit Nr. 1). Der Begriff Rückgruppierung wird u. a. in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG
verwendet. Dort versteht man unter einer Rückgruppierung die Entlohnung bzw. Vergütung
aus einer niedrigeren Lohn- bzw. Vergütungsgruppe als der bisherigen, also die
Berichtigung einer zu hohen Eingruppierung. Voraussetzung ist die Übertragung einer
niedriger zu bewertenden Tätigkeit, so z. B. wenn der Arbeitgeber das Aufgabengebiet des
Beschäftigten verringert (vgl. BVerwG 17.04.1970 - VII P 8.69 - BVerwGE 35, 164, 167;
lbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl. 2004, § 75 Rz. 15). Dagegen ist der Widerruf oder die
Absenkung einer Zulage keine Rückgruppierung, da die Vergütungsgruppenzuordnung
hiervon unberührt bleibt (vgl. BVerwG 03.06.1977 - VII P 3.76 - PersV 1978, 247; VG
Potsdam 13.12.2000 - 16 K 4077/98.PVL-PersV 2001, 328, 329; Ilbertz/Widmaier, a. a. O.,
§ 75 Rz. 15).
c) Schließlich ist die Beklagte auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung
vom 30.03.1994 verpflichtet, dem Kläger seit dem 01.06.2003 die von ihm begehrte
Aufrückungszulage der Vergütungsgruppe 9 zu zahlen. Dabei lässt die Kammer, wie schon
das Arbeitsgericht dahinstehen, ob die Schließung der Bezirksgeschäftsstelle F. überhaupt
einen Sachverhalt darstellt, wie er von § 1 dieser Dienstvereinbarung als Voraussetzung für
ihre Anwendung gefordert wird. Denn jedenfalls stellt die streitbefangene
Aufrückungszulage eine Funktionszulage dar, die gerade von der Besitzstandsregelung in
§ 3 Abs. 2 Satz 2 der Dienstvereinbarung vom 30.03.1994 ausgenommen ist.
aa) Eine Funktionszulage ist Arbeitsentgelt für die Verrichtung von Arbeit in einer
bestimmten Funktion (BAG 17.04.1996 - 10 AZR 617/95 - NZA 1997, 324, 325). Die
Funktionszulage stellt eine Vergütung für eine herausgehobene Tätigkeit, die den
Tätigkeitsmerkmalen der nächsthöheren Vergütungsgruppe noch nicht entspricht, mit der
Grundvergütung der innegehabten Vergütungsgruppe jedoch nicht angemessen bezahlt ist,
dar (BAG 17.04.1996 - 10 AZR 617/95 - NZA 1997, 324, 325).
bb) Diese Bedeutung hat auch die hier in Rede stehende Aufrückungszulage. Sie wird
nämlich in den Verg.Gr. 8 bis 12 jeweils Bezirksgeschäftsführern von
Bezirksgeschäftsstellen mit einer Mitgliederzahl gewährt, die an die Mitgliederzahl grenzt,
ab der ein Bezirksgeschäftsführer nach der nächsthöheren Vergütungsgruppe bezahlt wird.
Die Aufrückungszulage soll somit einen Ausgleich dafür schaffen, dass sich insbesondere
die Verantwortung eines Bezirksgeschäftsführers mit zunehmender Mitgliederzahl erhöht,
diese aber noch nicht so hoch ist, dass es für die Vergütung nach der nächsthöheren
Vergütungsgruppe reicht. Dies hat der Kläger bzw. seine damalige Prozessbevollmächtigte
in erster Instanz selbst so gesehen. In der Klageschrift (Seite 3 unten) ist nämlich
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ausgeführt, mit der Aufrückungszulage solle die erhöhte Schwierigkeit und Verantwortung
vergütet werden . Soweit der Kläger bzw. seine zweitinstanzliche Prozessvertreterin
nunmehr in der Berufungsbegründungsschrift (Seite 9 vorletzter Absatz) meinen, die Größe
einer Bezirksgeschäftsstelle ist aber keine besondere Erschwernis und keine besondere
Anforderung und hierfür eine Auskunft der Tarifvertragsparteien verlangt, brauchte dem die
Kammer nicht nachzukommen. Denn subjektive Vorstellungen der Tarifvertragsparteien
sind nur dann zu berücksichtigen, wenn diese im Tarifwortlaut einen Niederschlag
gefunden haben (vgl. nur BAG 23.02.1994 - 4 AZR 224/93 - AP Nr. 2 zu § 1 Tarifverträge:
Kirchen m. w. N.). Das ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Tarifnorm, Verg.Gr. 9 der
Anlage 5 zum EKT, gerade nicht der Fall.
2. Da die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.06.2003 monatlich die von
ihm begehrte Aufrückungszulage zu zahlen, entfällt konsequenterweise auch eine
Verpflichtung zur Entrichtung von Zinsen auf seit dem 01.06.2003 nicht gezahlte
Aufrückungszulagen von monatlich 106,85 €.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.
Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die
Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann vom Kläger
REVISION
eingelegt werden.
Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Revision muss
innerhalb einer Notfrist von einem Monat
nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1,
99084 Erfurt,
Fax: (0361) 2636 - 2000
eingelegt werden.
Die Revision ist gleichzeitig oder
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils
schriftlich zu begründen.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem
deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
gez.: Dr. Vossen gez.: Novak gez.: Schmugge